
- 344 Seiten
- German
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eBook - ePub
Über dieses Buch
Von den unterschiedlichen Rebsorten, der Weinlese, korrekter Tankbefüllung, und schließlich der Vermarktung von Wein – von all dem haben Daniel, Doktorand der Chemie und seine Freundin Kristina, eine Sprachstudentin, so gut wie keine Ahnung. Als sich in Kristinas Familie ein tragischer Unfall ereignet, beschließen die beiden, das kleine Weingut in Weinsberg zu retten, aus dem Kristina stammt und mit dem sie eigentlich nichts mehr zu tun haben wollte. Unerklärliche Dinge passieren in dem Weingut, und dann gibt es da auch noch ein gut gehütetes Familiengeheimnis. Ein spannender Winzer-Roman, in dem man viel über die Kunst des Weinmachens erfährt.
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Information
Teil 1
Prolog
In der Nacht von Freitag auf Samstag, Anfang August
Weinsberg
Der grelle Lichtkegel eines wuchtigen Geländewagens schiebt sich mit hoher Geschwindigkeit in die Dunkelheit. Rechts und links herrscht die Schwärze einer Nacht, in der eine schmale Mondsichel lediglich konturlose Schatten ineinanderfließender Grautöne erkennen lässt. Nur in Fahrtrichtung ist die schmale, schlecht asphaltierte Straße hell ausgeleuchtet, bis sich das Licht nach höchstens fünfzig Metern rasch im Diffusen verliert.
Der Fahrer treibt die Tachonadel ununterbrochen über hundert Stundenkilometer, der Lärm des Motors und die Abrollgeräusche der Reifen durchschneiden die Stille. Kurz nach Mitternacht ist die Gegend menschenleer, Rücksicht auf andere Verkehrsteilnehmer braucht er nicht zu nehmen, die Straße gehört ihm. In der Manier eines Rennfahrers schneidet er die Kurven und fährt auf der Ideallinie. Er kennt die Strecke von unzähligen Fahrten zu jeder Tages- und Nachtzeit, sie im Grenzbereich zu fahren ist eine sportliche Herausforderung. Immer wieder hört er kleine Steine gegen den Fahrzeugboden spritzen. Vor jeder Kurve lässt er die Geschwindigkeit geringfügig abfallen, um hinterher gleich wieder stark zu beschleunigen. Dann heult der Motor kurz auf, die Reifen quietschen, wenn sich der Wagen durch die Kurve schiebt. Vor Rechtskurven lassen die Scheinwerfer einen kurzen Augenblick eng stehende, niedrige Bäume einer Obstplantage erkennen. Rechts der Fahrbahn ist bei Linkskurven ein steil aufragender Hang zu erkennen, der einen drohenden Eindruck vermittelt. Dass er mit Rebstöcken in vollem Blattwerk bestückt ist, lässt sich nur erahnen.
Der Fahrer ist noch jung, gerade Anfang dreißig. Er hat das Seitenfenster geöffnet, und lässt die Nachtkühle auf sein Gesicht wirken. Der Tag ist wieder sommerlich heiß gewesen, er hatte im Weinberg stark schwitzen müssen und noch keine Zeit für eine Dusche gehabt. Der Fahrtwind schüttelt die blonden Haare durcheinander, die Frisur ist strähnig und gehört längst in Form geschnitten. Kräftige Hände umfassen das Lenkrad, richtige Pranken, die es gewohnt sind zu arbeiten. Ein kantiges, großes Gesicht, eine niedrige Stirn und ausgeprägt buschige Augenbrauen verleihen ihm einen finsteren, herrischen Ausdruck. Es ist das Gesicht eines Mannes, der hart und viel im Freien arbeiten muss, der es gewohnt ist, Entscheidungen zu treffen und sie auch durchzusetzen. Geduld scheint nicht seine Stärke zu sein, Humor auch nicht. Er fährt die Straße im Tunnelblick, der rechts und links alles ausblendet. Er muss sich mit aller Kraft konzentrieren. Immer öfter gähnt er mit weit geöffnetem Mund – ein normales Zeichen von Müdigkeit nach einem 16-Stunden-Arbeitstag mit hohem körperlichem Einsatz. Mehrfach hat er auf dem Weg bereits seine Bereitschaft verflucht, Taxifahrer zu spielen zu einer Zeit, zu der er sonst schon lange schläft. Morgen um sieben steht schon wieder der erste Termin an, die Nacht würde wie so oft kurz werden.
