50 Tage lebenslÀnglich
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50 Tage lebenslÀnglich

Meine Erlebnisse in der geschlossenen Psychiatrie

Detlef Vetten

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  1. 256 pages
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50 Tage lebenslÀnglich

Meine Erlebnisse in der geschlossenen Psychiatrie

Detlef Vetten

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Wie fĂŒhlt es sich an, Alkohol als guten Freund zu haben und mit ihm exzessiv die Tage und NĂ€chte zu verbringen? Wenn man das Leben ohne ihn nicht mehr ertrĂ€gt und aus Verzweiflung vom Balkon springen möchte, sich aber nicht traut und doch lieber einen Freund anruft? Der Freund alarmiert den Notarzt, der bringt die Polizei mit und die netten Beamten schicken den gescheiterten Balkonspringer in die geschlossene Abteilung der Psychiatrie, wo man sich kĂŒmmert. Detlef Vetten, renommierter Journalist, Reporter und Buchautor, hat genau dies erlebt. Er schildert seine Therapie, seine Mitpatienten, deren Geschichten, das Personal, das gesamte Leben auf der Station. Noch nie hat man einen so intimen Einblick in den Alltag einer psychiatrischen Station und ihrer Klienten gewonnen. Und am Ende bleibt das Fazit, dass die Grenze zwischen "drinnen" und "draußen" gar nicht so eindeutig zu ziehen ist.

