Wenn wir wüssten!
eBook - ePub

Wenn wir wüssten!

Kommunikation als Nichtwissensmaschine

  1. 17 Seiten
  2. German
  3. ePUB (handyfreundlich)
  4. Über iOS und Android verfügbar
eBook - ePub

Wenn wir wüssten!

Kommunikation als Nichtwissensmaschine

Über dieses Buch

"Wer sich auf Kommunikation einlässt, muss auf Wissen verzichten - zumindest in dem Sinne, dass man in Kommunikationsprozessen eben nicht wissen kann, wie sie ausgehen." Eine Analyse des Kommunikationsvorgangs von Armin Nassehi anhand des Kinderspiels "Stille Post" mit dem Fazit: Nichtwissen ist wirklich manchmal ein Segen!

Häufig gestellte Fragen

Ja, du kannst dein Abo jederzeit über den Tab Abo in deinen Kontoeinstellungen auf der Perlego-Website kündigen. Dein Abo bleibt bis zum Ende deines aktuellen Abrechnungszeitraums aktiv. Erfahre, wie du dein Abo kündigen kannst.
Derzeit stehen all unsere auf mobile Endgeräte reagierenden ePub-Bücher zum Download über die App zur Verfügung. Die meisten unserer PDFs stehen ebenfalls zum Download bereit; wir arbeiten daran, auch die übrigen PDFs zum Download anzubieten, bei denen dies aktuell noch nicht möglich ist. Weitere Informationen hier.
Perlego bietet zwei Pläne an: Elementar and Erweitert
  • Elementar ist ideal für Lernende und Interessierte, die gerne eine Vielzahl von Themen erkunden. Greife auf die Elementar-Bibliothek mit über 800.000 professionellen Titeln und Bestsellern aus den Bereichen Wirtschaft, Persönlichkeitsentwicklung und Geisteswissenschaften zu. Mit unbegrenzter Lesezeit und Standard-Vorlesefunktion.
  • Erweitert: Perfekt für Fortgeschrittene Studenten und Akademiker, die uneingeschränkten Zugriff benötigen. Schalte über 1,4 Mio. Bücher in Hunderten von Fachgebieten frei. Der Erweitert-Plan enthält außerdem fortgeschrittene Funktionen wie Premium Read Aloud und Research Assistant.
Beide Pläne können monatlich, alle 4 Monate oder jährlich abgerechnet werden.
Wir sind ein Online-Abodienst für Lehrbücher, bei dem du für weniger als den Preis eines einzelnen Buches pro Monat Zugang zu einer ganzen Online-Bibliothek erhältst. Mit über 1 Million Büchern zu über 1.000 verschiedenen Themen haben wir bestimmt alles, was du brauchst! Weitere Informationen hier.
Achte auf das Symbol zum Vorlesen in deinem nächsten Buch, um zu sehen, ob du es dir auch anhören kannst. Bei diesem Tool wird dir Text laut vorgelesen, wobei der Text beim Vorlesen auch grafisch hervorgehoben wird. Du kannst das Vorlesen jederzeit anhalten, beschleunigen und verlangsamen. Weitere Informationen hier.
Ja! Du kannst die Perlego-App sowohl auf iOS- als auch auf Android-Geräten verwenden, um jederzeit und überall zu lesen – sogar offline. Perfekt für den Weg zur Arbeit oder wenn du unterwegs bist.
Bitte beachte, dass wir keine Geräte unterstützen können, die mit iOS 13 oder Android 7 oder früheren Versionen laufen. Lerne mehr über die Nutzung der App.
Ja, du hast Zugang zu Wenn wir wüssten! von Armin Nassehi im PDF- und/oder ePub-Format sowie zu anderen beliebten Büchern aus Sozialwissenschaften & Soziologie. Aus unserem Katalog stehen dir über 1 Million Bücher zur Verfügung.

