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Geboren im falschen Körper
Genderdysphorie bei Kindern und Jugendlichen
This book is available to read until 5. Dezember, 2025
- 233 Seiten
- German
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Geboren im falschen Körper
Genderdysphorie bei Kindern und Jugendlichen
Über dieses Buch
Kaum ein Thema wird gegenwärtig so intensiv diskutiert wie die Transsexualität. Immer mehr Kinder äußern das Gefühl, im falschen Körper zu stecken, immer häufiger wird der Wunsch geäußert, das Geschlecht zu wechseln. Bei den allermeisten Kindern und Jugendlichen erweist sich die Genderdysphorie aber als ein Übergangsphänomen. Das verweist darauf, wie vorsichtig vorgegangen werden muss, wie wichtig Beratung, Unterstützung, Therapie sind. Die Genderdysphorie wird in diesem Buch von führenden Fachleuten aus medizinischer, psychologischer und pädagogischer, philosophischer und sozial-ethischer Perspektive betrachtet. Fallberichte und Erfahrungen von Betroffenen ergänzen diese Ausführungen.
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Information
Geschlechtsdysphorie bei Kindern und Jugendlichen aus medizinischer und entwicklungspsychologischer Sicht
Alexander Korte
1 Einleitung – Zum Hintergrund und aktuellen Anlass dieses Übersichtsbeitrags
Nach übereinstimmenden Angaben von Einrichtungen der kinder- und jugendpsychiatrischen bzw. -psychotherapeutischen Versorgung ebenso wie von sozialpädagogischen oder schulpsychologischen Beratungsstellen ist die Anzahl von Minderjährigen, die wegen eines bestehenden Konflikts infolge fehlender Übereinstimmung von subjektivem Zugehörigkeitsgefühl und der objektiven biologischen Geschlechtszugehörigkeit vorstellig werden, in den letzten Jahren stark gestiegen. Selbiges berichten konsultierte Kinderärzte. Zunehmend häufiger drängen die Betroffenen, wenn die pubertätsbedingten Reifungsvorgänge sich ankündigen, teils auch die Sorgeberechtigten auf die Einleitung einer körpermedizinischen Behandlung zur Verbesserung jenes Unbehagens, welches vormals als »Störung der Geschlechtsidentität« zu bezeichnen legitim war.
Ausgeprägte geschlechtsatypische Verhaltensweisen ebenso wie mit innerem Leidensdruck einhergehende und somit krankheitswertige Formen von geschlechtsbezogenem Inkongruenz-Erleben können sich schon zu einem frühen Entwicklungszeitpunkt, unter Umständen bereits im Kleinkindalter manifestieren (Bradley & Zucker, 1997). Kinder- und Jugendärzte/-psychotherapeuten wissen jedoch, dass keineswegs alle Minderjährigen mit geschlechtsrollen-non-konformem Verhalten und zeitweilig bestehendem Geschlechtsidentitätskonflikt zwangsläufig transsexuell werden. Eine klinisch relevante Geschlechtsinkongruenz bei Kindern und Jugendlichen erfordert immer eine sorgfältige Abklärung der Hintergrundproblematik, inklusive vollständiger Erfassung möglicher psychischer Begleiterkrankungen (»komorbider Störungen«); dabei sollten potenziell kausale familiäre und soziokulturelle Einflussfaktoren stets genau in den Blick genommen werden. Eine große Herausforderung besteht darin, verlässliche Prädiktoren zu finden, die für eine profunde, unumkehrbare transsexuelle Entwicklung sprechen.
