Zwischen Literatur und Naturwissenschaft
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Zwischen Literatur und Naturwissenschaft

Rudolf Freiburg, Christine Lubkoll, Harald Neumeyer, Rudolf Freiburg, Christine Lubkoll, Harald Neumeyer

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Rudolf Freiburg, Christine Lubkoll, Harald Neumeyer, Rudolf Freiburg, Christine Lubkoll, Harald Neumeyer

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Inhaltsverzeichnis
Quellenangaben

Über dieses Buch

Zwischen Literatur und Naturwissenschaft finden im 18. Jh. vielfĂ€ltige Interaktionen statt: Literarische Texte verarbeiten wissenschaftliche Themen; wissenschaftliche Diskurse verwenden literarische Techniken. Der Sammelband widmet sich den Austauschprozessen zwischen den Disziplinen. Wissensgeschichtliche Paradigmen und ÜbergĂ€nge (etwa in den Bereichen der Mechanik, Geographie, Botanik, Chemie/Alchemie, Kosmologie) stehen ebenso im Fokus wie Schreibweisen und Vermittlungsformen (Musenalmanache, Lehrgedichte, Lexika etc.). In exemplarischen Fallstudien werden wissenschaftliche Traktate, populĂ€rwissenschaftliche Schriften und literarische Texte vom 17. bis ins frĂŒhe 19. Jahrhundert beleuchtet (England, Frankreich, Deutschland). Das Spektrum reicht von Theatermaschinen bis zum kĂŒnstlichen Menschen, von der Vermessung der Welt bis zum Stein der Weisen, von der Farbenlehre bis zur Kometenforschung, von Wundern und Phantasmen bis zu Tabellen und Statistiken. Eine wesentliche Einsicht betrifft die Überlagerung der Diskurse: In den einzelnen Themenfeldern kreuzen sich verschiedene naturwissenschaftliche Disziplinen; zugleich werden literarische und szientifistische Darstellungen noch nicht strikt voneinander getrennt.

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Information

Jahr
2017
ISBN
9783110526509

Schreibweisen und Vermittlungsformen

Tanja van Hoorn

Physikalische Belustigungen, Metamorphosen im Musenalmanach: Naturkunde und Poesie in Zeitschriften der AufklÀrung