Dann verlässt das Auto die Straße und biegt schwungvoll nach rechts auf einen schmalen Wirtschaftsweg ab. Mächtige Betonplatten mit großen Dehnfugen bieten ausreichend Stabilität für die täglich dort fahrenden Weinbergschlepper und in Kürze auch für die riesigen Traubenvollernter und die Anhänger, mit denen die Trauben ins Kelterhaus geschafft werden. Der Fahrer passt seine Geschwindigkeit dem Untergrund an, er ist jetzt langsamer als zuvor, aber weiter im roten Bereich. Jede Bodenwelle, jedes Schlagloch, jede Dehnfuge staucht die Stoßdämpfer zusammen, die Schläge erzeugen ein rhythmisches Knattern und sind auf dem Fahrersitz zu spüren. Die Fahrt geht steil nach oben, die Scheinwerfer lassen ganz oben schemenhaft eine Baumreihe erkennen. Etwa auf halber Strecke biegt das Auto links ab und bewegt sich danach parallel zur bisherigen Straße am Fuße des Weinbergs. Bei der Rebflurbereinigung vor Jahrzehnten wurden derartige Querwege regelmäßig angelegt, um zu den einzelnen Parzellen gelangen zu können. Auf Luftbildern ist zu erkennen, wie die Quer- und Längswege den gesamten Hang schachbrettartig in zahllose unterschiedlich große, rechtwinklige Flächen zerteilen. Mehrere Teilstücke dieser riesigen Weinberganlage gehören zu seinem Betrieb, unzählige Arbeitsstunden hat er dort in den letzten Jahren zugebracht. Heute Vormittag war er mit Laubarbeiten beschäftigt, eine der letzten Maßnahmen vor der Traubenlese.
Nach kurzer Fahrt taucht im Lichtkegel des Scheinwerfers sein Ziel auf. Ein einstöckiges, größeres Haus, verkleidet mit hellen Klinkern und mit ausladendem Giebeldach. Auf der Vorderseite blickt eine durchgehende Glasfront über die steil nach unten zur Straße abfallende Rebfläche, die Rückseite ist weitgehend im Weinberg verborgen. Zwischen einigen Fahrzeugen findet er einen Parkplatz direkt vor dem Eingang. Offensichtlich haben sich schon einige Teilnehmer der Veranstaltung auf den Heimweg gemacht.
Intensiver Weingeruch liegt wie eine Glocke über dem Raum, den der Mann betritt. Er weiß, dass er dieses Begleitaroma aller Weinproben schon in wenigen Minuten nicht mehr wahrnehmen wird, genauso wenig wie es die Teilnehmer noch bemerken. Nase und Mund sind nur für Neues empfänglich, nie für einen Dauerzustand, die Sinne werden schnell stumpf. Er weiß, wie die Geruchsglocke zustande kommt. Es sind die vielen flüchtigen Weinaromen, freigekommen aus den Gläsern und durch den Atem der Zecher, dem untrüglichen Alkohol-Indikator der Polizei.
Der Neuankömmling trifft auf eine lautstark durcheinanderredende und heftig gestikulierende Gesellschaft. Etwa zehn Männer und einige Frauen sitzen an einem massiven, ovalen Holztisch, zusammengezimmert aus alten Fassdauben. Vor jedem stehen drei Weingläser unterschiedlicher Größe. Der Tisch ist vollgepackt mit mehr oder weniger leeren Weinflaschen, den Zeugnissen und Überresten der intensiven Weinprobe. Nur in wenigen Gläsern befindet sich noch Wein, die Arbeit scheint getan zu sein. Lautstärke und Stimmung verraten, dass die offizielle Probe beendet ist. Und im inoffiziellen Teil darf die Disziplin der Stimmung geopfert werden. Er kennt solche Weinproben, die zu den Ritualen der lokalen Winzerschaft gehören.
Die Atmosphäre im Raum war von einer Mischung aus allgemeiner Müdigkeit und der Wirkung des Alkohols bestimmt. Der Neuankömmling wird erst zur Kenntnis genommen, als er einem älteren Herrn von hinten die Hand auf die Schulter legt. Ein kurzes Nicken, man kennt sich. In Statur und Gesichtsform wirkt der Ältere wie eine gereifte Kopie des Jungen, weniger, dafür graue Haare, noch mehr Stirnfalten und ebenfalls ein humorloser Gesichtsausdruck mit dünnen, zusammengekniffenen Lippen. Sensibel veranlagte Menschen müssten in seiner Nähe frösteln. Er und die neben ihm sitzende korpulente Dame erheben sich unmittelbar, sie blinzelt vor Müdigkeit. Gezeichnet vom langen Tag und dem Probieren der vielen Weine hat sie vor zehn Minuten angerufen und ihren Sohn darum gebeten, sie abzuholen. Es kommt selten vor, dass der junge Mann Taxifahrer spielt. Gewöhnlich ist er es, der nach derartigen Veranstaltungen einen Chauffeur benötigt. Und meistens ist es dann ihre Aufgabe, ihn zu abzuholen. Mütterlos, sie hat sich damit abgefunden. Die beiden älteren Herrschaften winken kurz zum Abschied in die Runde. Dann folgen sie ihrem Sohn zum Auto.
