Ihr seid mir unheimlich
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Ihr seid mir unheimlich

Von der Welt- zur Selbstoptimierung

  1. 16 Seiten
  2. German
  3. ePUB (handyfreundlich)
  4. Über iOS und Android verfügbar
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Ihr seid mir unheimlich

Von der Welt- zur Selbstoptimierung

Über dieses Buch

Sabine Donauer beschäftigt sich in ihrem Beitrag mit der Frage nach den Gefühlshaltungen der Arbeitnehmer zu ihrer Tätigkeit und wie sich diese in den vergangenen Jahrzehnten geändert hat. Wie stehen die jungen Berufseinsteiger heute zum Thema Arbeit? Donauer definiert drei Idealtypen: Die Allnighter, die Work-Live-Balance-Vertreter und die Engagierten, die aber prekär beschäftigt sind.

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Sabine Donauer
Ihr seid mir unheimlich
Von der Welt- zur Selbstoptimierung
Ein heutiger Top-Performer meiner Generation entspricht in vielerlei Hinsicht dem, wie sich Großunternehmen vor knapp 100 Jahren den idealen Arbeitnehmer der Zukunft ausgemalt haben. Zu dieser Zeit standen die Arbeiter nämlich schon zwei Minuten vor Betriebsschluss vor dem Werkstor und arbeiteten nicht freiwillig unbezahlt in die Abendstunden hinein. Auch legten sie Deutschland mit massiven Streikwellen lahm, um den Acht-Stunden-Tag einzufordern. Mit dermaßen renitenten Arbeitern konfrontiert, konzipierte der Industriellenverband DINTA in der Weimarer Republik erstmals eine systematische Personalarbeit. Betriebliches Personalmanagement hatte in den 1920er-Jahren »die Aufgabe, eine lebendige, persönliche Beziehung zum Werk im Arbeiter zu wecken. Seine Arbeit soll für ihn selbst nicht nur Erfüllung vertraglich übernommener Verpflichtungen, sie soll nicht nur Ausübung der nötigen Handverrichtungen, sondern bewußtes Schaffen an einem Betriebsvorgange sein, dessen Sinn er begreift, dessen Erfolg er als seine eigene Sache erkennt.«1 Heute würde man neudeutsch sagen: Es ging den Unternehmern darum, den Arbeitnehmer an die Vision und Mission des Unternehmens glauben zu lassen. Er sollte in der Arbeit mehr sehen als nur einen Broterwerb.
Ein weiteres Zukunftsziel betraf die Frage, wie sich der Arbeiter selbst sah: Idealerweise sollte er sich nicht mehr dem streikenden Arbeiterblock zugehörig fühlen, der den »Kapitaleignern« feindlich gesinnt gegenüberstand und ständig die Verteilungsfrage stellte. Statt dieser »Kollektivexistenz« waren Arbeitnehmer gefragt, die sich als Individuum sahen, die sich mehr für ihr eigenes Fortkommen als für das ihrer sozialen Schicht interessierten und die daran glaubten, dass es für sie vorteilhafter war, sich dem Unternehmen partnerschaftlich verbunden zu fühlen statt in einer Konfrontation Tarif- und Sozialrechte einzufordern. In der Nachkriegszeit, als die Forderungen nach kollektiver Mitbestimmung in der Neuordnung der deutschen Wirtschaft besonders virulent wurden, formulierten die Personalmanager dieses Ziel wie folgt: »So umständlich und mühselig es auch erscheinen mag, wir müssen an den Einzelmenschen herankommen. Wir müssen ihn ansprechen im weitesten Sinne des Wortes. Wir müssen ihn tangieren und bewegen im besten Sinne des Wortes. Richtschnur des Verhaltens: Vom Einzelnen zum Einzelnen!«2 Eine Masse streikender, bummelnder und zu Sabotageakten geneigter Arbeiter zu mitziehenden und leidenschaftlich arbeitenden Einzelleistungsträgern zu machen, das war im wahrsten Sinne des Wortes eine Jahrhundertaufgabe für die Personalarbeit der Unternehmen.
Bereits Max Weber bemerkte 1904 in seiner Protestantischen Ethik, dass ein langwieriger »Erziehungsprozess« erforderlich sein würde, um diese Art kapitalistisches Arbeitssubjekt hervorzubringen. Denn: Zu Webers Zeit gingen die Arbeiter bei jeder Stücklohnerhöhung früher nach Hause, statt bei gleicher Arbeitszeit mehr Geld zu verdienen. Sie hatten also eine klare Freizeitpräferenz gegenüber der Möglichkeit, höhere Konsummittel zu erwerben.3 Mit solchen Arbeitnehmern war kein Wachstumskurs zu machen.
