
- 22 Seiten
- German
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eBook - ePub
Über dieses Buch
In seinem Aufsatz zu Kursbuch 171 verfolgt Birger P. Priddat die Logik der Selbstoptimierung aus ökonomischer Perspektive. Der Professor für Politische Ökonomie betrachtet den Menschen hierbei in seinem Spagat zwischen Natur und Technik: In seiner komplexen Umwelt ist der Mensch ein Herrscher mit unendlichen Möglichkeiten. Um diese aber weiterhin überblicken zu können, muss er sich selbst technisch optimieren.
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Information
Birger P. Priddat
Die Leere der Fülle
Das Ende des Kapitalismus als Religion
In der Aufklärung verschwindet die religiöse Bindung der Gesellschaften, darin auch die alte Ökonomie der Schöpfungsordnung (der – heute fast unbekannten – oeconomia divina). In diesem Umbruch bot im 18. Jahrhundert die Politische Ökonomie eine neue Ordnung: den effizienten, sich selbst regulierenden Markt – entweder als Substitut der göttlichen als weltliche Ordnung oder als eine moralische Ökonomie. Die Erfahrungen mit den Krisen aber lösen im Kapitalismus des 19. Jahrhunderts Misstrauen aus: Auch den Gleichgewichtsmythos des Marktes muss man glauben. Die neue Religion wird als Glaube an den Markt gehandelt. »Das Fortschrittsaxiom selbst ist für den modernen Menschen Teil seines Status quo geworden. Es ersetzt ihm das herkömmliche Gottvertrauen.«1 Der neue Glaube heißt Systemvertrauen.
Der Gott, der bei Adam Smith seine »invisible hand« ins Spiel bringt, ist ein zwar zurückgezogener Schöpfer (Deus absconditus), bleibt aber von der Vorsehung bestimmt präsent: Die Ordnung der Wirtschaft ist ein Teil der Vorsehung. Ähnlich wie Newton sind auch für Smith die Bewegungen der Wirtschaft einer »natürlichen« (Schöpfungs-)Ordnung unterstellt. Doch bietet diese neue Ökonomie etwas, was bisher noch keine Wirtschaft zu leisten vermochte: Wachstum und höhere Einkommen, den Reichtum (wealth of nations) für alle (wenn auch ungleich verteilt). Was die ersten Leser Smiths noch für eine Utopie hielten, erweist sich in der Folge als ein System irdischer Wohlfahrt: Der Kapitalismus wird zu einem Erlösungsmodell. Das alte eschatologische Versprechen verzweigt sich: Erlösung im Himmel post mortem und Erlösung auf Erden ante mortem.
Nun mag man diese Übertragung in irdische Erlösung nicht mehr als Religion ansehen: Der Glaube, Gott regiere die Welt, ist auf Systeme übertragen, deren Geltung allerdings weiterhin geglaubt wird. Damit aber ist die Ökonomie keine Ersetzung des Glaubens, sondern dessen Kontinuität in funktionaler Äquivalenz. Die semantische Umklappung von Hoffnung (auf Gottes Reich) in Erwartung (das Funktionieren des Systems) ist entscheidend: nicht mehr als Glaube an Gott und seine Schöpfungsordnung, sondern als Glaube an das System. Die Ökonomen verwenden später einen anderen Begriff: Erwartungen als rational expectations. Im 20. Jahrhundert wird das mit der magischen Formel des »Wachstums« benannt, Wachstum als notwendige Bedingung der Kontinuität des Kapitalismus. Darin bleibt das alte Vorsehungskonzept enthalten: Wachstum ist möglich und notwendig. Die Märkte müssen frei sein, um diese Notwendigkeit erfüllen zu können (Wettbewerb, Deregulation und technischer Fortschritt).
Wachstum, das neue ökonomische Geschichtsgesetz, das mit Adam Smiths Kapitalakkumulationsökonomie 1776 erstmals konzipiert wurde, benötigt eine offene Zukunft. Was ehemals Hoffnung auf Erlösung im Himmel war, wird jetzt zur Erwartung der Erlösung im Leben durch die Steigerung des wealth of nations für alle. Eine neue Anthropologie entsteht: Das, was man zuvor in der religiösen Vertikale hoffen konnte, muss jetzt horizontal in der Geschichte erwartet und realisiert werden (man-made). Die Himmelsökonomie, auf spätere und durchaus zufällige Gnade in der Ewigkeit zu warten, muss jetzt in der Weltzeit realisiert werden (und die Gnade wandert, säkularisiert, in die staatliche Wohlfahrtsfunktion, das heißt in die Politik).