Der wendet und fährt den Weg, auf dem er hergekommen ist, zurück. Der Vater auf dem Beifahrersitz schließt die Augen und versucht zu schlafen. Er schnallt sich nicht an, wie immer, der Gurt enge ihn nur ein und könne zur Not bei einer Polizeikontrolle schnell übergestreift werden. Den aggressiven Fahrstil seines Sohnes ist er gewohnt. Er selbst gilt auch nicht als defensiver Fahrer. Halb im Dösen hängt er einigen Gedanken nach. Nach langen Jahren der Missverständnisse und Grabenkämpfe ist er inzwischen stolz auf den Juniorchef, der in absehbarer Zeit den Betrieb vollständig übernehmen wird. Er selbst wird noch einige Jahre mithelfen, bevor er sich auf das Altenteil zurückzieht. In vielen Betrieben, die er etwas genauer kennt, klappt diese Betriebsübergabe nicht. Wenn überhaupt Kinder da sind, verfolgen sie völlig andere Interessen und studieren Kunstgeschichte, Archäologie oder sonst etwas Brotloses. Aber das sind deren Probleme, er hat das Problem erfolgreich gelöst. Vielleicht ergibt sich sogar eine günstige Möglichkeit, Weinberge von diesen Betrieben dazuzukaufen. Als Mitgesellschafter ist sein Sohn bereits eingetragen. Dessen engagierter Einsatz im Betrieb, vor allem aber sein unbändiger Wille zur Macht, ließen ihm keine andere Wahl. Nach einer kurzen Phase des Widerstands schließlich hatte er dem Drängen seines Sohnes nachgegeben. Aus dem Hallodri der Abiturzeit war nach dem Önologiestudium ein hart arbeitender Winzer geworden, mit dessen Fachwissen das Weingut sich hervorragend entwickeln konnte. Die Weine waren besser geworden, die Kunden schätzten die präzisen und kompetenten Aussagen seines Sohnes, bei den Kollegen hatte er sich Respekt erarbeitet. Die vielen Missverständnisse der Sturm-und-Drang-Zeit zwischen den beiden Männern sind ausgeräumt. Gemeinsam haben sie im Wochenrhythmus Wein zu Kunden ausgefahren, sind sich langsam nähergekommen und sogar so etwas wie ein Team geworden.
Der Mutter ist es nie gelungen, sich an die Fahrweise ihres Sohnes zu gewöhnen, sie bereitet ihr nach wie vor Angst. Ihr Platz ist, wann immer sie doch bei ihm mitfahren muss, auf dem Rücksitz, festgeklammert an Sitz und Türgriff. Zu reklamieren getraut sie sich schon lange nicht mehr, sie hat gelernt, schweigend zu leiden. In der Vergangenheit geäußerte Vorbehalte wurden je nach Laune mit spöttischer Arroganz oder unmittelbar mit bitterer Aggression erwidert. Dass sie zu dieser großen Weinprobe mitgegangen ist, war gesellschaftlichen Verpflichtungen geschuldet. Es gibt Situationen, bei denen Familienharmonie demonstriert werden muss, auch wenn sonst keine Gemeinsamkeiten mehr existieren. Die Beziehung zu ihrem Mann ist nach verschiedenen Vorkommnissen auf dem Nullpunkt angekommen. Der Betrieb erfordert ihr Opfer, denn auch sie ist daran interessiert, ihn in die Hände ihres Sohnes zu legen. Sie beneidet ihren Mann um dessen gutes Verhältnis zum Sohn, der inoffiziell längst in die Chefposition gewachsen ist. Dass ihr Mann bereits mit Anfang sechzig derart zurückstecken würde, hatte sie nie erwartet. Der befürchtete, zermürbende Generationenkonflikt war zum Glück und zur Verwunderung aller Nachbarn und Kollegen weitgehend ausgeblieben. Der Tochter steht sie emotional näher, leider kommt sie kaum noch heim. Die angespannte Situation im Elternhaus, ihr doch sehr anspruchsvolles Studium und ein inzwischen offensichtlich fester Freund drängten die Mutter zunehmend in die zweite Reihe. Das unangenehme Gefühl, stimmrechtloses Arbeitstier unter der Knute von zwei Alphatieren zu sein, verstärkte sich seit der Nestflucht ihrer Tochter mit jedem Jahr. Reden konnte sie über ihre Gefühle mit niemandem, sie hatte zu funktionieren und bisher auch immer ihre Pflicht erfüllt.