Es scheint eine SelbstverstĂ€ndlichkeit, die man vielleicht trotzdem noch einmal aussprechen darf: Nicht jeder Text entfaltet in jedem Umfeld dieselbe Wirkung. Anders gesagt: Weil die LektĂŒre eines Textes wesentlich von seinem Kontext beeinflusst wird, kann ein verĂ€nderter Kontext eine neue Lesart ermöglichen.
Johann Wolfgang von Goethe reflektiert diesen Sachverhalt in der Auseinandersetzung mit seiner Elegie Die Metamorphose der Pflanzen (1798). Das Gedicht verdankt sich bekanntlich seiner auf der ‚Italienischen Reise‘ entwickelten Idee der Urpflanze und gehört in seine Überlegungen zur Pflanzenmorphologie. Seine diesbezĂŒglichen naturwissenschaftlichen Thesen formuliert er 1790 unter dem Titel Versuch die Metamorphose der Pflanzen zu erklĂ€ren. Es handelt sich um eine knapp 90seitige – bei Ettinger in Gotha erschienene – Monographie. Nach diesem ersten Fachprosa-Text zum Thema publiziert Goethe acht Jahre spĂ€ter seine Elegie. Die Metamorphose der Pflanzen ist ein poetischer Text, ein Lehrgedicht (neuen Typus), und erscheint in Schillers Musen-Almanach fĂŒr das Jahr 1799. 1817 schließlich modelliert Goethe die Texte insofern neu, als er sie beide in seine Abhandlung Zur Morphologie integriert. Die Verpflanzung der Elegie in einen wissenschaftlichen Kontext begrĂŒndet er damit, dass „sie, im Zusammenhang wissenschaftlicher Darstellung, verstĂ€ndlicher werden dĂŒrfte, als eingeschaltet in eine Folge zĂ€rtlicher und leidenschaftlicher Poesien“ (Goethe 1977, 90).
Goethe korrigiert also nachtrĂ€glich den Publikationsort seiner Elegie, den Musen-Almanach. Gleichwohl gilt sie ihm jetzt nicht etwa schlicht als ein fachwissenschaftlicher Beitrag. Vielmehr positioniert er das Gedicht explizit als ein Beispiel der gelungenen Verbindung von Wissenschaft und Poesie auf, wie er es nennt, „höherer Stelle“ (Goethe 1977, 90).
Im Folgenden soll es nicht Ă€sthetikgeschichtlich um dieses klassische Programm Goethes gehen, sondern medienhistorisch um den ursprĂŒnglichen Publikationszusammenhang der Elegie in einem Periodikum. Die AufklĂ€rung ist bekanntlich das Zeitalter einer explodierenden Zeitschriftenproduktion (Raabe 1974). Die Wochen- und Monatsschriften sind dabei keineswegs generell ein Raum der intensiven Interaktion von Naturkunde und Poesie (van Hoorn 2014). Einzelne prominente Beispiele jedoch besetzen diese Funktionsstelle ganz bewusst. Sie nutzen das Medium der Zeitschrift als einen neuen, offenen Kommunikationsraum, der gerade nicht die ‚Zwei Kulturen‘ Charles P. Snows festschreibt (Snow 1959), sondern in dem ein geselliges GesprĂ€ch, u. a. mit literarischen Techniken der Darstellung, auch ĂŒber GegenstĂ€nde der Naturkunde möglich ist.
In seiner lĂ€ngst kanonischen geschichtswissenschaftlichen Darstellung zum PhĂ€nomen der Popularisierung hat Andreas Daum die zweite HĂ€lfte des neunzehnten Jahrhunderts als die Epoche der Wissenschaftspopularisierung charakterisiert (Daum 2002). FĂŒr das achtzehnte Jahrhundert hingegen muss man umgekehrt festhalten: Die Verwissenschaftlichung folgt der Popularisierung (Gierl 2014, 67–68). Denn die fachwissenschaftlichen Journale des spĂ€ten achtzehnten Jahrhunderts, wie etwa die bei Bertuch erscheinenden Allgemeinen Geographischen Ephemeriden (1798–1816), entstehen weniger aus der Tradition der gelehrten Akademieorgane, die als internes Archiv die Arbeit der Mitglieder einer wissenschaftlichen Gesellschaft dokumentieren (Christoph 2014). Sie sind eher dem wichtigsten neuen Zeitschriftentyp des achtzehnten Jahrhunderts verpflichtet, den so genannten Allgemeinwissenschaftlichen Zeitschriften.
Diese Allgemeinwissenschaftlichen Zeitschriften – der Begriff stammt von dem Wissenschaftshistoriker Rudolf Stichweh (1984) – richten sich ausdrĂŒcklich zumindest auch an Laien. Die Zeitschriften dieses Typus haben den Anspruch, Wissen – gerade Neues, Interessantes, Noch-Nicht-Gesichertes – allgemeinverstĂ€ndlich zu prĂ€sentieren und zu diskutieren. Nicht zuletzt aus finanziellen GrĂŒnden sind sie hinsichtlich der Inhalte einer gewissen Breite, hinsichtlich der Darstellung dem prodesse et delectare verpflichtet. Zeitschriftentitel wie Belustigungen des Verstandes und des Witzes (1741–1745) kĂŒnden von diesem Programm. Weil die Allgemeinwissenschaftlichen Zeitschriften also nicht wie die Akademieschriften auf Dokumentation, sondern auf Kommunikation setzen, operieren viele von ihnen ausdrĂŒcklich und programmatisch auch mit literarischen Verfahren und Texten: Poesie ist von Beginn an ein wesentlicher Bestandteil ihres Inhalts.
Am Ende des Jahrhunderts laufen im Zuge der Ausdifferenzierung fachwissenschaftliche und literarische Diskurse dann hĂ€ufig rĂ€umlich getrennt – Schillers Musen-Almanach ist ein rein literarisches Periodikum, in dem wissenschaftliche Abhandlungen keinen Platz finden. Die Metamorphose der Pflanze bildet mit ihrem Wissenschaftsbezug eine isolierte Ausnahme. Ganz anders sieht das um die Jahrhundertmitte in Christlob Mylius’ Zeitschrift Der Naturforscher (1747/1748) aus. Eine thematisch dezidiert naturkundliche Ausrichtung geht hier einher mit einem allgemeinwissenschaftlichen Anspruch, d. h. einem populĂ€ren, zur Literatur hin offenen Konzept.

