Besser ein Vorurteil als gar keine Meinung
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Besser ein Vorurteil als gar keine Meinung

  1. 215 Seiten
  2. German
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Besser ein Vorurteil als gar keine Meinung

Über dieses Buch

Wer frei ist von Vorurteilen, werfe den ersten Stein! Dann doch lieber gleich das volle Bekenntnis, dass es sich mit Vorurteilen besser lebt. "Man unterschätze nicht den praktischen Wert eines Vorurteils. Denn ein Vorurteil ist wie ein Stadtplan von Chemnitz, mit dem man in Bremen den Weg zum Bahnhof findet." Der Satiriker Robert Niemann nimmt in seinen Glossen nicht nur alle möglichen Ressentiments aufs Korn, sondern ergründet die Psychologie des Vorurteils und entwirft ein ganzes System, wie ein Mensch dank seiner Vorurteile erfolgreich durchs Leben kommen kann.

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Information

Hauptsache, es ist Aloe Vera drin!
D ie Zahlen sprechen eine klare Sprache: 99,99 Prozent der Kinder in diesem Land wachsen auf, ohne jemals erstickt worden zu sein. Und das ist nur die Spitze des Eisbergs: Nach anderen frei erfundenen Statistiken hat jedes dritte Kind schon einmal keine Gummibärchen bekommen. Sechzig Prozent der Erstklässler müssen täglich Musik von Rolf Zuckowski hören, weitere achtzig Prozent bekommen zweimal die Woche als Hauptmahlzeit keinen Schokoriegel oder werden mit Rußpartikelfiltern nachgerüstet, die nicht funktionieren. Völlig zu Recht gehören Kindesmisshandlungen daher zu den Top-Trends unserer Zeit. Die potenziellen Anwender sind rasch ausgemacht: Es sind die Eltern. Diesen Personen ist grundsätzlich und von vornherein zu misstrauen. Wenn sie nichts im Schilde führen – warum schaffen sie sich dann Kinder an? Genauso gut könnte der Taliban vor der amerikanischen Botschaft behaupten, er habe die Panzerfaust rein zufällig dabei und außerdem wolle er sich damit nur eine Zigarette anzünden. Höhö, würde man doch da sofort denken, allenfalls die Zigarette danach!
Doch Kritik ist fehl am Platze. Denn was bleibt Eltern heutzutage anderes übrig? Machst du nicht mit, bist du schneller raus, als du denkst! Das geht zack, zack! Zwar gibt es schlimmere Trends, als seine Kinder zu misshandeln, etwa als männlicher Heranwachsender sich die Haare von ganz hinten in die Stirn kämmen oder wenn gestandene Journalisten plötzlich in jedem Beitrag auf Teufel komm raus das Wort »shitstorm« unterbringen wollen. Doch ganz gleich, ob in der Familie, beim Klamottenkauf oder im Freizeitverhalten – dem lässig mit der Schuhspitze wippenden Bruder Trend, dem Übervater Zeitgeist, der coolen Schwester Hipness entzieht man sich nicht ungestraft.
Artgerecht fördern!
W enn früher jemand erkannte, dass er beruflich nicht viel erreicht hatte und wohl auch nicht mehr erreichen würde, dann sagte er sich irgendwann: »Ich bin wohl einfach zu doof!«, holte sich eine Flasche Schnaps und schloss mit dieser und seinem Schicksal auf erfreulich unkomplizierte Weise Frieden. Auch heute sind die meisten einfach zu doof. Doch ausdrücken tun sie das so: Ich werde nicht genug gefördert.