Das sahen Unternehmen ähnlich, und sie ließen sich über die folgenden Jahrzehnte einiges einfallen, um aus teilnahmslosen Gesellen engagierte Mitarbeiter zu formen, den Arbeitnehmern die »richtigen« Arbeitsgefühle beizubringen. Ob dieses Unterfangen bezogen auf die hier interessierende »Jugend« tatsächlich gelungen ist, dazu später. Zuvor lohnt ein Blick im Zeitraffer auf das, was Personalexperten seit der Weimarer Republik unternommen haben, um den »Top-Performer« hervorzubringen.
Vom Klassenhass zur Job Satisfaction
Den Arbeiter aus seiner oppositionellen Blockhaltung herauszulösen, war kein einfaches Unterfangen, aber aus Sicht der Unternehmer doch ein nötiges. Auf der Sitzung des Vereins der deutschen Eisenhüttenleute, dem Interessenverband der Stahlwerksbetreiber, wurde das Problem 1925 in einem Vortrag unter dem Titel »Massenpsychologie und Arbeitserfolg« wie folgt zusammengefasst: »In den Gewerkschaften hat man es wohl begriffen, wie man Massen zu gewinnen und zugleich auf bestimmte Zwecke hin zu organisieren und zu leiten hat. Die Wirtschaft hingegen, die innerhalb ihrer Fabrikmauern Millionen und Abermillionen leitet, hat die Arbeitsmassen viel zu sehr sich selbst überlassen, oder sie begnügt sich mit dem aufgedrungenen Abwehrkampf gegenüber wirtschaftsfeindlichen Verbänden der Arbeiterbewegung. Drum ist es Zeit, daß wir die Frage aufwerfen und zu beantworten suchen, wie eine auf Mitarbeit einer Masse von Menschen angewiesene Wirtschaft psychologisch beraten sein muß, um das uralte wirtschaftliche Gesetz zu erfüllen, mit den verfügbaren Mitteln möglichst großen Erfolg zu erzielen.«4
Just diese psychologische Beratung organisierten sich Unternehmen in der Folge. Betriebssoziologen, Industriepädagogen und Arbeitspsychologen entstanden als neue Tätigkeitsprofile, und sie veränderten das Gesicht deutscher Fabrikarbeit, angefangen bei der Sprachpolitik der Betriebe: In den 1920er-Jahren wurde aus dem »Arbeiter« der »Mitarbeiter«. Das mittlere Management, also Meister und Vorarbeiter, wurde von den Unternehmensleitungen darauf verpflichtet, seinen harschen Umgangston mit den Arbeitern durch ein freundliches und zugewandtes Auftreten zu ersetzen. Ein Symposion unter dem Titel Industrieller Friede mit Beiträgen von Unternehmensführern wie Robert Bosch und Henry Ford resümierte diese Entwicklung 1928 mit den Worten: »Die alten und kalten begrifflichen Unterscheidungen Direktor, Angestellter, Arbeiter sind in der Auflösung begriffen. An ihre Stelle tritt der Begriff des Mitarbeiters.«5
»Der Mitarbeiter« wurde in den 1920er-Jahren von den Unternehmen auf völlig neue Weise umgarnt: Auf den Firmengeländen wurden enorme Summen in Sport- und Parkanlagen, behagliche Kantinenräume, Werkswohnungen, fabrikeigene Kauf- und Krankenhäuser, Kinderbetreuungseinrichtungen und in Erholungsheime für die Arbeitnehmer investiert. Den emotionalen Bezugspunkt sollte der Einzelne nicht mehr in der Arbeiterbewegung, sondern in »seiner Betriebsfamilie« finden. Die Maßnahmen setzten bereits am Neuzugang an: Lehrlinge liefen nicht mehr einfach nur neben dem Gesellen mit, sondern wurden einer systematisierten Ausbildung unterzogen. Die Ausbilder wurden angehalten, sanft im Ton zu sein und die Lehrlinge bei Fehlern zu unterstützen, statt sie zu schelten. Durch die Kultivierung dieser individuell-empathischen Ansprache hofften die Unternehmen, den »Klassenhass« zu brechen und den Einzelnen emotional für die Firma einnehmen zu können.
Hinter all diesen Bemühungen sta...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Verlag
  3. Benutzerhinweise
  4. Sabine Donauer
  5. Ihr seid mir unheimlich
  6. Über die Autorin
  7. Impressum