Gott - dreifaltig einer
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Gott - dreifaltig einer

  1. 100 Seiten
  2. German
  3. ePUB (handyfreundlich)
  4. Über iOS und Android verfügbar
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Gott - dreifaltig einer

Über dieses Buch

"Gott ist dreifaltig" – diese Aussage kann rätselhaft erscheinen. Wie kann es in einem Gott drei Personen geben? Wie können umgekehrt Vater, Sohn und Heiliger Geist ein Gott sein? Entspricht dieses Gottesbild den grundlegenden Aussagen der Bibel? Ist die Entstehung des dreifaltigen Gottesbildes politischen Ereignissen geschuldet? Wie deuten Mystikerinnen oder Mystiker die Dreifaltigkeit? Schließlich: Kann die Rede vom dreifaltigen Gott zeitgenössische Spiritualität inspirieren? Die Suche der Autoren nach möglichen Antworten mündet in einen Dialog, der zeigt: Gerade die Deutungsoffenheit des christlichen Bildes vom dreieinen Gott macht unseren Glauben weit und vertieft unsere Spiritualität.? Vater, Sohn und Heiliger Geist sind ein Gott

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Information

Jahr
2022
ISBN drucken
9783429057473
eBook-ISBN:
9783429065690
Auflage
1

III. Mystische Zugänge zum dreifaltigen Gott

So abstrakt die Rede vom dreifaltigen Gott manchmal klingen mag – für die Gotteserfahrung vieler Menschen in der Tradition des Christentums hat sie eine große Rolle gespielt. Die Geschichte der christlichen Mystik ist voller faszinierender Erfahrungen und Bilder, die uns auch heute inspirieren können, uns dem Geheimnis der Dreifaltigkeit Gottes zu nähern. Mystik lässt sich mit dem Mystikforscher Bernard McGinn zunächst als unmittelbares Bewusstsein von der Gegenwart Gottes verstehen.9 Ihre Erfahrungen reflektieren Mystikerinnen dabei immer vor dem Hintergrund ihrer eigenen Biographie, ihrer christlichen Bildung und ihres historischen Kontextes. So stehen die Zeugnisse von Mystikern immer in einer Spannung von zeitlosem Anspruch und der konkret-zeitlichen Gebundenheit der berichteten Erfahrungen. Ein Beispiel dafür finden wir bei Juliana von Norwich, die das Wirken Gottes in Beispielen und Bildern aus dem häuslich familiären Alltag einer im 14. Jahrhundert lebenden Frau zum Ausdruck bringt.
Viele Mystikerinnen und Mystiker müssten an dieser Stelle genannt werden. Wir haben eine Auswahl getroffen, die uns nicht leichtgefallen ist, und uns für fünf Personen entschieden, deren mystische Einblicke in die Dreifaltigkeit wir nun näher erläutern.

