Der Maßstab der Kritik des modernen Staates bei Hegel und Marx
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Der Maßstab der Kritik des modernen Staates bei Hegel und Marx

Der Zusammenhang zwischen subjektiver und sozialer Freiheit

  1. 348 Seiten
  2. German
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Der Maßstab der Kritik des modernen Staates bei Hegel und Marx

Der Zusammenhang zwischen subjektiver und sozialer Freiheit

Über dieses Buch

Die hegelsche Staatsidee wurde oft mit einer ideologischen Begründung des preußischen Staates verwechselt, als ob sich eine Philosophie unmittelbar mit einer besonderen Gestaltung der realen Welt zufriedengeben könnte. Nakamura vertritt die These, dass die hegelsche Rechtsphilosophie einen kritischen Maßstab für die Analyse der modernen Staaten entwickelt. Eine vernünftige Verfassung muss nach Hegel vor allem objektive Garantien für die Verwirklichung der Rechte der subjektiven Besonderheit bieten. Die kritische Rechtsphilosophie von Marx lässt sich vernünftig begründen, wenn sie ausgehend von diesem Maßstab kritisch gegen die vormärzliche Entwicklung der sozialen und Verfassungsfrage gewendet wird. Aus dieser geschichtlichen Auseinandersetzung stellt Marx eine Idee der sozialen Freiheit dar, die sich von der hegelianischen Tradition unterscheiden lässt. Diese besagt, dass Freiheiten durch Teilnahme an sozialen Institutionen zu erlangen seien. Marx bezieht sich aber auf die sozialen Rechte, die Freiheiten gegenüber den Subsistenzrisiken in einer kapitalistischen Gesellschaft schaffen. Damit bietet er uns Anregungen zu einer Diskussion über die sozialen Rechte der modernen Sozialstaaten.

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Information

Jahr
2018
ISBN drucken
9783110595543
eBook-ISBN:
9783110597110

1 Einleitung: Auf der Suche nach einem Ziel

Die deutsche Philosophie ist eine wichtige, das ganze Menschengeschlecht betreffende Angelegenheit, und erst die spätesten Enkel werden darüber entscheiden können, ob wir dafür zu tadeln oder zu loben sind, daß wir erst unsere Philosophie und hernach unsere Revoluzion ausarbeiten. Mich dünkt, ein methodisches Volk wie wir, mußte mit der Reformazion beginnen, konnte erst hierauf sich mit der Philosophie beschäftigen, und durfte nur nach deren Vollendung zur politischen Revoluzion übergehen. Diese Ordnung finde ich ganz vernünftig.1
Unsre Zeit ist politisch, unsre Politik will die Freiheit dieser Welt. Wir bauen nicht mehr am Kirchenstaat, sondern an dem Weltstaat, und das Interesse an dem öffentlichen Wesen der Staatsfreiheit wächst mit jedem Atemzuge der Menschheit.2

