
- 112 Seiten
- German
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eBook - ePub
Über dieses Buch
Führen Frauen anders als Männer? Und, wenn ja: aus biologischen Gründen – Stichwort Testosteron – oder weil sie anders sozialisiert sind?Ute Clement nimmt auf der Suche nach Antworten verschiedene Blickrichtungen ein. Nach innen, wo sie unterschiedliche Wahrnehmungsmuster von Männern und Frauen aufzeigt und infrage stellt. Nach außen, wo es um gesellschaftliche Strukturen und Prozesse und deren langfristige Veränderung geht.Mehr denn je gilt, dass bei der Führung von Unternehmen und Menschen emotionale und soziale Intelligenz eine entscheidende Rolle spielen. Wer über die entsprechenden Qualitäten und Kompetenzen verfügt, ist klar im Vorteil und führt letzten Endes besser – wenn man ihn rsp. sie denn lässt.
Häufig gestellte Fragen
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Information
1 Einen Unterschied machen
Sprache formt unser Bewusstsein und unsere Wahrnehmungen. Die Debatte über das Gendern wird erbittert geführt. Schon bei meiner Lehre in der Bank wollte ich Bankkauffrau sein und habe mich geweigert, die Urkunde als Bankkaufmann anzunehmen. Die Bank wollte mir auch keine Geschlechtsumwandlung zahlen. Warum ist es denn im Deutschen so schwer, sowohl die weibliche als auch die männliche Form zu nutzen? Lehnen Sie sich einen Augenblick zurück, denken Sie an einen Prokuristen – welches Bild entsteht? Genus hin oder her. In diesem ersten Kapitel soll gezeigt werden, warum es wichtig ist, einen Unterschied zu machen, um einen Sachverhalt besprechbar zu machen. Es soll aber auch auf die Schwierigkeiten hingewiesen werden, die bei einer solchen Unterscheidung aufkommen können. Hier soll nun die Unterscheidung zwischen »Gleichheit« und »Gleichberechtigung« in der deutschen Sprache gezeigt werden; beide Begriffe werden im Englischen mit equality übersetzt. Für den deutschen Begriff »Geschlecht« gibt es aber zwei englische Übersetzungen: sex und gender. Außerdem wollen wir uns anschauen, wo wir momentan in der Genderforschung stehen: was bereits erreicht wurde und woran noch weitergearbeitet werden muss. Die, die in der Genderforschung zu Hause sind, werden mit solchen Unterscheidungen wie sex und gender bereits vertraut sein, dies soll in diesem Kapitel aber noch einmal verständlich für diejenigen dargestellt werden, die sich nicht tagtäglich mit der Materie beschäftigen, aber unbewusst mit Sprache umgehen und vor allem die Konsequenzen nicht bedenken, die ein nachlässiger Umgang mit Sprache nach sich zieht. Um diesen Sachverhalt genauer zu betrachten und zu erklären, werden wir uns hauptsächlich auf die Arbeiten von Judith Butler (Undoing gender) beziehen sowie den Sammelband Geschlechterverwirrungen von Rendtdorff, Mahs und Warmuth.
1.1 Lost in Translation
Im englischen Sprachgebrauch werden sowohl »Gleichheit« als auch »Gleichberechtigung« mit equality übersetzt. Beide Begriffe werden also synonym verwendet – vor allem im Deutschen kann das bei der Übersetzung zu Missverständnissen führen. Gleichheit bedeutet nämlich nicht auch Gleichberechtigung. Gleichberechtigung beinhaltet, dass einer Person gesetzlich die gleichen Rechte zugebilligt werden, unabhängig von Geschlecht, Nationalität, Religion etc.1 Demgegenüber steht Gleichheit für die »Übereinstimmung in allen oder wesentlichen Merkmalen«.2 Gleichheit ist außerdem keine Voraussetzung für Gleichberechtigung – niemand streitet ab, dass die Körper von Mann und Frau nicht gleich sind. Die Verschiedenheit von Mann und Frau geht über biologische Merkmale hinaus, die dann für die unterschiedliche Behandlung der Geschlechter verantwortlich sind.
Die Ausdrücke Gleichheit und Gleichberechtigung werden im Englischen zwar unter dem Begriff equality zusammengefasst, aber wenn es um das Geschlecht geht, wird zwischen sex und gender unterschieden. Sex bezeichnet das biologische Geschlecht, welches aufgrund anatomischer Merkmale bei der Geburt zugewiesen wird – es gilt als unveränderlich. Zumindest nach dem Konzept, auf das sich die binäre Geschlechterordnung bezieht. Natürlich sind Umwandlungen des »natürlichen Geschlechts« durchaus möglich und stehen allen, die sich als transgender identifizieren, zur Verfügung.3 Die erste geschlechtsangleichende Operation wurde 1932 an Dora Richter von Magnus Hirschfeld in Berlin vorgenommen. Er prägte auch die Begriffe »transsexuell« und »Transvestitismus«.
