Marktmacht und Politik
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Marktmacht und Politik

Das internationale Kartell der Ölgesellschaften 1960–1975

  1. 314 Seiten
  2. German
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Marktmacht und Politik

Das internationale Kartell der Ölgesellschaften 1960–1975

Über dieses Buch

In den 1960er- und 70er-Jahren stand die Versorgung mit Öl im Zentrum internationaler politischer Konflikte. Eine wichtige Rolle spielten hierbei große Ölkonzerne wie Exxon, Shell und BP. Mit ihrer vertikalen, multinationalen Ausrichtung dominierten sie Produktion und Handel. Die Arbeit untersucht ihre Strategien und zeigt, dass die Unternehmen eine flexible, länderübergreifende Kartellzusammenarbeit organisierten, um ihre Marktmacht zu erhalten.

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Information

1 Einleitung

Anfang Oktober 1973 erhöhte die Organization of the Petroleum Exporting Countries (OPEC) den Richtpreis für Öl. In der Folge vervierfachte sich auch der Marktpreis für Öl. Die Ölpreiskrise als allumfassendes, einschneidendes Ereignis, das der Zeit anhaltenden Wirtschaftswachstums der westlichen Industrienationen ein Ende setzte, fand als wesentliche Zäsur Eingang in die Geschichtsschreibung der Nachkriegszeit. Die Zeit „nach dem Boom“1 war erreicht. Das Ausmaß und die potenziellen Folgen des Ölpreisschocks schienen zunächst schwer zu erfassen, denn seit mehr als fünfzig Jahren lagen die Produktion und der Handel mit Erdöl – und damit auch das Informationsmonopol – in den Händen von sieben internationalen Ölkonzernen, den sogenannten Sieben Schwestern oder Majors.2 Mit aufwendigen, kapitalintensiven Explorationsverfahren hatten sich die Unternehmen Zugang zu den weltweit größten Ölvorkommen und damit zum „Treibstoff der Weltwirtschaft“3 des 20. Jahrhunderts verschafft. 1971 dominierten die Sieben Schwestern zusammen mehr als 70 % der weltweiten Ölproduktion. Sie organisierten nicht nur die Förderung von Rohöl, sondern auch den Transport, die Weiterverarbeitung, den Vertrieb und die Vermarktung. Jede der Sieben Schwestern verfügte über eine eigene Tankerflotte, eigene Raffinerien sowie ein eigenes Vertriebsnetzwerk.
Der Bedeutungsgewinn von Öl als Energieträger in Zeiten von Massenmotorisierung und Wirtschaftswunder führte dazu, dass sich seit den 1950er-Jahren zunehmend politische Interessen auf dem Ölmarkt formierten. Die Sieben Schwestern gerieten dadurch in Konflikte zwischen Konsumenten- und Produzentenländern, da sie für die Balance zwischen Angebot und Nachfrage der regional ungleich verteilten Ressource verantwortlich waren. Sie verkauften Rohöl und Ölprodukte und stellten damit die Energieversorgung der vornehmlich rohstoffarmen westlichen Industrienationen sicher. Damit einhergehend entschieden sie auch über die Höhe der staatlichen Einnahmen aufstrebender, rohstoffreicher Entwicklungsländer im Mittleren und Nahen Osten sowie in Nordafrika, wo sich ein Großteil der weltweiten Ölreserven befand. Die Firmen verhandelten gleichermaßen mit demokratischen Regierungen, diktatorischen Machthabern und Königen über Lieferverträge, Konzessionen und Produktionszahlen. Mit ihren weitreichenden Funktionen begaben sie sich auf das internationale politische Parkett und agierten in einem hochkomplexen Geflecht wirtschaftlicher und politischer Interessen.
