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Sichtbare Religion
Eine Einführung in die Religionswissenschaft
- 271 Seiten
- German
- ePUB (handyfreundlich)
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Sichtbare Religion
Eine Einführung in die Religionswissenschaft
Über dieses Buch
Dieses Buch bietet eine Einführung in die Religionswissenschaft aus kommunikationstheoretischer Perspektive mit besonderer Berücksichtigung visueller Medien und ihrer Rolle in der Gestaltung und Tradierung von religiösen Symbolsystemen. Das Buch verbindet forschungsgeschichtliche Positionen mit wesentlichen Theorien und methodischen Zugängen zur Erforschung der Wechselwirkung von Religion und (audio-)visuellen Medien in Geschichte und Gegenwart. Der Überblick über die Religionswissenschaft und ihre möglichen Leistungen im Umgang mit Visualität wird mit Bespielen aus der europäischen Religionsgeschichte und Gegenwart vertieft.Diese Einführung:
- liefert einen Überblick über wesentliche, ausgewählte Theorien und Methoden der Erforschung visueller Religion
- eröffnet ein Panorama auf unterschiedliche Religionstheorien und weist eine interdisziplinäre Öffnung auf
- führt in wesentliche Konzepte der Religionswissenschaft ein, die im Hinblick auf die Erforschung visueller Quellen diskutiert werden
- präsentiert weiterführende Ansätze im Umgang mit einer breiten Auswahl an (audio-)visuellen Medien
- enthält Anregungen für Gruppendiskussionen, Selbstarbeit sowie zahlreiche Verweise auf wichtige Lektüre
Häufig gestellte Fragen
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Information
1Das Forschungsfeld der sichtbaren Religion
oder wie die religionswissenschaftliche Perspektive erweitert wird
In gegenwärtigen Debatten wird Religion kontrovers und vielschichtig diskutiert. Die Frage nach dem angemessen Status des Religionsunterrichts in öffentlichen Schulen, das Vorkommen religiöser Symbole im öffentlichen Raum oder die sogenannten Kopftuch-Debatten sind Beispiele dafür. Bilder nehmen in diesen Auseinandersetzungen häufig eine zentrale Rolle ein. Um beim letzten Beispiel zu bleiben: Der Darstellung der ›muslimischen Frau‹ begegnet man in zahlreichen Medien, auf politischen Plakaten, im Internet, in Zeitungsberichten, wobei sie meist in schwarzen, den Körper verhüllenden Kleidern abgebildet wird. Solche Abbildungen stellen die verschleierte Frau stereotyp als Vertreterin eines als einheitlich konstruierten Islams dar. Tschador, Niqab, Burka oder Burkini werden in solchen Abbildungen und Berichten als Pars pro Toto für ›den Islam‹ eingesetzt. Sie repräsentieren eine angeblich unüberwindbare kulturelle Differenz, mit der einseitige und manchmal unreflektierte Vorstellungen von Rückständigkeit, fehlender Geschlechtergleichstellung und Fundamentalismus einhergehen.1 Das Plakat für eine politische Initiative zugunsten des Bauverbots von Minaretten, das in der Schweiz im Jahr 2009 in einer Volksabstimmung beschlossen wurde, arbeitet genau mit diesem medial verbreiteten Stereotyp des schwarz verhüllten Frauenkörpers (Abb. 1).2
Die Bildkonstellation mit den an Raketen erinnernden Minaretten, die die nationale Fahne durchbohren, unterstellt eine unmittelbare Verbindung mit Terrorismus und Gewaltbereitschaft. Dabei wirkt der Gegensatz zwischen dem weißen (christlichen) Kreuz auf dem Schweizer Wappen und den dunklen, bedrohlich wirkenden Minaretten besonders stark. Auf diese Weise wird das Argument gegen Minarette visuell zum Ausdruck gebracht, als plausibel präsentiert und mit normativen Vorstellungen verknüpft. Dass das Bauverbot von 57,5 Prozent der Schweizer Stimmbevölkerung angenommen wurde und die Bildkonstellation danach in politischen Kampagnen anderer Länder wieder auftauchte, unterstreicht die erfolgreiche Wirkung dieser visuellen Strategie (Abb. 2).
Das vorgestellte Werbeplakat bringt eine bestimmte Konstruktion des Anderen visuell zum Ausdruck und prägt die politische Debatte über den Stellenwert von Religion in der Gesellschaft. Dabei macht es die Tragweite visueller Kommunikation in öffentlichen Räumen deutlich: Die schwarz verhüllte Figur verweist in solchen Bildkonstellationen nicht auf konkrete Frauen, sondern wird als stereotypes Merkmal zur Konstruktion von Differenz verwendet. Es geht um die Unterscheidung von mitteleuropäischem Eigenen und fremdem Anderen. Das Eigene wird mit gesellschaftlichem Fortschritt, Christentum oder Säkularisierung und Geschlechtergerechtigkeit assoziiert. Das Fremde dagegen wird mit religiös legitimierter Unterwerfung, Rückständigkeit und fehlenden Rechten von Frauen gleichgesetzt. In dieser Werbekampagne, die in einem politisch rechts stehenden, nationalistischen Lager verankert ist, gehört ›der Islam‹ zum negativen, öffentlich sichtbaren Auftreten des Anderen.


