Fackel in tiefer Nacht
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Fackel in tiefer Nacht

Spanien und der deutsche Philosoph Karl Christian Friedrich Krause

Bernd Kemter

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  1. 273 páginas
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Fackel in tiefer Nacht

Spanien und der deutsche Philosoph Karl Christian Friedrich Krause

Bernd Kemter

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Die Erzählung widmet sich dem philosophischen Erbe von Karl Christian Friedrich Krause (1781 – 1832), dem Begründer der eigenständigen philosophischen Lehre des Panentheismus (All-in-Gott-Lehre). Diese Lehre steht zwischen Pantheismus (Immanenz Gottes in der Welt) und Theismus (Transzendenz Gottes jenseits der Welt).Der Universal-Philosoph Krause geht jedoch weiter. In seiner religiös geprägten Weltinterpretation setzt er sich Anfang des 19. Jahrhunderts (!) für die Gleichberechtigung aller Völker, die Rechte der Frauen und Kinder ein.Blieb Krause in Deutschland auch unbekannt, so setzte seine Lehre, insbesondere seine Rechtsphilosophie und Pädagogik, Mitte des 19. Jahrhunderts eine reformerische Bewegung in Spanien in Gang, die dem Land das Tor in die Moderne öffnete. Die von den Reformern gegründete Institucíon de Enseñanza bildete die geistige Elite des Landes aus, bis sie von Franco geschlossen wurde. Nach dessem Tod entstand der Krausismo wieder. In mehreren lateinamerikanischen Ländern hat er immer geblüht, und er zeitigt dort Wirkungen bis heute.Die Erzählung macht den Krausismo des 19. Jahrhunderts in Spanien lebendig und vermittelt zugleich wesentliche Elemente Krause'schen Denkens.Der Krause-Sohn Ernst erhält von seiner intrigierenden Familie den Auftrag, nach Madrid zu reisen, um dort Übersetzungshilfe bei der Herausgabe eines Buches zu leisten, das die panentheistische Philosophie ihres verstorbenen Vaters Karl Christian Friedrich Krause widerspiegeln soll.Auf seinem Weg auf einer der Pilgerrouten nach Santiago de Compostela begleitet den lutherischen Vikar der Jesuitenpater Albrecht. Die katholische Kirche har bereits zu Beginn der Reise ein scharfes Auge auf das mitgeführte Manuskriptbündel, immer wieder wird sein Inhalt von hohen Klerikern argwöhnisch geprüft, toleriert, verworfen, und letztlich wird versucht, eine Veröffentlichung durch vielerlei Intrigen zu verhindern.