Information

Armin Nassehi
Wenn wir wüssten!
Kommunikation als Nichtwissensmaschine
Eines der schönsten Kinderspiele ist die »Stille Post«. Einer beginnt und flüstert dem Nächsten ein Wort oder einen Satz ins Ohr, und am Ende wird dann geprüft, ob tatsächlich das herausgekommen ist, was der Erste gesagt hat. Dieses bisweilen lustige Kinderspiel klingt sehr harmlos, und doch variiert es die vielleicht wirkmächtigste Kommunikationstheorie des 20. Jahrhunderts, nämlich das Verständnis von Kommunikation als Relation von Sender und Empfänger. Sender und Empfänger werden durch die Informationsübertragung unterschieden. Wenn also der erste Sprecher »Mist« ins Ohr des zweiten flüstert und dieser »List« weitergibt und der Dritte dem Vierten eine »Lust« anvertraut, dann lässt sich darauf schließen, dass die Kommunikation insofern gestört ist, als das Signal nicht genau genug war.
Es ist auf dem Weg vom Ersten über den Zweiten und Dritten zum Vierten etwas verloren gegangen, Präzision nämlich, denn in einem wirklich gelungenen Kommunikationsprozess müsste auch der Letzte noch »Mist« hören. Für solch einen Kommunikationsprozess steht letztlich die technische Übertragung von Signalen Pate – also etwa die Übertragung über ein Kabel oder über Funk, bei der ja in der Tat meistens etwas verloren geht. Es entsteht im buchstäblichen Sinne des Wortes ein Rauschen, weil entweder der Sender nicht genau chiffriert hat oder der Empfänger nicht mit dem gleichen Algorithmus dechiffriert hat oder auf dem Übertragungsweg Bandbreite verloren gegangen ist. Was wir im Radio hören, ist nie so gut wie das, was in das Mikrofon gesprochen wurde – zunächst nur bezogen auf die Tonqualität –, und doch richten wir uns irgendwie darin ein, mit einer gewissen Unschärfe umzugehen. So werden Kommunikationskanäle dahin gehend eingerichtet, dass ihre Bandbreite der Differenziertheit und Tiefe des Signals entsprechen muss. Für die Übertragung einer Morsenachricht reicht tatsächlich ein Kanal aus, der Aktivität von Nichtaktivität unterscheiden kann, während die Stereoübertragung eines Symphoniekonzerts eine erheblich komplexere oder wenigstens dichtere Übertragungsform und -rate erfordert. Im Übrigen ist das Morsealphabet oder die binäre Darstellung von Zahlenwerten gerade dafür erfunden worden, mit möglichst einfachen Übertragungswegen auszukommen, während im Falle der Übertragung eines Symphoniekonzerts sich die Übertragungstechnik dem Übertragungszweck anpasst. Es gibt Technikfreaks, die bestimmte Musikaufnahmen oder auch Töne nur hören, um messen zu können, ob etwas und, wenn ja, was auf dem Übertragungsweg von einer Schallplatte oder CD-ROM über einen Verstärker bis zu den Lautsprechern verloren geht. Wer je solche Freaks über schlichte Lautsprecherkabel hat fachsimpeln hören (Material, Abschirmung, Querschnitt und so weiter) und wer sich schon einmal über den Meterpreis solcher Kabel gewundert hat, weiß, wovon hier die Rede ist.
Bis dato war nur vom Übertragungsweg die Rede. Natürlich kommt es auch auf Sender und Empfänger an. Man sagt dann, dass Verschlüsselung und Entschlüsselung nach den gleichen Regeln, in den gleichen Frequenzen oder in der gleichen Sprache erfolgen muss. Wer nicht »Mist«, sondern »rubbish« sagt, kommt weniger wahrscheinlich zum Missverständnis »List«, sondern hört dann vielleicht »rabbit«, und der nächste dann »Hobbit«. Also sogar das Missverständnis hängt davon ab, dass man mit ähnlichen Chiffrierungen, etwa einer Sprache, hier des Deutschen oder des Englischen, oder im Falle anderer Übertragungswege analoger oder digitaler Signale, Frequenzen oder sonstiger Einheiten arbeitet. Kommunikation in dem Sender-Empfänger-Modell ist davon abhängig, dass Sender und Empfänger auf der gleichen Frequenz senden und empfangen, und zugleich ist sie davon abhängig, dass möglichst wenig zwischen Sendung und Empfang verloren geht oder durcheinanderkommt.
