Lampenfieber
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Lampenfieber

Handbuch für den erfolgreichen Auftritt. Grundlagen, Analyse, Maßnahmen

  1. 160 Seiten
  2. German
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  4. Über iOS und Android verfügbar
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Lampenfieber

Handbuch für den erfolgreichen Auftritt. Grundlagen, Analyse, Maßnahmen

Über dieses Buch

Lampenfieber verstehen und erfolgreich damit umgehen
Ein Auftritt steht bevor, eine Rede muss gehalten werden, das Publikum wartet gespannt – man spürt ein Prickeln, der Atem geht schneller, das Herz schlägt bis zum Hals … Mit derlei Anzeichen von Lampenfieber haben auftretende Künstler jeden Tag zu tun, in der Regel während ihres gesamten Berufslebens. Jedoch nicht nur künstlerisch Tätige, sondern auch Lehrer, Manager, Moderatoren, Politiker, Journalisten u. a. kennen Lampenfieber aus vielen beruflichen Situationen. Wie man mit seinem Lampenfieber umgehen kann, zeigt Claudia Spahn fundiert und anschaulich in diesem praktischen Handbuch.

  • Was ist Lampenfieber? Warum tritt es auf? Wie äußert es sich? Wie bekomme ich es in den Griff?
  • gut nachvollziehbare Erklärungen zum Lampenfieber, erweitert um Analyse und Maßnahmen
  • für Kreativschaffende in Theater, Film, Oper, aber auch für andere Berufe und Situationen
  • mit persönlichen Erfahrungen von z.B. Renée Fleming, Gerd Heinz, Gidon Kremer, Waltraud Meier u.a.
  • konkrete Übungen zum Warm-up, zur Aufrichtung, zur Bühnenpräsenz und zur Spannungsregulation


Ein menschliches Phänomen
Wichtig ist, Lampenfieber als ganz normales und sinnvolles menschliches Phänomen zu begreifen, mit dem man gut umgehen kann und das beim Auftritt, in einem wichtigen Gespräch, bei einer Rede und in vielen anderen Situationen in kreative Energie umgewandelt werden kann. In diesem Buch werden die gesellschaftlichen, individuellen und situativen Faktoren analysiert, die zur Entstehung von Lampenfieber beitragen. So hat sich z.B. im Bereich der darstellenden Künste (Musik, Musiktheater, Schauspiel, Tanz) durch Livestreams bzw. Live-Darbietungen die Ausübung des Berufs komplett gewandelt. Aber auch mentale Vorstellungswelten haben sich geändert, Verunsicherungen entstehen aus einem falschen Anspruchsdenken, möglichst fehlerfrei, "cool" oder perfekt zu sein. Hier bietet der Ratgeber Hilfe, sich damit kritisch auseinanderzusetzen. Keine "Angst vor der Angst"
Der Auftritt auf einer Bühne oder einem Podium ist immer eine Interaktion mit dem Publikum; man tritt zu diesem Publikum in eine Beziehung. Das kann ein besonderer, ein wunderbarer Moment werden – auch mithilfe ganz kleiner, aber hilfreicher Auftrittsrituale, die viele Musiker, Schauspieler und Tänzer pflegen. Also: Keine Angst – und auch keine "Angst vor der Angst", sondern aus der Anspannung eine positive Spannung machen! Von Claudia Spahn ist ebenfalls erschienen: "Musikergesundheit in der Praxis. Grundlagen, Prävention, Übungen"

Häufig gestellte Fragen

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Maßnahmen
Was kann ich im Umgang mit Lampenfieber erreichen?