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Información

Editorial
Anthea-Verlag
Año
2015
ISBN
9783943583861
Edición
1
Categoría
Literatur
„Nun passen Sie doch auf!“ Fluchend reißt der Fuhrknecht an den Zügeln, mit knapper Not kann Ernst Krause den beiden sich aufbäumenden Brabanter Pferden ausweichen. Immer noch grollend lenkt der Mann hoch oben auf dem Kutschbock sein Gefährt durch all die Wagen und Karren hindurch, die vor dem Eisenberger „Gasthof zum Mohren“ auf ihre Weiterfahrt ins Naumburgische oder Weißenfelsische warten. Tabaksqualm weht dem jungen Mann entgegen, als er die Schankstube der Ausspanne betritt. An den klobigen Tischen sitzen dicht gedrängt die Fuhrleute, zwischen deren Füßen ein Haderlappen wuselt. Die Schankmagd hat zuvor die Tische und Bänke abgewischt, Gäste unwirsch beiseite geschoben, die ihr nicht rasch genug Platz machten. Die Magd muss sich sputen, Carl Stichel, der Wirt, pocht auf Reinlichkeit und hat Versäumnisse stets mit dem Ziemer geahndet.
Für Krause hat sie nur ein barsches „Dort hinein!“ übrig, als er sich nach der Familiengesellschaft erkundigt. Während sich der Neuankömmling zum gewiesenen Hinterzimmer hindurchzwängt, erscheint in der Klappe zur Küche das verschwitzte Gesicht des Wirts, der eine Schüssel dampfender Klöße herausreicht.
„Nun greif schon zu, du nichtsnutziges Ding“, schimpft Stichel. Die Frau stemmt entrüstet die Arme in die Hüften. „Stellen Sie doch endlich eine zweite Magd ein“, keift sie. „Ich kann mich nicht zerreißen.“ Krachend schlägt die Klappe zu.
Ernst öffnet die Tür. Er erschrickt, als er die gesamte Familie bereits versammelt sieht. Bedeutungsvolles Räuspern an der Stirnseite. Auf einen Schlag wenden sich alle Köpfe dorthin: zum Jüngsten in der Runde, Cousin Wolfgang. Dessen feistes Gesicht mit dem sorgfältig verschnittenen Backenbart, der neue, tadellos sitzende Frack, all dies weckt Ernsts höchstes Unbehagen. Wolfgang zieht seine Uhr aus der Westentasche. „Du kommst eine Stunde zu spät, lieber Vetter.” ‒ „Wieso?”, rechtfertigt sich der Getadelte. „Wir wollten uns doch jetzt, genau zur Mittagsstunde, treffen.” Mit weit ausholender Geste weist Wolfgang in die Runde. „Du siehst, wir sind allesamt zur rechten Zeit gekommen und haben eine Stunde auf dich gewartet.”
Ernst hätte schwören mögen, dass Mittag vereinbart gewesen war, und ihm schwant, dass der Cousin die Frist eigenmächtig geändert und die Geschwister verständigt hat – nur ihn nicht. Ernst ahnt den Grund. Um ihn zu demütigen. Und wie sich zeigt, gedenkt Wolfgang noch eines draufzusetzen. „Du siehst, lieber Ernst, alle Plätze sind besetzt. Schaffe dir rasch einen Stuhl herbei, damit wir endlich beratschlagen können.”
Ernst bricht der Schweiß aus. Doch wider Erwarten wird in der Schankstube gerade ein Schemel frei. Nicht auszudenken, schießt es ihm durch den Kopf, er wäre mit leeren Händen zurückgekehrt. Zum Gespött der Familie wäre er geworden. Aufatmend stellt er den Schemel an die Wand.
„Nun rückt doch zusammen”, lässt sich wieder Wolfgang hören. „Der Ernst gehört doch zu uns, an unseren Tisch.”
Gehorsames Stühle Rücken. Jetzt erst nimmt der Neuankömmling die Sitzordnung wahr.
Wolfgang hat sie allem Anschein nach nicht nach dem Alter festgelegt, sondern nach gesellschaftlichem Rang und persönlichem Besitz. Links von Wolfgang, dem Jenaer Notar, haben Wilhelm, Rechtsanwalt in Dresden, Julius, praktizierender Arzt in Eisenberg, und Otto, Arzt und Stadtrat in Gotha, mit ihren Frauen Platz genommen. Es folgen Carl Erasmus, Jurist in München, sowie Friedrich, Ludwig und Hugo, Kaufleute aus der näheren Umgebung. Ans Ende der Tafel sind Sophie, Sidonie, Maria und Emma gerückt. Ganz steif sitzen sie auf ihren Stühlen. „Wie die Hennen auf der Stange”, blitzt es Ernst durchs Gehirn. „Und reichlich gackern werden sie gewiss.”