Die ärztlicherseits zutreffende Aussage bezüglich einer wahrscheinlichen Irreversibilität der Geschlechtsidentitätstransposition ist deshalb von zentraler Bedeutung, weil sie eine zwingende Voraussetzung für die Einleitung der körpermedizinischen Behandlung darstellt wie auch für juristische Maßnahmen zur Vornamen- und Personenstandsänderung (Korte, Beier & Bosinski, 2017; Korte, 2021. Nachfolgend sollen die Schwierigkeiten aufgezeigt werden, mit denen sich Mediziner und Psychologen konfrontiert sehen, die Minderjährige mit geschlechtsbezogenem Identitätskonflikt behandeln. Ein Hauptaugenmerk liegt dabei auf der kritischen Reflexion des Zeitpunkts, zu dem bei Betroffenen mit ausgeprägter Symptomatik bzw. hochgradigem Verdacht auf dauerhaft transsexuelle Entwicklung eine diagnostische Festlegung und die damit zumeist verbundene Weichenstellung erfolgen sollte.
2 Terminologie im Wandel – Neuerungen in den medizinischen Klassifikationssystemen
Mit der Neuauflage des Diagnostisch-Statistischen Manuals (DSM) der American Psychiatric Association (APA, 2013) hat sich in der Wissenschaftswelt die Bezeichnung »gender dysphoria« durchgesetzt. Im DSM-5 wird die Geschlechtsdysphorie (GD) im Kindesalter (302.6) weiterhin separat, das heißt entkoppelt von jener des Jugend- und Erwachsenenalters (302.85) aufgeführt, also als eine eigenständige nosologische Entität betrachtet. Mit der diskussionswürdigen, im Zuge der ICD-Neuauflage (ICD-11) erfolgten Re-Konzeptualisierung von Transsexualität und der übrigen, zuvor gesondert beschriebenen Formen von Geschlechtsidentitätsstörungen als »Geschlechtsinkongruenz« (GI) gehen weitere wichtige Veränderungen einher. Zukünftig wird es auch in der ICD-11 nur noch zwei Diagnosen geben, GI bei Adoleszenten und Erwachsenen und GI im Kindesalter, aufgeführt im neuen Kapitel »Conditions related to sexual health« (Winter, De Cuypere, Green, Kane & Knudson, 2016).
Überdies wurden in der ICD-11 all jene in der ICD-10 noch aufgeführten, entwicklungsbezogenen Diagnosen (Sexuelle Reifungskrise, Ich-dystone Sexualorientierung, sonstige psychosexuelle Entwicklungsstörungen) ersatzlos gestrichen. Damit stehen wichtige, differenzialdiagnostisch in Betracht zu ziehende Kodiermöglichkeiten nicht mehr zur Verfügung, die bislang die besonderen Modalitäten eines nur passager veränderten, nicht-transsexuellen Geschlechtsidentitätsempfindens während der Adoleszenz ganz gut zu beschreiben und erklären vermochten (s. unten).
Aus entwicklungspsychiatrischer Sicht ist diese Neuerung bedauerlich, wird dadurch doch suggeriert, eine GI im Kindesalter gehe regelhaft in die des Adoleszenten und Erwachsenen über. Immerhin betonen sowohl ICD als auch DSM weiterhin den Unterschied zwischen lediglich geschlechtsatypischem, rollen-non-konformem kindlichem Verhalten, das keinerlei Krankheitswert hat, und der mit Leidensdruck einhergehenden Ablehnung der körperlichen Geschlechtsmerkmale. Ein bloßes Abweichen von den kulturellen Geschlechterstereotypen, also burschikoses Verhalten bei Mädchen oder mädchenhaftes Verhalten bei Jungen, reicht für eine Diagnose nicht aus.
Gemeinsam ist den beiden Klassifikationssystemen, dass sie für das Kindesalter den Terminus »transsexuell« strikt vermeiden – die Diagnose »Transsexualität« bei Kindern/im Kindesalter gibt es nicht! Eine zahlenmäßig eher kleine Subgruppe von Jugendlichen äußert den Wunsch, als Person des Gegengeschlechts leben und akzeptiert werden zu wollen, wünscht jedoch keine medizinischen Maßnahmen zur äußerlichen Angleichung ihres Körpers an ihr subjektives geschlechtliches Zugehörigkeitsempfinden; für sie wurde zuletzt die – bisweilen auch als undifferenzierter Sammelbegriff gebrauchte – Bezeichnung »Transgender« verwendet; diese und ähnliche Begrifflichkeiten bzw. Selbstkategorisierungen stellen aber genauso wie »transident« oder trans*« keine medizinische Diagnose dar.