Internationale Konflikte wie der Kalte Krieg, die Dekolonisation oder auch der Nahostkonflikt führten zu zahlreichen politischen Interventionen auf dem Ölmarkt und damit zu neuen Herausforderungen für die Sieben Schwestern. Beispielsweise exportierte die Sowjetunion Anfang der 1960er-Jahre große Mengen billiges Rohöl nach Westeuropa – eine politisch motivierte Veränderung des Angebots, die zum Verfall des Marktpreises führte. Die ölexportierenden Länder gründeten 1960 die OPEC – ein staatliches Kartell, das Mitbestimmungsrechte über die eigenen Ressourcen und die damit erzielten Gewinne einforderte. Die arabischen Ölexportstaaten verhängten 1973 ein Ölembargo gegen die USA und die Niederlande, um den politischen Druck im Rahmen des Nahostkonflikts zu erhöhen. Der Zugriff auf Öl geriet zunehmend zu einer politischen Machtfrage. Wer hatte in der Nachkriegszeit die Verfügungsgewalt über den wichtigsten Primärenergieträger? Wer legte Produktionsquoten oder Preise fest und war damit in der Lage, die Entwicklung ganzer Volkswirtschaften zu beeinflussen? Für die Konzerne selbst waren diese machtpolitischen Fragen zweitranging. Als privatwirtschaftliche Akteure auf dem Markt beruhte ihr Interesse vor allem auf einem günstigen Zugang zu Öl und der Steigerung ihrer Gewinne. Dennoch sahen sie sich gezwungen, die wachsende machtpolitische Relevanz des Öls in ihren unternehmerischen Strategien zu berücksichtigen. In der Forschungsliteratur wird in diesem Zusammenhang die These vertreten, dass sich mit dem Ölpreisschock von 1973 ein Souveränitätswechsel auf dem Ölmarkt vollzogen habe.4 Die Exportstaaten hätten das Ruder übernommen, während sich die Sieben Schwestern den Forderungen passiv ergaben. Diese Annahme resultiert vor allem aus der politischen Wahrnehmung der Ölpreiskrise, im Rahmen derer sich die vom Öl abhängigen westlichen Industrienationen von rohstoffreichen Entwicklungsländern eine Vervierfachung des Ölpreises diktieren lassen mussten. Die Rolle der Sieben Schwestern bleibt dabei weitgehend unberücksichtigt, vielmehr wird vom Souveränitätsverlust ihrer Heimatstaaten im weltpolitischen Kontext auf den ökonomischen Machtverlust der Konzerne geschlossen. Angesichts der langfristig gewachsenen Unternehmensstrukturen, der internationalen Reichweite und der marktbeherrschenden Stellung der Majors sind allerdings Zweifel an dieser These angebracht. Auch die Rekordgewinne der Konzerne auf dem Höhepunkt der Ölpreiskrise sprechen eher gegen diese Einschätzung.
Im Zentrum der vorliegenden Arbeit steht die Frage, wie sich die Unternehmen in der Phase der Transformation zwischen 1960 und 1975 tatsächlich entwickelten. Wie reagierten die Majors auf die vielfältigen externen Schocks? Wie konnten sie in der komplexen Gemengelage wirtschaftlicher und politischer Interessen weiter ihre unternehmerischen Ziele verfolgen? Welche Strategien entwickelten sie, um ihren Erfolg und ihre starke Position auf dem Markt zu sichern? Behinderte die Politisierung des Marktes das Handeln der Majors, oder gelang es ihnen, politische Interessen für ihre Ziele zu nutzen und strategisch einzubinden? Zu fragen ist auch, wie einzelne Ereignisse, etwa die Ölpreiskrise, in die langfristige Perspektive der Konzerne einzuordnen sind. Stellten sie eine Zäsur dar, welche die wirtschaftliche Organisation und Marktstellung der Unternehmen veränderte? Oder konnten sie auf Erfahrungen aus früheren Schocks zurückgreifen, welche eine rasche Anpassung an die neue Situation ermöglichten?
Im Folgenden wird der Versuch unternommen, neue Perspektiven auf die Geschichte des Ölmarktes in der dynamischen Phase von 1960 bis 1975 aufzuzeigen. Ziel ist es, die Strukturen und Strategien der internationalen Ölgesellschaften und deren Wandel zu erklären.