Hildegard von Bingen

Wir beginnen mit der heiligen Hildegard von Bingen (1098–1179). Papst Benedikt XVI. hat sie 2012 zur Kirchenlehrerin ernannt. Ihre Bedeutung als Mystikerin, Theologin, Künstlerin und Äbtissin kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Viel wäre zu ihrer Person und zu ihrem Mut zu sagen, in der damaligen Zeit als Frau mit ihren Erfahrungen an die Öffentlichkeit zu gehen. Von oberster kirchlicher Stelle, von Papst Eugen III., kam die Erlaubnis, dass sie ihre Visionen veröffentlichen darf. Und so sind wir heute im Besitz einer Reihe von Werken. In ihrem Hauptwerk »Scivias« (zu Deutsch: »Wisse die Wege«) schildert sie mehrere Visionen, die meisten davon weisen einen Bezug zur Dreifaltigkeit Gottes auf. Diesem Buch waren kunstvolle Miniaturen beigefügt (die allerdings nicht von Hildegard selbst stammten), welche die Visionen künstlerisch zum Ausdruck bringen sollten. Wir wollen hier eine Vision der Dreifaltigkeit samt Miniatur aus dem zweiten Teil ihres Werks vorstellen. Hildegard schildert ihre Vision folgendermaßen: »Dann sah ich ein überhelles Licht und darin eine saphirfarbene Menschengestalt, die völlig von einem sanften rötlichen Feuer durchglüht war. Und das helle Licht überstrahlte das ganze rötliche Feuer und das rötliche Feuer das ganze helle Licht und das helle Licht und das rötliche Feuer die ganze Menschengestalt, so dass sie ein einziges Licht in derselben Stärke und Leuchtkraft bildeten.«10 An dieser Stelle wollen wir eine Übung ausnahmsweise direkt in die Darstellung einbauen, denn es liegt bei diesem Bild nahe, sich ihm betrachtend und übend zu nähern. Nehmen Sie also die Postkarte11 zur Hand, die unserem Band beiliegt. Bitte lassen Sie zunächst das Bild als Ganzes auf sich wirken. Nehmen Sie sich dazu die Zeit, die Sie brauchen. Welche Gedanken oder Gefühle nehmen Sie beim Betrachten des Bildes wahr? Und welche Gedanken oder Gefühle bemerken Sie, wenn Sie das Bild vor dem Hintergrund der Information betrachten, dass hier die Dreifaltigkeit dargestellt sein soll? Wie wirken die Farben, Formen und Gestalten auf Sie?
Hildegard identifiziert das »überhelle Licht« (in der Miniatur silbrig von Gold durchzogen dargestellt) im äußeren Kreis mit dem Vater, den inneren Kreis, das rötliche Feuer (rot-golden dargestellt) mit dem Heiligen Geist und die saphirfarbene Menschengestalt mit dem Sohn. Die Menschengestalt zieht die Blicke besonders auf sich, sie ist in der Mitte der Miniatur. Ihre Hände sind erhoben, vielleicht segnend, ihr linkes Knie zeigt leicht nach vorne, so als wolle sie aus dem Bild heraustreten oder die Betrachterin einladen, selber einzutreten. Hildegard zitiert aus dem 1. Johannesbrief, wonach die Liebe Gottes in der Welt erschien, indem Gott seinen Sohn in die Welt sandte (1 Joh 4,9–10).
Wenden Sie sich nun wieder dem Bild zu. Hildegard sieht im silbrigen Licht den Vater, im roten Feuer den Geist und in der blauen Menschengestalt den Sohn, der als die menschgewordene Liebe die Menschen zu Gott ziehen will. Welche Qualitäten Gottes als Vater kommen Ihnen in den Sinn, wenn Sie die Darstellung betrachten? Lassen Sie sich dabei besonders von der Farbe, einem silbrigen Weiß, inspirieren. Gehen Sie dann weiter zum Geist (rot) und zum Sohn (saphirblau). Wie wirkt auf Sie der Sohn, der aus dem Licht heraustritt und sich Ihnen zuwendet? Was möchten Sie ihn fragen oder ihm sagen? Was würden Sie ihm antworten, wenn er Sie einladen würde, ihm in das Licht hinein zu folgen?