3 Epidemiologie – Prävalenzanstieg oder angebotsinduzierte Nachfragesteigerung?
Für das Kindesalter wurde früher eine Häufigkeit abweichenden Geschlechtsidentitätserlebens (vormals als Störungen der Geschlechtsidentität bezeichnet) von deutlich unter 1 Prozent angegeben (Cohen-Kettenis & Pfäfflin, 2003; Zucker, 2005, 2017). Unter Experten im In- und Ausland besteht jedoch Konsens, dass es seit den 2000-Nuller-Jahren zu einer signifikanten Zunahme der Inanspruchnahme entsprechender Beratungs- und Behandlungsangebote gekommen ist (Chen, Fuqua & Euqster, 2016; Rodríguez, Mora, Sánchez & Gidseen, 2017; Delahunt, Denison, Sim, Bullock & Krebs, 2018). Aus Toronto/Kanada wurden dazu konkrete Zahlen vorgelegt, die einen Anstieg der Neuvorstellungen sowohl von Betroffenen im Kindes- als auch im Jugendalter dokumentieren (Wood et al., 2013). Auch die Amsterdamer Gruppe (Aitken, Steensma & Blanchard, 2015) und die wichtigsten deutschen Behandlungszentren bestätigen diesen Trend (Meyenburg, 2013; Korte et al., 2017), wenngleich die Fälle hierzulande nicht zentral erfasst und zusammengeführt wurden.
Als mögliche Ursachen für den in der westlichen Welt beobachteten Anstieg der Zahl betroffener Kinder werden verschiedene Faktoren diskutiert, die vermutlich zusammenwirken:
Eine bessere Aufklärung und ein größeres Problembewusstsein in der Bevölkerung für Geschlechtsrollen- bzw. Geschlechtsidentitätskonflikte; dies ist auch direkte Folge der
• zunehmenden medialen Verbreitung von Informationen, im Speziellen zu GD bei Minderjährigen, einschließlich der besorgniserregenden Vermarktung von und der reißerischen Berichterstattung über immer jüngere Patienten in wenig seriösen TV-Formaten (»Transgender – mein Weg in den richtigen Körper«) oder Internetforen, in denen junge Menschen euphorisiert über ihre Behandlung berichten und als Vorbilder fungieren; es darf vermutet werden, dass dies einen Anstieg der Selbstdiagnosen nach sich zieht;
• das Angebot neuer Behandlungsmethoden, insbesondere die vielfach beworbene Möglichkeit der Einleitung einer pubertätsblockierenden und frühen gegengeschlechtlichen Hormonbehandlung (im Sinne einer »angebotsinduzierten Nachfragesteigerung«);
• dies in Verbindung mit dem »Machbarkeitsgedanken«, der Annahme, dass eine »Geschlechtsumwandlung« mittels heutiger Möglichkeiten problemlos durchgeführt werden kann, und der Haltung, dass medizinisch Machbares prinzipiell umgesetzt werden sollte;
• Überzeugung, dass die Wahl des Geschlechts als ein Grundrecht anzusehen sei.