Märkte stellen dynamische Konglomerate dar, die dem Einfluss zahlreicher Faktoren unterliegen. Ihre Funktionsweisen sind weder durch die Analyse punktueller Ereignisse noch durch eine quantitative Rekonstruktion von Angebot und Nachfrage erklärbar. Auch die Untersuchung eines einzelnen Marktakteurs oder die Betrachtung eines regional oder funktional begrenzten Marktsegments erscheint wenig aussagekräftig. Vielmehr war der Ölmarkt aufgrund seiner Angebots- und Nachfragestruktur seit jeher einer der am stärksten globalisierten Märkte, dessen Komplexität dadurch besonders geprägt wurde. Unternehmen mussten dieser globalen Dimension Rechnung tragen, um erfolgreich auf dem Markt bestehen zu können. Die ungleiche geografische Verteilung der Ölvorkommen erwies sich aber auch für Staaten von erheblicher politischer Relevanz, zumal gerade die westlichen Industrienationen den Energieträger Öl nicht substituieren konnten. Gleichzeitig generierten die ölexportierenden Länder einen Großteil ihrer Staatseinnahmen über die Vergabe von Konzessionen. Diese Umstände führten dazu, dass staatliche Akteure zunehmend auf dem Markt intervenierten – sei es im Rahmen internationaler Konflikte oder in Form von nationalstaatlicher Regulierung. Die Reichweite der politischen Akteure auf dem Ölmarkt erwies sich allerdings meist als begrenzt und Interventionen konnten selten ohne eine Involvierung der Sieben Schwestern durchgesetzt werden. Aus diesem Grund ist es vielversprechend, im Rahmen einer historischen Untersuchung den Fokus auf die führenden Ölkonzerne zu legen. Die Unternehmen agierten an wichtigen Schnittstellen zwischen Angebot und Nachfrage über Landesgrenzen hinweg. Während sich die politischen Bedingungen sowie auch die Akteure auf dem Markt zum Teil sehr stark veränderten, blieben die Konzerne kontinuierlich in zentralen Funktionen aktiv. Sie positionierten sich in einem komplexen Akteursumfeld und stellten sowohl Ansprechpartner für Import- und Exportländer als auch mögliche Kooperationspartner für andere Unternehmen dar.
Die enge Zusammenarbeit und die starke Stellung der Majors in der Erdölproduktion führten dazu, dass die Sieben Schwestern in der zeitgenössischen Publizistik und auch in der Forschungsliteratur immer wieder als Kartell bezeichnet wurden.5 Populärwissenschaftliche Veröffentlichungen zur Ölindustrie verstärkten die normativen Deutungsmuster, die mit plakativen, zum Teil anklagenden Bewertungen einhergehen. Die vorliegende Arbeit grenzt sich von dieser Betrachtungsweise ab und unternimmt den Versuch, durch eine quellengestützte historische Analyse ein differenzierteres Bild der Sieben Schwestern zu zeichnen. Dabei werden die Begriffe Marktmacht und Kartell anknüpfend an die wirtschaftswissenschaftliche Literatur als analytische Kategorien verwendet.
