Eduardo Maura
Vertrauen verspielt
Warum wir in Spanien eine neue Partei brauchen
Gehören wir jungen Spanier zu einer verlorenen Generation? Über 55 Prozent der jungen Menschen haben keine Arbeit. In den vergangenen fünf Jahren haben mehr als 700 000 Spanier das Land aus wirtschaftlichen Gründen verlassen. Die meisten Auswanderer stehen erst am Beginn ihrer beruflichen Laufbahn. Sie sind jung, sie sind gut ausgebildet, sie sind motiviert, und doch sehen sie in Spanien keine Chance mehr. Das Land scheint ihnen keine Zukunft mehr zu bieten.
Dabei ist Spanien ja eigentlich ökonomisch stark, die viertstärkste Wirtschaftskraft des Euroraums. Aber das Land wird von einer korrupten und unfähigen politischen und wirtschaftlichen Elite beherrscht. Die Regierung spart. Die Renten werden gekürzt, ebenfalls die Arbeitslosenhilfen, viele Sozialleistungen ersatzlos gestrichen. Aber diese Maßnahmen sind völlig ungeeignet, um die strukturellen und konjunkturellen Probleme des Landes zu lösen und die Wirtschaft anzukurbeln. Gerade wegen der hohen Arbeitslosigkeit nimmt der Staat etwa über die Einkommenssteuer viel zu wenig Geld ein. Weil die Einnahmen fehlen, steigt die Staatsverschuldung immer weiter an. Gleichzeitig steigt auch die private Verschuldung. Die Mittelschicht verarmt. Bereits 20 Prozent aller Spanier leben unterhalb der Armutsgrenze. Aber es gibt auch Menschen, die sich sogar noch in der Krise bereichern. Allein im vergangenen Jahr ist die Zahl der spanischen Millionäre um 24 Prozent gestiegen.
Die Krise und der Widerstand
Nicht alle jungen Spanier fliehen oder resignieren. Von Frühling bis Herbst 2011 protestierten Millionen Menschen gegen die herrschende Politik. Es wurde gestreikt, man besetzte die Plätze der großen Städte. In den Medien wurden diese Proteste auch als »Movimiento 15-M«, als »Bewegung 15. Mai« bezeichnet. Die spektakulären Demonstrationen waren aber nur der sichtbare Teil. Tatsächlich war die Bewegung 15-M so stark, weil sie aus einem ganzen Netz unterschiedlicher Initiativen und Gruppierungen bestand, die ganz konkret und vor Ort politische Arbeit leisteten. Es waren Gruppierungen, die gegen Sparmaßnahmen im Gesundheitswesen oder in der Bildung kämpften, die Menschen unterstützten, deren Wohnungen zwangsgeräumt wurden, die Auswanderer im europäischen Exil vernetzten. Die Bewegung 15-M fand nicht nur auf den Plätzen statt, sondern auch in den Cafés und Kneipen, in den Küchen, in den Familien. Und es ging um mehr als nur um den Protest gegen die Folgen der Wirtschaftskrise, um viel mehr.
Erstens haben sich Individuen zu einem Kollektiv zusammengeschlossen. Vor Mai 2011 konnten die Menschen ihre Probleme nur als persönliche Probleme wahrnehmen. Man hatte seinen Job verloren, man konnte die Nebenkosten nicht mehr bezahlen, die Hypothek nicht mehr begleichen. Man schämte sich dafür, versagt zu haben. Das entspricht einer neoliberalen Logik, die immer das Individuum alleine verantwortlich macht. Nun aber erkannten die Menschen, dass die Schuld nicht bei ihnen liegt, dass es sich eben nicht um ein persönliches Problem handelt, dass sehr viele Menschen betroffen sind, dass wir es mit einem politischen Problem zu tun haben.
Zweitens hat sich der Blick auf die Krise verändert. Sie wurde nicht mehr als eine Art Naturkatastrophe gesehen, gegen die man sich nicht zur Wehr setzen kann, die man einfach erduldet. Lange Zeit haben wir die Korruption und die Unfähigkeit unserer Eliten als etwas betrachtet, mit dem man sich arrangieren muss. Damit ist es jet...