Dem »natürlichen Geschlecht« gegenüber steht gender; gender bezeichnet das sozial konstruierte Geschlecht, welches unabhängig von sex ist und nicht mit dem anatomischen Geschlecht übereinstimmen muss – es gilt als wandelbar. Gender ist eng mit der Identität eines Individuums verknüpft und ist Ausdruck des Selbst4. Aus diesem Grund ist gender auch eine Performance: »a kind of doing«5. Die Performance findet meist statt, ohne dass wir etwas aktiv tun oder bemerken. Das Konzept gender als historische und performative Kategorie ist äußerlichen Einflüssen ausgesetzt. Das bedeutet, dass das soziale Konstrukt gender nicht von uns als Individuum bestimmt wird – oder zumindest nicht ausschließlich. Soziale Normen, äußere Einflüsse und persönliche Erfahrungen, die die Außenwelt uns zufügt, prägen, was als feminines oder maskulines (oder sonstiges) gender wahrgenommen wird. Gender, so Butler, ist eine kulturelle Konfiguration des anatomischen Körpers, und sex ist zwangsläufig in einem kulturellen Kontext zu betrachten.6 Gender wird produziert, indem scheinbar willkürlich gewählte Attribute dem biologischen Geschlecht zugeordnet werden. Weiblichkeit wird demnach dem anatomisch weiblichen Körper zugeteilt; was genau Weiblichkeit ist und ausmacht, ist abhängig von historischem und sozialem Wandel, geopolitischen und kulturellen Grenzen, aber auch davon, wer den Begriff »Weiblichkeit« in Zusammenhang mit wem und zu welchem Zweck konzipiert.7
Es lässt sich sagen, dass die Performance von gender immer von außen beeinflusst wird und gleichermaßen auf etwas abzielt, das außerhalb des Selbst liegt.8 So kommen wir als Gesellschaft z. B. nicht davon los, die Farbe Blau mit Jungen und die Farbe Rosa mit Mädchen zu assoziieren. Bereits zur Geburt bekommen Eltern Karten und Geschenke in Blau, wenn sie männlichen, und in Rosa, wenn sie weiblichen Zuwachs bekommen haben. Sogar schon vor der Geburt werden vor allem in den USA Gender Reveal Parties (Geschlechtsenthüllungspartys) gefeiert. Das sind Zusammenkünfte, zu welchen werdende Eltern einladen und bei denen es ausschließlich darum geht, Freund*innen und Verwandten das Geschlecht des noch ungeborenen Kindes zu enthüllen, z. B. durch Luftballons, aus denen es dann blaues oder rosa Konfetti regnet. Die jeweilige Assoziation von Blau und Rosa zieht sich weiter durch die Kindheit, und auch beim Spielzeug ist die Einteilung in binäre Genderkategorien offenkundig. Eisenbahnen, Autos etc. werden an Jungs vermarktet, während Puppen oder Spielküchen primär an Mädchen vermarktet werden. Ein kurzer Blick auf die Website eines Spielwarenhändlers reicht schon aus: Dort werden Mädchen und Jungen bereits in Kategorien eingeteilt, damit der Nutzer oder die Nutzerin spezifisch nach Spielzeug suchen kann. Klickt man/frau auf die Kategorie »Mädchen«, dominiert natürlich auch hier die Farbe Rosa und die Subkategorien: »Küche & Laden«, »Puppen & mehr« und »Malen & Basteln« stehen zur Auswahl; die Marken »Barbie« und »Baby born« können auch direkt angeklickt werden. Es gibt außerdem – anstatt einfach nur Lego – Lego Friends; mit geschwungener lila Schrift und dem Schmetterling wird angezeigt: »Das ist das Lego für Mädchen.« Klickt man/frau auf die Kategorie »Jungen«, findet man/frau dort jede Farbe außer Rosa und Lila. Die Subkategorien hier lauten »Actionfiguren«, »Werkbänke« und »Bauen & mehr«. Die vorgeschlagenen Marken, die direkt verlinkt werden, sind hier das ganz normale Standard-Lego, Hot Wheels und Carrera. Auch das Marketing durch Bilder, Beschreibungen und in Werbespots ist sehr von Geschlechterrollen geprägt. Die Wasserspritzpistole und Dinosaurierfiguren werden für Jungen beworben, und die Werkbänke und Werkzeugkästen sollen handwerkliches Geschick fördern. Auf den Werbebildern der Baby-born-Puppe sind ausschließlich Mädchen zu sehen, wie sie die Puppe füttern, wickeln etc. Ihre lebensechten Funktionen werden besonders hervorgehoben, die für ein »authentisches Spielvergnügen« sorgen, ganz so, als solle das Spielen auf das Muttersein vorbereiten. Man/frau kann ihr auch noch »hübsche Kleidung« an- und ausziehen, und mit dem Frisierkopf können die neuesten Trends zu Hause von »kleinen Stylistinnen« nachgemacht werden. Bei den Spielwaren für Jungen geht es eindeutig darum, Fähigkeiten zu fördern; bei den Spielwaren für Mädchen wiederum geht es darum, sie aufs Muttersein vorzubereiten und hübsch auszusehen.