Der Glaube an weltliche Erlösung koppelt sich mit einem anderen Akzelerator: dass die Weltzeit/Geschichte für jeden auf seine Lebenszeit reduziert ist. Das bedeutet nicht nur, alles im Leben zu realisieren, was das Leben verbessert, sondern zugleich auch, von der Fülle der Möglichkeiten, die sich in einer jetzt offenen Weltzeit anbieten, ein Maximum im eigenen, begrenzten Leben zu verwirklichen (gleichsam die Zukunft in die Gegenwart zu holen). Diese Beschleunigung erleben wir in den Finanzmärkten heutzutage sehr ausgeprägt, aber das akzeleratorische Prinzip ist in der gewendeten Zeitauffassung bereits von Beginn an enthalten. Reinhart Koselleck spricht von der »Sattelzeit« um 1800, in der Erfahrung in Erwartung transponiert wird.2
Das Maximierungsethos der neuen Ökonomie beruht auf keiner Natur des Menschen, sondern ist eine geschichtlich aus dieser Zeitenwende gewonnene Verwirklichungsbeschleunigungsmetapher, mit drei Bedingungen:
1. Jeder Mensch hat nur sein – begrenztes – Leben (bei zunehmender Unsicherheit über den transzendentalen Erwartungsraum).
2. Die Zukunft bietet eine bereits in der Gegenwart verwertbare Fülle von Möglichkeiten.
3. Je mehr man davon im Heute der limitierten Lebenszeit verwirklicht, umso besser lebt man (und die Nachkommen).
Es gibt keinen Homo oeconomicus, der immer schon auf Nutzenmaximierung ausgelegt war (wie die zeitlose Anthropologie der Ökonomik meint), sondern er bekommt erst spät geschichtlich eine Chance, das Warten auf Ewigkeitserlösung durch pragmatische Lebenszeitmaximierung zu ersetzen – Ende des 19. Jahrhunderts als rational actor.
Erst im 19. Jahrhundert wandeln sich die Konstellationen in kritischer Distanz zur klassischen Politischen Ökonomie: Wenn nicht mehr die Arbeit Wert schafft (wie in der klassischen Ökonomie Smiths, Ricardos und Says), sondern die Bedürfnisse Bewertungen generieren, ist der, der seine Bedürfnisse optimal befriedigt, zugleich der, der den Prozess der Marktallokation effizient macht. Das optimale Bedürfnisbefriedigen muss über individuelle Urteilsakte laufen (Entscheidungen, Wahlakte). Die klassische Theorie der Einkommensklassen (Kapitalist = Profit, Arbeiter = Lohn, Grundeigentümer = Rente) wird in eine Theorie allgemeiner menschlicher Nutzenmaximierung transformiert – gleichsam von der klassischen ökonomischen Soziologie zur ökonomischen Anthropologie.
Die Aussicht, in der anlaufenden Wirtschaftsdynamik künftig bessergestellt zu sein als bisher (Fortschritt), verspricht Erlösung innerweltlicher Art (von Armut und Leid). Diese Leistung ist geschichtlich einzigartig. Die Welt bekommt ihren eigenen Himmel – heaven on earth: Die Zukunft wird als Einkommenswachstumsfortschritt (und wenn auch nur für die eigenen Kinder) interpretierbar. Geschichte bekommt Zukunft. Zukunft wird zu einem auf den Horizont projizierten säkularen Himmel. »Die Idee des Fortschritts in der Geschichte ist der ins Säkulare gewendete Glaube an die Vorsehung.«3
Die alte Vertikale Mensch – Gott, die auf die Ewigkeit orientiert war, klappt in die Ebene der historischen Zeit, in eine Horizontale der Markt- und Gesellschaftsdynamik, in der die Frage der Ordnung der Mensch-Mensch-Beziehungen in den Vordergrund rückt. Seit Vico übernimmt die (neue) Geschichte, die nicht mehr zyklisch gesehen wird, die Funktion der alten Zeit des Ewigen, nunmehr säkularisiert in einen weltlichen unendlichen Erlösungsraum. Alles wird zeitlich (die alte Ewigkeit des nunc stans war gleichsam eine stehende, zeitlose Zeit, und die weltliche Zeit eine vorübergehende). Die Ordnung des Himmels wird in eine Ordnung der (menschlichen) Natur übersetzt, die in Adam Smiths system of natural liberty noch die invisible hand als einzigen Fingerzeig des Deus absconditus führt.
Das neue Fortschrittsmodell heißt: Aufstieg aus den traditionellen ständischen Zwängen. Die moderne Ökonomie ist eine emanzipatorische. Ihr historisches Telos lautet: Freiheit. Das Arbeiterelend der frühen Industrialisierungsphase wird selber wieder ein agens movens: der sozialistischen und gewerkschaftlichen Emanzipationsbewegungen.
Das Glück besteht nicht nur in der Summe der Güter, die man erwirbt, sondern in der Disposition auf individuelle Freiheit. Wir haben vergessen, dass die Ökonomie dieses Moment der Selbstbestimmung forcierte, was sie um 1800 zu einer emanzipatorischen Theorie m...
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