Wolfgang räuspert sich. „Nun, da wir vollzählig sind, müssen wir in einer Angelegenheit beraten, die keinen Aufschub duldet. Der Fall ist uns ja allen bestens bekannt.”
Ernst verschlägt es den Atem: Kein Wort hat er je hierzu gehört. Welch Infamie!
„Wie ihr wisst, ist unserer Familie ein Schreiben der Madrider Universität zugegangen, das euren verstorbenen Vater betrifft”, fährt Wolfgang fort. „Im Ungefähren ließ sich das Anliegen erraten, ich habe das Schreiben allerdings genauer übersetzen lassen und mache euch nun mit seinem Inhalt vertraut.”
In das ehrfurchtsvolle Schweigen hinein erläutert er, dass der Senat der Universität die hochverehrte Familie bäte, ihm bei der Deutung einiger schwer verständlicher Kapitel aus dem philosophischen Nachlass des Karl Christian Friedrich Krause behilflich zu sein. Der Senat ersuche um baldige Anwesenheit eines urteilsfähigen Familienmitgliedes, um die Edition des in die spanische Sprache zu übertragenden Manuskripts zu einem glücklichen Ende zu bringen. Es handele sich um das Werk des Julian Sanz del Río „Ideal de la humanidad para la vida“. Die Kosten für den Aufenthalt des erbetenen Lektors übernehme die Akademie.
Ratlosigkeit malt sich auf den Gesichtern. „Ja, was sollen wir denn tun?”, hebt Friedrich hilflos die Hände. „Wer wäre von uns dazu in der Lage? Und überhaupt: In die Fremde reisen und das Geschäft im Stich lassen? Wir haben doch allesamt an unseren Pflichten zu tragen.”
„Wohl wahr”, stimmt Wolfgang zu, während er seine Hände über der Weste faltet. „Aber es handelt sich um euren Vater. Es ist unsere Pflicht und Schuldigkeit, dem Ruf nach Madrid zu folgen. Wen sollen wir schicken?” Schweigen fällt in die Runde wie eine Wand.
„Vielleicht dich, lieber Wilhelm?”, lässt sich Sophie hören. „Du als Rechtsanwalt kannst den guten Leuten sicherlich am besten helfen.”
„Ja, aber nur, wenn es um juristische Texte ginge, ganz zweifellos”, nickt Wilhelm. „Gern wäre ich in diesem Fall zur Reise bereit. Aber Philosophie”, er breitet bedauernd seine Arme aus, „sie ist ganz und gar nicht mein Fall.”
„Meiner auch nicht”, wirft Carl Erasmus ein. „Da sollte sich lieber unser Otto als Pfarrer der Sache annehmen. Soweit ich unseren Vater kenne, sind seine Ansichten der Theologie eng verwandt.”
„Unmöglich”, wehrt Otto ab. „Meine Gothaer Gemeinde würde mir die Reise in dieses katholische Land sehr übel nehmen. Und im Stadtrat werde ich dringend gebraucht.”
„Vielleicht kann jemand von euch einspringen?”, wendet sich Wolfgang jetzt an die untere Seite der Tafel. Doch Ludwig, Friedrich und Hugo lehnen ab. Sie seien unabkömmlich. Die Leipziger Messe stünde bevor. Wenn sie dort ihre Ware nicht anbieten könnten, blieben ihre Leute ohne Lohn und Brot. Hatten sie ihre geschäftlichen Verpflichtungen dem lieben Cousin gegenüber nicht längst schon kundgetan? Und überhaupt: Wie sollten sie, einfache Leute, in gelehrten Sachen behilflich sein?
„Das sehe ich ein”, pflichtet Wolfgang bei, während Ernst ahnungsvoll stutzt: Gab es bereits Absprachen – ohne ihn?
„Nun, wie es scheint, werde ich wohl die Reise antreten müssen, obwohl auch ich Pflichten und Sorgen zu tragen habe”, dehnt Wolfgang seine Worte. „Aber um des lieben Verstorbenen willen werde ich es tun.”
Stühle scharren. Man drängt sich um Wolfgang, um ihm zu danken, als sich plötzlich Julius erhebt und ans Glas klopft: „Ich bitte ums Wort.”