Optimierung – Prävention – Therapie
Im Kapitel »Maßnahmen« steht das Ziel im Vordergrund, Wege zu finden, wie wir Lampenfieber so optimal gestalten können, dass es uns beim Auftritt hilft. Wenn wir uns die eingangs getroffene Definition von Lampenfieber nochmals in Erinnerung rufen (vgl. Kapitel »Grundlagen«, S. 9), so bedeutet dies, von den eigenen vorhandenen Erfahrungen mit Lampenfieber auszugehen, sie anzunehmen und mit ihnen zu arbeiten. Da Lampenfieber Teil unserer Person ist, bringt uns die Beschäftigung damit unweigerlich auch in Berührung mit uns selbst. Manche glauben, dass dies gefährlich sein könnte, da Lampenfieber erst entstehe oder zum Problem werde, wenn man sich damit befasst. Diese Befürchtung ist eng verwandt mit der Angst, über sich selbst nachzudenken. Es gibt sicher Situationen, in denen Selbstreflexion uns grundsätzlich zu sehr verunsichert und in denen wir unsere ganze Aufmerksamkeit auf die vor uns liegende Aufgabe richten sollten, z.B. kurz vor und während eines Auftritts. Mit Ausnahme dieser Situationen ist die Auseinandersetzung mit Lampenfieber und Auftritt jedoch als gewinnbringend einzustufen. Wer demnach ein spontanes Interesse am Thema Lampenfieber empfindet oder sich aus einem gewissen Leidensdruck heraus damit beschäftigen will, der kann dem getrost vertrauen und muss mit keinen gefährlichen Konsequenzen rechnen. Ein erster wichtiger Schritt für einen positiven Umgang mit Lampenfieber ist dann bereits getan, nämlich die Entscheidung, dem eigenen Gefühl zu vertrauen.
Optimierung bedeutet, das Optimum (von lat. optimum = das Beste), den günstigsten erreichbaren Zustand anzustreben. Das Lampenfieber ist dann optimal, wenn unsere Auftrittsleistung möglichst gut ist. Dabei ist es jedoch auch wichtig, wie wir den Auftritt erleben und wie unsere Bühnenleistung unter Berücksichtigung der Rahmenbedingungen und im Vergleich mit unseren bisherigen Auftrittserfahrungen einzuschätzen ist. Darüber hinaus ist Optimierung etymologisch dem Optimismus verwandt und drückt eine lebensbejahende Grundhaltung aus. Ursprünglich als metaphysisch-optimistische Idee, dass wir in der besten aller möglichen Welten leben, von Gottfried Wilhelm Leibniz (1646–1716) in dessen »Theodizee« geprägt, treffen wir ca. 300 Jahre später bei Aaron Antonovsky (1923–1994) wieder auf den Begriff Optimismus, und zwar an zentraler Stelle in dessen Konzept der Salutogenese. Antonovsky entwickelte eine Theorie, die besagt, welche Bedingungen unsere psychosoziale Gesundheit fördern und erhalten und stellt in diesem Zusammenhang eine optimistische Grundhaltung als wichtigen Faktor für Gesundheit dar. Er versteht darunter die Einstellung, »dass sich die Dinge so gut entwickeln werden, wie vernünftigerweise erwartet werden kann«. (Antonovsky, 1987) Gerade auch im Umgang mit Lampenfieber geht es darum, auf das »halb volle« und nicht auf das »halb leere« Glas zu schauen.
Für Menschen, deren Berufsrealität von Auftrittssituationen geprägt ist – wie Bühnenkünstler oder in der Öffentlichkeit stehende Personen –, ist eine bewusste Auseinandersetzung mit Lampenfieber notwendiger Teil der beruflichen Ausbildung und der Berufsrealität. Da der Auftritt das Herzstück jeder künstlerischen Tätigkeit darstellt, wäre es unprofessionell, wenn Künstler ihre Fertigkeiten für die Bühne jahrelang trainieren, den entscheidenden Moment der Darbietung auf der Bühne jedoch sich selbst überlassen würden. Im Sinne der Prävention von Auftrittsangst ist es für diese Berufsgruppen besonders wichtig, Maßnahmen zur Verfügung zu haben, mit denen sie auf Lampenfieber positiv einwirken können. Im Laufe der langen Berufskarriere profitiert jeder Künstler vom Wissen im Umgang damit.
