1. Personalwechsel an der Führungsspitze
In der im April 1991 beginnenden Amtszeit Birgit Breuels blieb die THA bis zu ihrer Auflösung Ende 1994 entgegen früheren Darstellungen nicht unverändert bestehen, sondern wurde ständig umstrukturiert. Die Gründe dafür waren einerseits die anfängliche Ineffizienz der Behörde sowie andererseits veränderte und erweiterte Aufgabenstellungen. Dadurch wurden in den Jahren von 1991 bis 1994 ganze Vorstands- und Unternehmensbereiche immer wieder umstrukturiert bzw. aufgelöst. So kam beispielsweise seit Anfang 1992 der Bereich Vertragsmanagement als wesentliches Organisationselement der THA hinzu, der schließlich nahezu ein Drittel des Personals der Treuhandzentrale umfasste. Durch Umstrukturierungen wechselten auch häufig die Zuständigkeiten in den Vorstandsbereichen. Zudem wurden seit 1991/92 wesentliche Aufgaben der THA auf ausgegliederte GmbHs (Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Liegenschaften) aufgeteilt, was sich wiederum in der Organisationsstruktur und im Personalbestand niederschlug.
Nach der Ermordung Rohwedders am 1. April 1991 ernannte der Verwaltungsrat am 13. April Birgit Breuel zur Präsidentin der Treuhandanstalt. Nachdem sich das BMF frühzeitig für Breuel entschieden hatte, hielt das BMWi sie gleichfalls für eine optimale Wahl. Die gelernte Einzelhandelskauffrau hatte in Hamburg, Oxford und Genf Politikwissenschaft studiert. Seit 1966 CDU-Mitglied, gehörte sie von 1970 bis 1978 der Hamburgischen Bürgerschaft an. Im Kabinett des niedersächsischen Ministerpräsidenten Ernst Albrecht (CDU) war sie von 1978 bis 1986 Ministerin für Wirtschaft und Verkehr und danach bis 1990 Finanzministerin. Mit dem Regierungswechsel in Hannover nach der Landtagswahl vom Mai 1990 schied sie aus ihrem Amt aus. Seit dem 18. September 1990 war sie Mitglied des Vorstandes der THA mit der Zuständigkeit für die Treuhandniederlassungen.
In der niedersächsischen Landesregierung hatte sich Breuel den Ruf erarbeitet, der »beste Mann im Kabinett von Ernst Albrecht« zu sein. Tatsächlich war Breuel keine »Quotenfrau«, wie Vorstandsmitglied Klaus Schucht in einem Tagebucheintrag vom 21. Mai 1991 vermerkte, nachdem ihn der Verwaltungsratsvorsitzende Jens Odewald über seine ersten Eindrücke von seiner neuen Vorstandstätigkeit befragt hatte.
»Ich schildere meinen Eindruck, daß die Dinge doch jetzt sehr professionell ablaufen, erklärte ihm auch, daß ich Bewunderung für Frau Breuel hege, die sehr fleißig, umsichtig und auch mit Führungskraft begabt dies komplizierte Gebilde führt, ohne Frage, so gut, wie es ein Mann nicht besser tun könnte. Sie hat eine natürliche Begabung der Führung, ist keineswegs und wirkt keineswegs so schroff, wie ihr das nachgesagt wird. Sicherlich schmilzt niemand dahin in ihrem Charme. Das ist bei Führungskräften aber auch sehr selten der Fall.«
Während ihrer Amtszeit als Präsidentin bewies Breuel Mut, Entschlossenheit und die Fähigkeit, ihre Überzeugungen gegen Widerstände und Bedenken durchzusetzen. Fehlentscheidungen und Irrtümer bei der Privatisierung von DDR-Betrieben räumte sie allerdings ungern ein.
