Psychosomatische Schmerztherapie
eBook - ePub

Psychosomatische Schmerztherapie

Grundlagen, Diagnostik, Therapie und Begutachtung

Ulrich T. Egle, Burkhard Zentgraf, Ulrich T. Egle, Martin Grosse Holtforth, Christoph Flückiger

Compartir libro
  1. 205 páginas
  2. German
  3. ePUB (apto para móviles)
  4. Disponible en iOS y Android
eBook - ePub

Psychosomatische Schmerztherapie

Grundlagen, Diagnostik, Therapie und Begutachtung

Ulrich T. Egle, Burkhard Zentgraf, Ulrich T. Egle, Martin Grosse Holtforth, Christoph Flückiger

Detalles del libro
Vista previa del libro
Índice
Citas

Información del libro

The authors describe the diagnosis, differential diagnosis, establishment of indications and successful treatment of chronic pain conditions that are not caused by tumours. The aim is to motivate psychotherapists to become involved in pain therapy and provide them with the skills they need to do this. The book is also a guide to the 'Psychosomatic Pain Therapy' curriculum established by the German Association for Psychosomatic Medicine and Medical Psychotherapy (DGPM) in collaboration with the Interdisciplinary Association for Psychosomatic Pain Therapy (IGPS).

Preguntas frecuentes

¿Cómo cancelo mi suscripción?
Simplemente, dirígete a la sección ajustes de la cuenta y haz clic en «Cancelar suscripción». Así de sencillo. Después de cancelar tu suscripción, esta permanecerá activa el tiempo restante que hayas pagado. Obtén más información aquí.
¿Cómo descargo los libros?
Por el momento, todos nuestros libros ePub adaptables a dispositivos móviles se pueden descargar a través de la aplicación. La mayor parte de nuestros PDF también se puede descargar y ya estamos trabajando para que el resto también sea descargable. Obtén más información aquí.
¿En qué se diferencian los planes de precios?
Ambos planes te permiten acceder por completo a la biblioteca y a todas las funciones de Perlego. Las únicas diferencias son el precio y el período de suscripción: con el plan anual ahorrarás en torno a un 30 % en comparación con 12 meses de un plan mensual.
¿Qué es Perlego?
Somos un servicio de suscripción de libros de texto en línea que te permite acceder a toda una biblioteca en línea por menos de lo que cuesta un libro al mes. Con más de un millón de libros sobre más de 1000 categorías, ¡tenemos todo lo que necesitas! Obtén más información aquí.
¿Perlego ofrece la función de texto a voz?
Busca el símbolo de lectura en voz alta en tu próximo libro para ver si puedes escucharlo. La herramienta de lectura en voz alta lee el texto en voz alta por ti, resaltando el texto a medida que se lee. Puedes pausarla, acelerarla y ralentizarla. Obtén más información aquí.
¿Es Psychosomatische Schmerztherapie un PDF/ePUB en línea?
Sí, puedes acceder a Psychosomatische Schmerztherapie de Ulrich T. Egle, Burkhard Zentgraf, Ulrich T. Egle, Martin Grosse Holtforth, Christoph Flückiger en formato PDF o ePUB, así como a otros libros populares de Psychologie y Psychotherapie. Tenemos más de un millón de libros disponibles en nuestro catálogo para que explores.

Información

Año
2020
ISBN
9783170367975
Edición
3
Categoría
Psychologie
Categoría
Psychotherapie
 

