1.1Einführung
Ulrich Bogenstätter
Die Hörnbrücke in Kiel direkt gegenüber vom Kieler Hauptbahnhof verbindet als Fußgängerbrücke das Stadtzentrum am Westufer der Hörn mit dem Stadtteil Gaarden und dem Norwegenkai am Ostufer. Am Norwegenkai legen Kreuzfahrtschiffe mit bis zu 3.500 Passagieren und einer Besatzung von über 1.000 Personen an. Eine nicht funktionierende Verbindung wäre für die Passagiere fatal.
Bei der Hörnbrücke handelt es sich um eine sog. Dreifeld-Zug-Klappbrücke, die als Highlight deutscher Ingenieurkunst bezeichnet werden kann (s. Abb. 0.1 – links). Eine Brücke, die sich in drei klappbare Felder aufteilt und dabei die Felder auf nur eine Seite gezogen werden, gab es bisher nicht. Die Brücke wurde für 10 Millionen DM13 und ihre Fertigstellung für April 1997 geplant. Die tatsächlichen Baukosten der Brücke verdoppelten sich in etwa im Vergleich zur ursprünglichen Planung.14 Die Brücke wurde nach einigen Bauverzögerungen im Dezember 1997 fertiggestellt. Die Kosten für ihren Betrieb haben sich im Vergleich zur Planung insbesondere durch erhöhte Instandhaltungsarbeiten der Konstruktion in etwa verdreifacht.15 Insbesondere die Gelenkbolzen, Rollen und Seile mussten früher als erwartet ausgewechselt werden.
Für etwa 1 Mio. DM wurde zunächst eine hydraulisch betriebene Schubbrücke gebaut, die die Überquerung für die Passagiere sicherstellte. Die Ersatzbrücke liegt direkt neben der Faltbrücke und wird heute immer noch als Ersatzbrücke für Instandhaltungsarbeiten verwendet. Provisorien halten sich meist hartnäckig. Allerdings wird ungewollt die gewünschte Gesamtwirkung dauerhaft erheblich gestört. Die Steigerung der Investitionskosten, die Überschreitung des Fertigstellungtermins, die Steigerung der Instandhaltungskosten und die Beeinträchtigung der gewünschten Wirkung sind hier sicher auch durch die Pionierleistung zu begründen. Bei Standardbaumaßnahmen können die Wechselwirkungen von Investitions- und laufenden Kosten, Zeit und Qualität weitgehend korrekt eingeschätztwerden. Trotz dieses Klassikers des Projektmanagements – die Hörnbrücke „ist überall“ – wird eine nachhaltige Sicht auf die Immobilien benötigt. Hier führt der folgende Beitrag von Johannes Krämer (Kap. 1.2) ein: Kirche und Wirtschaftlichkeit/Effizienz – passt das zusammen? Darauf folgend wird aus verschiedenen Managementmethoden in der Immobilienwirtschaft die Balanced Scorecard als anerkanntes Führungsinstrument für die Immobilienwirtschaft ausgewählt und vorgestellt (Kap. 1.3 und 1.4). Jörn von der Lieth und Dorit Brauns führen in die strategische Unternehmensführung am Beispiel der Wohnungswirtschaft ein (Kap. 1.5).
1.2Kirche und Wirtschaftlichkeit – passt das zusammen?
Johannes Krämer
1.2.1Kirche als Glaubensgemeinschaft und Kirche als Gebäude
Mit Häusern schafft sich der Mensch Lebensräume, denn an den meisten Orten der Erde ist menschliches Leben nur durch Gebäude möglich. Diese Abhängigkeit ist die Grundlage einer besonderen Beziehung der Menschen zu ihren Häusern, die weit über das hinausgeht, was der Begriff Immobilie als Ausdruck des negativen, unbeweglichen Aspekts von Gebäuden beschreibt.
Dass das lebensnotwendige Haus daher in fast allen Religionen sakrale Bedeutung erlangt, ist leicht nachzuvollziehen. So werden Kirchen wie andere Sakralgebäude gebaut, um dem Göttlichen näher zu kommen. Sie werden für die Feier von Gottesdiensten errichtet, um dem Glauben Raum zu geben und ihm auch in der äußeren Form Ausdruck zu verleihen.
Deutlicher Ausdruck dieser besonderen Beziehung ist der Begriff Kirche selbst. So wird der spätgriechische Begriff kyrikón (Kirche), der zunächst das Gebäude bezeichnet, schon seit dem 4. Jahrhundert auch als Bezeichnung für die christliche Glaubensgemeinschaft verwendet. Mit der doppelten Bedeutung dieses Wortes, das sowohl die Glaubensgemeinschaft als auch die Gebäude benennt, wird deutlich, wie prägend, ja auch wichtig diese Gebäude sind.
Umso erstaunlicher ist, dass das Leben als christliche Gemeinschaft keine Gebäude voraussetzt, im Gegensatz zu anderen, vor allem antiken Religionen. Gebäude sind für das Christentum nicht konstitutiv. Vielmehr ist für die Existenz von kirchlicher Gemeinschaft, die Versammlung der Gläubigen, die eigentliche Grundlage. Die Begegnung von Menschen und die Begegnung mit Gott ist Voraussetzung für christliches Leben. Dies drückt sich z. B. aus, wenn es im Matthäusevangelium heißt: „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen“ (Mt 18,20).
Damit stehen die christlichen Glaubensgemeinschaften durchaus in einem ambivalenten Verhältnis zu ihren Gebäuden, denn in der Geschichte des Christentums haben Menschen unter enormem Aufwand, über lange Zeiträume hinweg und mit vielen innovativen Ideen ihrem Glauben gerade durch Gebäude besonderen Ausdruck verliehen. Dies waren auch viele profane Bauten: die größten Teile der Klosteranlagen, Krankenhäuser, Schulen und Gemeindehäuser. Vor allem aber waren es Kirchen.
