
- 17 Seiten
- German
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eBook - ePub
Über dieses Buch
Der Psychotherapeut Wolfgang Schmidbauer bezeichnet seine Berufskollegen als krisengeschüttelte Hofnarren im System berufsständischer und ökonomischer Zurichtung.
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Information
Wolfgang Schmidbauer
Mehr Hofnarr als Hofrat
Über die Krisen der Psychotherapie
Moderne Gesellschaften überlasten die Psyche. In zwei Jahrzehnten einer Biografie von heute sollen kleine Wilde, die ihre Affekte auf ein kurzes, heißes Leben in der paläolithischen Steppe vorbereitet haben, zu – sagen wir – einem Bankangestellten geformt werden, der geduldig seinen Dienst tut, sich scheinbar nicht ärgert, wenn er von einem Kunden beleidigt wird, und neun Stunden im Büro aushält, auch wenn es ihn noch so juckt, hinauszuziehen und Beute zu machen.
Die moderne »Nervosität«, die Freud keineswegs als Erster, aber doch nachdrücklicher und methodischer als seine Vorgänger thematisiert hat, wird durch ein archaisches Erbe schneller Affekte geprägt, die um der Kultur willen verlangsamt, unterdrückt und umgewandelt werden müssen. Das ist ein komplizierter Prozess, der oft genug scheitert. Menschen sind geschaffen, durch die Welt zu wandern, nicht irgendwo in ihr bewegungslos festzusitzen. Sie können (und wollen) schnell entscheiden, ob ein Bündel an Reizen sie zur Beute zu machen droht oder ihre Beute werden kann. Ihre Gefühle drängen zur Tat.
Was Folgen hat: Je weniger affektbestimmte Handlungsmöglichkeiten es in einer verwalteten Welt gibt, desto mehr wächst die Zahl von Menschen, die dem Druck nicht standhalten. Zu Freuds Zeiten nannten wir sie hysterisch, heute nennen wir die Unruhigen manisch oder schreiben ihnen eine Aufmerksamkeitsstörung zu. Die von erzwungener Ruhe Erschöpften stellen das Heer der Depressiven. Es wird immer unglaubwürdiger, psychische Krankheiten zu konstruieren, ohne zu berücksichtigen, dass wir eine Welt geschaffen haben, die unseren Gefühlen widerspricht.
Ein Leben in der Fremde
Freud schlug vor, als Erwachsener noch einmal zu betrachten, was dem abhängigen und hilflosen Kind geschehen ist, sprich: die damals entstandenen Ängste, Vermeidungen und Einschränkungen zu prüfen und Entscheidungen zu treffen, welche die gewachsene Kraft berücksichtigen. Dieses Modell wird uns noch beschäftigen, aber es ist nicht zu leugnen, dass die Folgen dieser kindlichen Einschränkungen längst nicht so schwer wiegen würden, wenn die modernen Lebensbedingungen sich nicht so weit von den sinnlichen Bedürfnissen entfernt hätten.
Es ist oft beschrieben worden, dass neurotische Symptome verschwinden, wenn Menschen aus ihrem sesshaften Zustand herausgerissen werden und sich dem nomadischen Modus wieder nähern. Wie wichtig allein der Blick ins Grüne ist, zeigt eine Untersuchung an der University of Pennsylvania: Dort wurden Patienten verglichen, die eine chirurgische Operation auskurieren mussten. Die unter ihnen, welche in Zimmern mit einem Blick auf den Krankenhauspark lagen, genasen nicht nur schneller, sie waren auch freundlicher zum Pflegepersonal.
Das Verstehen der Kindheit, ihrer Ängste und Abwehrstrategien ist in der mobilen Moderne von großem Wert für Menschen, wie Freud selbst einer war: zielstrebige, intelligente und energische Personen, die sich in einer ganz anderen Gegenwart zurechtfinden müssen, als es ihre Vergangenheit und die Tradition in ihrer Ursprungsfamilie nahegelegt haben. Freud war der erste Sohn einer armen jüdischen Familie, der das Gymnasium besuchte, studierte und in einer Großstadt Karriere machte. Kein Wunder: Den größten kulturellen Erfolg hatte die Psychoanalyse in den USA, wo solche Biografien noch viel verbreiteter sind als in Europa.
Seit nun aber die globalisierte Konsumgesellschaft angefangen hat, sich so schnell zu verändern, dass sozusagen jede Generation ihr eigenes Migrationserlebnis hat, seit parallel dazu die Freisetzungs- und Individualisierungsprozesse ein Füllhorn von Selbstverwirklichungschancen über uns ausschütten, seit endlich die Massenmedien Jung und Alt pausenlos die Teilnahme an perfekten Lebensentwürfen frei Haus liefern, kurz: Seit das Zeitalter des Narzissmus begonnen hat, musste die Psychotherapie in eine Krise geraten.
Therapie in der Konsumgesellschaft: die Sehnsucht nach Entschädigung
Es gibt einen jüdischen Witz, der die Erosion von Haltungen in der Konsumgesellschaft beleuchtet: Zum todkranken Versicherungsmakler wird der Rabbi gerufen, damit er den Gottlosen bekehre. Lange sprechen beide am Krankenbett. Dann öffnet sich die Tür: Der Makler ist unbekehrt, der Rabbi versichert.
Ähnlich ist es um das Angebot der Psychotherapie bestellt, zu korrigieren, was in einer seelischen Entwicklung fehlgeschlagen ist. Während zu Freuds Zeiten der Patient seine Geschichte erzählte und der Analytiker in der Folge herausfand, was den Kranken traumatisiert hatte, um ihn dann zur Verarbeitung des Traumas zu führen, ist es heute oft umgekehrt. Der Patient weiß ganz genau, was ihn stört, kränkt und verletzt. Er weiß genau, dass seine Eltern, Partner, Vorgesetzten oder Kollegen schuldig sind, und äußert mehr oder weniger eindeutige Wünsche nach Entschädigung, nach einem erlösenden Idealzustand, wie ihn die Warenwelt verheißt.
