Der Untergang ist abgesagt
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Der Untergang ist abgesagt

Wider die Mythen des demografischen Wandels

  1. 206 Seiten
  2. German
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Der Untergang ist abgesagt

Wider die Mythen des demografischen Wandels

Über dieses Buch

Irgendwann wird Deutschland entvölkert sein. Nur in den Großstädten werden noch junge Menschen leben - alle mit Zuwanderungsgeschichte. Greise irren durch verwaiste Dörfer auf der Suche nach blühenden Landschaften. Das ist- überspitzt-das Untergangsszenario, das Medien und Meinungsmacher gern propagieren - und das nach der Diagnose des Volkswirts Thomas Straubhaar unhaltbar ist. Mit Leidenschaft und Fachkenntnis entlarvt er gängige Prognosen des demografischen Wandels als Mythen. Zwar birgt der demografische Wandel ernstzunehmende Probleme. Er bietet aber auch Chancen. Die Risiken zu minimieren und die Chancen zu nutzen, wird die gesellschaftliche und politische Herausforderung der nächsten Jahrzehnte sein. Keine einfache Aufgabe, aber eine durchaus lösbare, betont der renommierte Ökonom. Denn es ist die unberechtigte Angst vor dem demografischen Wandel, die uns lähmt und daran hindert, die Zukunft positiv zu gestalten. Thomas Straubhaar setzt gegen den grassierenden Pessimismus Entmythologisierung, Selbstvertrauen und Vernunft: Als stabile Demokratie und gesunde Volkswirtschaft kann Deutschland den Wandel gestalten. Der Untergang ist abgesagt!