Es ist aber nicht nur das Spielzeug und seine Bewerbung, die für die Weiterverfolgung und Verfestigung von Stereotypen bereits bei Kindern sorgt, bestimmte Verhaltensweisen werden auch, je nach Geschlecht, unterschiedlich belohnt. Jungen sind durchsetzungsfähig und wissen, was sie wollen, Mädchen sind bei gleicher Verhaltensweise rechthaberisch und herrisch. Wir werden von klein auf in diese Wahrnehmung hineingezogen, und nach allem Fortschritt ist sie immer noch unglaublich durchsetzungsstark.
1.2 »Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt«9
Ludwig Wittgenstein schrieb dies in seinem Tractatus logico-philosophicus (erstmals 1922 veröffentlicht). Was er damit meinte, ist, dass die Welt mit Logik erfüllt sei und dass somit die Grenzen der Welt auch die Grenzen der darin herrschenden Logik seien. Wenn wir der Logik folgen, so können wir, laut Wittgenstein, nicht sagen, was es in der Welt gibt und was nicht, denn was wir nicht denken bzw. was wir uns nicht vorstellen können, können wir auch nicht mit Worten ausdrücken.
Gendergerechte Sprache hat in den vergangenen Jahren zunehmend an Fahrt aufgenommen. Besonders die neue Sprechweise, die Genderlücke, bei der man/frau eine kleine Pause zwischen der männlichen und weiblichen Form eines Wortes macht, z. B. Politiker*innen (_ = Glottisschlag [»Stimmritzenverschlusslaut«]), wird zunehmend auch in Rundfunk und Fernsehen genutzt. Es ist ein Statement, diese Sprachform zu nutzen oder eben auch nicht zu nutzen.
Als Reaktion auf die zweite Frauenbewegung (meines Erachtens seit 1968) waren die 2000er zum Großteil von einer kritischen und ablehnenden Haltung gegenüber dem Feminismus geprägt – nach den Mottos »Das brauchen wir doch heute, in unserer Zeit, nicht mehr!« und »Wir sind doch inzwischen alle gleichberechtigt!«. In den USA lebt diese ablehnende Haltung gegenüber Genderfragen spätestens seit Trumps Wahl zum US-Präsidenten auch in der Mainstream-Popkultur wieder auf. Seiner Wahl folgten andererseits zahlreiche Proteste über den gesamten Globus verteilt und Bewegungen wie #TimesUp und #MeToo explodierten auf Social-Media-Plattformen.