So wurden über Jahrhunderte Kathedralen, Klosterkirchen, bedeutende Kapellen, aber auch schlichte Dorfkirchen errichtet. Bis heute sind es Kirchen, die vor allem in Europa über die religiöse Bedeutung hinaus Kulturlandschaften prägen. Wie in anderen Ländern sind sich in Deutschland die Bistümer und Landeskirchen ihrer Verantwortung und Aufgabe bewusst, diese Schätze zu erhalten und zu pflegen, so wie sie es über Jahrhunderte getan haben.
1.2.2„Steinreiche“ Kirche? Schätze und Last
Diese historischen Schätze sind ein wichtiges und wertvolles Erbe. Aber sind die Kirchen damit auch im materiellen Sinne reich?
Wie kann man den Wert der kirchlichen Gebäude bestimmen? Schon bei den kirchlichen Profanbauten ist eine Bewertung schwierig. Wenn man aber sonst übliche Gebäudebewertungsverfahren bei Sakralbauten anwenden will, wird man in den meisten Fällen zu wenig aussagekräftigen Werten kommen, denn meist stehen Kirchen an markanten, zentralen Orten in bester Lage und auf relativ großen Grundstücken. Zusammen mit dem oft kunsthistorisch hohen Wert käme es bei dem Versuch, die Sakralbauten zu bewerten, zu sehr hohen Summen. Allerdings wäre der errechnete scheinbare wirtschaftliche Reichtum, auch wenn es gewollt wäre, nicht einmal annähernd zu diesen Kostenansätzen zu veräußern.
Kirchengebäude sind für eine ganz besondere Nutzung und eine bestimmte Funktion erbaut, die am „Markt“ wenig nachgefragt wird. Eine eventuelle Umnutzungsmöglichkeit oder gar ein Abbruch ist mit relativ hohen Investitionen verbunden, die den wirtschaftlichen Wert wesentlich reduzieren. Dabei wären Auflagen, die sich aufgrund des kunsthistorischen Wertes ergeben, zusätzliche Hinderungsgründe. Vielfachwürden die Standortvorteile gerade durch eine Umnutzung oder gar Beseitigung der Sakralgebäude stark reduziert, denn diese prägen und werten ihre Umgebung auf und schaffen nicht nur in Innenstädten besondere Orte.
Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten sind Kirchengebäude sogar eine Last, denn meist sind sie historisch bedeutsame, aufwendig gestaltete, große Gebäude, die mit besonderer Sensibilität, außergewöhnlichen Techniken und umfassenden Volumina instand gehalten werden müssen. Für eine umfassende Sanierung einer mittleren Pfarrkirche liegen die Kosten mindestens bei mehreren 100.000 €. Neben Unterhaltsverpflichtungen fallen oft auch außergewöhnlich hohe Betriebskosten an.
Den in der Anzahl ihrer Mitglieder kleiner werdenden Bistümern und Landeskirchen bereitet dies zunehmend Sorge. Wenn in den letzten Jahrzehnten über die Reduzierung des Gebäudebestands bei Sakralbauten nachgedacht wurde, dann vor allem, um die dauerhaften Belastungen für den Unterhalt der Gebäude den kleiner werdenden Gemeinden anzupassen. Einen wirklichen Verkaufserlös gab es fast nie.
Abgesehen von den Kirchengebäuden wäre die Verwertbarkeit üblicher Kirchenimmobilien besser möglich, aber auch sie sind nicht „marktgängig“. Pfarrhäuser oder auch Gemeindehäuser sind, gerade wenn sie frei stehen, noch am ehesten veräußerbar oder zumindest vermietbar. Bei allen Gebäuden, in denen soziale Aufgaben erfüllt werden, also die Kirchen Aufgaben stellvertretend für Kommunen und Staat wahrnehmen, stellt sich die Frage anders. Die Kindertagesstätten, Schulen, Kranken- und Pflegeeinrichtungen sind theoretisch an Kommunen und Staat oder Dritte übertragbar, wenn sich ein neuer Träger findet.
So sind die Kirchen zwar reich an Gebäuden, aber viele von ihnen stellen i. d. R. keinen wirklichen materiellen Wert dar. Zurzeit versuchen trotzdem viele Bistümer und Landeskirchen in der Absicht, eine bessere Vergleichbarkeit zu erreichen, eine auf handelsrechtlichen Grundsätzen basierende Einschätzung der kirchlichen Immobilien. Dies ist eine besondere Herausforderung, denn vor allem die Kirchengebäude, dieser „gebaute Schatz“, spiegelt nicht nur die Vielfalt und die Geschichte des Christentums wider, sondern ist Ausdruck der Gottessuche und der Gottesbegegnung. Damit sind Kirchen vor allem gebauter Ausdruck einer Wirklichkeit, die gerade nicht durch die Regeln des Immobilienmarkts bestimmt wird.
1.2.3Bauherr Kirche
Wenn auch nicht mit dem Ziel einer monetären Gewinnmaximierung, so handeln die Kirchen trotzdem wirtschaftlich. Der angestrebte Gewinn besteht darin, dass unter den gegebenen Möglichkeiten, wozu natürlich auch die Gebäude gehören, christliches Leben gestützt und gefördert wird. Darüber hinaus leistet Kirche Aufgaben im pädagogischen und sozialen Bereich, engagiert sich für das Gemeinwohl und schafft, nicht zuletzt über den Baubestand, ein gutes Stück Heimat.
Für wen baut Kirche?
In vier Grundvollzügen beschreibt ...