Eine Behandlung bei einem Facharzt für Psychosomatische Medizin oder bei einem Psychologischen Psychotherapeuten ist dann notwendig, wenn die Diagnose Auftrittsangst zutrifft (vgl. S. 25f.). Vielleicht fragen Sie sich, ob bei Ihnen eine Auftrittsangst vorliegt oder ob Sie aus eigener Kraft Ihr Lampenfieber verbessern können. Für Ihre Selbsteinschätzung kann Ihnen als Anhaltspunkt der auf S. 27 beschriebene Unterschied zwischen Lampenfieber und Auftrittsangst helfen. Sollten Sie Auftrittssituationen nicht ohne Einnahme von Alkohol, Medikamenten oder Drogen bewältigen können, ist dies ein klares Kriterium dafür, sich in ärztliche Behandlung zu begeben. Sind Sie unsicher hinsichtlich Ihrer Einschätzung, ist eine diagnostische Abklärung zu empfehlen.
Für die spezifischen Belange in künstlerischen Berufen haben sich die Fächer Musikermedizin und Tanzmedizin (Exner-Grave, 2008; Simmel, 2009) in den letzten Jahren zunehmend etabliert. Hintergrund für diese Entwicklung ist die Tatsache, dass für die Diagnostik und Behandlung von Sängern, Sprechern, Schauspielern, Instrumentalisten und Tänzern spezifische Kompetenzen notwendig sind. Gerade bei der Entstehung von Auftrittsangst ist es aufgrund des breiten Hintergrunds (vgl. Kapitel »Grundlagen« und »Analyse«, S. 9ff. u. 33ff.) für eine Behandlung von Vorteil, wenn der Therapeut selbst über musikalische und sängerische Kompetenz und Bühnenkompetenz verfügt sowie auf institutioneller Ebene in die künstlerische Hochschulausbildung integriert ist und durch regelmäßige Zusammenarbeit die Strukturen von Theatern, Orchestern und Agenturen gut kennt.
Es gibt in Deutschland mittlerweile mehrere Institute für Musikermedizin, welche den Angehörigen künstlerischer Berufe wie Sängern, Instrumentalisten und Schauspielern sowie all denjenigen, die sich in ihrer Freizeit in diesen Sparten engagieren, mit ihren Ansprechpartnern zur Verfügung stehen. An einigen musikermedizinischen Instituten finden Sie Auftrittsangst als spezifischen Behandlungsschwerpunkt. An diese Institute können sich auch Personen anderer Berufsgruppen wegen Auftrittsangst wenden. Die musikermedizinischen Institute und weitere in der Diagnostik und Behandlung mit Musikern erfahrene niedergelassene Ärzte und Therapeuten finden Sie in der Deutschen Gesellschaft für Musikphysiologie und Musikermedizin (DGfMM) zusammengeschlossen. Eine Liste der Einrichtungen und Ansprechpartner findet sich auf der Website der DGfMM, www.dgfmm.org.
Die Behandlungskonzepte der Auftrittsangst sind in der Musikermedizin auch international seit Jahren erprobt (McGinnis und Milling, 2005; Kenny 2005; Möller u. Castringius, 2005; Spahn 2006, 2011b, 2011c), sodass die Prognose dafür, ein gesundes Lampenfieber zu erreichen, grundsätzlich positiv einzuschätzen ist. Am Freiburger Institut für Musikermedizin z. B. wird seit Jahren ein multimodales Behandlungsmodell zur Behandlung der Auftrittsangst eingesetzt, welches im Lehrbuch für Musikermedizin (Spahn et al., 2011b) ausführlicher beschrieben ist. Die therapeutische Behandlung der Auftrittsangst unterscheidet sich maßgeblich dadurch von der Eigenbeschäftigung mit Lampenfieber, dass der Behandler – in Kommunikation mit dem Patienten – die Behandlungsschritte festlegt und selbst Teil der Behandlung ist, während im anderen Fall die Beschäftigung mit Lampenfieber in Eigenverantwortung der betroffenen Person erfolgt.
