Die Poesie der Klasse
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Die Poesie der Klasse

Romantischer Antikapitalismus und die Erfindung des Proletariats

  1. 460 Seiten
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Die Poesie der Klasse

Romantischer Antikapitalismus und die Erfindung des Proletariats

Über dieses Buch

Mit der Durchsetzung des Kapitalismus und der Industrialisierung entsteht im frühen 19. Jahrhundert aus verarmten Handwerkern, städtischem Pöbel, umherziehenden ländlichen Unterschichten, bankrotten Adligen und nicht zuletzt freigesetzten prekären Intellektuellen jenes neue soziale Kollektiv, das man in der Sprache der Zeit bald das Proletariat nennen wird. Allerdings existierte dieses zunächst noch nicht als formierte, homogene Klasse mit angeschlossenen politischen Parteien, die den Weg in die bessere Zukunft vorgeben. Die buntscheckige Erscheinung, die Träume und Sehnsüchte dieser allen ständischen Sicherheiten entrissenen Gestalten fanden neue Formen des Erzählens in romantischen Novellen, Reportagen, sozialstatistischen Untersuchungen, Monatsbulletins. Doch schon bald wurden sie – ungeordnet, gewaltvoll, nostalgisch, irrlichternd und utopisch, wie sie waren – von den Vordenkern der Arbeiterbewegung als reaktionär und anarchisch verunglimpft, weil sie nicht in die große lineare Fortschrittsvision passen wollten. In seiner bahnbrechenden Studie verhilft Patrick Eiden-Offe dem lange verdrängten romantischen Antikapitalismus zu seinem Recht und befreit die Sozial- und Literaturgeschichte des 19. Jahrhunderts aus ihren eindimensionalen Sichtachsen. Dabei wird nicht zuletzt deutlich, dass die historische, poetisch besungene unordentliche Klasse den heutigen Figuren von Prekarität nach dem Ende der alten Arbeitsgesellschaft verblüffend ähnlich ist.

