Teil IV
Der Körper im gesellschaftlichen und beruflichen Umfeld
In diesem Teil . . .
Finden Sie heraus, wo Sie sich in Sitzungszimmern am wirkungsvollsten positionieren
Finden Sie heraus, wie Sie beim Flirten Zeichen des Interesses und der Ablehnung lesen und senden
Lernen Sie, wie Sie einem möglichen Partner näher kommen
Entdecken Sie körpersprachliche Fettnäpfchen und Verhaltensweisen, die man besser vermeidet
Nutzen Sie Tipps zur Verbesserung Ihrer privaten und beruflichen Beziehungen
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Territoriale Rechte und Regeln
In diesem Kapitel
Sich in das eigene Umfeld einpassen
Das eigene Territorium abstecken
Wenn Sie schon einmal in einer überfüllten U-Bahn den Tascheninhalt Ihres Nachbarn fühlen konnten, in der Fußgängerzone angerempelt oder von jemandem geküsst wurden, dem Sie lieber von Weitem zugenickt hätten, dann haben Sie schon eine Verletzung Ihres persönlichen Raums erlebt. Ohne Einladung oder Aufforderung ist es schon ein wenig gruselig, wenn andere einem zu nah auf den Pelz rücken. Es geht eben nichts über das gute Gefühl, das sich einstellt, wenn der Abstand genau richtig ist.
In diesem Kapitel sehen wir uns die verschiedenen Raumzonen um uns herum näher an. Sie werden erfahren, warum Sie Dinge in einer Entfernung von zehn Schritten ganz anders wahrnehmen, als wenn sie nur einen Schritt entfernt sind. Ich werde Ihnen erklären, warum Kollegen nebeneinander, Gegner sich aber gegenübersitzen. Und schließlich werden Sie herausfinden, wie Ihre Körperhaltung – ob aufrecht, kraftlos oder einfach aus dem Gleichgewicht – sich auf Ihre Gesten, Bewegungen und den Eindruck auswirkt, den Sie bei anderen hinterlassen.
Die Wirkung des Raums
Die Art und Weise, wie Sie Raum einnehmen und sich im Raum bewegen, wirkt sich auf Ihre Einstellung, Ihre Gefühle und die Wahrnehmung durch andere Menschen aus. Menschen, die wissen, wie sie sich zu anderen Menschen positionieren müssen, halten die Fäden in der Hand. Sie wissen, wann man näher kommen und persönlicher werden kann und wann man Abstand halten muss. Sie wissen, was es bedeutet, wenn man einer anderen Person so nahe kommt, dass man ihren Atem spüren kann, und was es heißt, wenn man so weit voneinander entfernt steht, dass man die Augen zusammenkneifen muss, um etwas erkennen zu können. Wenn man weiß, wo und wie man sich anderen Menschen gegenüber aufstellt, kann man bewusst steuern, wie man von ihnen wahrgenommen wird.
Territoriale Vorgaben sind nicht nur eine Frage der Umgangsformen. Ausländische Invasoren, rivalisierende Gangs, Einbrecher, schikanöse Tyrannen und aggressive Autofahrer wissen, dass ihr Eindringen in das Territorium anderer Menschen unterschiedlich starken Widerstand hervorrufen kann. Der Zoologe Desmond Morris sieht den Menschen als ein Wesen, das sowohl Kooperation als auch die Konkurrenz sucht. Das menschliche Streben nach Dominanz muss durch Systeme kanalisiert werden, um Chaos zu vermeiden. Eine territoriale Raumordnung, die gewährt, dass jeder den Raum des anderen kennt und respektiert, ist ein solches System der Kooperation.
Jeder Mensch, so sagt man, ist der Herr im eigenen Haus. Ob Sie in einer Wohnung mitten in der Stadt, einem Haus auf dem Land oder einem Wohnwagen zu Hause sind, als amtierender Herrscher haben Sie das Recht, in Ihrem persönlichen Raum zu sagen, wo es langgeht. Das gilt für jeden anderen Menschen in seinem Raum ebenso. Wenn nun jemand ohne Einladung in Ihren Raum eindringt, werden Sie unter Umständen leicht nervös. Ob es sich um angreifende Kampfflugzeuge oder um eine Mutter handelt, die in das Zimmer ihres 15-jährigen Sohnes eindringt, man muss damit rechnen, dass die jeweiligen Betroffenen sich gegen die Verletzung ihres Raums wehren werden.
Auch wenn Sie sich in einer Umgebung zufrieden, behaglich und zu Hause fühlen, ändert sich Ihre Gefühlslage, wenn Sie in eine andere Umgebung eintreten. Angenommen, Sie arbeiten in einem eigenen Büro. Dort sind Sie in einer vertrauten Umgebung, in der Sie sich wohlfühlen und nach Belieben schalten und walten können. Dann werden Sie ins Büro Ihres Chefs gerufen. Plötzlich fühlen Sie sich anders. Sie betreten den Raum einer anderen Person und geben die Kontrolle an diese Person ab. Ihre Körpersprache wechselt von dominant zu untergeordnet, ohne dass Ihnen das bewusst wird.
