Teil II
ITIL 4
3Schlüsselkonzepte in ITIL 4
4Die vier Dimensionen des Service Management in ITIL 4
5Das Service Value System in ITIL 4
6ITIL-4-Grundprinzipien
7Einführung in die ITIL 4 Practices
3Schlüsselkonzepte in ITIL 4
Dieses Kapitel widmet sich den Schlüsselkonzepten und den grundlegenden Definitionen von zentralen Begriffen im IT Service Management nach ITIL 4. Diese finden in den weiteren Inhalten des Frameworks und nachfolgenden Kapitel des Buches Verwendung.
Zunächst stelle ich Ihnen in Abschnitt 3.1 vor, wie der Mehrwert in der gemeinsamen Zusammenarbeit zwischen Service Provider und Service-Abnehmer entsteht. Die dabei beteiligten Stakeholder und die Rollen, die sie einnehmen, sind Inhalte des Abschnitts 3.2. Für sie dreht sich im Sinne des Service Management alles um Produkte und Services. Mit den dazugehörigen ITIL-Definitionen, ihre Berücksichtigung in den Service-Angeboten und deren Bestandteilen mache ich Sie in Abschnitt 3.3 vertraut. Um der Forderung nach Wertorientierung nachzukommen, muss der Service Provider mehr leisten, als nur Services anzubieten. Was im Sinne einer Service-Beziehung dabei vom Service Provider zu berücksichtigen ist und welche grundsätzlichen Überlegungen wichtig sind, erläutere ich in Abschnitt 3.4. Dabei wird deutlich, dass Organisationen gleichzeitig die Rolle von Service-Abnehmer und Service Provider wahrnehmen können. Services oder Produkte werden also von einem Service Provider als Angebot genutzt und im Sinne eines »Veredelungsprozesses« den eigenen Kunden angeboten. Die Frage, welche Aspekte dabei für den angestrebten Mehrwert relevant sind, beantwortet der Abschnitt 3.5.
3.1Service Management und der Wertbeitrag für den Kunden
ITIL geht einher mit dem Erbringen und Steuern von Services für das Business mit dem klaren Ziel, den Geschäftserfolg der Kundenseite und damit des Service-Abnehmers (und damit letztendlich auch den eigenen) zu unterstützen. ITIL bietet mit den Best Practices für das sogenannte Service Management eine Basis dafür.
Definition
Service Management ist definiert als eine Reihe von spezialisierten Fähigkeiten der Organisation (Capabilities) zur Generierung eines Werts für Kunden in Form von Services.
Um diese spezialisierten organisatorischen Fähigkeiten im Sinne des Service Management zu entwickeln, muss die Organisation verstehen, was einen Wertbeitrag für die Kundenseite bzw. die Stakeholder darstellt, was ihn ausmacht, und damit auch, wer die Stakeholder sind und was ihnen wichtig ist. Auch ein Verständnis hinsichtlich der Frage, wie ein Wertbeitrag durch die Services entsteht oder wie die Wertschöpfung durch die Unterstützung der Services konkret erreicht werden kann, ist essenziell. Es ist also notwendig zu wissen, was der Kunde an Unterstützung benötigt. Dann ergibt sich aus der Zusammenarbeit mit dem Kunden nicht nur eine reine Unterstützungsleistung, die vielleicht eher einer Insellösung gleicht und damit nur punktuell unterstützt. Aus dem Verständnis und der guten Zusammenarbeit zwischen Service Provider und Kunde könnte viel mehr die Entwicklung einer größeren und ganzheitlichen Idee, wie sie heute im Rahmen der fortschreitenden Digitalisierung notwendig ist, entstehen. Neben oder ausgehend von den Kenntnissen in Bezug auf den Kunden und seiner Organisation ist es notwendig, auf die eigene IT-Organisation zu schauen.
Wichtige Informationen
Durch die eingesetzten Practices im Sinne der Governance (als Mittel zur Steuerung und Führung der Organisation) sowie Grundprinzipien – alles mit dem Bestreben der kontinuierlichen Verbesserung – ergibt sich über die Wertschöpfungskette des Service Provider ein Nutzen für den Kunden. Dies berührt den grundsätzlichen Zweck einer Organisation laut ITIL: Wertschöpfung für ihre Stakeholder.
Diese Wertorientierung ist ein zentrales Paradigma von ITIL 4 und wird auch als Grundprinzip berücksichtigt (zur Wertorientierung siehe Abschnitt 6.3). Die Ausrichtung am Mehrwert oder Wertbeitrag (Value) von ITIL 4 stellt diesen Begriff sehr deutlich heraus, der wie folgt zu verstehen ist.