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Anmerkungen

Einleitung

1 Den Klassencharakter der Juli-Revolution haben zeitgenössisch Ludwig Börne und Heinrich Heine dem deutschen Publikum mit ihren Pariser Korrespondentenartikeln nahegebracht. Vgl. Ludwig Börne, Briefe aus Paris, Frankfurt a. M. 1986 [1832–1834], und Heinrich Heine, Französische Zustände, in: ders., Sämtliche Schriften in zwölf Bänden, Bd. 5: 1831–1837, hg. v. Klaus Briegleb, München/Wien 1976, S. 89–279.
2 Eine Einordnung der Saint-Simonisten in ihre Zeit findet sich bei David Harvey, Paris, Capital of Modernity, New York/London 2006, besonders S. 59–89.
3 Eduard Gans, Rückblicke auf Personen und Zustände, Neudruck. Hg., komment. und mit einer Einl. versehen von Norbert Waszek, Stuttgart-Bad Cannstatt 1995 [1836], S. 98 f. Zum Verhältnis der Hegel’schen Schule zum Saint-Simonismus vgl. Hans-Christoph Schmidt am Busch, Religiöse Hingabe oder soziale Freiheit. Die saint-simonistische Theorie und die Hegelsche Sozialphilosophie, Hamburg 2007.
4 Gans, Rückblicke, S. 100 f.
5 Vgl. Gans, Rückblicke, S. 100, wo von einer »Kruste der bürgerlichen Gesellschaft« die Rede ist, »die man gewöhnlich Pöbel nennt«. Zum Pöbel bei Hegel vgl. Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts oder Naturrecht und Staatswissenschaft im Grundrisse, mit Hegels eigenhändigen Notizen und den mündlichen Zusätzen, in: ders., Werke, hg. v. Eva Moldenhauer u. Karl Markus Michel, Bd. 7, Frankfurt a. M. 1986, § 244, S. 389.
6 Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Vorlesungen über die Ästhetik, in: ders., Werke, hg. v. Eva Moldenhauer und Karl Markus Michel, Bd. 13–15, Frankfurt a. M. 1986, hier Bd. 15, S. 392 f.
7 Friedrich Theodor Vischer, »Theorie des Romans«, in: Gerhard Plumpe (Hg.), Theorie des bürgerlichen Realismus, Stuttgart 1986, S. 240–247, hier S. 240 f. (aus: Fr. Th. Vischer, Die Dichtkunst, Stuttgart/Reutlingen 1857, S. 1317–1321).
8 Jacob Grimm, Deutsche Grammatik, Göttingen 1819, S. XXVII. Bei Grimm ist die Diagnose zivilisationskritisch gemünzt, sie wird eingeschrieben in eine Dialektik der Aufklärung: »Man kann die innere Stärke der alten Sprache mit dem scharfen Gesicht, Gehör, Geruch der Wilden, ja unserer Hirten und Jäger, die einfach in der Natur leben, vergleichen. Dafür werden die Verstandesbegriffe der neuen Sprache zunehmend klärer und deutlicher. Die Poesie vergeht und die Prosa (nicht die gemeine, sondern die geistige) wird uns angemessener.«
9 Theodor Mundt, Die Kunst der deutschen Prosa. Aesthetisch, literargeschichtlich, gesellschaftlich, Berlin 1837, S. 20 sowie S. 131 und S. 359; Berthold Auerbach, Schrift und Volk. Grundzüge der volksthümlichen Literatur, angeschlossen an eine Charakteristik J. P. Hebel’s [1846], in: ders., Schriften zur Literatur, hg. v. Marcus Twellmann, Göttingen 2014, S. 7–173, hier S. 67. Darüber hinaus: Johann Christian August Heyse, Theoretisch-praktische deutsche Grammatik oder Lehrbuch der deutschen Sprache, nebst einer kurzen Geschichte derselben, Bd. 1, 5., von Karl Wilhelm Ludwig Heyse bearbeitete Auflage, Hannover 1838 [1814]. S. 94. Hier wird Grimm als Beleg für die These zitiert, dass in der Moderne »die sinnliche Seite der Sprache mehr und mehr zurücktritt«. Bei Heinrich Küntzel, Drei Bücher deutscher Prosa, in Sprach- und Stylproben: Von Ulphilas bis auf die Gegenwart, Bd. 3, Frankfurt [a. M.] 1838, S. 339, wird Grimm mit seiner Sentenz als einer der »Sprachreiniger« des 18. Jahrhunderts zitiert. Ich danke Marcus Twellmann für unzählige Vormärz-Gespräche: Die Wette gilt, dass meine Erzählung vom Proletariat eben doch mehr und anderes ist als »Covert Pastoral« (Empson).
10 Vischer, »Theorie des Romans«, S. 240 f.
11 Zur Verortung von Gans im Milieu der entstehenden Hegel’schen Linken vgl. Norbert Waszek, »War Eduard Gans (1797–1839) der erste Links- oder Junghegelianer?«, in: Michael Quante und Amir Mohseni (Hg.): Die linken Hegelianer. Studien zum Verhältnis von Religion und Politik im Vormärz, Paderborn 2015, S. 29–51.
12 Hier wäre an das berühmte, von Julian Schmidt übernommene Motto von Gustav Freytags Soll und Haben zu denken: »Der Roman soll das deutsche Volk da suchen, wo es in seiner Tüchtigkeit zu finden ist, nämlich bei seiner Arbeit« (Gustav Freytag, Soll und Haben, München/Wien 1977 [1855], o. Seitenzahl [S. 6]). Im dritten Buch des Romans ruft der Held Anton Wohlfahrt inmitten des Schreckens der Revolution am Schreibpult aus: »Das ist Poesie, die Poesie des Geschäftes, solche springende Tatkraft empfinden wir nur, wenn wir gegen den Strom arbeiten« (S. 326). Auf Freytags schnell berühmt werdendes Motto erwiderte der alternde Franz Grillparzer knarzig: »Daß die Poesie Arbeit, / Ist leider eine Wahrheit. / Doch daß die Arbeit Poesie, / Glaub ich nun und nie« (zit. nach Martin Gubser, Literarischer Antisemitismus. Untersuchungen zu Gustav Freytag und anderen bürgerlichen Schriftstellern des 19. Jahrhunderts, Göttingen 1998, S. 187).
13 Meine Arbeit baut aufjene Debatten um eine »Poetologie des Wissens« auf, wie sie in den vergangenen Jahrzehnten in den deutschen Kulturwissenschaften geführt wurden, auch wenn ich im Einzelnen nur selten Bezug darauf nehme; vgl. Joseph Vogl, Kalkül und Leidenschaft. Poetik des ökonomischen Menschen, Zürich/Berlin 2002. Dass der Erfinder der Formel »Poetik des Wissens«, Jacques Rancière, diese aus einer ausgreifenden sozialhistorischen Beschäftigung mit der frühen französischen Arbeiterbewegung gewonnen hat, ist für meine Studie indes von zentraler Bedeutung; vgl. Jacques Rancière, Die Namen der Geschichte. Versuch einer Poetik des Wissens, Frankfurt a. M. 1994, sowie ders., Die Nacht der Proletarier. Archive des Arbeitertraums, Wien/Berlin 2013 [1981]. Ein kurze Einordnung Rancières in die Geschichte und Methodendiskussion der Sozialgeschichtsschreibung versuche ich in »Der Schmerz der gestohlenen Zeit«, in: Jungle World vom 14. November 2013, Kulturbeilage, S. 1...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titel
  3. Widmung
  4. Inhaltsverzeichnis
  5. Einleitung
  6. I Kleine Meister und Gesellen: Von der Zunft zur Bewegung
  7. II »Wir? Verwickelte Frage!« – Zur Identitätsfindung der Klasse in Zeitschriftenprojekten
  8. III Die Auszählung der Stimmen: Klassen-Statistiken
  9. IV Miserabilismus und Kritik: Vom Elend der Literatur zum Elend der Theorie
  10. V Lohnarbeit und Sklaverei: Uneingelöste Freiheitsversprechen
  11. VI Darstellungsprobleme der »arbeitenden Armut«
  12. VII Klasse im Kampf
  13. Schluss: Die Rückkehr des romantischen Antikapitalismus
  14. Epilog: Romantischer »Antikapitalismus« von oben
  15. Anmerkungen
  16. Literaturverzeichnis
  17. Namensregister
  18. Impressum
  19. Weitere E-Books von MSB