Wenn Sie, liebe Leser, über Begabtenförderung nachdenken und in diesem Zusammenhang von Schwangeren lesen, die ihr ungeborenes Kind ab der zwanzigsten Woche Mozart hören lassen, mit ihm ab der dreißigsten die unregelmäßigen englischen Verben pauken und die in den Tagen vor der Niederkunft ausgewählte Fragen aus dem Physik-Leistungskurs des letzten Abiturjahrganges durchgehen, dann müssen auch Sie gewiss sofort denken: Viel zu spät! Denn wenn Begabtenförderung etwas bringen soll, dann muss sie beizeiten einsetzen, spätestens im Moment der Zeugung. So bringt ein Spermium, das sich auf dem Weg zur Eizelle an seinen Artgenossen mit dem Ruf: »Lassen Sie mich durch, ich werde Arzt!«, vorbeidrängelt, schon alle Voraussetzungen für einen steilen Aufstieg in die gesellschaftliche Elite mit. Da muss man was draus machen!
Doch selbst wenn man diese Art der Früherkennung für überzogen hält: Vor die Begabtenförderung hat der liebe Gott, über dessen Ausbildungsweg ja auch recht wenig bekannt ist, die Begabtenerkennung gesetzt. Eine Aufgabe, die naturgemäß zunächst einmal den Eltern zukommt. Sie bemerken die herausragende Intelligenz und besondere Begabung ihrer eigenen Kinder oft als Erste. Und tragischerweise oft auch als Einzige. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Die restliche Welt ist blind oder neidisch. Akademikerinnen zum Beispiel verschafft bereits die Art und Weise, wie ihr spät geborenes Einzelkind in die Windeln macht, Gewissheit darüber, dass es aber auch so was von begabt ist. Montags dreimal, dienstags einmal, dann viermal, dann wieder nur einmal … 3-1-4-1…3,141 – Wahnsinn: der kleine Prinz hat Pi gekackt, und das mit noch nicht einmal drei Monaten!
Die Chancengerechtigkeit gebietet es, dass man auf unterschiedliche Ausgangslagen auch unterschiedlich eingeht. Nicht jede Form der Förderung ist für jedermann gleichermaßen geeignet. Agiert man hier unsensibel und schematisch, dann verkümmert bei Begabten jedes Talent, und sie werden Kreisvorsitzender bei den Jungen Liberalen, während sich umgekehrt ein versehentlich geförderter Unbegabter am Ende gar zum Studium anmeldet! Das kann niemand wollen. Denn nach wie vor gilt: Schuster, bleib bei dem, was du dir leisten kannst! Artgerechte Förderung braucht das Instrument des Begabtenstipendiums ebenso wie das der Hauptschule – um es mit dem alten Platon zu sagen: suum cuique, oder für die in ihrer Jugend weniger Geförderten: Jedem das Seine.
Die Hauptgefahr bei der Begabtenförderung ist naturgemäß die, dass man Unbegabte mitfördert. Eine gruselige Vorstellung sowohl für die Förderer als auch für die Geförderten, die sich auf einer Stufe mit Kindern von Leuten wiederfinden, die sie eigentlich nur als Personal kennen. Wer einem kaum des Deutschen mächtigen Muskelklumpen das Begabtenstipendium des katholischen Cusanus-Werkes auf den nasenscheidewandgepiercten Schädel krachen lässt, der kriegt am Ende nicht etwa einen blitzgescheiten Alt-Testamentler, sondern einen blöden Bischof, der zugunsten seiner Ganzkörpertätowierung aufs Ornat verzichtet und den Beichtstuhl für einen Schrank mit geilen Schnitzereien hält.