Die Unwahrscheinlichkeit der Kommunikation
Das ist freilich eine allzu simple Darstellung, denn hier würde Kommunikation gar nicht erklärt, sondern das größte Problem der Kommunikation bereits als gelöst vorausgesetzt, nämlich: dass auf denselben »Frequenzen« gesendet und empfangen wird. Doch die Sache ist komplizierter, und deshalb lohnt es sich, auf die aus den 1940er-Jahren stammende mathematische Kommunikationstheorie von Claude Shannon und Warren Weaver zu sprechen zu kommen.1 Shannon und Weaver haben versucht zu zeigen, dass Kommunikation nur zustande kommt, wenn aus Signalen mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit Informationen generiert werden können – die Wahrscheinlichkeit richtet sich danach, ob die Signale sich einer mit den Mitteln des Empfängers dechiffrierbaren Ordnung fügen, die wiederum als Ordnung für den Empfänger plausibel sein muss. Das bedeutet, dass Kommunikation nicht einfach eine Übertragung von Informationen sein kann, weil Informationen nichts anderes sind als Kalkulationen im Hinblick auf andere mögliche Lösungen.
Wer also Funksignale aus dem All danach abscannt, ob sie womöglich von intelligenten Lebensformen stammen könnten, wird sie im Hinblick auf eine Ordnung im Vergleich zu anderen möglichen Ordnungen ordnen. Und wer versucht, herauszubekommen, was sein Mitmensch – Arbeitskollege, Liebespartner, Steueranwalt, Nachrichtensprecher – gerade mitteilt, wird die Signale auf Muster beziehen, die ihm selbst wahrscheinlich erscheinen, und entsprechend einordnen. Was Shannon und Weaver als mathematische Kommunikationstheorie bezeichnen, ist also das Kalkül, mit dem die Wahrscheinlichkeit des Signals von einem Empfänger berechnet wird.
Den beiden Pionieren der Kommunikationstheorie ging es zunächst um die technische Übertragung von Signalen, aber auch die semantische Form der Kommunikation, etwa in natürlicher Sprache, arbeitet sich an Wahrscheinlichkeiten von Bedeutungen ab. Das hätte man bereits aus der klassischen Hermeneutik wissen können, denn wenn sprachliche Äußerungen – von der einfachen Äußerung eines Mitmenschen bis zu göttlich geoffenbarten heiligen Schriften – unterschiedlich verstanden werden können, unterliegen Verstehensprozesse letztlich einem Wahrscheinlichkeitsmanagement der angemessenen Bedeutung, was immer und wer auch immer die jeweilige Angemessenheit kalkuliert.
Das Sender-Empfänger-Modell dieser klassischen Kommunikationstheorie ist also keineswegs so simpel, wie es sich zunächst anhört, denn es wird nicht einfach ein Signal übertragen, sondern es wird darauf hingewiesen, wie voraussetzungsreich es ist, dass Signale als Signale rezipiert werden. Die Grundbedingung der Kommunikation – symbolisiert in der Metapher der gemeinsamen »Frequenz« – kann also nicht vorausgesetzt werden, sondern muss im Prozess der Kommunikation erzeugt werden.
Shannons und Weavers Verdienst ist es also, auf die Unschärfe der Kommunikation hingewiesen zu haben. Sie haben letztlich sogar gezeigt, wie unwahrscheinlich Kommunikation ist, eben weil Kommunikationsprozesse stets mit der Unschärfe der Informationsübertragung umgehen müssen und gerade der Empfänger nicht einfach ein passiv empfangendes Gefäß ist. Auch das Empfangen von Signalen ist ein aktiver Prozess, der vor dem Hintergrundrauschen möglicher Signale dasjenige identifizieren muss, das insofern einen Unterschied macht, a...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Verlag
  3. Benutzerhinweise
  4. Armin Nassehi
  5. Über den Autor
  6. Impressum