Chancen und Grenzen
Neben der direkten Verbesserung des Lampenfiebers und der Auftrittsleistung birgt die aktive Auseinandersetzung mit dem Thema auch die Chance, die eigene künstlerische und persönliche Entwicklung zu fördern. Die Sopranistin Renée Fleming schreibt hierzu beispielhaft, dass die Analyse ihres Lampenfiebers den Beginn ihrer »eigentlichen Entwicklung« als Sängerin eingeleitet habe. In einem Interview mit der Kulturjournalistin Petra Gute im Herbst 2010 beschreibt sie im Rückblick ihre Erfahrungen mit Lampenfieber:
»[Gute:] Die Angst auf der Bühne, das allseits gefürchtete Lampenfieber – zu Beginn Ihrer Karriere war dieses Thema für Sie sehr präsent. Sie haben in den frühen neunziger Jahren sogar psychologische Seminare zur Bekämpfung von Lampenfieber besucht. Beschäftigt Sie das Problem auch heute noch?
[Fleming:] Diese Angst steht bei meinen Bühnenauftritten heute nicht mehr im Vordergrund. Aber das ist schon etwas, womit ich lange Jahre meines Lebens zu tun hatte. Nach meiner letzten schweren Lampenfieberphase habe ich mir einfach angewöhnt, immer bestmöglich vorbereitet zu sein, sowohl was meine mentale Konstitution als auch das motorische Gedächtnis meiner Stimme angeht; ich habe mir eigene Kontrollmechanismen erschaffen, um das Lampenfieber in den Griff zu bekommen und mich nicht mehr von ihm beherrschen zu lassen. Das war wirklich eine sehr schwierige Phase in meinem Leben und in meinem Berufsleben! Mittlerweile kann ich meine Bühnenauftritte zum Glück aus ganzem Herzen genießen. Ich glaube, das merkt man als Zuschauer auch, wenn man mich auf der Bühne erlebt: dass ich mich privilegiert und geehrt fühle, da oben stehen zu dürfen, dass es mir große Freude bereitet – und dass ich keine Angst mehr habe. Ich möchte meine Liebe zur Musik, meine Freude an ihr einfach nur mit meinem Publikum teilen. Wenn ich mein Lampenfieber nicht irgendwann in den Griff bekommen hätte, würde ich heute höchstwahrscheinlich gar nicht mehr singen. Ich habe mich bei jedem Bühnenauftritt wie bei einer Gerichtsverhandlung gefühlt – das ist wahrlich kein Spaß! Ich hätte sicher versucht, mich beruflich umzuorientieren, wenn das so weitergegangen wäre.« (Fleming, 2011, S. 271f.)
Die hier berichtete positive Erfahrung, die Angst des Lampenfiebers in Freude beim Auftritt zu verwandeln, ist ermutigend. Der Erfolg hat sich jedoch sicher nicht von selbst eingestellt. Dahinter steht eine nicht nachlassende Energie und Disziplin dieser Künstlerin, sich weiterzuentwickeln und zu verbessern.
Bei allem Optimismus müssen wir trotzdem realistisch bleiben und uns klar machen, dass den Zielen, die wir im Umgang mit unserem Lampenfieber erreichen können, natürliche Grenzen gesetzt sind. Die Formulierung »Optimierung des Lampenfiebers« macht bereits deutlich, dass es »nur« um die jeweils bestmögliche Lösung, nicht um einen Idealzustand gehen kann. Beim Umgang mit Lampenfieber können wir zu einer gewissen Stabilität gelangen, nicht jedoch einen perfekten Dauerzustand erreichen. Die Auftrittssituation behält in ihren vielen Komponenten eine gewisse Unberechenbarkeit, die sich nicht grundsätzlich beherrschen lässt. Es handelt sich vielmehr um einen Prozess, der offen bleibt für neue Erfahrungen.