Acht von zehn Akademikerkindern gehen auf die Uni, aber nur zwei von zehn Arbeiterkindern. (Wer jetzt einzuwerfen gedenkt, das besage gar nichts, schließlich gebe es ja auch immer weniger Arbeiterkinder, der hat sich damit erfolgreich für ein Hochbegabtenstipendium beworben!) Für die zuständige Bundesministerin Schavan sind diese Zahlen kein Indiz für irgendetwas. Auf der Homepage ihres Ministeriums findet man auch den tieferen Grund der Begabtenförderung. Denn die Frage stellt sich ja schon. Warum fördert man nun ausgerechnet Begabte und nicht, sagen wir mal, Karpfenangler oder Leute, die sich die Unterlippe über die Augen ziehen können? Beim BMBF, dem Bundesministerium für Begabung, pardon: Bildung und Forschung, heißt es: »Die Bundesregierung setzt auf das Beste, was wir in diesem Land haben: Engagierte Menschen, die ihre Talente und Fähigkeiten für Wirtschaft und Gesellschaft einsetzen.« Die Reihenfolge – erst Wirtschaft, dann Gesellschaft – fällt vielleicht nicht jedermann sofort auf; sie wird ja auch erst dann bedeutsam, wenn das eine dem anderen entgegensteht und man entscheiden muss, was nun Vorrang haben soll. Doch das ist naturgemäß nichts, wofür man im Schavanschen Ministerium zuständig wäre.
Was wäre bei Anwendung des Schavanschen Förderkonzeptes – die Wirtschaft zuerst – aus Mozart geworden? Nach der Lehre in der Patisserie seines Großonkels hätte er vielleicht nicht nur die Mozartkugel, sondern auch noch die Mozartriesen und, in einem Moment höchster Kreativität, sogar die Mozartlakritzschnecke erfinden können. Eine große Schokoladenfirma könnte Lindt & Mozartli heißen! So aber hat er nichts hinterlassen als ein paar Sinfonien und Arien, bei denen an vielen mittelgroßen Provinzbühnen gar nicht erst versucht wird, sie richtig zu singen. Überhaupt die Komponisten: Wären sie richtig gefördert worden, hätte der eine ohne weiteres nützliche Nahrungsmittel wie die Bachforelle und ein anderer die Wagner-Tiefkühlpizza erfinden können. Stattdessen Orgelmusik satt und endlose Opern, bei denen Menschen mit Tierfellen über den Schultern oder Plastik-Fischschwänzen an den Beinen »Weia! Waga! Woge, du Welle, walle zur Wiege! Wagalaweia!« singen müssen. Die Wirtschaft hat davon rein gar nichts.
Besondere Behutsamkeit muss beim Umgang mit Multibegabungen an den Tag gelegt werden. Jugendliche, die gar nicht wissen, für welches ihrer unzähligen Talente und Fähigkeiten sie sich entscheiden sollen. An dieser Stelle ist der Staat, ist die Gesellschaft gefragt. Jede größere Stadt sollte eine Agentur für Begabungen betreiben, in der junge Menschen von professionellen Begabungsberatern die verschiedenen Möglichkeiten aufgezeigt bekommen. Denn ein Land, das nicht optimale Bedingungen schafft für Charity-Ladies und deren Schönheitschirurgen, ein Land ohne Investmentbanker und deren Wirtschaftsanwälte wäre ein Land, in dem man nun wirklich nicht leben möchte, jedenfalls nicht als Charity-Lady, als Schönheitschirurg, als Investmentbanker und Wirtschaftsanwalt.
Zurück zur Samenzelle. Während unser zukünftiger Spitzenmediziner sich unter kräftigem Einsatz seiner naturgemäß noch winzigen Ellenbogen nach oben zappelt, ziehen andere es vor, auf dem Weg zur Eizelle lieber noch mit ihren Kumpels irgendwo abzuhängen oder gar schamlos anderen Eizellen hinterherzupfeifen. Machen wir uns nichts vor: Aus denen wird nie etwas, schon gar kein Talent und späterer Leistungsträger. Da können Sie fördern, wie Sie wollen.
Auswandern: Alles muss raus
D ie Zahl der Deutschen mit Emigrationshintergrund steigt stetig. Wer von seinem Heimatland die Schnauze voll hat, haut heutzutage einfach ab. Packt seine Habseligkeiten, kündigt den gut dotierten Vertrag mit der Agentur für Arbeit, verkauft den achtzehn Jahre alten Polo, setzt die Katze aus und die Oma bei Nacht und Nebel vor die Seniorenklappe – und ist weg.