Für Diskussionen sorgten Zahlen, die den massiven Anstieg der von GD Betroffenen speziell unter geburtsgeschlechtlich weiblichen Jugendlichen belegen. So bestätigte Anfang 2020 das National Board of Health and Welfare in Schweden einen Zuwachs der Diagnose-Häufigkeit bei 13- bis 17-jährigen Mädchen um nicht weniger als 1.500 Prozent innerhalb nur eines Jahrzehnts. Ähnlich alarmierend sind die Daten aus dem Gender Identity Development Service im Tavistock Center in London, wo sämtliche Fälle von betroffenen Minderjährigen aus England, Schottland und Wales erfasst werden (De Graaf, Giovanardi, Zitz & Carmichael, 2018). Der Anstieg der dort zwischen 2009 und 2019 registrierten Betroffenen betrug sogar 4.500 Prozent, mit einem Mädchenanteil von zuletzt fast 80 Prozent, was Anlass gab für eine öffentlich-politische Debatte über potentielle gesellschaftliche Ursachen dieser Verschiebung. Von Interesse ist in diesem Zusammenhang das von Littman als Rapid-onset gender dysphoria bezeichnete Phänomen bei Jugendlichen, die (erst) während der Pubertät plötzlich Symptome einer GD entwickelten (Littman, 2018). In ihrer Studie befragte Littman 256 Eltern, deren Kinder zu 80 Prozent weiblich und durchschnittlich 16 Jahre alt waren; 41 Prozent gaben eine »nicht-heterosexuelle Orientierung« an; 62,5 Prozent litten unter mindestens einer psychischen oder Entwicklungsstörung, bevor es zur Ausbildung geschlechtsdysphorischer Symptome kam; 36,8 Prozent der Jugendlichen standen in einem intensiven Kontakt zu Gleichaltrigen, die sich ebenfalls als »trans« selbstkategorisierten; 22,7 Prozent misstrauten »non-transgender people« und 25 Prozent verbrachten keine Zeit mehr mit Nicht-Betroffenen; 46,6 Prozent trauten überdies nur noch Informationen, die von »transgender sources« stammten, und 49,4 Prozent zogen sich von ihren Familien zurück. Littman schlussfolgerte, dass dem bekannten Phänomen der sozialen Ansteckung hier eine wichtige, mithin entscheidende Bedeutung zufalle.
Dass die Veränderungen während der Phase der Pubertät biologischen Mädchen im Allgemeinen größere Integrations- und Anpassungsleistungen abverlangen als Jungen, könnte ein wichtiger Grund für die ungleiche Verteilung in Abhängigkeit von Alter und Geschlecht sein. Andererseits könnte die Überzahl der Jungen mit GD im Kindesalter zum Teil dadurch bedingt sein, dass sowohl die pränatale somato-sexuelle also auch die postnatale psychosexuelle Entwicklung beim männlichen Geschlecht vergleichsweise komplizierter und damit potenziell störanfälliger verläuft als beim weiblichen Geschlecht. Diese Überlegungen leiten über zur Frage nach den kausalen Faktoren für die Entstehung einer GD.
4 Ätiologie – Vermutete neurobiologische Ursachen und psychogenetische Theorien
Die Ursachen von GD sind ungeklärt. Auf der Grundlage unterschiedlicher, theoriegeleiteter Erklärungsansätze gelangt man zu differenten, sich ergänzenden Aussagen bezüglich möglicher kausaler Bedingungen. Unter entwicklungspsychologischen Gesichtspunkten ist dabei keineswegs von einem homogenen Patientenkollektiv mit einheitlicher Genese, sondern von einem je unterschiedlichen, individuellen Ursachengefüge auszugehen (Überblick: Korte, Beier, Vukorepa, Mersmann & Albiez, 2014; Korte, Beier, Siegel & Bosinski, 2021). Verallgemeinernde Aussagen sind prinzipiell nur mit größter Vorsicht zu treffen. Entwicklung und Aufrechterhaltung von GD werden meist als ein multifaktorielles Geschehen gesehen, bei dem individuell-psychische mit