Hinein ins therapeutische Geschehen: Eine Kollegin kommt deprimiert in die Supervision. Sie ist bei dem Versuch gescheitert, einen Gutachter der Krankenkasse ihrer Patientin zu überzeugen, dass eine weitere psychotherapeutische Behandlung nötig sei. Die Kranke ist wegen ihrer Rückenprobleme berentet und hat eine intensive Psychoanalyse mit vier Sitzungen pro Woche abgebrochen, weil sie die Fahrt nicht mehr auf sich nehmen will, die inzwischen ihre Rückenschmerzen ins Unerträgliche steigert.
Jetzt will sie eine zweite Therapie beginnen, um die Enttäuschung durch die erste zu verarbeiten.
Die Kranke lernte nach beruflichen Rückschlägen einen Witwer mit zwei Kindern kennen und wollte heiraten. Die Rückenschmerzen, welche ihre Krise einleiteten und sie später auch in die Therapie führten, brachen aus, als die Patientin den ersten gemeinsamen Urlaub mit der geplanten Patchwork-Familie verbrachte. Die Hochzeit wurde verschoben. Erst musste sie ganz gesund sein. Sie wurde nun mehrfach operiert, ohne dass die Schmerzen verschwanden.
Irgendwann lernte ihr Partner eine andere Frau kennen, trennte sich von der Kranken und heiratete die Rivalin. Als die Patientin das erfuhr, warf sie einen laufenden Föhn in ihr Badewasser. Das Gerät stoppte, ohne ihr etwas anzutun. Sie deutete das als Omen und entschloss sich zu einer Psychotherapie.
Sie war nun zu alt für eigene Kinder, aber voller Sehnsucht nach einer Familie. Es war fast mit Händen zu greifen, dass die Kranke so viele eigene Sehnsüchte nach Versorgt- und Bewundertwerden in sich trug, dass sie sich zwar in der Fantasie geborgen und wie erlöst fühlte, einen Witwer mit zwei Kindern zu heiraten, aber die realen Ansprüche dieses Partners und zweier ihr im Grunde fremder Mädchen, die noch sehr an der verstorbenen Mutter hingen, einfach nicht »ertrug«.
Beruflich war ihre Situation nicht besser: Sie hatte eine sichere Stelle aufgegeben, weil sie sich zu wenig anerkannt fühlte. Jetzt fand sie keine neue Aufgabe mehr, die nicht – gemessen an der aufgegebenen Stelle – ein tiefer Abstieg gewesen wäre. Nach den schlechten Erfahrungen in Anstellungsverhältnissen wollte sie sich nicht mehr unterordnen, traute sich aber die ursprünglich von ihr angestrebte selbständige Tätigkeit nicht mehr zu.
Der Zusammenbruch hoch gespannter Erwartungen an eine Karriere kann in solchen Fällen gewissermaßen auch die Therapeuten mit sich reißen, die aufgesucht wurden, ihn aufzuhalten oder gar umzukehren. Hier widerlegt sich auch das Wort von den Krähen, die sich kein Auge aushacken. Der ersten Analytikerin, die eine »regressionsfördernde« Therapie durchgeführt hat, welche die Patientin abbrach, um sich verstärkt und bis zur Berentung ihren Schmerzen hinzugeben, wird ein Fehler vorgeworfen. Aber der zweiten Therapeutin geht es nicht besser.
Die Demütigung des Therapeuten
In der deutschen Kassenpsychotherapie ist die augenhackende Krähe sozusagen eine Funktionsträgerin des Systems. Anders als bei fast allen anderen Kuren mit Operation oder Medikament muss die Psychotherapie nicht nur ärztlich indiziert, sondern auch von einem bestallten Gutachter aufgrund eines ausführlichen Antrags entlang von Richtlinien geprüft und genehmigt oder abgelehnt werden. Unter den bereits streng in ihrer Qualifikation überprüften Psychologen und Ärzten, die als kassenzugelassene Psychotherapeuten arbeiten, ist dieses Antragsverfahren wenig beliebt. Es gibt eigentlich auch keine Parallele dazu, dass ein erfahrener Profi vor einem zweiten Profi, der keine überlegene Qualifikation nachweisen muss, seine Indikationsstellung rechtfertigen soll.
Dass dieser Kontrollaufwand seit Jahrzehnten getrieben wird, verrät viel über die ambivalente Beziehung der modernen Gesellschaft zu den niedergelassenen Psychotherapeuten: Sie werden gebraucht, aber man misstraut ihnen auch. Wie Unkraut in Pflasterritzen siedelt die Psychotherapie in den Fugen und Rissen zwischen dem Individuum und den großen Institutionen, welche die menschlichen Krisen erklären und verwalten: der Kirche, dem Recht, der Medizin. Erst wenn diese versagen, wenn der fromme Zuspruch nichts nützt, die Rechtsmittel gegen den kränkenden Partner oder Chef ausgeschöpft sind und die Ärzte nach großem Aufwand an Diagnose und Psychopharmaka aufgeben, kurz: Nach oder auch kurz vor dem Esoterischen und der Heilpraxis hat der kassenzugelassene Psychotherapeut seine Chance.
Das hängt damit zusammen, dass die Psychotherapie zwar gegenüber den Krankenkassen wie ein Zweig der Medizin auftritt, in Wahrheit aber mindestens ebenso eine angewandte Sozialwissenschaft ist. Grundlegende Modelle...
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