Lieblingsauswanderungsziele sind die Schweiz und Österreich – Länder, die sich von Deutschland bekanntlich nur durch die gemeinsame Sprache unterscheiden und wo man mit bestimmten Qualifikationen wie zum Beispiel Krankenschwester, Hotelfachkraft oder Steuerflüchtling gern genommen wird. Kaum Zuzug haben dagegen unterentwickelte Gebiete wie Afghanistan zu verzeichnen, wo in den Krankenhäusern häufig eine Säge das einzige medizinische Gerät ist, es überhaupt am Notwendigsten fehlt, zum Beipsiel an Aprés-Ski-Parties mit DJ Ötzi, und man seine Kinder mangels Alternativen in der Freizeit zu den Jungen Taliban schicken muss.
Pro Jahr wandern etwa 145 000 Deutsche aus. Knapp 0,2 Prozent der Bevölkerung. Um mal einen Vergleichswert zu haben: das ist so, als wenn die komplette Stammwählerschaft der SPD plötzlich weggeht. Man muss sich diese 145 000 Leute mal als eine einzige große Reisegruppe an einem Busbahnhof vorstellen – selbst bei Holiday-Reisen würden sie darüber nachdenken, ein zweites Fahrzeug zu ordern.
Nun sagen manche: Gemach, gemach – so schlimm ist das mit den Deutschen ja nun auch wieder nicht. Schließlich gehen nicht nur welche weg, sondern es kommen auch welche her. Im Jahr gibt es einen Auswanderungsüberschuss von gerade mal 17 000. Klingt erst mal naja. Doch muss man sich vor Augen führen: Selbst wenn jedes Jahr nur 17 000 Deutsche auswandern, dann ist Deutschland bereits in ca. 4 700 Jahren praktisch leer und wird auf Landkarten nur noch als Park & Ride-Fläche des Istanbuler Nahverkehrs ausgewiesen. In 4 700 Jahren lebt kein einziger Deutscher mehr in Deutschland außer Helmut Schmidt! Kein Wunder, dass Experten vom Ausbluten oder gar vom Migrationssuizid sprechen.
Nun sind die Deutschen schon immer gern ausgewandert. Allerdings haben sie noch nirgendwo wirklich nachhaltige Spuren hinterlassen. Ganz anders als die Leute, die hierher gekommen sind. Der bekannteste Deutsche ist auch heute noch Adolf Hitler! Das muss man sich mal klar machen: Der bis heute einzige deutsche Kanzler mit Migrationshintergrund ist bekannter als der Ur-Deutsche Adenauer.
Wo, so fragt man sich als Deutscher, ist mal ein bedeutender Emigrant? Was sind das für Typen, die auswandern? Man muss es offen sagen: Deutschland ist Exportweltmeister nicht nur bei Maschinen, Medizintechnik und Waffen, sondern auch bei Versagern. Zumindest wenn man den privaten Fernsehstationen Glauben schenkt. Danach sind Auswanderer regelmäßig arbeitslose Versandhandelschuldner mit rudimentären Deutschkenntnissen und dem IQ einer Tennissocke, die mal in der Nähe der »St. Pauli Nachrichten« gelegen hat. Trotz intensiver Vorbereitung – zum Beispiel Fotos vom neuen Heimatland angucken – ist die Verblüffung bei ihnen riesig, wenn sich herausstellt, dass auf den Ämtern in Oslo Norwegisch gesprochen wird. Dass die auf dem Basar in Peking gekauften gebratenen Täubchen bei näherer Betrachtung eine behaarte Schnauze und so einen merkwürdigen langen Schwanz zu haben scheinen. Dass die Folklorekünstler auf den Straßen von St. Domingo eben nur nach dortigem Verständnis Folklorekünstler sind, die es der Einfachheit halber vorziehen, sich ihr Trinkgeld selbst aus den Handtaschen der Zuschauerinnen zu nehmen. So viel Heimtücke, so viel Niedertracht – es ist fast wie zu Hause! Wer konnte denn damit rechnen?