Durch die öffentliche Verlagerung des Fokus auf Fragen der Gleichberechtigung ist auch die Debatte über gendergerechte Sprache in der Öffentlichkeit wieder neu entfacht. Gendern oder nicht gendern? – das ist hier die Frage. Bzw. werden häufig Stimmen laut, die meinen, dass das Ganze zu weit gehe, nicht zur Besserstellung der Frau beitrage, die deutsche Sprache zerstöre und unleserlich mache: »Gender-Unfug« wie es der Verein Deutsche Sprache nennt.10 Ein beliebtes Argument derjenigen, die um die Leserlichkeit der Sprache besorgt sind, ist, dass zwischen dem grammatischen Geschlecht »Genus« und dem natürlichen Geschlecht »Sexus« keine Korrelation existiert und die Klassifizierung völlig arbiträr ist. Eine solche Annahme (Korrelation zwischen Genus und Sexus) wird vom VDS (Verein Deutsche Sprache e. V.) als »Generalirrtum«11 abgetan. Damaris Nübling nimmt das Genus-Sexus-Prinzip in ihrer Arbeit ÜberEmpfindlichkeit? Die Geschlechter in der Sprache genauer unter die Lupe und widerlegt so die Aussage des VDS. Sie schreibt, dass Wörter, deren feste Bedeutungen weiblich sind, auch mit dem femininen Artikel einhergehen, während solche Wörter, deren feste Bedeutungen männlich sind, mit dem maskulinen Artikel einhergehen, und nennt die folgenden Beispiele: die Frau, die Mutter, die Tante – der Mann, der Vater, der Onkel. Sie führt weiterhin an, dass das Prinzip auch auf Fremdwörter und Bezeichnungen von Nutztieren angewendet wird: z. B. die Queen, die Lady und die Kuh, der Ochse. Sie führt fort und macht deutlich, dass das Neutrum gar nicht so neutral ist, wie es scheint.12 Sie zeigt anhand von Beispielen, dass »das (exkommunizierten) Außenseiter[n] und Rollenversager[n]«13 vorbehalten ist. »Das« wird daher vor abwertende Schimpfwörter (z. B. das Weib), nicht gesellschaftsfähige […] Frauen14« (z. B. das Frauenzimmer) und vor »unfertige Frauen, die erst mit Ehe und Mutterschaft in den sogenannten dritten und letzten Geschlechtszustand aufsteigen«15 (z. B. das Mädchen) gestellt. Sie weist darauf hin, dass das Neutrum häufig mit dem Suffix »-chen« oder »-lein« gebildet wird, die außerdem noch Kleinheit und Minderwertigkeit ausdrücken. Das Antonym zu »Mädchen« unterliegt aber nicht derselben Kategorisierung und geht ebenfalls mit dem Maskulinum einher: der Junge. Abwertende Begriffe für Männer, die nicht dem stereotypischen Ideal entsprechen, werden nicht ins Neutrum, sondern ins Femininum gesetzt: z. B. die Memme.16 Eine interessante Frage hierbei ist, ob das Genus an sich bereits Geschlechtsassoziationen hervorrufen kann, denn das Genus von Gegenständen beeinflusst ihre dargestellte Personifizierung. Z. B. wird die Teekanne im Disneyfilm Die Schöne und das Biest als Frau dargestellt, und der Kerzenleuchter wird als Mann dargestellt. Das beweisen außerdem auch Märchen, die personifizierte Tiere zeigen.
Des Weiteren übt das Genus Einfluss auf unsere soziale Wahrnehmung und die semantischen Assoziationen, die wir mit einem Begriff verbinden, aus. So fällt es uns z. B. schwer, uns eine Frau vorzustellen, wenn von einem Arzt die Rede ist. Es gibt zu diesem Thema zahlreiche Studien, die belegen, dass wir bei einem Arzt, Politiker oder einem Lehrer in erster Linie an einen Mann denken. Ob die Berufsbezeichnungen einen »typischen Frauen- oder Männerberuf« bezeichnen, ist dabei nicht von Bedeutung und trifft in beiden Fällen zu.17 Wenn unsere Sprache also aussagt, dass Ärzte etc. männlich sind, dann sagt das, wenn auch indirekt und unterbewusst, dass diese Rollen Männern vorbehalten sind. So begrenzt unsere Sprache auch unsere Welt und unsere Vorstellungen vom Möglichen.
Aber alle Beweise und Ergebnisse aus Studien reichen nicht aus, um Gegner und Gegnerinnen der gendergerechten Sprache zu überzeugen. Sie halten daran fest, dass die Erwähnung beider Geschlechter (Lehrer und Lehrerinnen oder LehrerInnen) oder andere Formen, die auch Raum für nichtbinäre Geschlechter lassen (Lehrer*innen oder Lehrer_innen) den Lese- und Sprachfluss stört, dass die Sprache unleserlich gemacht und verunglimpft wird. Darüber hinaus wird darüber geklagt, dass man/frau durch Anwendung, oder N...
Inhaltsverzeichnis
- Cover
- Titel
- Impressum
- Inhalt
- Geleitwort
- Vorwort
- 1 Einen Unterschied machen
- 2 »Ich möchte lieber bei den Männern sitzen«
- 3 »Wir beurteilen hier nach Leistung«
- 4 Frauen in männerdominierten Umwelten
- 5 »Was sagt denn Ihr Mann dazu?«
- 6 Frauen und Geld
- 7 »Wenn zu viele Frauen zusammen in Teams sind, dann kippt die Stimmung«
- 8 Mansplaining
- 9 Das F-Wort
- 10 Zum Schluss
- Danksagung
- Anmerkungen
- Literatur
- Über die Autorin