Natursteinarbeiten im Garten- und Landschaftsbau

Ingrid Schegk

• Verlag: Verlag Eugen Ulmer
• Jahr: 2016
• eBook-ISBN: 9783800104338
• Thema: Physical Sciences
• Thema: Geology & Earth Sciences

Working with Natural Stone in Garden and Landscape Design Ingrid Schegk This book presents natural stone as a construction material, including the different kinds of stone and their characteristics. You'll find detailed information on processing and working with the stone, and the kinds of structures that can be built in the garden and landscape design industry – paving, steps, stairs and walls. The book draws your attention to important technical guidelines, and examples are given to illustrate these. Traditional techniques such as dry-stone wall construction are described, along with contemporary trends.

Vom Werkstein zum Bauwerk und Gewerk: Arbeiten mit Naturstein

6 Mauerarbeiten

Die ersten Bauwerke, die von Menschenhand aus Naturstein errichtet wurden, waren Gebäudewände aus Mauerwerk. Heute spielt massives Natursteinmauerwerk in der Architektur jedoch praktisch nur noch in Verbindung mit Baudenkmälern eine Rolle. Im Garten- und Landschaftsbau dagegen erfahren Natursteinmauern in den letzten Jahrzehnten nachgerade eine Renaissance. Die Vorbilder dafür kommen nicht nur aus der Steinarchitektur, sondern vor allem auch aus der Kulturlandschaft, wo in Verbindung mit landwirtschaftlichen Nutzflächen Jahrhunderte lang Weide- oder Terrassenmauern, in der Regel als Trockenmauern (s. Kap. 6.1.3.4), aufgeschichtet wurden. Gerade diese traditionelle und besonders nachhaltige Handwerkstechnik wird derzeit vielfach wieder belebt, allein schon um die noch verbliebenen, von Steinmauern geprägten Landschaften zu erhalten, aber auch um zeitgemäße Elemente in Garten und Park zu gestalten. Daneben sind mauerähnliche, überwiegend maschinell errichtete Stütz- und Wandkonstruktionen aus Großblöcken oder Gabionen (s. Kap. 6.1.3.5) weit verbreitet.

Abb. 71: Von Mauern geprägte Kulturlandschaft (Roßwag, Enztal, Baden-Württemberg)

6.1 Planung und Bemessung

Eine Natursteinmauer ist ein Gewerk, das hohe Anforderungen an die Ausführung und die vorbereitende Planung stellt. Gerade im Garten- und Landschaftsbau, wo so vielfältige Arbeiten anfallen und der Mauerbau in der Regel keinen Schwerpunkt darstellt, ist es daher wichtig, sich mit einigen Grundbegriffen vertraut zu machen, verschiedene Mauerarten und Bauweisen kennen zu lernen und die Grundsätze der Bemessung zu beachten.

6.1.1 Grundbegriffe

In der langen Tradition des Mauerbaus hat sich eine Reihe von Begriffen und Bezeichnungen entwickelt. Sie beziehen sich auf das Gesamtobjekt bzw. den gesamten Baukörper, seine Bestandteile, einzelne Flächen oder Abmessungen (s. Abb. 72).

6.1.1.1 Baukörper

Bei dem Bau einer Natursteinmauer entsteht in der Regel ein geometrischer Körper, der einem flachen, auf die lange Schmalseite senkrecht gestellten Quader gleicht. Solche scheibenartigen Elemente werden im Bauwesen als Wand bezeichnet. Eine Wand, die ganz oder in den sichtbaren Bereichen aus einem Gefüge einzelner Steine im Verband besteht, ist eine Mauer. Das aus diesem Steingefüge bestehende Bauteil wird Mauerwerk genannt. Der Begriff Verband bezeichnet die Art der Anordnung der Mauersteine im Mauerwerk.

Der oberste Bereich der Mauer bzw. die nach oben gerichtete lange Schmalseite des Quaders heißt Mauerkrone, der unterste sichtbare Bereich Mauerfuß. Teilweise stehen verschiedene Mauerabschnitte im Winkel zueinander und bilden eine Ecke miteinander. Die an den freien Mauerenden sichtbaren, senkrechten kurzen Schmalseiten werden Mauerköpfe genannt. Der Mauerkörper selbst besteht meist aus einem äußeren, sichtbaren Mauermantel und einem nicht sichtbaren Mauerkern, beispielsweise aus Beton.

6.1.1.2 Flächen

Zur Vorbereitung der Bauausführung ist es zweckmäßig, eine Planzeichnung des Baukörpers anzufertigen. Den gesamten Mauerverlauf im Gelände zeigt ein Lageplan bzw. Grundriss. Zusätzlich werden – wie bei Bauzeichnungen üblich – die verschiedenen Außenflächen des Körpers als Projektion dargestellt. Die Sicht von oben auf die Mauerkrone ist die Aufsicht oder Draufsicht. Sie zeigt, wie die Mauer oben mit einer Deckschicht (s. Kap. 6.3.2.3) oder Abdeckung abgeschlossen wird.

Die Abbildung der größten senkrechten sichtbaren Fläche bzw. Sichtfläche wird Aufriss oder (Vorder-)Ansicht genannt, die des Mauerkopfes Seitenriss oder Seitenansicht.