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Information

TEIL II:
Die Mythen des demografischen Wandels

Mythos 1:
Der demografische Wandel ist unumkehrbar

Seit Jahrzehnten werden kluge Menschen nicht müde, Deutschland vor den Folgen des demografischen Wandels zu warnen.49 Schrumpfung und Alterung würden Gesellschaft und Wirtschaft vor dramatische Herausforderungen stellen. Viele der Sorgen sind ohne jeden Zweifel berechtigt. Nicht zuletzt konnten einige Probleme der Bevölkerungsentwicklung dank der Alarmrufe gelöst oder gemindert werden, weil die Politik auf demografische Prognosen reagierte und beispielsweise das Renteneintrittsalter nach oben setzte.
Verblüffend aber ist, mit welch unkritischer Überzeugung in Politik und Öffentlichkeit, auch in Wirtschaft und Wissenschaft, Bevölkerungsvorausberechnungen für absolute Wahrheiten gehalten werden.50 Ein Fehler, der sich wie ein roter Faden durch die jüngere Weltgeschichte zieht. Denn immer wieder machten sich Gesellschaften darüber Sorgen, wann sie wohl aussterben würden. Ängste, die sich im Nachhinein jedoch als völlig unbegründet erwiesen. Der von Oswald Spengler befürchtete »Untergang des Abendlandes«51 fiel genauso aus, wie sich viele andere Bevölkerungsprognosen schlicht als falsch erwiesen und weder Deutsche, Franzosen noch Schweizer von der Welt verschwanden.52
Frankreich fühlte sich in früheren Epochen nicht nur militärisch oder wirtschaftlich, sondern der eigenen Geburtenschwäche wegen auch demografisch von Deutschland bedroht.53 Entsprechend ängstlich wurde nachgefragt, wann wohl der letzte Franzose sterben werde.54 Alle pessimistischen Voraussagen lagen bereits 20 Jahre später im besten Falle um 10% und um 20% im schlechtesten Falle unterhalb der Realität. »Die Wahrheit lag also nicht in der Mitte, wie man es bei unterschiedlichen Projektionen erwarten könnte, sondern die tatsächliche Bevölkerungsgröße war sehr viel höher als jede der Projektionen.«55
In Deutschland stellte der Spiegel im Frühjahr 1975 in seiner Titelgeschichte die Frage: »Sterben die Deutschen aus?«56 Zitiert wurden Modellrechnungen des bayerischen Staatsministeriums für Landesentwicklung und Umweltfragen. Sie projizierten, dass in Bayern bis 2075 die Bevölkerungszahl im optimistischen Fall von 10,8 auf 5,5 Millionen und im pessimistischen Fall sogar auf 2,5 Millionen schrumpfen würde. In Wirklichkeit stieg die Bevölkerungszahl in Bayern von einer Rekordhöhe zur nächsten. Ende 2014 erreichte sie mit 12,7 Millionen einen neuen Höchststand.57
Die Enquete-Kommission »Demografischer Wandel« des Deutschen Bundestags hat sich Anfang der 1990er Jahre von mehreren Bevölkerungsprojektionen leiten lassen.58 Alle drei Modelle sagten spätestens für die erste Dekade des 21. Jahrhunderts einen Bevölkerungsrückgang voraus.59 Alle drei lagen sie damit falsch. Fakt ist, dass zwar zwischen 2005 und 2010 die Bevölkerungszahl rückläufig war, aber seit 2011 beginnt sie wieder zu steigen. Im Jahr 2014 nahm sie im Vergleich zum Vorjahr um 430.000 Personen (+ 0,5%) zu und lag am Jahresende bei 81,2 Millionen Einwohnern.60
Ganz offensichtlich sind Bevölkerungsvorausberechnungen weder in Stein gemeißeltes Naturgesetz, noch folgen sie gottgegebenen Prophezeiungen. Sie liegen zum Teil kläglich neben der Realität.61 Menschen verändern – vielleicht nicht kurz-, aber eben doch mittelfristig – ihr Verhalten. Sie essen gesünder, bewegen sich mehr und bleiben dadurch länger fit. Sie wollen wieder mehr Kinder haben – so wie es derzeit in Deutschland der Fall ist: Seit 2012 steigt die Geburtenziffer wieder an. Mit 147 Neugeborenen pro 100 Frauen erreichte sie 2014 den höchsten im vereinten Deutschland gemessenen Wert.62