Die in Menschengestalt erscheinende Liebe kennzeichnet Hildegard einerseits als von väterlicher Liebe in die Finsternis der Welt gesandt, um die Menschen zum Leben zurückzuführen. Andererseits kommt durch diesen Lebensquell die umarmende Mutterliebe Gottes zu uns, die unser Leben nährt, uns in Gefahren hilft und uns als zarte und tiefe Liebe zur Buße leitet.12 Vielleicht erscheint die Darstellung der Menschengestalt, die unzweifelhaft der Sohn ist, auch deshalb mehrdeutig. Es könnte eine Frau, es könnte auch ein Mann sein. Unzweifelhaft war Jesus von Nazareth, das fleischgewordene Wort Gottes, ein Mann. Das Wort selbst, der Sohn aber übersteigt unsere Vorstellungen von Geschlechtlichkeit, genauso wie Gott Vater und Heiliger Geist. Auch das kann uns Hildegards Vision zeigen.
Hildegard erläutert ihre Vision noch weiter: »Doch dass dieses helle Licht das ganze rötliche Feuer überstrahlt und das rötliche Feuer das ganze helle Licht und das helle Licht und das rötliche Feuer die ganze Menschengestalt, so dass sie ein einziges Licht in derselben Stärke und Leuchtkraft bilden, besagt: [Vater, Sohn und Geist] sind untrennbar in der Majestät der Gottheit.«13 Die Lichtmetapher hilft auszudrücken, wie es sein kann, dass helles Licht, rötliches Feuer und die blaue Menschengestalt unterscheidbar und zugleich eines sind und somit, wie sich verstehen lässt, dass Vater, Sohn und Geist drei Personen und doch ein Gott sind.
Ein weiterer bemerkenswerter Aspekt in der Vision von Hildegard ist das In- und Miteinander von personalen und überpersonalen Vorstellungen von Gott. Der unanschaubare Schöpfergott erscheint nicht als älterer Mann mit Bart und der Heilige Geist nicht als Taube. Stattdessen ist von Licht und Feuer die Rede, in der bildlichen Darstellung in Kreisform dargestellt. Eindeutig personal dargestellt ist der Sohn, der wie der Zugang zu dem sonst abstrakten Licht und Feuer erscheint. Hildegard spricht damit einen wichtigen geistlichen Aspekt eines dreifaltigen Gottesbildes an: Gott ist ein konkretes Du, so wie er Mose am brennenden Dornbusch und uns in Jesus Christus begegnet. Gleichzeitig übersteigt seine Wirklichkeit und Präsenz alles, was sich in einem historisch konkreten Du festmachen ließe. Die Erfahrung Gottes wurde von vielen Mystikern immer auch als überpersonal geschildert. Das kommt darin zum Ausdruck, dass manche Mystikerinnen von der Erfahrung berichten, eins mit Gott zu sein. Beide Erfahrungen lassen sich in der Rede von der Dreifaltigkeit Gottes wiederfinden – und Hildegard führt uns dies in ihrer Vision vor Augen.
Wenden Sie sich zum Abschluss noch einmal dem Bild zu. Gott: ein Du und ein Alles. Ganz nahbar und doch ganz anders. Hildegard setzt den Sohn als Zugang zum Geheimnis Gottes in die Mitte. Wie eröffnet Jesus Ihnen in Ihrer Glaubensgeschichte das Geheimnis Gottes? Wo haben Sie Gott als Licht, als Feuer, als Liebe erfahren? Oder würden Sie Vater, Sohn und Geist noch ganz andere Namen oder Bezeichnungen geben? Welchen Klang hat für Sie das »Du«, das Sie zu Gott im Gebet sagen? Lauschen Sie ihm nach. Nehmen Sie sich nach der Übung einen Moment Zeit, um dem Erfahrenen nachzuspüren. Was nehmen Sie aus der Übung für sich mit?