Aber auch in anderen Bereichen des öffentlich-gesellschaftlichen Lebens ist Religion visuell präsent, etwa in ökonomischen Zusammenhängen. Ein Beispiel bietet die Werbung für Heinz Fit Ketchup, die 2007 von der Agentur Mark BBDO in Prag entworfen wurde (Abb. 3).
Das Plakat zeigt eine grüne Schlange, die sich um eine rote Tomate windet. Darunter kann man »No Sin. More Tomatoes, Less Sugar« lesen und das Logo des Produktes sehen. Es findet sich hier ein visuelles Spiel mit der in der Hebräischen Bibel in Genesis 3 überlieferten und medial vielfach rezipierten Geschichte von Adam und Eva, der Schlange und der Frucht. Im Gegensatz zu dieser Erzählung, so suggeriert die visuelle Kombination von Bild und Text, ist das, was die Schlange anpreist, bei Heinz Fit Ketchup keine ›Sünde‹. Die Werbung geht davon aus, dass bei den intendierten Adressatinnen und Adressaten ein gewisses biblisches Wissen vorhanden ist. Gleichzeitig koppelt dieses Plakat ein maßgeblich visuell tradiertes Motiv (den ›Apfel‹, der in Genesis gar nicht genannt wird, sondern erst in der visuellen Umsetzung des Textes dazu kam) mit gegenwärtigen, normativen Fragen rund ums ›richtige‹ Essen.3

Während das Plakat für das Minarett-Bauverbot Religion vor allem als das bedrohliche Andere inszeniert, adaptiert die Werbung für Heinz-Ketchup auf humorvolle Weise ein religiöses Bildmotiv, das für eine breite Öffentlichkeit als bekannt und also Teil des ›Eigenen‹ vorausgesetzt wird. Beide Illustrationen verweisen auf (vermeintlich) geteilte Vorstellungen von Religion und prägen diese zugleich durch veränderte Adaptionen in politischen und ökonomischen Kontexten.
Ein weiteres Beispiel für die Relevanz visueller Kommunikation von Religion in der Öffentlichkeit bildet die Gestaltung des urbanen öffentlichen Raums. Religiöse Bauwerke sind imposante visuelle Marker, die den Raum nicht nur architektonisch und historisch prägen, sondern auch mögliche Identitätsprozesse im Sinne der Identifikation mit und Abgrenzung von einer religiösen Tradition in Gang setzen können. Man denke dabei an den bereits erwähnten Umgang mit Baugesuchen für Minarette oder an religiöse Bauwerke, wie den berühmten St. Michael’s Tower auf dem Hügel Glastonbury Tor im englischen Somerset oder die Kathedrale von Chartres, die zu touristischen Magneten wurden. Letztere illustrieren die visuelle Präsenz und Erkennbarkeit von Religion im öffentlichen Raum und die Bedeutung und Wirkung ihrer Sichtbarkeit. Da religiöse Verweise manchmal nur lose mit institutionalisierter Religion verbunden sind, verlangt der Fokus auf sichtbare Religion einen offenen, weiten Blick auf Religion.
Die bisherigen Beispiele betonten die Relevanz von Bildern und Religion in zeitgenössischer Perspektive. Die Sichtbarkeit von Religion ist jedoch keineswegs ein nur modernes Phänomen. Visuelle Quellen bilden ein zentrales Kapitel der Religionsgeschichte. Die Palette von Beispielen reicht von antiken Tempelanlagen über die Kleidung religiöser Spezialistinnen und Spezialisten bis hin zu religiösen Motiven in der Kunst- und Filmgeschichte. Das Beispiel der Werbung für Heinz Fit Ketchup, das auf Bilder des sogenannten Sündenfalls verweist, zeigt deutlich, dass sich im Laufe der Tradierung bestimmter ikonographischer Konstellationen vielfältige Veränderungen und Adaptionen religiöser Motive vollziehen können.4 Sie werden in vielschichtigen Tradierungsprozessen weitergegeben und gleichen deshalb – wie Hans Belting es treffend beschreibt –, Nomaden, die durch Zeit und Raum wandern.5
Betrachtet man religiöse Tradierungsprozesse mit einem Fokus auf Visualität, dann wird die Geschichte der technischen Möglichkeiten zur Bildproduktion ein wichtiges Kapitel der Religionsforschung: Die Erfindung von Druck, Fotografie, Film oder Internet sind mit religiösen Institutionen, Symbolsystemen und Tradierungsprozessen verwoben. Die Wechselwirkungen zwischen Religion und Techniken der Sichtbarmachung prägen die Ausformung religiöser Systeme und stellen einen wichtigen Faktor von Innovation dar.6 Nicht nur die Art und Weise der Produktion von Bildern hängt von technologischen Erfindungen ab, sondern auch die Möglichkeit ihrer Reproduktion, Verbreitung und Vervielfältigung.