Und Gesellschaften können über lange Zeiträume offener für Zuwanderung werden. Alle diese Veränderungen führen dazu, dass Bevölkerungsprognostiker einem Schützen gleichen. Sie treffen gut, solange das Ziel still steht, verfehlen es aber, wenn sich die Scheibe überraschenderweise bewegt.63
Präzise Voraussagen über viele Generationen hinweg sind schlicht nicht möglich. Sie können bestenfalls einfache Denkmodelle sein, um komplexe Langzeitentwicklungen studieren und die Folgen verschiedener politischer Maßnahmen abschätzen zu können. Fairerweise ist zu erwähnen, dass seriöse Demografen auf die begrenzte Aussagekraft ihrer Simulationen hinweisen und darauf, dass ihre Berechnungen nur so gut sein können wie die Qualität der getroffenen Wenn-dann-Annahmen. Andere jedoch scheuen sich nicht, aus Projektionen Prognosen zu machen und dabei auszublenden, wie (un)wahrscheinlich das Eintreten bestimmter Ereignisse ist.64
Zwar haben die Bevölkerungsprognostiker recht, wenn sie darauf pochen, dass sie ja eigentlich nur »konditionierte« (also auf Wenn-dann-Annahmen basierende) Aussagen treffen, wohl wissend, dass menschliches Verhalten und damit die Zahl der Geborenen und Sterbenden zwar gewissen Regelmäßigkeiten, nicht aber festen Gesetzmäßigkeiten unterliegt – was ganz sicher mit Blick auf die Zuwanderung in besonderem Maße zutrifft. Umso mehr erstaunt es dann doch, wenn mit Nachdruck behauptet wird, dass es durchaus möglich sei, »auch für kommende Jahrzehnte ziemlich realistisch abzuschätzen, in welchem Intervall die Bevölkerungsentwicklung wahrscheinlich verlaufen wird«.65
Wer über »kommende Jahrzehnte« Projektionen erstellt, muss zwangsläufig mit unerwarteten Schocks und einschneidenden Ereignissen rechnen, die das ganze Prognosemodell unbrauchbar machen.66 Selbst wenn sich Geburtenzahlen und auch die Entwicklung der Lebenserwartung kurzfristig verlässlich in die Zukunft fortschreiben lassen, können mittel- und längerfristig grundsätzliche Verhaltensänderungen (beispielsweise beim Kinderwunsch) und Fortschritte im Gesundheitswesen die Annahmen widerlegen. Die gegenwärtigen Flüchtlingswellen zeigen mit aller Dramatik, wie rasch und wie stark die Zuwanderung nach Deutschland schwankt. Genau aus diesem Grunde liegen gängige Modelle der Bevölkerungsprojektionen so oft so sehr daneben. Sie können Trendwenden kaum oder gar nicht erkennen.67
Bevölkerungsprognosen »überschätzen die ›Trägheit‹ demografischer Faktoren und unterschätzen die Möglichkeit von Verhaltensänderungen. Sie waren nicht darauf vorbereitet, dass in demografischen Dingen manchmal Unerwartetes geschieht. … Wir sollten uns gegenüber den Modellrechnungen und -projektionen der Demografen eine gesunde Skepsis bewahren. Die Bevölkerung, die wirtschaftet, lebt und sich fortpflanzt, ist flexibler (und sensibler), als dies Modellrechnungen – so wichtig sie sind – zeigen können.«68 Die Flüchtlingswellen der Gegenwart verdeutlichen, wie unverändert richtig diese Einschätzung heute noch immer ist. Verwunderlich, dass ihr so wenig gefolgt wird.
Auch Bevölkerungsprognostiker wären gut beraten, das Undenkbare oder Unerwartete nicht auszuschließen. Es gab in Deutschland die Wiedervereinigung, die über Nacht die Bevölkerungszahl um 16 Millionen wachsen und die Altersstruktur »verjüngen« ließ. Es gab und gibt eine Netto-Zuwanderung, die stärker war und ist als von allen vorausgesagt. Und es wird auch in Zukunft »Überraschungen und Ungewissheiten« geben, die den demografischen Wandel mehr oder weniger stark beeinflussen und in eine andere als heute erwartete Richtung lenken werden.69