Juliana von Norwich

Eine weitere bemerkenswerte Mystikerin, in deren Visionen die Dreifaltigkeit Gottes eine Rolle spielt, ist Julian oder Juliana von Norwich (1342/43-ca. 1416). Sie gilt als die erste bekannte weibliche Schriftstellerin englischer Sprache. Wir wissen wenig über ihre Biographie. Im Alter von etwa 30 Jahren erkrankt sie schwer. Während dieser Zeit widerfahren ihr mehrere Visionen, die sie kurz danach aufschreibt. Ca. 15 Jahre später veröffentlichte sie eine erneute, umfangreichere Niederschrift von diesen Visionen. Sie bezeichnet sich selbst als einfache, ungebildete Frau. Die Art und Weise, wie sie über ihre Visionen schreibt und sie reflektiert, lassen jedoch ein anderes Bild entstehen: nämlich das einer klugen und gebildeten Frau. Sie lebte nach ihrer Genesung als eine Art ›Stadt-Einsiedlerin‹ in einer Zelle an der heutigen St.-Julians-Kirche in Norwich, wo sie zu einer gefragten Begleiterin und Ratgeberin wurde.
Die Visionen, die Juliana schildert, nehmen ihren Ausgang von einer Vision des gekreuzigten, leidenden Jesus und von Julianas Empfindung, dass die Dreifaltigkeit ihr Herz plötzlich mit der größten Freude erfüllte.14 Es mag auf den ersten Blick verwundern, dass ihr der dreifaltige Gott im Bild des Gekreuzigten nahekommt. Gerade Jesu Selbsthingabe am Kreuz ist für sie jedoch Ausdruck dessen, wie der dreifaltige Gott ihr begegnet: als Liebe. Im Rückblick schreibt sie: »Und von der Zeit an, in der mir das geoffenbart wurde, sehnte ich mich oft danach zu verstehen, was unser Herr sagen wollte. Und fünfzehn Jahre später vernahm mein geistliches Verständnis eine Antwort, die lautete: ›Möchtest Du wissen, was unser Herr sagen wollte? Wisse, dass es Liebe war, was er meinte. Wer offenbarte Dir das? Liebe. Was offenbarte er Dir? Liebe. Warum offenbarte er es Dir? Um der Liebe willen. Halte daran fest und Du wirst noch mehr davon verstehen und erkennen‹.«15
Die Erfahrung dieser Liebe bringt sie sprachlich in Bildern zum Ausdruck, die Geborgenheit und Vertrautheit vermitteln: »Ich sah, dass er für uns alles ist, was wir an Gutem und Tröstendem finden können. Er ist unsere Bekleidung, umhüllt uns mit Liebe, umarmt und umfasst uns in zärtlicher Liebe, so dass er uns niemals verlassen kann, er, der alles ist, was gut für uns ist.«16
Diese innige Beziehung zwischen dem dreifaltigen Gott und dem Menschen spiegelt sich auch in verschiedenen »Triaden« wider, also in Gruppen von jeweils drei Worten, die sich auf Vater, Sohn und Geist beziehen und deren Wirken in der Welt charakterisieren. So spricht Juliana von Vater, Sohn und Geist als »Schöpfer«, »Liebhaber« und »Beschützer« der Schöpfung; als »Macht«, »Weisheit« und »Liebe« oder »Güte«; als »Leben«, »Licht« und »Liebe«. Dabei ist ihr bewusst, ganz im Sinne des trinitarischen Denkens der Kappadokier und der klassischen Theologie ihrer Zeit, dass diese Charakterisierungen von Vater, Sohn und Geist legitim sind, aber letztlich immer auf den einen Gott verweisen. Denn im Wirken Gottes in der Welt, das diese Triaden widerspiegeln, sind Vater, Sohn und Geist immer einer.
Dieser theologische Hintergrund gilt auch für die Triade, die Julianas Reflexionen auf ihre mystischen Visionen besonders bekannt gemacht hat: »Ich bedachte das Wirken der heiligen Dreifaltigkeit, und indem ich das tat, sah und verstand ich folgende drei Eigenschaften: die Eigenschaft der Vaterschaft, die Eigenschaft der Mutterschaft und die Eigenschaft des Herrseins, alles in einem Gott.«17 Diese Eigenschaften wirken in allen drei Personen immer zusammen. So schreibt Juliana, dass sie drei Weisen sieht, in denen die Mutterschaft Gottes sichtbar wird: darin, dass Gott Vater der Grund unseres natürlichen Geschaffenseins ist; darin, dass Gott unsere menschliche Natur in Jesus angenommen hat; und darin, dass Gott sich auch weiter (im Wirken des Geistes) um uns müht. Sie betont, dass Gott uns wahrhaftig Vater und Mutter zugleich ist.
Es ist nicht zum ersten Mal in der Geschichte der christlichen Spiritualität, dass Gott auch weiblich beschrieben wird. Überraschend ist, mit welcher Selbstverständlichkeit Juliana dieses Bild des mütterlichen Gottes vertieft und insbesondere auf den Sohn und sein Wirken als Jesus von Nazareth bezieht. »Somit ist Jesus Christus, der Böses mit Gutem vergilt, unsere wahre Mutter; wir haben unser Dasein von ihm, was der Grund menschlicher Mutterschaft ist, mit all dem süßen Schutz der Liebe, die sich ewig daraus ergibt.«18 In einem Atemzug nennt sie Jesus, den Sohn, »Mutter, Bruder und Erlöser«.19 Den mütterlichen Dienst beschreibt sie als »den dem Menschen Nahesten, den Hilfreichsten und den Verlässlichsten«.20 So wie eine Mutter ihrem Kind Milch zu trinken gibt, so würde unsere Mutter Jesus uns sogar sich selbst zur Speise geben im Sakrament der Eucharistie, welches im wahrsten Sinne des Wortes ein ›Lebensmittel‹ sei.
Wer Julianas Text liest, taucht in eine Atmosphäre der innig liebevollen Verbundenheit mit dem dreifaltigen Gott und der kirchlichen Tradition ein.21 Gerade diese Verbundenheit scheint es Juliana zu ermöglichen, so freimütig die gängigen Bilder, die zur Beschreibung der Dreifaltigkeit verwendet werden, zu variieren und das Geheimnis Gottes für ihre Leser zu erschließen. Für uns kann dabei erfrischend und aufschlussreich sein, wie der dreifaltige Gott für Juliana geschlechtlich definierte Rollen in sich verbindet und diese Rollen darin übersteigt. Sicher bleibt Juliana bei ihrer Charakterisierung des Väterlichen oder Mütterlichen den Vorstellungen und Bildern ihrer Zeit und Lebenserfahrung verhaftet. Doch auch darin lehrt sie uns etwas: Wenn wir über unsere Erfahrungen mit Gott sprechen, können wir uns nur der Worte und Bilder bedienen, die uns persönlich etwas sagen. Ihr Schreiben kann uns dazu ermutigen, dass wir im Licht unserer Glaubens- und Lebenserfahrung unsere persönlichen Namen für Vater, Sohn und Geist finden.