Ziele im Umgang mit Lampenfieber
Für die persönliche Planung im Umgang mit Lampenfieber ist deshalb die Frage wichtig, was wir an unserem Lampenfieber verbessern wollen. Die Ziele sollten hierbei positiv formuliert werden, wie z. B.: »Ich möchte mehr innere Ruhe und Konzentration auf der Bühne erreichen.« Die positive Formulierung macht es im Unterschied zur defizitorientierten Aussage leichter, Ansatzpunkte für Maßnahmen und Veränderung zu finden.
Das Ziel »Ich möchte, dass das Zittern an den Händen auf dem Podium aufhört« ist wesentlich schwieriger in eine aktive Haltung umzusetzen als das Ziel »mehr Konzentration«. Eine Falle bei der Zielformulierung kann der eigene Perfektionsanspruch sein. Eine perfekte Kontrolle des Lampenfiebers und des Auftritts anzustreben, ist unrealistisch. Vielmehr sollten Ziele generell realistisch, konkret und naheliegend formuliert werden. Die Zielerwartung sollte die Vorerfahrungen und die Tatsache berücksichtigen, dass Veränderungen eher in kleinen Schritten erfolgen. Bei sehr vielen negativen Auftrittserfahrungen mit leistungsbeeinträchtigendem Lampenfieber ist eine schlagartige Verbesserung des Lampenfiebers durch eine bestimmte Maßnahme zwar nie auszuschließen, aber eher nicht zu erwarten. Es ist stärker motivationsfördernd, wenn wir uns auf kleine Fortschritte einstellen, die wir dann als Erfolge verbuchen können.
Ein wichtiges Ziel ist das Aufrechterhalten der positiven Seiten des Lampenfiebers über mehrere Auftritte hinweg. Hierdurch entsteht Auftrittssicherheit. In diesem Zusammenhang ist es entscheidend, sich auch die Frage zu stellen, welche Aspekte des Lampenfiebers und des Auftritts schon häufiger zufriedenstellend ausgefallen sind. Ein weiteres Ziel wäre dann, diese positiven Erfahrungen bewusst wahrzunehmen, sie zu stabilisieren und abrufbar zu machen. Da wir – zumindest im Bereich der künstlerischen Berufe (vgl. S. 54ff.) – zur Selbstkritik erzogen werden, fällt es gerade jüngeren Künstlern, die noch unsicher sind, oft schwer, etwas Positives am eigenen Auftreten zu finden oder zu formulieren. Wenn wir ernsthaft darüber nachdenken, fällt uns jedoch immer etwas Positives ein. Es ist wichtig, positive Ausgangspunkte zu finden, da diese quasi die Inseln bilden, von denen aus wir »neues Land erobern« und unser Lampenfieber verbessern können.
Wie kann ich mein Lampenfieber optimieren?