familiären, soziokulturellen und biologischen Faktoren zusammenwirken. Auffällige körperliche Befunde wurden bei Kindern bislang kaum nachgewiesen, und die neurowissenschaftlich-genetische Forschung hat bis heute keine überzeugenden Nachweise einer vorrangig genetisch bzw. hormonell bedingten Ätiologie der GD erbringen können. Einige der Hypothesen zur biologischen Determinierung von Geschlechtsidentität stützen sich auf tierexperimentelle Befunde, sind also in ihrer Aussagekraft und Übertragbarkeit auf den Menschen begrenzt – zumal bei Tieren ein identitäres Bewusstsein ihrer selbst nicht angenommen werden kann. Untersuchungsergebnisse am Menschen, die einen möglichen vorgeburtlichen Sexualsteroid-Einfluss und eine unzureichende Maskulinisierung bestimmter Hirnareale – konkret im Bereich des Hypothalamus (sog. »gender-role-centers«) – bei Mann-zu-Frau-Transsexuellen durch auffällige mütterliche Hormonspiegel nahelegten (Dörner, 1995; Auyeung et al., 2009), ließen sich nicht replizieren und mussten daher relativiert werden. Selbiges gilt für die analoge Annahme einer durch intrauterine Androgen-Erhöhung bedingten Maskulinisierung dieser Zentren bei biologisch weiblichen Individuen mit transsexueller GD (van de Beek, van Goozen, Buitelaar & Cohen-Kettenis, 2009). Andererseits konnte in einer Untersuchung an Kleinkindern eine positive Korrelation von Testosteronspiegel (gemessen im Urin) und jungentypischen Verhalten nachgewiesen werden; der Testosteronlevel der Kinder (22 Jungen, 26 Mädchen) war vom siebten Lebenstag bis zum Alter von sechs Monaten bestimmt worden, später wurden sie dann im Alter von 14 Monaten anhand einer Beobachtung ihres Spielverhaltens beurteilt (Lamminmäki et al., 2012). Aus den Ergebnissen wurde geschlussfolgert, dass Testosteron eine wichtige Bedeutung bei der Differenzierung des frühkindlichen Verhaltens zukommt.
Unabhängig davon zeigt die klinische Erfahrung, dass auch körperlich-genitale Empfindungen die psychosexuelle und Geschlechtsidentitätsentwicklung erheblich beeinflussen können. Des Weiteren sprechen die Erfahrungen bezüglich der Geschlechtsidentitätsentwicklung von Kindern mit Störungen der somatosexuellen Differenzierung (Disorder of Sex Development, DSD) für eine biologische Fundierung der Geschlechtsidentität und lassen eine Hypothese zur Ausbildung der GD im Sinne einer auf das Gehirn begrenzten Hormonresistenz zu (Hines, Ahmed & Hughes, 2003; Hines, 2009; Wisniewski et al., 2000). Außerdem ist die Geschlechtsidentität allein durch Einflussnahme von außen entgegen ursprünglicher Annahmen nicht mehr ohne Weiteres veränderbar (Kipnis & Diamond, 1998)...
Inhaltsverzeichnis
- Deckblatt
- Der Herausgeber, die Herausgeberin
- Titelseite
- Impressum
- Inhaltsverzeichnis
- Vorwort
- Geboren im falschen Körper? Klinische und pädagogische Fragestellungen
- Geschlechtsdysphorie bei Kindern und Jugendlichen aus medizinischer und entwicklungspsychologischer Sicht
- Sex, Gender, Inter und Trans als Themen für die Sexualbildung
- Zwischen allen Stühlen. Transsexuelle Jugendliche in der psychotherapeutischen Praxis
- Leben im falschen Körper? Transgendering im Entwicklungsprozess von Kindern und Jugendlichen
- Mein Transgender Leben – ein persönlicher Erfahrungsbericht
- Im falschen Körper
- Die Stimme der »Detransitioner«
- Kinderrecht auf sexuelle Selbstbestimmung? Kinderrechts- und bildungsethische Überlegungen zur rechtlichen Neuregelung von Fragen geschlechtlicher Selbstbestimmung
- Die Autorinnen und Autoren