Die Phase zwischen 1960 und 1975 bietet sich besonders als Untersuchungszeitraum für die Analyse des Ölmarktes und der Sieben Schwestern an, da in ihr zahlreiche Veränderungen eintraten. In der direkten Nachkriegszeit gelang es den Majors, ihre internationale Präsenz zu erhöhen. So erlangten sie Mehrheitsanteile in allen zentralen Konsortien der aufstrebenden Ölexportländer des Mittleren und Nahen Ostens sowie Nordafrikas. Seit 1947 teilten sich zum Beispiel vier US-Majors das saudi-arabische Konsortium Arabian American Oil Company (Aramco) und seit 1953 gehörte – gemeinsam mit weiteren kleineren Anteilseignern – sogar allen sieben Konzernen die National Iranian Oil Company (NIOC).6 Aber auch in anderen großen Ölexportstaaten wie etwa in Venezuela oder den USA selbst beherrschten die Konzerne die Ölproduktion. Außerdem bauten die Unternehmen ihr weltweites Raffinations- und Vertriebsnetzwerk aus. Die ersten Nachkriegsjahre bis etwa 1960 zeichneten sich durch eine relative Stabilität aus. Ein Großteil der Forschungsliteratur geht sogar von einer längeren Phase aus und terminiert tiefgreifende Veränderungen erst auf den Zeitraum der Ölpreiskrise 1973/74. Dieser Eindruck entsteht dann, wenn der Fokus vordergründig auf die volkswirtschaftlichen und politischen Konsequenzen der Krise in den westlichen Industrienationen gelegt wird. Der Markt unterlag allerdings schon weitaus früher einem Wandel. Das gilt für die politisch-institutionellen Rahmenbedingungen sowie für die Entwicklung von Angebot und Nachfrage. Der weltweite Konsum von Öl verdoppelte sich zwischen 1960 und 1975 und stieg mit einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von 6,5 % von 1.060 Millionen Tonnen auf 2.192 Millionen Tonnen an.7 Insbesondere Japan und die westeuropäischen Länder, die kaum über eigene Ressourcen verfügten, wurden von Ölimporten abhängig. Das Angebot erhöhte sich durch die Entdeckung neuer, großer Erdölaufkommen vor allem in afrikanischen Ländern, etwa in Libyen und Nigeria in den 1960er-Jahren. Darüber hinaus entwickelte sich die Sowjetunion, die außerhalb des Einflussbereichs der Majors lag, Anfang der 1960er-Jahre zu einem zentralen Ölexporteur. Mit der Gründung der OPEC 1960 trat zudem ein gänzlich neuer Akteur auf den Markt. Sowohl die Organisation selbst als auch einzelne Ölexportstaaten drängten bereits in den 1960er-Jahren auf höhere Produktionsquoten und Gewinnbeteiligungen. Außerdem wurden zunehmend neue Unternehmen, die sogenannten Independents, auf dem Markt aktiv. Sie agierten oft nur in einem Bereich des Ölgeschäfts oder einer bestimmten Region, was dazu führte, dass sich die Konkurrenzsituation verschärfte. Auch die Ölimportländer realisierten zunehmend ihre wachsende Abhängigkeit und versuchten, ihre Versorgung zu sichern. Spätestens seit 1971 traf das auch auf die USA zu, die 1970 den sogenannten Peak Oil8 erreichten und sich vom Nettoexporteur zum -importeur entwickelten. Auch blieb das weltpolitische Geschehen nicht ohne Folgen für den Ölmarkt. Der Kalte Krieg und das Ringen um Einfluss insbesondere im Mittleren und Nahen Osten waren für die US-Regierung handlungsleitend. Die Dekolonisation und die verstärkten Unabhängigkeitsbestrebungen der Entwicklungsländer hatten ebenfalls Einfluss auf den Ölmarkt.9
Dieser kursorische Überblick macht deutlich, dass sich der globale Ölmarkt im ausgewählten Untersuchungszeitraum aufgrund zahlreicher Faktoren tiefgreifend wandelte. Die Phase erscheint daher für eine Analyse der unternehmerischen Anpassungsprozesse als besonders vielversprechend. Die vorliegende Arbeit nimmt diesen Zeitraum in den Blick und unternimmt den Versuch, Strategien und strukturelle Anpassungen der Konzerne nicht nur punktuell, sondern in ihrer Entwicklung zu analysieren.
Ausgangspunkt bilden dabei zwei zentrale Untersuchungshypothesen: Die erste Hypothese bezieht sich auf die ökonomische Stellung der Konzerne und besagt, dass die Sieben Schwestern – entgegen der gängigen Annahmen – ihre Marktmacht zwischen 1960 und 1975 erhalten haben. Die Argumentation folgt hier zunächst der betriebswirtschaftlichen Entwicklung der Konzerne, die dafür spricht, dass die Unternehmen auch in einer Phase von Krisen und politischen Interventionen in der Lage waren, effizient zu agieren und erfolgreich zu bleiben. Die Gründe dafür lassen sich vor allem in der langfristigen Entwicklung der Unternehmen vermuten. Die über Jahrzehnte gewachsenen Strukturen der Majors lassen auf eine hohe Flexibilität und Anpassungsfähigkeit schließen, die es im Rahmen der Arbeit zu untersuchen gilt. Marktmacht wird in diesem Zusammenhang nicht nur an der betriebswirtschaftlichen Entwicklung gemessen. Vielmehr legt die Arbeit einen mehrdimensionalen Begriff von Marktmacht zugrunde, der neben den im engeren Sinne ökonomischen Indikatoren wie etwa Marktanteilen auch politisch-institutionelle Aspekte berücksichtigt. Letztere beziehen sich vor allem auf den Einfluss der Unternehmen auf die auf dem Markt geltenden Strukturen und Aushandlungsprozesse.