Definition
Wert ist in ITIL sehr allgemein definiert als die wahrgenommenen Vorteile, der Nutzen und die Bedeutung von etwas. Ein Wert (oder Nutzen) ist subjektiv geprägt für den Stakeholder. Daher wird hier der Begriff »wahrgenommen« verwendet.
Ein Service, ein Produkt oder eine Produkteigenschaft kann für den einen Kunden einen Mehrwert bedeuten, für den anderen aber nicht, da er sie nicht braucht bzw. keinen Wert auf bestimmte Eigenschaften legt. Mehrwert hat also auch mit immateriellem Nutzen und dem persönlichen Empfinden zu tun.
Bei der Frage, ob und welcher Wert für den Kunden existiert, geht es bspw. um die Frage, welchen Nutzen der Kunde von einem Produkt oder einer Dienstleistung hat. Bestimmte Merkmale oder Vorteile gegenüber vergleichbaren Produkten auf dem Markt sind nicht mit dem Nutzen für den Kunden gleichzusetzen. Dies gilt ebenso wenig wie ein Vorteil des Service oder des Produktes des Service Provider gegenüber einem Produkt der Konkurrenz. In der Regel ergibt sich der Mehrwert aus der Mischung von rationalen Aspekten wie der Vorteilhaftigkeit und der Notwendigkeit für einen Service oder ein Produkt sowie emotionalen Erwartungen. Auch Studien von Neurowissenschaftlern belegen, dass die emotionalen Faktoren Einfluss haben.
Subjektive Sicht der Stakeholder
(Kunde oder Konsument eines Service oder ein Teil der Service-Provider-Organisation)
Abb. 3–1(Mehr-)Wert/Value wird durch den Kunden bestimmt und bewertet.
Die Mehrwert-Definition von ITIL stellt alleine den Kunden bzw. die Zielgruppe in den Mittelpunkt, da Produkt oder Dienstleistung an deren Erwartungen angepasst sein müssen. Anstatt dass sich ein Service Provider auf die eigenen Bedürfnisse und Themen konzentriert, sollte er sein Augenmerk auf die Interessen der Kunden richten. Dabei ist es egal, ob der Kunde oder Service-Konsument derselben Organisation wie der Service Provider zugehörig ist oder nicht.
Abb. 3–2In einer traditionellen Ausprägung erfolgt die Service-Erbringung wie eine Paketzustellung.
Auch aufgrund der Darstellung des Mehrwertbegriffs ist eine wichtige Botschaft von ITIL 4, dass ein Wertbeitrag für den Kunden nur zusammen mit dem Service Provider möglich ist (Value Co-Creation, siehe Abb. 3–3 und Abschnitt 1.2.1.1). Ein Wertbeitrag wird also nicht im Sinne einer einseitigen Wertbereitstellung vom Service Provider, vergleichbar einer Paketübergabe (siehe Abb. 3–2), aus einem distanzierten und einseitig ausgerichteten (monodirektionalen)Verhältnis heraus an den Service-Abnehmer verstanden. Vielmehr wird ein Wertbeitrag gemeinsam erreicht.
Wird das Prinzip von Co-Creation angewandt, sind alle relevanten Stakeholder eines neuen Konzepts (z.B. eines Produkts oder Service) bereits in der Entwicklung beteiligt. Co-Creation bindet Stakeholder und deren Perspektive mit ein (siehe nachfolgenden Abschnitt). Im Prozess wird bspw. das vorhandene Know-how der eigenen Mitarbeiter genutzt; das gesammelte Wissen verschiedener Abteilungen wird gebündelt, man greift auf externe Spezialisten und deren Expertise zurück und lässt Kunden, Partner, Zulieferer und andere Stakeholder zu Wort kommen. Durch eine aktive Zusammenarbeit in einer nach beiden Seiten ausgerichteten (kollaborativen) Beziehung zwischen Provider und Kunde wird ein Mehrwert für beide Seiten geschaffen. Aus verschiedenen Organisationen entstehen auf diese Weise Service-Partnerschaften.
Abb. 3–3Mehrwert durch Co-Creation in der aktiven Zusammenarbeit von Service Provider und Service-Abnehmer
3.2Stakeholder
Im Kontext des Service Management und auch bei der Wertbetrachtung eines Service oder eines Produkts sin...