1.1 Problemsituation

Die Zitate von Heine und Ruge sind zwei Beispiele dafür, wie sich die Junghegelianer radikal gegen die politische Lage im deutschen Vormärz gewendet haben. Nicht nur unsere modernen Sozialdemokratien, sondern auch die ehemaligen sozialistischen Staaten können vielleicht als die Spätverwirklichungen der „Enkel“ des selbstbewussten Geistes dieser Epoche bezeichnet werden. Ob das junghegelianische Verhalten zu tadeln oder zu loben ist, darüber zu entscheiden ist heutzutage schwierig. Wir könnten aber Heine damit beruhigen, dass jede moderne Revolution prinzipiell von einem Gedanken auszugehen hat, sofern ein selbstbewusstes Volk komplett von einer bestehenden politischen Ordnung abstrahieren muss, um diese vollständig zu negieren. Dass die Revolution mit der Reformation beginnen sollte, bedeutet, dass sich die Junghegelianer mit einer bestimmten Freiheitsauffassung gegen die bestehende politische Ordnung gewendet haben. Nach Hegel war Luther derjenige, der den modernen Gedanken der subjektiven Freiheit zur Welt gebracht hat. Ruge hat richtig erklärt, dass durch die notwendige Garantierung der öffentlichen Freiheit kein Kirchenstaat, sondern vielmehr ein freier Staat begründet wurde. Die philosophische Einsicht konnte sich dann mit der vorhandenen Wirklichkeit versöhnen, indem sie durch ihre vernünftige Idee des freien Verfassungsstaates die objektiven Garantien der Verwirklichung der subjektiven Freiheit darstellte. Dass die hegelsche Staatsidee kritisch mit der politischen Welt verfährt, zeigte sich im Lauf des Vormärz: Unter den Junghegelianern stellt die praktisch-politische Rezeption der sittlichen Freiheitsidee kein Motiv für eine angeblich friedliche politische Versöhnung mit dem preußischen Staat dar, sondern vielmehr sollte sie in eine soziale und politische Revolution münden.
Unsere geistige Epoche hat sich aber von diesen revolutionären Freiheitsansprüchen distanziert, obwohl der Weltgeist die religiösen Konfessionen von den Staatsangelegenheiten, die Privatsphäre von den öffentlichen und politischen Freiheiten, die besonderen Wirtschaftsinteressen von den allgemeinen Angelegenheiten bis heute noch nicht konsequent trennen kann, und obwohl die konservativen Parteien, die paradoxerweise für die Institution eine Art von staatlicher Gesinnungskontrolle sind, in letzter Zeit weltweit immer mehr Sympathisanten gewinnen.3 Dardot und Laval beschreiben heutzutage einen düsteren Schauplatz. Interessant an ihren Forschungsergebnissen ist, dass die Sozialstaaten nicht aus äußeren Gründen bedroht sind, sondern wegen einer Norm, die von den westlichen Demokratien selbst gestaltet wurde: Der Neoliberalismus sei keine „idéologie passagère“, sondern „une certaine norme de vie dans les sociétés occidentales“. Er macht das „principe général de compétition“ zu einer „nouvelle raison du monde“, deren geistige Kraft darin besteht, auf „toutes les dimensions de l’existence humaine“ überzugreifen. Das neoliberale Prinzip der Konkurrenz führt aber nicht zu einem „état naturel du marché“ ohne staatliche Regulation, sondern zu einer „transformation des modes d’action et des institutions publique dans tous les pays.“ Wenn sich die Konkurrenz heutzutage als eine „norme de la construction de l’État et de son action“ darstellt, dann wird „la séparation entre sphère privée et sphère publique“ bis zu dem Punkt aufgelöst, in dem die „fondements de la démocratie libérale elle-même“ erodiert werden.4 Diese Situation bedingt eine andere Norm des öffentlichen und politischen Handelns:
La référence de l’action publique n’est plus le sujet de droits, mais un acteur auto-entreprenant qui passe avec d’autres acteurs auto-entreprenants les contrats privés les plus variés. Les modes de transaction négociés au cas par cas pour ‚résoudre les problème‘ tendent ainsi à remplacer les règles de droit public et les procédures de décision politique légitimées par le suffrage universel.5
Das politisch verallgemeinerte Konkurrenzprinzip bezieht sich aber auf eine Freiheitsvorstellung: „gouverner, ce n’est pas gouverner contre la liberté ou malgré elle, c’est gouverner par la liberté, c’est-à-dire jouer activement sur l’espace de liberté laissé aux individus pour qu’ils en viennent à se conformer d’eux-mêmes à certaines normes.