1          Alles bio-psycho-sozial? – Was bedeutet bio-psycho-soziales Schmerzverständnis?

Als wir (Egle & Hoffmann, 1993) vor mehr als 25 Jahren im deutschen Sprachraum den Begriff »bio-psycho-sozial« im Zusammenhang mit chronischen Schmerzzuständen einführten, ging es uns darum, in Diagnostik und Therapie von Schmerzkranken das von Neurophysiologen und anästhesiologischen Schmerztherapeuten dominierte bio-medizinische Schmerzverständnis um die psychosoziale und die interaktionelle Dimension zu erweitern und dadurch das pathogenetische Verständnis, das diagnostische Vorgehen und nicht zuletzt die therapeutischen Strategien grundlegend zu erweitern. Obwohl in den darauffolgenden Jahren der Begriff »bio-psycho-sozial« im Kontext von Schmerzverständnis und Schmerztherapie immer häufiger Verwendung fand, kam es nur bedingt zu den angestrebten Veränderungen. Dies hat wesentlich damit zu tun, dass der Begriff für fast alles Verwendung fand, was sich diagnostisch und therapeutisch außerhalb der etablierten bio-medizinischen Schmerzkonzeption bewegte, nicht zuletzt jedwede Ergänzung der Behandlung mit Opiaten um andere Maßnahmen – ob im psychotherapeutischen oder komplementärmedizinischen Bereich. Einen wesentlichen Beitrag zur inhaltlichen Verwässerung des bio-psycho-sozialen Schmerzverständnisses lieferte auch die in den 1990er Jahren sich zunehmend in der Therapie chronischer Schmerzzustände etablierende kognitive Verhaltenstherapie, die als Ergänzung des bio-medizinischen Schmerzverständnisses Behandlungsstrategien für eine bessere Schmerzbewältigung entwickelte und damit die einseitig analgetisch-interventionellen Therapiestrategien der anästhesiologischen Schmerztherapie bis heute zu ergänzen versucht (Gatchel et al., 2007, Hulla et al., 2019). In einer sehr ausführlichen und bis heute weit mehr als 1000 Mal zitierten Übersichtsarbeit in einer renommierten psychologischen Fachzeitschrift (»Psychological Bulletin«) wird zwar auf den »Erfinder« des bio-psycho-sozialen Krankheitsmodells, den amerikanischen Internisten und Psychiater G. L. Engel, Bezug genommen, ohne allerdings dessen Konzeption (Engel, 1977, 1997) genauer darzustellen und sich an dieser zu orientieren.

1.1       Das bio-psycho-soziale Krankheitsmodell

In Engels bio-psycho-sozialem Krankheitsmodell ist der Mensch Teil umfassender übergeordneter Systeme (Zwei-Personen-Ebene, Familie, Gesellschaft, Kultur/Subkultur, Staat/Nation, Biosphäre) und selbst wiederum ein System aus mehreren Subsystemen (Nervensystem, Organsystem/Organe, Gewebe, Zelle, Organelle) bis hinab auf die molekulare Ebene (
image
 Abb. 1.1; Engel, 1977).
Diese Ebenen sind so integriert, dass das jeweilige Subsystem über eine gewisse Autonomie verfügt, gleichzeitig jedoch auch von den über- und untergeordneten Subsystemen beeinflusst und geregelt werden kann. Es handelt sich also um eine Hierarchie von Systemen mit Programmen aus Regulation und Gegenregulation, zugehörigen Soll- und Ist-Werten, die über Steuer- und Rückmelde-Variablen funktionieren und jeweils über eigene Zeichen und Kodierungen verfügen. Auf der physiologischen Ebene verständigen sich Nervensysteme und Organsysteme mit Hilfe biochemischer und elektrophysiologischer Signale, die von spezifischen Rezeptoren empfangen werden und der jeweiligen Prozessregulation dienen. Dabei lassen sich verschiedene Zeichensysteme unterscheiden, u. a. das immunologische, das endokrine und das neuronale. Auch bei den psychosozialen Systemen gibt es spezifische und voneinander differenzierte Zeichensysteme, welche die Kommunikation der Person mit ihrer Umwelt regulieren. Auf den verschiedenen biologischen ebenso wie den psychosozialen Systemebenen spielen als wesentliches Kontrollprinzip negative Feedback-Mechanismen eine zentrale Rolle. Das Ausmaß der Wechselwirkungen zwischen Organismus und Umwelt wurde in den letzten 20 Jahren durch wissenschaftliche Erkenntnisse zur erfahrungsgesteuerten neuronalen
Images
Abb. 1.1: Bio-psycho-soziales Krankheitsmodell
Plastizität und seitens der Epigenetik zunehmend entschlüsselt. Nachgewiesen wurde ein permanentes Interagieren zwischen genetischer Ausstattung und Umweltbedingungen in Form eines An- und Abschaltens bestimmter Genabschnitte und damit einhergehender physiologischer, neuro- und molekularbiologischer Prozesse. Diese sind im folgenden Kapitel (
image
 Kap. 2) genauer dargestellt.
Bio-psycho-soziale Wechselwirkungen führen also bereits früh zu biologischen, psychischen und sozialen Prägungen, welche die Vulnerabilität für die Entstehung verschiedener Formen von Schmerz (nozizeptiv, neuropathisch, stressinduziert) unterschiedlich beeinflussen und auch eine große Bedeutung für die individuelle Schmerzperzeption haben.