Da ist das Ehepaar aus Eschweiler, beide Ende dreißig, die aus undurchsichtigen Gründen als Missionare nach Nicaragua gehen, um dort ein Waisenhaus zu übernehmen. Geld haben sie nicht, erklärt der Mann, doch bräuchten sie für ihren persönlichen Bedarf schon etwa 2 500 Euro im Monat. »Klar«, sagt er, »ein Einheimischer kann davon ein Jahr lang leben. Aber doch nicht wir. Die wollen schließlich Entwicklungshilfe auf westlichem Niveau, also müssen sie uns auch ein westliches Umfeld bieten!«
Dann wundern sich die beiden noch, dass ein Materiallager mit einem dicken Vorhängeschloss gesichert ist. Wozu denn das, fragen sie mit Stauneaugen. Damit die Sachen nicht davonlaufen, erwidert die ziemlich hübsche Einheimische, die sie in engen Shorts überall herumführt und die ganz bestimmt nicht vom Sender extra dafür gecastet wurde. Bei dieser Antwort sieht man ihnen den Schrecken an. Offenbar muss in Eschweiler nie irgendetwas abgeschlossen werden. Mehr noch: Das gegenseitige Vertrauen dort ist so groß, dass die Häuser noch nicht einmal Türen haben, jaja, und seine Geldscheine kann man auch über Nacht unbesorgt auf der Wäscheleine im Garten hängen lassen! Und manchmal hat morgens sogar irgendwer noch welche dazu getan! – Bei ihren Planungen waren sie ganz fest davon ausgegangen, dass das in Nicaragua genauso ist. Wo sollen denn sonst die 2 500 Euro im Monat herkommen? Ist das alte Sprichwort »Andere Länder, gleiche Sitten« am Ende gar nicht wahr?
Oder die beiden Grundrentner, die nach Las Vegas ziehen. Weil sie dort geheiratet haben. Feiner Grund. Immerhin sprechen sie gut Englisch. Die Worte I need you an der Decke der Hochzeitskapelle haben sie in Gemeinschaftsarbeit noch vor Ende der Sendezeit locker fertig übersetzt: »Also I heißt Ich, und you heißt Du!« – Und need? – »Ja, äh: liebe, oder?« – Was soll da noch schief gehen?
Rating statt Höhlenarrest
D ie Prinzipien, nach denen ein Mann seine Familie führt, haben sich im Laufe der Zeit erheblich gewandelt. Früher zog unbotmäßiges Verhalten der Gattin den Verweis vom wärmenden Feuer nach sich, oder sie wurde an ein besonders widerwärtiges Sippenmitglied verliehen. Vorlauten Kindern wurden die abendlichen Mammut-Nuggets gestrichen oder sie bekamen Höhlenarrest. Der Mann sprach ein Machtwort, und schon war Ruhe im Weidenrutenkorb.
Es war die Funktion des Mannes als Versorger und Beschützer, der ihm die innerfamiliäre Führungsrolle zuwies, und zwar ganz ohne klärendes Gespräch oder Ehevertrag. Denn es optimiert die Entscheidungsprozesse, wenn nur einer die Waffen hat.
Über Jahrhunderte hinweg änderte sich daran grundsätzlich nichts. Der Mann war der Stärkere. Wenn er mal nicht der Stärkere war, war ihm der Beistand von Justiz, Kirche und männlicher Verwandtschaft, und zwar der männlichen Verwandtschaft der Frau, sicher. Und Kinder waren ohnehin so etwas wie Eigentum, die man auch mit einer mehr auf ...

Inhaltsverzeichnis

  1. Impressum
  2. Titel
  3. Vorbemerkung
  4. Schönes Früher
  5. Hauptsache, es ist Aloe Vera drin!
  6. Ganz bei sich und von Zweifeln unberührt
  7. Am Ende der Nahrungskette
  8. Die Unterschicht mag es nun mal, wenn es glitzert!