1

Das vielleicht bedeutendste Zentrum der hochaufklĂ€rerischen Zeitschriftenproduktion ist Leipzig. Hier, im Gottsched-Kreis, florieren Periodika unterschiedlichster Façon. Maßgeblich beteiligt ist daran Christlob Mylius, ein entfernter Vetter Gotthold Ephraim Lessings, der nicht nur an Johann Christoph Gottscheds BlĂ€ttern mitwirkt, sondern auch und vor allem Ă€ußerst umtriebig eigene Zeitschriften grĂŒndet. An seine religionskritischen Philosophischen Untersuchungen und Nachrichten (1744–1746) schließt er mit der bereits im Titel noch deutlicher einem aufklĂ€rerischen Konzept verpflichteten Zeitschrift Der Freygeist (1745) an. Dann entwirft er das Journal, um das es im Folgenden gehen soll, den Naturforscher. Kurz darauf, nun wohnhaft in Berlin und Mitarbeiter u. a. der Berlinischen Privilegierten Zeitung (seit 1721), bringt Mylius zunĂ€chst die ebenfalls naturkundlich ausgerichteten, erfolgreichen Physikalischen Belustigungen (1751–1757) heraus (KoĆĄenina 2014), um dann mit dem Wahrsager (1749) wohl eines der ersten Klatsch- und Tratschmagazine der deutschen Zeitschriftenlandschaft aus der Taufe zu heben (Hildebrandt 1981, 33; KrĂ€tzer 1995, 514).84 All diese Zeitschriften erscheinen, wie damals ĂŒblich, nur wenige Jahre. Ihr wichtigster BeitrĂ€ger ist stets der Herausgeber selbst – auch dies ist keineswegs etwas Besonderes.
Unter dem Gesichtspunkt einer Interaktion von Naturkunde und Poesie ist Der Naturforscher einschlĂ€gig (Noreik 2014).85 In der programmatischen ersten Ausgabe vom 1. Juli 1747 skizziert Mylius sein Vorhaben. Selbstbewusst formuliert er den Anspruch, eine neuartige Zeitschrift zu begrĂŒnden. Vorbild seien diejenigen „Wehrleute, die ihre Gedanken nach und nach in einzelnen BlĂ€ttern bekannt machen“ (Mylius 1747, 3); Mylius bezieht sich also auf kĂ€mpferische Publizisten („Wehrleute“), denen es inhaltlich nicht um BanalitĂ€ten (sondern um „Gedanken“) zu tun ist und die sich ganz bewusst (aus erst spĂ€ter erlĂ€uterten „hinlĂ€ngliche[n] Ursachen“ [Mylius 1747, 3]) des periodischen Mediums bedienen (und ihre GegenstĂ€nde also „nach und nach in einzelnen BlĂ€ttern“ prĂ€sentierten). Konkret gemeint und ausdrĂŒcklich genannt sind die BegrĂŒnder der Moralischen Wochenschriften Joseph Addison und Richard Steele, deren The Spectator (1711/1712 und 1714), The Tatler (1709/1711) etc. in Deutschland eifrige Nachahmer gefunden hĂ€tten (was natĂŒrlich auf Gottscheds VernĂŒnftige Tadlerinnen [1725– 1726] u. Ă€. zielt). Das Profil derartiger Wochenschriften charakterisiert Mylius gewissermaßen medientheoretisch in Abgrenzung zu monographischen Darstellungen. Gegen die „trockne[n] und weitlĂ€uftige[n]“ (Mylius 1747, 4) systematischen Abhandlungen setzten die Moralischen Wochenschriften auf Rezipientenfreundlichkeit, gegen Allgemeinheitsanspruch böten sie Ausschnitthaftigkeit. Deshalb seien sie dem Ideal der KĂŒrze und einer Vortragsweise mit „lachendem Munde“ (Mylius 1747, 4) verpflichtet. HĂ€ppchenweise, im Ton launig und kurzweilig, undogmatisch, die GegenstĂ€nde mal dies, mal das: Darin erblickt Mylius – zu Recht – Charakteristika der Moralischen Wochenschriften (Martens 1968).
Dieser Darstellungsform will er folgen, aber doch mit einem wichtigen inhaltlichen Innovationsanspruch: Die meisten Wochenschriften seien bislang auf moralische Fragen bzw. auf Aspekte des tugendhaften Verhaltens ausgerichtetet gewesen. Da jedoch „[n]icht nur der Wille, sondern auch der Verstand [
] gebessert werden“ (Mylius 1747, 4), ja, letzterer eigentlich sogar als Voraussetzung des ersteren angesehen werden mĂŒsse, ergebe sich natĂŒrlicher Weise die Forderung nach einem philosophischen Periodikum: „Man muß fĂŒr den Verstand auch WochenblĂ€tter schreiben.“ (Mylius 1747, 5) FĂŒr sein diesbezĂŒgliches Vorhaben erscheint ihm aus dem großen Feld der Philosophie allerdings nicht die abstraktdeduktive Logik oder Metaphysik, sondern die sinnlich-konkrete Physik bzw. Naturlehre (im damaligen System der FakultĂ€ten bekanntlich Teil der Philosophie) ein geeigneter Gegenstand. Den etablierten Tugendschulungs-Periodika will Mylius folglich eine neue, ausdrĂŒcklich „physikalische Wochenschrift“ zur Seite stellen (Mylius 1747, 6). Gedachte Rezipienten sind Laien, die, angeregt durch die kurztaktig mitgeteilten aktuellen eigenen Beobachtungen des Verfassers, zur Betrachtung der Natur ermuntert und so nach und nach selbst zu (im seinerzeitigen positiven Sinne) naturkundlichen Dilettanten ausgebildet werden sollen. Um die, wie es heißt, „Fremdlinge im Reiche der Natur“ (Mylius 1747, 7), nicht unnötig zu strapazieren, tue Abwechslung Not. Diese Funktion sollen „auch“ (Mylius 1747, 7) eingestreute Werke der Dichtkunst erfĂŒllen. Sie werden damit eingangs betont vorsichtig lanciert und dem naturkundlichen Gehalt explizit unter- bzw. als Dienstleister zugeordnet. In der Umsetzung geht die Zeitschrift dann entscheidend weiter.