Jan van Ruusbroec

Der im Jahr 1908 seliggesprochene Jan van Ruusbroec lebte von 1293 bis 1381. Er stammt aus dem heute »Ruisbroek« geschriebenen Ort bei Brüssel und war dort lange Jahre als Vikar an der heutigen Kathedrale St. Michael und St. Gudula tätig. In Brüssel kam er in Kontakt mit den spannenden spirituellen Aufbrüchen seiner Zeit. In einigen Kreisen griff damals eine Spiritualität um sich, die propagierte, dass der Mensch sein Ich ganz Gott überlassen müsse, um in Frieden leben zu können. Sobald dieser innere Zustand erreicht sei, würden alle äußeren Formen hinderlich oder überflüssig, angefangen von den Sakramenten bis hin zum Streben nach einem tugendhaften Leben. Selber ein zutiefst spiritueller und mystisch begabter Mensch setzte sich Jan mit diesen Tendenzen, das geistliche Leben auf eine reine Innerlichkeit zu reduzieren, kritisch auseinander. Jan unterstützte stattdessen die Bewegung der Beginen und deren stark auf die Menschwerdung Gottes in Jesus und auf das alltägliche ...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titel
  3. Impressum
  4. Inhalt
  5. Hinführung
  6. I. Biblische Zeugnisse
  7. II. Geschichte: Wie die Rede von einem Gott in drei Personen auf die Welt kam
  8. III. Mystische Zugänge zum dreifaltigen Gott
  9. IV. Persönliche Zugänge. Ein (Streit-)Gespräch
  10. V. Schluss
  11. Literatur
  12. Anmerkungen