Die Grenzen des eigenen Raums kennen
Menschen ziehen Kreise um sich herum, deren Radius von null (Berührung) bis zu Strecken reicht, die zwar noch Blickkontakt, aber keinerlei Berührungen erlauben. Wie die Tiere schützen auch wir Menschen unseren Raum, indem wir uns an allgemein akzeptierte Verhaltensregeln halten. Während Vögel singen, um ihren Anspruch auf einen Teil der Hecke anzumelden, und Hunde ihr Bein heben, um von einem Laternenpfahl Besitz zu ergreifen, zeigen Menschen durch ihre Körperbewegungen, was sie als ihren Raum verstehen und wie weit eine andere Person in diesen Raum eindringen darf.
Die fünf Zonen
In seinem Buch Die Sprache des Raumes definiert der amerikanische Anthropologe Edward T. Hall die Proxemik als die wissenschaftliche Untersuchung der Nutzung des Raums durch den Menschen im Kontext der Kultur. In dem Bewusstsein, dass sich kulturelle Einflüsse auf die Bewegung des Menschen innerhalb des Raums und die Ausdehnung des Raues auswirken, mit der sich ein Mensch wohlfühlt, unterteilte Hall den Raum in fünf Bereiche. Die Beziehung zu einer anderen Person wird dadurch bestimmt, wie nahe man sie an sich heranlässt. (Mehr über die Rolle des Raums in verschiedenen Kulturen können Sie in Kapitel 15 erfahren.)
Hall definiert fünf konzentrische Raumzonen, die sich auf das Verhalten auswirken:
Sehr intime Distanz (0 bis 15 cm): Dieser Raum ist geliebten Menschen, sehr engen Freunden und Familienmitgliedern vorbehalten. In diesem Raum finden die intimsten Handlungen, etwa Berührungen, Umarmungen und Küsse statt.
Intime Distanz (15 bis 45 cm): In diesem Raum sind geliebte Menschen, Freunde und Verwandte willkommen. Diese Entfernung ist angenehm und sicher. Man fühlt sich unbehaglich und reagiert mit Schutzverhalten, wenn ein Fremder oder jemand, den man nicht gut kennt oder nicht mag, in diesen Raum vordringt.
Persönliche Distanz (45 bis 120 cm): Die meisten Menschen im westlichen Kulturkreis empfinden diese Entfernung als die angenehmste bei persönlichen Gesprächen. Geht man zu weit in diesen Raum hinein, fühlt sich der andere unter Umständen bedroht. Stellt man sich außerhalb dieses Raums, fühlt sich der andere möglicherweise zurückgewiesen.
Soziale Distanz (120 bis 360 cm): Bei geschäftlichen Kontakten mit Verkaufspersonal und Händlern ist diese Entfernung für persönliche Gespräche am angenehmsten. Wenn Sie die Untergrenze dieses Raums unterschreiten, maßen Sie sich zu viel Vertrautheit an. Stehen Sie außerhalb des äußeren Rings, gelten Sie als unhöflich und hochnäsig.
Öffentliche Distanz (ab 360 cm): Wenn Sie bei einem formalen Anlass vor Publikum sprechen, ist die Entfernung zwischen Ihnen und der ersten Reihe innerhalb der öffentlichen Distanz. Ist sie kürzer, fühlen Sie sich bedrängt und agieren verkrampft. Wird die Entfernung zu groß, fühlen Sie sich von Ihren Zuhörern entfernt und haben Schwierigkeiten, eine Verbindung herzustellen.
Die Entfernung, die Menschen zueinander einhalten, sagt etwas über ihre Beziehung und ihre Gefühle dem anderen gegenüber aus.
Andere Räume
Außer Ihrer Raumblase mit den fünf konzentrischen Kreisen haben Sie noch weitere private Räume, die Ihnen persönlich zugeordnet sind:
Einen inneren Raum: Ihre Gedanken und Gefühle
Ein unmittelbares äußeres Umfeld: Freunde, Familie und enge Kollegen
Eine öffentliche Arena: das größere Umfeld, in dem Sie mit verschiedenen Leuten in Kontakt kommen
Menschen, die sich mit sich selbst wohlfühlen und am liebsten mit sich alleine sind, müssen sich nicht um viel kümmern. Sie leben ruhiger und einfacher als die Menschen, die sich mit anderen umgeben und am gesellschaftlichen Leben regen Anteil nehmen.
Menschen, zu deren Leben es gehört, zahlreiche Empfänge und Partys zu geben, brauchen Platz für viele Leute und alles, was man so braucht, um ein gesellschaftlich aktives Leben zu führen. Ihre Persönlichkeit nimmt mehr Raum in Anspruch.
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