2

Der Naturforscher erscheint, wie die Selbstcharakterisierung als Wochenschrift ja auch ankĂŒndigt, wöchentlich, immer samstags, und zwar, wie eine Notiz am Ende des ersten StĂŒcks verrĂ€t, „an der Ecke des SchustergĂ€sschens bey dem BuchhĂ€ndler Johann Gottlieb Crull“ (Mylius 1747, 8). Der Umfang einer Ausgabe liegt bei acht Seiten, der Preis bei acht Pfennigen. Es spricht eine Instanz namens „Der Naturforscher“, der von sich selbst in der ersten Person Singular redet und hin und wieder, etwa bei der Schilderung bestimmter historisch verbĂŒrgter Reiseerlebnisse, eindeutig als Christlob Mylius identifizierbar ist. Jedes Heft ist, dem Muster der Moralischen Wochenschriften folgend, ĂŒblicherweise einem Thema gewidmet, zu dem ein einzelner, die Ausgabe fĂŒllender, titelloser Text prĂ€sentiert wird.
So eröffnet Mylius das zweite StĂŒck im Juli 1747 mit Reflexionen ĂŒber den (gerade jetzt so unertrĂ€glich heißen) Sommer und Überlegungen zur ErklĂ€rung von Gewittern. Er fĂŒhrt dieses Thema dann im Fortsetzungsstil weiter, wobei er durchaus einen lĂ€ngeren Atem beweist – erst im neunten StĂŒck kommt die angekĂŒndigte zweite Sommer-Abhandlung.
Wenn sich der Naturforscher einmal dabei ertappt, allzu grĂŒndlich geworden zu sein, kommentiert er das selbstironisch und schafft unverzĂŒglich einen Kontrapunkt. Eine sich ĂŒber zwei Ausgaben (viertes und fĂŒnftes StĂŒck des Jahres 1747) erstreckende Abhandlung zu den drei Reichen der Natur – Mineralien, Pflanzen, Tiere –, die in einer seitenlangen Liste zur Klassifikation verschiedener Gattungen gipfelt, scheint ihm selbst allzu systematisch und pedantisch geraten. Er kĂŒndigt im nĂ€chsten Heft daher ausdrĂŒcklich an, nun „unordentlich“ sein zu wollen, und prĂ€sentiert eine offensichtlich unernste, in Scheinparagraphen gegliederte Abhandlung zu einer so genannten „Physikopetitmaitrik“, einer vermeintlichen Wissenschaft von den physikalischen Kenntnissen junger Herren, die sich mit KĂŒssen, dicken Waden und Ă€hnlich Jokosem befasse (sechstes StĂŒck 1747).
Der Naturforscher kennt also mindestens zwei miteinander kontrastierende Tonarten: Der echten Belehrung in ungebrochener Fachprosa steht eine scherzhafte Ironisierung von Wissenschaft und Wissenschaftlern im Duktus der Wissenschaftssatire gegenĂŒber.
Letzteres geschieht insbesondere auch ĂŒber (vermutlich durchweg fingierte und) teilweise geradezu offensiv alberne Leserbriefe.
FĂŒnf Wochen nach Erscheinungsbeginn gibt es eine erste solche Reaktion des Publikums auf die neue Zeitschrift: Es geht um die Frage, ob ein gewisser Herr Thomas Raupe tatsĂ€chlich so töricht sei, in seinem Naturalienkabinett statt der Schmetterlinge nur ihre Vorstufe, die Raupen, zu sammeln. Schon das siebte StĂŒck prĂ€sentiert weitere Briefe. Etwa den eines vermeintlichen „Priscianus Cicero Ernst Wortforscher“ (Mylius 1747, 53). Dieser mokiert sich darĂŒber, dass er in BuchlĂ€den die Zeitschrift Der JĂŒngling (1748/1749) neben der Mylius’schen, mithin einen Sittenforscher neben einem Naturf...

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