“ Daraus folgt, dass die persönliche Individualität nicht zugunsten einer Kollektivität unterdrückt wird: „Ce qui distingue la nouvelle logique normative, c’est qu’elle ne réclame pas un renoncement complet de l’individu au profit d’une force collective invincible“. Die Konkurrenz macht also eine normative Logik des individuellen Handelns wirksam, die nicht einer bestimmten Vorstellung der Selbstverwirklichung der Individualität widerspricht, weil sie auf das subjektive Kriterium der individuellen Selbstverwirklichung einwirkt. Sie macht ein Leistungskriterium zum Evaluationsprinzip, das auf der Fixierung von Indikatoren beruht: „L’évaluation est un processus de normalisation qui conduit les individus à s’adapter aux nouveaux critères de performance et de qualité“. Dadurch, dass das Prinzip der Konkurrenz auf alle Sphären des menschlichen Lebens übertragen wird, werden auch ethische und politische Kriterien der öffentlichen Verwaltung durch Leistungsindikatoren ersetzt: „On remplace en réalité un acte de jugement, relevant de critères éthiques et politiques, par une mesure d’efficience qui est supposée neutre idéologiquement.“ Das von Dardot und Laval beschriebene Szenario bleibt aber nicht alternativlos, denn „la nouvelle raison du monde […] n’est rien, au contraire de la Raison hégélienne, la raison de l’histoire humaine; elle est elle-même de part en part historique“.6 Die Alternative besteht aber nicht wie bei Marx in der „localisation ontologique du sujet de l’émancipation humaine“. Sie wollen sich eben von der Illusion einer vorgefundenen Subjektivität verabschieden: „le sujet est toujours à construire“. Der Bildungsprozess einer anderen Subjektivität bezieht sich aber hauptsächlich auf bereits existierende „formes de conduite opposées à ce ‚pouvoir-conduite‘“: „Les pratiques de ‚communisation‘ du savoir, d’assistance mutuelle, de travail coopératif peuvent dessiner les traits d’une autre raison du monde. Cette raison alternative, on ne saurait mieux la désigner que par ce nom: la raison du commun.7 Obwohl mir diese „raison alternative“ plausibel erscheint, bleibt ihr rechtlicher und politischer Rahmen m. E. unbestimmt, wahrscheinlich weil die Genealogie der „nouvelle raison du monde“ auf einen Begriff der Weltgeschichte verzichtet. Der Grund liegt vielleicht darin, dass die Autoren über ein schiefes Bild der hegelschen Geschichtsphilosophie verfügen. Daraus folgt notwendig, dass sie keinen Freiheitsbegriff in die Analyse einbringen können bzw. wollen.
Hegels Geschichtsphilosophie wurde oft so interpretiert, als wäre sie eine Teleologie der Letzteren. Daher wurde seine konkrete Freiheitsidee nicht als ein philosophisches Kriterium der vernünftigen Betrachtung der Weltgeschichte, sondern als ein substantielles Ziel verstanden. Aus diesem Grund wollen sich die verschiedenen Aktualisierungsversuche der hegelschen Philosophie des objektiven Geistes von der geschichtlichen Vorstellung eines Endzweckes befreien.8 Die neue Marx-Lektüre konnte denselben Weg einschlagen, indem sie Engels die Verantwortung für die Fehlinterpretation einer geschichtlichen Vorstellung eines nicht äußeren Endzweckes zuschrieb.9 Bereits die Junghegelianer haben ein theoretisches Ziel mit einem praktischen verwechselt. So proklamierte Bruno Bauer z. B., dass das Selbstbewusstsein „die einzige Macht der Welt und der Geschichte“ sei und dass die Geschichte „keinen andern Sinn als den des Werdens und der Entwicklung des Selbstbewußtseins“ habe.10 Er geht aber von einem Missverständnis aus: Der Bereich der partiellen Geschichten des Selbstbewusstseins des absoluten Geistes – nämlich Kunst, Religion und Philosophie – wurde zum Bereich des objektiven Geistes amalgamiert. In diesem Sinne behauptete er: „Der absolute Geist ist es, der in dem endlichen Geist sich auf sich selber bezieht, d. h. sich zu sich selber verhält, kurz, die Religion ist dieses Selbstbewußtsein des absoluten Geistes.“ Weil sich die Philosophie auch als ein Selbstbewusstsein des absoluten Geistes darstellt, setzt B. Bauer das philosophische Selbstbewusstsein dem religiösen entgegen: „Gott ist tot für die Philosophie, und nur das Ich als Selbstbewußtsein, ‚als dies an ihm selbst Sich-Unterscheiden Entgegengesetzter‘, nur das Ich lebt, schafft, wirkt und ist alles.“ Im Gegensatz zur Religion ist die Philosophie B. Bauer zufolge das rein durchsichtige Selbstbewusstsein der Freiheit. Das philosophische Wissen ist ein reiner Atheismus, der in der Lage ist, den Geist von der unvollkommenen Gestaltung des religiösen Bewusstseins der Freiheit zu befreien und sich selbst zu Gesetzen der Freiheit zu machen: „Das Wissen aber ist frei, befreit den Geist, und seine Bestimmungen verwandeln den früheren Gehalt in eine neue Form, dadurch selbst zu neuem Gehalt, nämlich zu Gesetzen der Freiheit und des Selbstbewußtseins.“ Die Philosophie setzt als Gesetze der Freiheit auf dem Boden der praktischen Welt einen Unterschied zwischen dem, was ist, und dem, was sein soll: „Das Sollen aber ist allein das Wahre, Berechtigte und muß zur Geltung, Herrschaft und Gewalt gebracht werden.“ Die Philosophie steht also in praktischer Opposition zum Bewusstsein des endlichen Geistes: „Es muß also zur Tat kommen, zur praktischen Opposition, und nicht nur nachträglich oder auf einem Umwege, sondern geradezu muß ein theoretisches Prinzip Praxis und Tat werden.“11 Die interne Geschichte des philosophischen Selbstbewusstseins des absoluten Geistes war daher mit einer Kritik des christlichen Staates vermischt.