Grundeinstellungen zum Lampenfieber
Die Sonne und der Wind
Johann Gottfried von Herder
»Einst stritten sich die Sonne und der Wind, wer von ihnen beiden der Stärkere sei, und man wurde sich einig, derjenige sollte dafür gelten, der einen Wanderer, den sie eben vor sich sahen, am ersten nötigen würde, seinen Mantel abzulegen. Sogleich begann der Wind zu stürmen; Regen und Hagelschauer unterstützen ihn. Der arme Wanderer jammerte und zagte; aber immer fester wickelte er sich in seinen Mantel ein und setzte seinen Weg fort, so gut er konnte. Jetzt kam die Reihe an die Sonne. Mit milder und sanfter Glut ließ sie ihre Strahlen herabfallen. Himmel und Erde wurden heiter; die Lüfte erwärmten sich. Der Wanderer vermochte den Mantel nicht länger auf seinen Schultern zu erdulden. Er warf ihn ab und erquickte sich im Schatten eines Baumes, während die Sonne sich ihres Sieges erfreute. » (von Herder, 2002)
Diese kleine Geschichte soll ausdrücken, wie wichtig es für unsere Einstellung zu Lampenfieber ist, dass wir nicht dagegen vorgehen oder es beseitigen wollen, sondern es annehmen und für uns arbeiten lassen. Natürlich ist dies leicht, wenn wir uns im Großen und Ganzen bei Auftritten wohlfühlen. Wenn wir unter unserem Lampenfieber leiden, ist es schon viel schwieriger. Je stärker das Lampenfieber aber ist, umso wichtiger ist es, durch eine annehmende Haltung uns selbst gegenüber dafür zu sorgen, dass wir das Lampenfieber nicht weiter verschlimmern. Der erste wichtige Schritt wäre also, uns selbst mit unserem Lampenfieber – unabhängig davon, wie angenehm oder unangenehm wir es empfinden – zu akzeptieren. Hierbei hilft das Wissen darüber, dass es sich dabei nicht um eine krankhafte Erscheinung handelt, die nur einzelne betrifft, sondern im Gegenteil um ein evolutionsbiologisch wichtiges Programm, über das alle Menschen verfügen (vgl. Kapitel »Grundlagen« S. 20ff.). Wir sind demnach mit unserem Lampenfieber nicht allein, sondern in zahlreicher und guter Gesellschaft. Und wir wissen, dass Lampenfieber eine grundsätzlich sinnvolle Ausstattung des Menschen darstellt. Um unser persönliches Lampenfieber besser kennenzulernen und Ansatzpunkte für Veränderung zu finden, können wir es weiter erforschen. So kommt Neugierde ins Spiel, was es denn eigentlich für uns persönlich damit auf sich haben könnte. Wir fangen an, uns Fragen zu stellen und beginnen ein Selbstgespräch. Bildlich gesprochen verstehen wir die Ausprägung des Lampenfiebers dann als Ausdruck dessen, was uns als Person bewegt, und wir nutzen Lampenfieber als Gradmesser, quasi als Fieberthermometer. Gedanklich treten wir damit in ein Konzept der möglichen Veränderung ein, d.h. Lampenfieber reagiert auf innere und äußere Einflüsse, wird verstehbar und kann sich mit uns und je nach Situation verändern. Diese innere Haltung ist dann besonders wichtig, wenn sich negative Muster des Lampenfiebers fest etabliert haben. Wenn Lampenfieber veränderbar ist, so können wir damit experimentieren. Es handelt sich um einen weiteren Schritt, bei dem ein spielerischer Charakter im Umgang mit Lampenfieber hinzukommt. Experimentieren mit Lampenfieber heißt auch, dass wir selbst mitgestalten, indem wir konkrete Übungen und Verhaltensweisen einsetzen. Dies hilft uns, von der Position des Abhängigen in die Position des Handelnden zurückzugelangen. Hierbei sollte nun Kreativität zum Zuge kommen. Niemand kennt die für uns persönlich richtige Herangehensweise besser als wir selbst. Da die optimale Weise des Umgangs mit unserem Lampenfieber nirgends fertig abrufbar ist, müssen wir sie selbst herausfinden. Austausch mit Kollegen und Anregungen von Experten sind dabei hilfreich. In dieser Phase ist auch Geduld gefragt, denn wir müssen uns darauf einstellen, dass nicht alles gleich so klappt, wie wir es un...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titel
  3. Impressum
  4. Inhalt
  5. Vorwort
  6. Grundlagen
  7. Analyse
  8. Maßnahmen
  9. Übungen
  10. Interview mit Gerd Heinz
  11. Literaturverzeichnis
  12. Über die Autorin