Breuel war seit 1983 Vorsitzende der Wirtschafts- und Mittelstandsvereinigung der CDU in Niedersachsen und galt als Verfechterin eines konsequent marktwirtschaftlichen Kurses. Ihren Ruf als Wirtschaftsliberale erarbeitete sie sich im Kabinett von Ernst Albrecht, nachdem sie in ihrem Ministerium ein »Privatisierungsreferat« eingerichtet hatte, das dafür sorgen sollte, die Staatsbeteiligungen an der Wirtschaft sowie die staatlichen Wirtschaftssubventionen in Niedersachsen zu reduzieren. Beispielhaft wurde dies bei der Privatisierung der Post und der Elektrizitätswirtschaft sowie beim letztlich gescheiterten Versuch, die Anteile des Landes Niedersachsen aus dem VW-Konzern und der Norddeutschen Landesbank herauszuziehen. Während ihrer Amtszeit als Ministerin schob sich Niedersachsen bei der Privatisierung von Staatsbetrieben bundesweit an die Spitze. Wegen ihrer Privatisierungserfahrungen in Niedersachsen hatte Rohwedder sie wohl in den Treuhandvorstand geholt. Als »Privatisierungsspezialistin« betrachtete sie die Subventionierung maroder Staatsbetriebe ebenso wie Rohwedder als unnötige Belastung des Staatshaushaltes. Die wirtschaftsliberale Leitidee, den Rückzug der öffentlichen Hand aus der Wirtschaft zu organisieren, begleitete Breuel während ihrer Tätigkeit als Präsidentin der THA, indem sie den Privatisierungsauftrag der Behörde ohne Selbstzweifel und gegen äußere und interne Widerstände vorantrieb.
Wie Klaus Schucht in seinem Tagebuch berichtete, gab es kaum privaten Kontakt zwischen der Präsidentin und den anderen Vorstandsmitgliedern. Die häufigen gemeinsamen Dienstreisen boten nur in seltenen Fällen Anlass zu rein persönlichen Gesprächen, wie Schucht über eine Flugreise von Berlin nach Brüssel festhielt:
»Hin- und Rückflug mit Frau Breuel geben Gelegenheit zu sehr persönlichen Gesprächen, was sonst eigentlich kaum je vorkommt. Wir arbeiten gut miteinander hier in Berlin, aber keiner kennt etwas vom anderen menschlich und privat. Sie bedauert das. Es liegt aber einmal natürlich an der Großstadt und der Anonymität, wie sie in Berlin immer gegeben ist, zum andern aber auch daran, daß es so gut wie keinen privaten Kontakt unter den Vorständen gibt, bei dem sich Kenntnis der Familienhintergründe dann ergeben würde.«
Mit der Ernennung Birgit Breuels zur Präsidentin musste eine geeignete Nachfolge für die Betreuung bzw. Koordinierung der Niederlassungen gefunden werden, die hauptsächlich mittelständische Unternehmen in ihrem Bestand führten. Sowohl das BMWi als auch das BMF favorisierten eine interne Lösung. »Ziel war es, einen der Opposition nahestehenden Unternehmer zu gewinnen.« Das gelang mit der Wahl von Wolf R. Klinz nur bedingt. Dieser gehörte seit dem 1. November 1990 dem Vorstand an. Der gebürtige Wiener war FDP-Mitglied und hatte Wirtschaftswissenschaften in Paris, Madrid und Berlin studiert. Bis Anfang der 1980er-Jahre war er als Projektleiter und dann auch als Partner bei McKinsey & Co. in London, Düsseldorf und Paris beschäftigt. Dort beriet er vor allem Industrie- und Handelsunternehmen mit den Schwerpunkten Unternehmens-, Produkt-/Marktstrategie, Organisation und internationales Management. Vor seinem Eintritt in den Vorstand der THA war er Geschäftsführer der Vereinigte Glaswerke (VEGLA) GmbH in Deutschland sowie Mitglied der Konzernleitung der Landis & Gyr AG in der Schweiz. Klinz gehörte zu jenen Vorstandsmitgliedern, die am längsten ihr Amt in der THA ausübten. Während seiner Amtszeit in der THA hatte Klinz den Vorsitz in der Handelskammer Deutschland – Schweiz und war zugleich Mitglied der Aufsichtsräte der IKB Industriebank AG Düsseldorf, der Deutschen Maschinen- und Schiffbau (DMS) GmbH Rostock sowie der DWA AG Berlin. Er verließ die Behörde zum 31. Oktober 1994.
Der Vorstand berief auf Vorschlag Birgit Breuels am 23. April 1991 den Hamburger Rechtsanwalt Wolfgang Mueller-Stöfen in das neu geschaffene Amt eines Generalbevollmächtigten der THA. Der Wirtschaftsjurist arbeitete bis April 1991 für die Düsseldorfer Anwaltssozietät Bruckhaus-Westrick-Stegemann, eine international tätige Wirtschaftskanzlei. Mueller-Stöfen hatte in Freiburg, Lausanne, München und Hamburg Rechtswissenschaften studiert und war anschließend u. a. für die New Yorker Wirtschaftskanzlei Sullivan & Cromwell tätig. Der Generalbevollmächtigte war direkt der Präsidentin unterstellt. Seine Aufgaben umfassten u. a. die Ausa...