Der Polizei gelang es mithilfe von Sachverständigen und zwei Zeugen, die kurz nach der Winzerfamilie die Weinprobe verlassen hatten und nicht weit hinter ihnen hergefahren waren, den Hergang des Unfalls zu rekonstruieren. Demnach war der Wagen fast mit Tempo hundert unterwegs gewesen, als er auf der Höhe des letzten Querweges vor der Talstraße abrupt nach rechts zog und ungebremst in die Rebstöcke krachte. Er wurde durch die Reben und ihre Befestigungen aus Metall und Draht schlagartig abgebremst und kippte dann nach links. Die mehr als zwei Tonnen Blech überschlugen sich und donnerten immer schneller werdend den steilen Hang hinunter. Die Lichtkegel der Scheinwerfer projizierten bei den Überschlägen absurde Figuren in den Nachthimmel, bis die Lampen verloschen. Das Blech des Geländewagens wurde mit lautem Krachen verformt, Rebstützen knickten wie Streichhölzer um, im vollen Saft stehende Stöcke wurden am Boden platt gedrückt. Die Seitenscheiben des Wagens zersplitterten in Tausende Bruchstücke, die sich im Innenraum und über die gesamte Unfallstrecke verteilt fanden. Zuletzt fiel der Wagen zwei Meter tief über die Begrenzungsmauer des Weinbergs auf die Straße und blieb mit einem letzten Krachen als Wrack auf dem Dach liegen. Die Frontscheibe war als Ganzes in der Fassung geblieben, das Verbundglas aber in unendlich viele kleine, noch zusammenhängende Mosaikteilchen zerrissen. Auf der Beifahrerseite klaffte allerdings ein Loch von der Größe eines Medizinballs.
Der Förster fand zwei Tage später im Wald oberhalb des Weinberges einen verendeten Eber. Verletzungen am linken Hinterlauf konnten von einer Berührung mit einem Auto stammen, ein nicht direkt tödliches, aber schließlich zum Tode führendes Zusammentreffen. Ob der Fahrer mit einer abrupten Lenkbewegung dem Wildschwein noch ausweichen wollte oder ein Sekundenschlaf die Ursache für das Herumreißen des Lenkrads war, ließ sich nicht mehr ermitteln. Die Polizei verzichtete darauf, am Wrack nach Hautfetzen des Wildschweins zu suchen. Der junge Winzer wies eine tödliche Verletzung am Hals auf, die offensichtlich von einer Rebstütze herrührte. Die musste ihn bei einem der Überschläge durch das beschädigte Seitenfenster etwas oberhalb der Schulter regelrecht aufgespießt haben. Die Halsschlagader wurde aufgerissen, er war verblutet. Die Mutter schien äußerlich unverletzt, hing aber tot im Gurt. Der Pathologe diagnostizierte einen Genickbruch. Ein Nackenwirbel hatte den extremen Kräften der Überschläge nicht standgehalten. Der Tod musste blitzschnell eingetreten sein, ihr Gesichtsausdruck zeigte keine Spur von Entsetzen. Vielleicht hatte sie auch bereits geschlafen.
Der Vater wurde nahe der Stelle gefunden, an der der Wagen ins Kippen kam. Die Wucht des ersten Aufpralls hatte ihn durch die Windschutzscheibe aus dem Fahrzeug geschleudert. Er war lebensgefährlich verletzt, die Ärzte mussten stundenlang im Operationssaal um sein Leben kämpfen. Zwei gebrochene Rippen hatten die Lunge perforiert, die Milz war gerissen, Glassplitter hatten sein linkes Auge völlig zerstört, auf dem rechten blieb gerade noch eine minimale Sehkraft zurück. Die inneren Verletzungen, die tiefen Schnittwunden im Gesicht, eine schwere Gehirnerschütterung und mehrere eingeschlagene Zähne schienen weniger gravierend. Nicht mehr gerettet werden konnte dagegen das linke Bein, es musste oberhalb des Knies amputiert werden. Das rechte konnte erhalten werden, würde aber steif bleiben. Er hatte Glück im Unglück gehabt. Der weiche Weinbergboden konnte den Aufprall etwas mildern. Dass er am Leben blieb, auch wenn er zunächst im Koma lag, verdankte...
Inhaltsverzeichnis
- Haupttitel
- Teil 1
- Teil 2
- Teil 3
- Epilog
- Impressum