Das bio-behaviorale Schmerzverständnis

Die bio-psycho-sozialen Wechselwirkungen in der Entstehung von chronischen Schmerzen werden in den zahlreichen Publikationen von Gatchel und seiner Arbeitsgruppe bis heute (vgl. Hulla et al., 2019) ausgeklammert. Beim Thema Schmerzvulnerabilität wird auf »vorwiegend genetisch verankerte« Persönlichkeitsfaktoren verwiesen, welche das Bewältigungsverhalten beeinflussen können (Gatchel et al., 2007). Die bio-psycho-sozialen Wechselwirkungen beschränken sich auf eine – durchaus sorgfältige – Aufarbeitung psychosozialer Einflussfaktoren nach Auftreten der Schmerzen und deren Bedeutung für deren Chronifizierung im Hinblick auf dysfunktionale Kognitionen und Verhaltensweisen. Vorausgegangene Prägungen und daraus resultierende bio-psycho-soziale Wechselwirkungen in der Pathogenese werden nicht berücksichtigt. Die der Schmerzentstehung individuell zugrundeliegenden neurobiologischen und epigenetischen Mechanismen bleiben eine »Black Box«. Gatchels bio-psycho-soziales Modell liefert die theoretischen Grundlagen für behaviorale Therapieansätze, die sich auf Schmerzbewältigung beschränken und als Ergänzung zu den bio-medizinischen Therapiemaßnahmen durchgeführt werden, unabhängig davon, durch welche biologischen Mechanismen das Schmerzgeschehen zustande gekommen ist. Dieses Schmerzverständnis sollte deshalb zutreffender als bio-behaviorales bezeichnet werden.
 

Weiterführende Literatur

 
Egle UT, Heim C, Strauß B, von Känel R (2020) Das bio-psycho-soziale Krankheitsmodell – revisited. In: Egle UT, Heim C, Strauß B, von Känel R (Hrsg) Psychosomatik. Neurobiologisch fundiert, Evidenz basiert. Kohlhammer, Stuttgart
Engel GL (1977) The need for a new medical model: a challenge for biomedicine. Science 196:129–136
Engel GL (1997) From biomedical to biopsychosocial. Being scientific in the human domain. Psychosomatics 38:521–528
Gatchel RJ, Peng YB, Peters ML, Fuchs PN, Turk DC (2007) The biopsychosocial approach to chronic pain: scientific advances and future directions. Psychol Bull 133:581–624.