In diesem Zusammenhang aufschlussreich ist das Phänomen der Geisterfotografie, das Mitte des 19. Jahrhunderts weit über spiritistische Kreise hinaus populär wurde und rege öffentliche Debatten über die Authentizität solcher Bilder auslöste.7 Die folgende Abbildung zeigt die Witwe von Abraham Lincoln mit dem (vermeintlichen) Geist ihres berühmten Ehemanns (Abb. 4).
Das in den 1820er Jahren erfundene Verfahren der Fotografie bot die Möglichkeit, religiöse Fragen nach einem Leben jenseits des Todes dank einer innovativen visuellen Technik neu zu stellen: Fotos schienen die Existenz von Geistern zu ›beweisen‹. Dabei spielte die Idee der Authentizität von Fotografie eine große Rolle. Der Fotoapparat wurde als neutraler und objektiver Beobachter verstanden, dem in diesem Fall ein schärferer, weil technischer Blick auf die Wirklichkeit attestiert wurde, als er Menschenaugen möglich wäre.8 Rund um diese Geisterfotografien entstanden neue spiritistische Ideen und Handlungen, auf die ältere religiöse Institutionen zum Teil mit Abwehr reagierten. Da Fotografie als ›objektiv‹ wahrgenommen wurde, die Geisterbilder aber nicht in gängige römisch-katholische, evangelische oder anglikanische Vorstellungen des Jenseits passten, versuchten kirchliche Vertreter zu beweisen, dass es sich um Fälschungen handeln musste.9 Mediengeschichte im Sinne eines Wandels medialer Techniken ist also mit der Erforschung der visuellen Aspekte von Religion eng verflochten. Durch das Aufkommen neuer Medien ergeben sich neue Möglichkeiten, sich mit der Sichtbarkeit von Religion auseinanderzusetzen. Ebenso erlauben sie, religiöse Fragen auf eine neue Art zu stellen und visuell zu verarbeiten.
Werbeplakate, Architektur, Fotografien, Gemälde und Zeichnungen ebenso wie materielle Objekte, Statuen, Altäre, religiöse Gerätschaften, Särge, religiöse Spiele oder archäologische Fundgegenstände zeugen von der Vielfalt visueller Religion. Hinzu kommen audiovisuelle und digitale Medien wie TV-Serien, Filme, Blogs, Webseiten und Social Media-Profile, die Visualität auf eine ganze eigene Weise neu inszenieren und mit anderen Medien verbinden. Sichtbare Religion verknüpft Fragen nach diachronen und synchronen Prozessen von Religion und schärft unseren Blick auf individuelle und kollektive Vorstellungen und Handlungen. Diese besondere Art der Annäherung an Religion versteht sich nicht als eine Alternative zu anderen Zugängen, sondern als eine Erweiterung des Blicks und zwar im wörtlichen Sinne! Durch die Betrachtung visueller Medien, Quellen und Kommunikationsformen treten, wie wir aufzeigen werden, andere Aspekte religiöser Repräsentationen, Praktiken oder Gemeinschaften ins Blickfeld als bei der Arbeit mit Texten. Durch materielle Objekte werden beispielsweise Fragen nach unterschiedlichen Blickkulturen, nach Normierungen des Sichtbaren und des Sehens sowie nach Identitätsprozessen aufgeworfen. Die Erwei...
Inhaltsverzeichnis
- Cover
- Titelseite
- Impressum
- Inhalt
- Vorwort
- 1 Das Forschungsfeld der sichtbaren Religion oder wie die religionswissenschaftliche Perspektive erweitert wird
- 2 Theoretische Horizonte oder wie sichtbare Religion erfasst wird
- 3 Methodische Herausforderungen oder wie sichtbare Religion untersucht wird
- 4 Bilder der Welt oder wie religiöse Gesamtansichten repräsentiert werden
- 5 Das Unsichtbare sichtbar machen oder wie Transzendenz visuell erfahrbar wird
- 6 Alles unter Kontrolle oder wie Normativität medial vermittelt wird
- 7 Sichtbar reguliert oder wie Macht inszeniert wird
- 8 In guter Gesellschaft oder wie Gemeinschaften sich über Bilder definieren
- 9 Private Ansichten oder wie religiöse Bilder das Individuum prägen
- 10 Bilder auf Wanderschaft oder wie Tradition und Innovation sich gegenseitig bedingen
- 11 Religion im kulturellen Imaginären oder wie sich Religion aus gemeinsamen Bildern speist
- Literatur
- Abbildungen
- Autorinnen
- Index