Erstauntes Gemurmel, alle nehmen wieder Platz.
„Zunächst sollt ihr wissen, weshalb ich die Reise ausschlagen muss”, setzt Julius an. „Ich darf als Arzt meine Patienten nicht im Stich lassen. Daher danke auch ich dir, lieber Wolfgang, dass du den weiten Weg auf dich zu nehmen gedenkst. Doch sei die Frage erlaubt: Musst du dich nicht um dein Notariat kümmern? Auch möchte ich wissen: Wie willst du dich mit den dortigen Leuten verständigen, wenn du ihre Sprache nicht beherrschst? Du magst ein tüchtiger Fachmann auf deinem Gebiet sein, aber für jene Aufgabe halte ich dich für gänzlich ungeeignet, zumal du nichts von unseres Vaters gelehrten Sachen verstehst.”
„Aber wer sollte diese Aufgabe sonst übernehmen?”, wirft Hugo ratlos ein.
Schweigen und lange Gesichter. „Ich wüsste jemanden”, erwidert Julius und weist auf Ernst. „Den da!”
Ernst zuckt zusammen. Sein Blut rast in den Schläfen, ihm wird dunkel vor Augen.
„Ich habe gute Gründe für meinen Vorschlag”, fährt Julius fort. „Ernst ist aller geschäftlichen und familiären Verpflichtungen ledig. Er ist nicht nur bewandert in Theologie, er hat zudem philosophische Vorlesungen an der Jenaer Universität gehört. In dieser Neigung zur Philosophie ist er unserem Vater gefolgt, ja mehr noch: Wie wir alle wissen, hat Vater gerade ihn an seine Lehre herangeführt. Ist dies so?“
Ernst muss dem Bruder widerwillig Recht geben und er erinnert sich an manche Stunde, in der ihn der Vater in Philosophie und in den Anfangsgründen seiner Lehre unterrichtete.
„Außerdem ist Ernst des Französischen und natürlich des Lateinischen mächtig und wird sich somit in der spanischen Sprache behelfen können“, fährt Julius fort. „All dies spricht für ihn, zumal nicht sicher ist, ob er die verheißene Pfarrstelle in Nobitz auch bekommt.”
Niemand sagt ein Wort, doch alle Geschwister und auch Wolfgang wissen, wie schwer es Ernst gefallen war, für sein Theologiestudium in Jena aufzukommen. Stets fehlte das Geld, und so hatte er sich immer wieder um schlecht bezahlte Hofmeisterdienste bemühen müssen. Und man weiß in der Familie nur zu gut, mit welcher Geringschätzung Julius, der erfolgreiche Arzt, auf seinen armen, studierenden Bruder herabgeblickt hat, welcher nebenher unbedingt noch Philosophievorlesungen hören musste. Dazu hatte Julius nur den Kopf geschüttelt: Waren diese zusätzlichen Ausgaben denn nötig? Nun war Ernst, dem Vikar, die Pfarrstelle in Nobitz in Aussicht gestellt worden, die schon der Vater betreut hatte. Alle Not sollte ein Ende haben. Die Pfarrstelle führt Ernst jetzt ins Feld, schildert seine missliche Lage. Vergisst auch nicht zu erwähnen, dass ihm sein Superintendent die Reise ins katholische Spanien kaum erlauben würde. Aber er hütet sich, ein weiteres Argument zu nennen. Denn da ist Angelika, seine Verlobte, von der die Geschwister noch nichts wissen dürfen und die er über Jahresfrist zu heiraten gedenkt.
„Alles zugestanden, lieber Vetter”, räumt Wolfgang ein. „Wir wollen deine Beweggründe gut überdenken. Wer wünscht das Wort?”
Auf diese Aufforderung scheinen die Schwestern nur gewartet zu haben. „Ja, der Wolfgang hat Recht. Du bist der Jüngste unter uns Geschwistern, nur du kommst in Betracht”, stellt Sidonie resolut fest. Neben ihr erhebt sich Sophie: „Ja, wegen deiner Jugend bist du den Strapazen am besten gewachsen. Und für dein Fortkommen wird man später sorgen. Die Nobitzer Pfarre wird nach deiner Rückkehr zwar besetzt sein, aber man wird dir gewiss eine andere geben.”
Emma legt nochmals dar, dass für die Reise einzig und allein Ernst in Betracht käme, kein anderer verfüge über solche Fähigkeiten und Kenntnisse wie er; Julius habe diesen Umstand auf höchst einsichtige Weise begründet.