Dieses Missverständnis wurde von seinem Bruder Edgard Bauer wiederholt. Die Philosophie ist einerseits Kritik des religiösen Selbstbewusstseins: „Die Kritik ist atheistisch; sie richtet sich gegen Gott und Religion“; andererseits ist sie auch Kritik des christlichen Staates: „Wir halten also die Kritik des christlichen Staates für unbedingt notwendig: zugleich muß die Frage aufgeworfen werden, ob nicht jeder Staat ein christlicher ist, ob nicht jede Staatsform ein religiöses Moment in sich hat.12 Indem E. Bauer diagnostizierte, dass jeder Staat ein religiöses Moment in sich hat, wendete er sich nicht nur gegen die christliche Staatsform, sondern gegen eine Staatsidee schlechthin. Daraus folgt, dass sich die Gesetze des philosophischen Selbstbewusstseins der angeblich vollkommenen Freiheit gegen jede Staatsform richteten: „Wo Privatbesitz ist, d. h. wo noch der Egoismus staatlich geschützt und befördert wird, da ist auch von unbedingter Öffentlichkeit keine Rede.“ Der christliche Staat macht die abstrakte Sphäre des Privatrechtes zum Ganzen des Staates, indem er sich darauf begrenzt, den Privatbesitz zu schützen. Die politischen Freiheiten erschienen daher als Freiheiten der Egoisten: „Die politische Freiheit ist nicht die wahre, weil sie die Freiheit des Egoisten ist.“ Die Junghegelianer setzten sich schon früh durch die Staatskritik mit einer negativen Dynamik der bürgerlichen Gesellschaft auseinander, die bereits in Preußen zu konstatieren war, nämlich die künstlich produzierte Armut. Daraus folgt vor allem eine kritische Wendung gegen die Wirtschaftsliberalisierungspolitik der preußischen Regierung und gegen die Ständeordnung: „Hier, wo auch die Staatsgeschäfte als Privatgeschäfte der Regierung heimlich betrieben werden, wo die Individuen durch den Organismus der Stände durch die Selbstsucht des Besitzes auseinandergehalten werden, hier ist an keine echte allgemeine Meinung zu denken.“ So wie die zeitgenössische „généalogie du néolibéralisme“ entwickelt sich die politische Frühthematisierung der sozialen Frage zu einer „raison du commun“: „Nur Gemeinsamkeit, gemeinsames Leben, gemeinsamer Besitz begünstigt und erzeugt die wahre Öffentlichkeit.“13 Im Unterschied zum genealogischen Verfahren wurde das junghegelianische Plädoyer für das gemeinsame Leben mit einer Geschichtsphilosophie begründet, die eine Idee der gemeinsamen Freiheit zur praktischen Welt bringen wollte: „Ich meine, daß kein Freiheits-Prinzip wahr, keins wert ist, sich mit dem Worte Freiheit zu brüsten, welches nicht daran denkt, sich über alle zu erstrecken und seine Segnungen bis auf den Geringsten im ‚Pöbel‘ auszudehnen.“ Das Freiheitsprinzip müsste sich geschichtlich bis auf den Pöbel erstrecken. Dort, wo sie aber auf den ersten Blick sozialdemokratisch erscheint, schlägt sie in ihr Gegenteil um, denn das philosophische Selbstbewusstsein der angeblich vollkommenen Freiheit wird von dem Reich des absoluten Geistes zur endlichen Welt degradiert: „Die Geschichte ist von jetzt an eine selbstbewußte, weil die Menschheit die Prinzipien kennt, nach denen sie vorwärtsgeht, weil sie ihr Ziel – die Freiheit – vor Augen hat.“ So steht die innere Selbstgenügsamkeit einer philosophischen Idee der allgemeinen Freiheit im Widerspruch zu jedem Recht der subjektiven Besonderheit: „Bei bestehendem Privatbesitz ist an keine Freiheit zu denken, weil der Besitz in direktem Widerspruch gegen sie steht.“14 Die Junghegelianer haben sich in Widerspruch verwickelt, indem sie das philosophische Ziel, ihren eigenen Freiheitsbegriff in der Geschichte wieder zu erkennen, zu einem praktischen Ziel machten.
Es handelte sich allerdings um die Interpretationslinie einer Generation, von der sich Marx selber nicht trennen konnte. So wie Heine glaubte Marx, dass die deutsche Revolution die Vollendung der Philosophie voraussetzte: „Die einzig praktisch mögliche Befreiung Deutschlands ist di...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Vorwort
  5. Inhalt
  6. 1 Einleitung: Auf der Suche nach einem Ziel
  7. 2 Das Recht der subjektiven Freiheit
  8. 3 Das Recht der sozialen Freiheit
  9. 4 Die Geschichte sozialer Freiheit
  10. 5 Bibliographie
  11. 6 Register
  12. 7 Sachregister