Ein freistehendes Mauerstück hat dementsprechend fünf sichtbare Flächen, eine Draufsicht, zwei Aufrisse und zwei Seitenrisse. Die Aufrisse, die Vorder- bzw. Außen- und die Rück- bzw. Innenansicht zeigen die gestalterisch wirksamen Hauptsichtflächen der Mauer im jeweiligen Mauerwerksverband. Eine solche Mauer wird zweihäuptig, im Schweizer Sprachgebrauch auch doppelhäuptig, genannt (SIA 266/2:2012, S. 6, S. 33).

Terrassenmauern, die den Hang zwischen zwei mehr oder weniger ebenen Flächen stützen, haben nur eine Vorderansicht bzw. Hauptsichtfläche. Sie werden als einhäuptige Mauern bezeichnet (s. Kap. 6.1.2.1).

Neigt sich diese Ansichtsfläche zum Mauerinneren bzw. zum Hang hin, spricht man von einem Anlauf oder Anzug bzw. von einer Dossierung (FLL 2012, S. 15).

Eine weitere wesentliche Planungskomponente neben den Sichtflächen ist der Querschnitt der Mauer. Die Mauer wird dafür senkrecht zu Draufsicht und (Vorder-)Ansicht geschnitten. Die entsprechende Schnittzeichnung zeigt den inneren Aufbau der Mauer in vertikaler Schnittebene bzw. ihren Querverband, den Verband senkrecht zur Ansichtsfläche (FLL 2012, S. 18).

Der Querschnitt einer Mauer ohne Anlauf hat den Umriss eines senkrecht stehenden Rechtecks, der Querschnitt einer Mauer mit Anlauf den Umriss eines geneigten Rechtecks oder den eines Trapezes. In der Regel wird in diesem Fall die Mauersohle, gegebenenfalls auch die Mauerkrone, die gleiche Neigung zur Horizontalen haben wie die Ansichtsfläche zur Vertikalen (s. Abb. 72).

6.1.1.3 Maße

Im Zuge der Planung der Mauer werden die linearen Abmessungen festgelegt. Das Maß der größten Ausdehnung der Mauer, die Länge l, ist meist durch die standörtlichen Rahmenbedingungen, z. B. die Grundstücksgröße oder Grenzlänge, gegeben. Das Längenmaß der Mauer oder die Längenmaße einzelner Mauerabschnitte werden in der Draufsicht angegeben.

Das vertikale Maß der Mauer, die Höhe h, wird in der Regel durch die Funktion der Mauer als Einfriedung, Sichtschutzwand oder Stützmauer bestimmt. Sie kann sowohl im Aufriss, gegebenenfalls auch im Seitenriss und im Querschnitt bemaßt werden. Zu unterscheiden sind dabei je nach Ausführung unterschiedliche (Teil-)Maße: die sichtbare, oberirdische oder freie Mauerhöhe h_a entspricht dem vertikalen Abstand zwischen sichtbarem Mauerfuß bzw. unterem Geländeanschluss und Mauerkrone, die Einbindehöhe h_b dem vertikalen Abstand zwischen Gründungssohle und sichtbarem Mauerfuß bzw. unterem Geländeanschluss. Beide zusammen ergeben die Gesamthöhe h_total (FLL 2012, S. 18).

Abb. 72: Begriffe und Maße an der Mauer

Der Anlauf wird in der Regel in Prozent zum Lot angegeben, das heißt bei einem Anlauf von 10 % beträgt der horizontal gemessene Abstand zwischen der Vorderkante der Mauerkrone und dem Mauerfuß 10 % der sichtbaren Mauerhöhe h_a (FLL 2012, S. 15).

Das zweite Horizontalmaß wird senkrecht zur Länge bzw. zur Hauptansichtsfläche der Mauer gemessen. Es ist die Mauerdicke, die normgemäß mit dem Buchstaben t (für engl. thickness) gekennzeichnet wird. Die Dicke t der Mauer ist die statisch entscheidende Größe und von der oberirdischen Höhe h_a sowie verschiedenen weiteren Parametern abhängig (s. Kap. 6.1.2). Bei Mauern mit Anlauf wird die Dicke t am sichtbaren Mauerfuß gemessen. Im trapezförmigen Querschnitt ist sie größer als die Breite der Mauerkrone bzw. obere Mauerdicke t_a und – wenn die Mauer in den Boden einbindet – kleiner als die untere Dicke t_b und die Breite b der Gründungssohle (FLL 2012, S. 23). Alle genannten Maße sind im Zuge der Planung festzulegen und in der Leistungsbeschreibung anzugeben.

6.1.2 Dimensionierung

Auch eine nur mäßig hohe Gartenmauer ist im statischen Sinne ein Tragwerk, das bestimmten Einwirkungen ausgesetzt ist, denen es standhal...

Inhaltsverzeichnis

• Cover
• Titel
• Über das Buch
• Zur Autorin des Buches
• Inhaltsverzeichnis
• Vorwort
• Der Werkstoff: Naturstein und seine Begleiter
• Vom Werkstoff zum Werkstein: Ver- und Bearbeitung von Naturstein
• Vom Werkstein zum Bauwerk und Gewerk: Arbeiten mit Naturstein
• Service
• In der Buchreihe „Fachbibliothek grün“ sind im Verlag Eugen Ulmer folgende Titel erhältlich
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