Ein abgekartetes Spiel, wird Ernst klar.
„Somit müssen wir als Familienrat beschließen, dass Ernst die Reise antritt”, fordert der Cousin. „Gibt es Einwände?” Niemand meldet sich, der Beschluss erfolgt ohne Gegenstimme.
„Da die Universität für deinen Unterhalt aufkommt”, verkündet Wolfgang, „müssen wir lediglich deine Reisekosten bestreiten. Dafür haben wir bereits Sorge getragen.”
Der Geldbeutel wiegt leicht in Ernsts Hand. „Die Summe aufzubringen, ist uns durchaus schwer gefallen”, erwidert Wolfgang auf dessen befremdeten Blick. „Die Geschäfte gehen nicht gut. Aber sicherlich wirst du bei deinen Glaubensgenossen und später bei gastfreundlichen katholischen Christenmenschen Kost und Logis finden.” – „Unsere guten Wünsche begleiten dich”, erhebt sich Maria, um Ernst zu umarmen. Die anderen Schwestern folgen ihrem Beispiel.
Inmitten des Aufbruchs hält ihn Julius zurück. „Ich soll dir noch ausrichten, dass du nicht allein reisen wirst. Albrecht, ein Jesuit, wird dich begleiten.” – „Ein Jesuit?”, braust Ernst auf. „Ich bin Lutheraner.” – „Na, wenn schon”, legt der Bruder begütigend seine Hand auf Ernsts Schulter. „So hat es der Wolfgang mit deinem Superintendenten ausgemacht und zuvor natürlich um Dispens für deine Person ersucht. Der Pater kann dir in katholischen Landen nützlich sein. Du kommst im Übrigen nicht umhin, ihn aufzusuchen, denn er ist im Besitz mehrerer Manuskripte unseres Vaters. Die Jesuiten haben sie auf Wolfgangs Wunsch hin durchgesehen und sie vermutlich für akzeptabel befunden, so dass dir Schwierigkeiten von Seiten der spanischen Kirchenbehörden erspart bleiben. Du kannst die Niederschriften während der Reise studieren. Albrecht wird dich in drei Wochen im Kloster Waldsassen erwarten. Von Wolfgang soll ich dir das Tagebuch unseres Vaters übergeben. Er hat dir in Jena zudem ein spanisches Wörterbuch besorgt. Nimm alles, es ist zwar ein schweres Konvolut, aber du musst es halt tragen.”
Lärm des Aufbruchs. Fassungslos nimmt Ernst die Segenswünsche entgegen. Wie schmählich hat ihn doch die Familie hintergangen. Er schlägt Julius’ Einladung auf Abendessen und Nachtquartier aus; nein, er wolle lieber im „Mohren” bleiben. Verstimmt wendet sich der Bruder zur Tür. Nachdenklich setzt sich Ernst zu den Fuhrleuten in der Schankstube und lässt sich einen Humpen Eisenberger Bier bringen. Nicht an das soeben Erlebte zu denken, nimmt er sich vor. Es dauert jedoch geraume Zeit, ehe sein Groll verflogen ist. Insgeheim die Familie verwünschend, beginnt er zu begreifen, dass er sich in sein Schicksal fügen muss. Vielleicht würde es ihm sogar für sein weiteres Fortkommen nützen, ein fremdes Land kennengelernt zu haben. Er beschließt, das Beste daraus zu machen. Allmählich fesseln ihn die denkwürdigen Begebenheiten, die sich die Fuhrleute einander erzählen. Sie werden umso redseliger, als er eine Runde ausgibt, erkundigen sich nach dem Woher und Wohin des freigebigen Spenders. Ein Fuhrmann verspricht, ihn ins reußische Gera mitzunehmen, wenn ihm der junge Herr die Morgensuppe bezahle. Rasch werden sie handelseinig. Doch Ernst besteht darauf, erst aufzubrechen, nachdem er sich von einer lieben Person verabschiedet habe. Seine Zechkumpane werden nun hellhörig: Wer denn das glückliche Frauenzimmer sei, wollen sie wissen. Mürrisch wehrt Ernst ihre zudringlichen Fragen ab. Es ist bereits gegen Mitternacht, als er mit brummendem Schädel die schmale Stiege zu seiner Kammer empors...

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