Mythos 2:
Schrumpfung bedroht Deutschlands Wohlstand

Sollte eines – momentan noch sehr fernen – Tages die Bevölkerungszahl in Deutschland tatsächlich kleiner werden, stellt sich die Frage, ob die Sorgen berechtigt sind, die für viele mit einer demografischen Schrumpfung verbunden sind. Oder ob nicht das Gegenteil der Fall sein könnte und alles deshalb ganz wunderbar werden wird, weil weniger Menschen bedeuten, dass jede und jeder Einzelne mehr Platz hat. Es wäre die Umkehrung dessen, was mancherorts als »Dichte-Stress« beklagt wird.70
Die Ängste vor schrumpfenden Bevölkerungszahlen sind nichts Neues. Ihnen galt bereits in den 1930er Jahren eine große Aufmerksamkeit. Den durch die damals stagnierende Bevölkerungszahl vermeintlich hervorgerufenen Nachfrageausfall bewerteten Pessimisten als wesentliche Ursache der Großen Depression. Kein Geringerer als John Maynard Keynes sorgte sich in einem Artikel 1937 in der Eugenics Review um das durch eine schrumpfende Bevölkerung verursachte Ungleichgewicht zwischen Sparen und Investieren, das zu einem längerfristigen Wachstumsschwund oder gar einer »säkularen Stagnation« führen könne.71 Ein Begriff, der, bemerkenswerterweise, wort- und wesensgleich heutzutage bei Lawrence Summers, einst US-Finanzminister unter Bill Clinton und später unter US-Präsident Barack Obama Direktor des National Economic Council, eine Wiedergeburt feiert.72
Die Realität widerlegte in der Vergangenheit alle Pessimisten. Damals schon und auch heute wieder. Die Stagnationstheorie von Keynes erwies sich als empirisch unzutreffend. Weder verarmten die Menschen als Folge schrumpfender Bevölkerungszahlen, noch kam es zu einem ökonomischen Niedergang. Solange die Weltbevölkerungszahl insgesamt größer und nicht kleiner wird – und das wird noch für sehr lange Zeit der Fall sein73 –, dürften sich die pessimistischen Erwartungen auch in Zukunft kaum erfüllen. Im Gegenteil, heutzutage leben mehr Menschen länger, gesünder und materiell besser als jemals zuvor. Das gilt besonders für Deutschland. Mehrere Faktoren widerlegten die keynesianische Vorstellung der negativen ökonomischen Effekte einer schrumpfenden Bevölkerung:
1. Einmal bedeutet eine schrumpfende Bevölkerungszahl nicht unbedingt, dass auch die Anzahl der Haushalte (als ökonomische Wirtschaftseinheiten) abnimmt. Es kann sein (und ist in der Realität so geschehen), dass nur die Zahl der pro Haushalt lebenden Menschen zurückgeht. Beispielsweise bilden nur noch eine oder zwei und nicht mehr vier oder mehr Personen einen gemeinsamen Haushalt. Oder Jugendliche ziehen in jüngeren Jahren häufiger von zu Hause in eine eigene Wohnung, als das früher der Fall war. So kann es sein, dass insgesamt trotz schrumpfender Bevölkerungszahl die Anzahl der Haushalte sogar steigt.
2. Auch wenn in einem Haushalt weniger Personen leben, gibt es eine ganze Menge von Gütern, die trotzdem angeschafft werden, unabhängig von der Anzahl der Mitbewohner. Das trifft für sanitäre Anlagen, Kücheneinrichtung, Kühlschrank, Fernseher, Telekommunikationsgeräte und manch anderes zu. Für viele Güter bestimmt somit die Anzahl der Haushalte und weniger die Anzahl der pro Haushalt lebenden Personen die gesamtwirtschaftliche Nachfrage und somit den Umsatz für die Hersteller.
3. Wenn in einem (Familien-)Haushalt weniger Personen leben, steht pro Person ein größeres Budget für alltägliche Einkäufe bereit. So leistet sich dann möglicherweise jeder einzelne Käufer mehr von allem und kompensiert so den Rückgang der Kundenanzahl als Folge einer schrumpfenden Bevölkerung. Das gilt wiederum in besonderem Maße für nicht oder nur begrenzt teilbare Konsumgüter wie Wohnungen, Autos oder elektronische Kommunikationsgeräte. Man wohnt dann etwas großzügiger, leistet sich trotzdem Fernseher und PC, auch wenn nur eine oder zwei anstatt vier oder fünf Personen unmittelbare Mitnutzer sind.