Die zweite Hypothese geht davon aus, dass die Majors spezifische Strategien entwickelten, um mit internationalen politischen Veränderungen und Machtverschiebungen umzugehen. Sie passten nicht nur ihre Organisationsstrukturen an, sondern schufen spezifische Instrumente zur Durchsetzung ihrer Interessen im politischen Raum. Zwei Strategien waren dabei besonders erfolgreich: Kooperation und politischer Lobbyismus.
Die Zusammenarbeit der Sieben Schwestern basierte auf historisch gewachsenen Erfahrungen. Der Ursprung lässt sich bereits in der Zerschlagung der Standard Oil Company 1911 und in einer fortbestehenden Nähe und Kooperationsbereitschaft der überwiegend regional aufgeteilten Einzelunternehmen finden. 1928, in einer Phase der Überproduktion, einigten sich zudem alle sieben Unternehmen im Rahmen des Achnacarry-Abkommens über feste Marktanteile, Produktionsquoten und die Aufteilung von Fördergebieten. Obwohl das Abkommen in der Nachkriegszeit offiziell nicht mehr existierte, setzten die Unternehmen ihre Kooperationen fort. Es entstanden die unter den Majors aufgeteilten Konsortien und eine Vielzahl weiterer gemeinsamer Projekte etwa im Bereich der Exploration oder im Pipelinebau. Darüber hinaus entwickelten die Unternehmen kooperative Maßnahmen informeller Natur als Reaktion auf die Politisierung des Ölmarktes. So gründeten die Ölgesellschaften 1962 die Oil Group, ein geheimes Austauschforum, um gemeinsame Strategien zur Beschränkung der sowjetischen Ölexporte zu formulieren. Auch auf die Forderungen der OPEC-Staaten reagierten die Majors mit Zusammenarbeit, koordinierten ihre Strategien und traten in Verhandlungen als Team auf. Die vorliegende Studie untersucht diese Formen der Kooperation und fragt danach, wie sich das Kartell ohne Vertrag organisierte und wie es gestaltet war. Wann und warum lagen Interessenkoalitionen der Unternehmen vor und wie versuchten sie, diese gemeinsam durchzusetzen? Die Firmen werden hier einerseits als Akteurskollektiv verstanden, andererseits müssen aber auch ihre jeweiligen Interessen, Ausrichtungen und Beziehungen berücksichtigt werden. Daher wird auch danach gefragt, in welchem Verhältnis die individuellen Unternehmensziele der Majors, die sich weiterhin in Konkurrenz zueinander befanden, und die übergeordneten gemeinsamen Interessen standen. Für diese Fragen bietet sich ein Rückgriff auf die Kartelltheorie an. Diese ist vor allem durch wirtschafts- und rechtswissenschaftliche Debatten geprägt und fand selten Eingang in historische Diskussionen.10 In der vorliegenden Arbeit wird von folgender...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Widmung
  5. Inhalt
  6. Danksagung
  7. Abkürzungsverzeichnis
  8. 1 Einleitung
  9. 2 Der globale Ölmarkt
  10. 3 Die Sieben Schwestern
  11. 4 Öl im Kalten Krieg
  12. 5 Die Sieben Schwestern und die OPEC
  13. 6 Fazit
  14. Verzeichnis der Tabellen und Abbildungen
  15. Anhang
  16. Quellen- und Literaturverzeichnis
  17. Register