2 Theoretische Grundlagen: Schmerz, Bindung, Trauma

2.1 Einleitung

Dass frühkindliche Traumatisierungen die Vulnerabilität für chronische Schmerzen erhöhen, wurde bereits 1959 von dem amerikanischen Internisten, Psychiater und Psychoanalytiker G. L. Engel auf der Basis sorgfältiger klinischer Beobachtungen beschrieben. Als es ab Mitte der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts zunehmend mehr um die Objektivierung psychosomatischer Zusammenhänge ging und von Seiten der Psychologie behaviorale Ansätze das Verständnis und die Behandlung chronischer Schmerzzustände zu dominieren begannen, wurden solche biographischen Zusammenhänge als spekulativ abgetan – und werden es teilweise bis heute noch (z. B. Sommer et al., 2008). Trotz einer Mitte der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts im JAMA erschienenen Studie, die deutlich Zusammenhänge zwischen sexuellen Missbrauchserfahrungen in der Kindheit und späterer Entwicklung körperlicher Beschwerden im Rahmen einer Somatisierung erbrachte, wurde eine Überbewertung des Zusammenhangs zwischen Kindheitstraumatisierung und späterer chronischer Schmerzerkrankung aufgrund retrospektiver Befragung unterstellt (Raphael et al., 2002). Dabei zeigen sorgfältige Studien und Metaanalysen der letzten Jahre genau das Gegenteil: Eine methodisch sorgfältig durchgeführte retrospektive Datenerhebung führt eher zu einer Unterbewertung des Zusammenhangs zwischen Kindheitstraumatisierung und späterer Symptombildung (Hardt & Rutter, 2004; Nelson et al., 2010). Inzwischen gilt wissenschaftlich als gesichert, dass vor allem kindliche, aber auch spätere Traumatisierungen die Vulnerabilität für ein chronisches Schmerzsyndrom deutlich erhöhen können. Dabei spielt das mit Schmerz einhergehende Auslieferungserleben bei körperlicher Misshandlung bei Kindern offensichtlich eine sehr viel größere Rolle als sexueller Missbrauch!
Bis heute ist bei vielen chronischen Schmerzpatienten ebenso wie bei vielen Ärzten jedoch immer noch die Vorstellung verbreitet, dass Schmerz nur als Folge einer Gewebsschädigung entstehen kann und die Stärke des Schmerzes dem Ausmaß der Gewebsschädigung entspricht. Die vorherrschende Vorstellung der Schmerzverarbeitung im zentralen Nervensystem geht vom Prinzip einer Art »Telefonkabel« aus, das Aktionspotentiale von einem Ort zu einem anderen leitet, in denen Informationen über Beginn, Dauer, Stärke, Lokalisation und Qualität eines peripheren nozizeptiven Reizes codiert sind (Woolf, 2011). Dieses Mitte des 17. Jahrhunderts von René Descartes postulierte Schmerzverständnis hat bis heute weitreichende Folgen für Diagnostik und Therapie chronischer Schmerzpatienten. Insbesondere psychische Störungen mit dem Leitsymptom Schmerz werden vor dem Hintergrund des kartesianischen Schmerzverständnisses aufgrund der damit einhergehenden fehlenden Erklärbarkeit als diagnostische Restkategorie gesehen und damit implizit oder gar explizit mit Simulation gleichgesetzt. Vernachlässigt werden dabei die durch die Möglichkeiten der Bildgebung des Gehirns gewonnenen Erkenntnisse zur zentralen Schmerzverarbeitung der letzten 10 Jahre.
Der Nachweis deszendierend-hemmender Schmerzbahnen – von Melzack und Wall bereits 1965 im Rahmen ihrer Gate-Control-Theorie postuliert – Ende der 70er Jahre führte zu der Erkenntnis, dass bereits auf spinaler Ebene, d. h. im Zusammenhang mit der Umschaltung peripherer Schmerzreize vom ersten auf das zweite Neuron in der Substantia gelatinosa im Bereich des Hinterhorns des Rückenmarks, komplexere Regelmechanismen in der Schmerzverarbeitung wirksam sind. Wirkt ein peripherer Reiz über längere Zeit ein, so kommt es sowohl auf spinaler als auch auf zentraler Ebene über biochemische Umbauprozesse zu ei...

Índice