4. Bei einem Schrumpfen der Bevölkerungszahl und dem damit einhergehenden Rückgang der Erwerbsbevölkerung stehen je Arbeitskraft mehr Maschinen, Geräte, Apparate und Rohstoffe zur Verfügung. Pro Kopf ist somit die Ausstattung mit Kapitalgütern größer. Als Folge steigt die Kapitalintensität. Weniger, dafür besser ausgerüstete Arbeitskräfte produzieren pro Zeiteinheit mehr. Die höhere Arbeitsproduktivität lässt die Löhne steigen. Ein Ergebnis, das eher froh als traurig stimmen sollte. Auch weil dank der höheren Löhne wiederum mehr Kaufkraft verfügbar ist, die für einen steigenden gesamtwirtschaftlichen Umsatz sorgt.
5. Unterschätzt wurde von den Pessimisten die Dynamik des technischen Fortschritts. Sie verstärkt mikroökonomisch den Druck zu arbeitssparender Technologie. Roboter ersetzen Menschen, und Maschinen verdrängen standardisierte Fließbandarbeitsplätze, denen niemand nachtrauern sollte. Arbeit ersetzende Innovationen steigern die Pro-Kopf-Produktivität der verbleibenden Beschäftigten. Der technische Fortschritt konnte und kann die negativen Effekte schrumpfender Bevölkerungen mehr als kompensieren.
Richtig ist, dass schrumpfende Bevölkerungszahlen einen Strukturwandel verursachen. Einige Branchen werden tatsächlich einen Umsatzrückgang erleiden. Das dürfte vor allem standardisierte Massenprodukte betreffen. Andererseits kann gerade daraus ein Einstieg in eine ökologische Nachhaltigkeit attraktiv werden.
Noch nie in Friedenszeiten ist die Bevölkerungszahl geschrumpft. Sollte dies nun erstmalig in der Menschheitsgeschichte im 21. Jahrhundert für einzelne Staaten oder Bundesländer der Fall sein, ist doch damit auch eine sehr gute Botschaft für die Umwelt und die natürlichen Ressourcen verbunden. Es muss nicht immer notwendigerweise mehr produziert werden, um immer mehr Menschen satt und zufrieden zu machen. Zudem mindert eine schrumpfende Bevölkerungszahl den Druck, für Massen Beschäftigung finden zu müssen. In einem solchen Umfeld steigen die Chancen, dass nicht mehr Quantität das Denken bestimmt, sondern Qualität.74 Was soll daran sozioökonomisch schädlich sein? Was verursacht da Ängste? Was kann daran gesamtwirtschaftlich so negativ sein?
Eine mögliche, mit Blick auf die aktuelle Flüchtlingswelle aber noch längst nicht sichere Schrumpfung der Bevölkerungszahl ruft bereits heutzutage bei vielen Deutschen Sorgen hervor. Wer die Bevölkerungsgröße mit Macht und Einfluss in der Weltpolitik gleichsetzt, mag einen politischen Bedeutungsverlust befürchten. Für andere spielen mehr oder weniger unterschwellig militärstrategische, gelegentlich auch nationalistische Gründe eine Rolle. Dazu gehören beispielsweise jene, die eine Schlagkraft der Armee noch immer – wie im Zeitalter der infanteristischen Massenheere – in Truppenstärken messen. Obwohl bei heutigen politischen Krisen und kriegerischen Konflikten andere Faktoren weit bedeutsamer über den (Miss-)Erfolg militärischer Aktionen entscheiden.
Weniger Menschen werden weniger Kindertagesstätten, Freizeiteinrichtungen, Studienplätze, Straßen oder Parkplätze benötigen. Eine flächenfressende Betonierung natürlicher Räume wird weniger dringlich. Warteschlangen sollten kürzer, Staus auf überfüllten Straßen seltener, der Wohnungsmangel geringer werden. Die Zeiten der zu kleinen Klassenzimmer und der überfüllten Hörsäle könnten dann bald vorbei sein. Für jeden Einzelnen wird es mehr Platz und insgesamt mehr naturbelassene Landschaften geben.
Die Rechnung ist doch ganz einfach: Alle heute verfügbaren Straßen, Parkplätze, Krankenhäuser, Studienplätze, Schwimmbäder, Freizeiteinrichtungen und Naherholungsgebiete – kurz: alle Infrastrukturanlagen und Ressourcen – müssen mit weniger Köpfen geteilt werden. Für die Einzelnen wird je Kopf mehr von allem zur Verfügung stehen. Das gilt auch für den Faktor Zeit. In kleinen Familien mit wenigen Kindern sollte eigentlich jedes einzelne Kind mehr Zuneigung erhalten. Eltern müssen sich nicht mehr mi...

Inhaltsverzeichnis

  1. Einleitung
  2. TEIL I: Der demografische Wandel
  3. TEIL II: Die Mythen des demografischen Wandels
  4. TEIL III: Der Untergang ist abgesagt
  5. Anhang