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Informations

Éditeur
mvg
Année
2011
ISBN
9783864152542

Letzte Gedanken

»Der Herr KrĂŒger macht’s nicht mehr lang«, sagt Pfleger Marcus zu seinem Kollegen. »Der baut jetzt ganz schnell ab. Hat er schon was gegessen?«
»Nein«, antwortet der Kollege. Herr KrĂŒger – wenn er denn ĂŒberhaupt noch ein QuĂ€ntchen Kraft aufbringt – wehrt sich gegen alles. Er lĂ€sst sich nicht waschen oder umziehen, er liegt da und schaut an die Decke. Manchmal fĂ€hrt er hoch und redet in einer fremden Sprache. Er ist den Pflegern unheimlich in seinem Delirium.
»Nein, so einen haben wir lange nicht gehabt. Ich wette, dass das mal ein ganz gescheiter Mann war. Kannst erkennen, was das fĂŒr eine Sprache ist?«
»Nein, vielleicht was Französisches. Er war wohl eine ganze Zeit in Paris oder so. Das hat er jedenfalls der Barbara erzÀhlt.«
Schwester Barbara ist die Einzige in der Klinik, die so etwas wie eine Beziehung zu Hans KrĂŒger hat aufbauen können. Wenn ihn jemand zum Essen ĂŒberreden kann, dann ist es Schwester Barbara. Und es ist sogar ein paarmal vorgekommen, dass er sich nach ihr erkundigt hat. In einem der wenigen hellen Augenblicke.
Normalerweise dĂ€mmert Hans KrĂŒger vor sich hin. Nur ab und zu zieht er sich mĂŒhsam hoch und schlurft mit winzigen Schritten zum Raucherzimmer. Setzt sich dort auf einen freien Stuhl, ohne links oder rechts zu blicken, und zĂŒndet sich eine nach der anderen an. Hans KrĂŒger inhaliert tief – als ob es das letzte Mal sei – und in raschen Intervallen. Irgendwann legt er die noch glimmende Zigarette in den Aschenbecher und zĂŒndet die nĂ€chste an. Eine halbe Stunde geht das so – dann hievt sich Hans KrĂŒger hoch, verlĂ€sst das Zimmer und schlurft zurĂŒck zu seinem Bett.
In den letzten Tagen hat man ihn nicht mehr so regelmĂ€ĂŸig im Raucherzimmer gesehen. Er hat nicht mehr die Kraft. »Er stirbt«, sagt Marcus. »Man kann zusehen, wie es zu Ende geht. Eigentlich liegt er schon da wie tot. Und trotzdem habe ich das GefĂŒhl, dass es in seinem Kopf ununterbrochen arbeitet.«
Und der Wirt hat eine Dogge gehabt. Mit kahlen Stellen an den LĂ€ufen. Kranker Hund. »Chef« hieß der Wirt, »le patron. Chef«. Und die Dogge hatte keine Haare mehr an den Ellenbogen. Wie hieß die Dogge noch mal? Schwarzer Hund, graurosa Haut an den Beinen.
Neuer Wirt. Heißt auch »Chef«. Ist Franzose, kein Korse. Un demi, mon ami. Er schreibt an, wenn ich nichts habe. Er schreibt immer an. Gutes Paris. Gutes, altes, nach Metro stinkendes Paris. Irgendwann quillt der ganze Faulschlamm aus der Metro auf die Straße – und alles sĂ€uft ab.
Komm, mein Freund, eine Halbe geht schon noch. Fades GebrÀu. Kronenbourg. Zu viel, und: Kopfweh.
Oft schon Kopfweh gehabt. Gerade wieder Kopfweh.
Schwester Barbara, Kopfweh, bitte könnte ich etwas gegen das Kopfweh haben!
Schwester Barbara hat Busen. Im OpĂ©ra bedient eine mit ganz dicken Titten. Gern, Monsieur, kein Problem. Pas de problĂšme. Dicke Titten und kein Problem mit nix – so ist es gut, so mögen wir das.
Danke, Schwester. Sagen Sie, wo sind wir hier?
Danke, Schwester Barbara. Noch einmal, bitte! Nein, ich weiß nicht, was Haar ist. Das ist doch Unfug. Wer erzĂ€hlt, dass ich in der Psychiatrie bin? Ein Unfug ist das. Bei wem kann ich mich beschweren? Und wo sind ĂŒberhaupt meine Sachen? Ich bin ja noch im Schlafanzug, das ist ja unmöglich.
Ich muss mich anziehen, muss nach Hause. Wie bitte? Na ja, meine SteuererklĂ€rung ist fĂ€llig, wer soll die denn machen? Und dann liegen noch die ganzen Spesen auf dem Schreibtisch – ja, glauben Sie, das macht sich von allein? Also, wenn ich bitten darf: meine Sachen, aber ein bisschen flink!
Klar, »Chef«, gern ein Pastis. Rue Lafayette, guter Platz zum Schreiben. Hinterhof. Die Concierge hat dicke FĂŒĂŸe, bei der Dogge ist das Fell an den Beinen weg. Die Concierge sitzt in ihrem Verschlag und strickt und stinkt. Sie stinkt nach dem Faulschlamm von Paris. Titten wie SĂ€cke.
Schwester Barbara, Sie sind aber doch eine aparte Frau.
Sagt nichts. Kriege ich schon noch. Die vom Opéra hat die Beine auch breitgemacht. Hat sich zuerst geziert. Monsieur hin, Monsieur her. Aber ich wollte sie haben und habe sie gekriegt. Wenn sie mir den Kaffee gebracht hat, hat sich mich in ihren Ausschnitt schauen lassen. Aber dann? Ein Korb nach dem anderen. Mais non, monsieur, ça va pas.
Du musst nur dranbleiben. War bei der vom OpĂ©ra auch so. Habe sie ins Konzert und zum Diner eingeladen. Sehr chic. Da war sie so weit. Sie hat Spaß gemacht. Dicke, platte Titten, der Schwanz zwischen den Titten. Schön, das.
Die Concierge stinkt und wÀscht die Haare nicht. Graue Haare, Dutt.
Speckige Treppe. Immer schreit der Nachbar mit seiner Alten. Einmal hat er sie mit dem Messer gestochen. Viel Blut, viel Schreien. Keine Bange, er ist feig, er stichelt seine Alte nur, macht sie nicht tot. Die brauchen sich.
Ich muss zusperren, wenn ich in der Wohnung bin. Man muss vorsichtig sein. Ich muss mich in Acht nehmen. Man weiß nie – vielleicht sind sie hinter meinem Manuskript her.
Viel Arbeit, viele weiße BlĂ€tter. Immer neue leere Seiten. Leere Seiten sind zum Verzweifeln. Aber genug Roten in der KĂŒche. Wein rein und schreiben – so geht das. Immer rein mit dem Wein.
Sagen Sie, Schwester Barbara, kann ich bitte etwas zum Trinken haben? Wie? FrĂŒchtetee? Nein, ich dachte an einen Burgunder, nicht zu schwer. Ach was, Krankenhaus! Rauchen? Ja, ich möchte gern rauchen. Ach so, ja, erinnere mich. Den Gang nach hinten ins Raucherzimmer. Danke schön, Schwester Barbara, und kĂŒss’ die Hand.
âœș âœș âœș
Die Pfleger mögen Hans KrĂŒger. Manchmal hat er zwar eine ruppige Art – wie so ein Gutsherr, dem es immer nach dem Willen gehen muss. Irgendwas in der Art wird er wohl auch sein. In den Papieren steht, er heiße Hans KrĂŒger, sei in MĂŒnchen geboren, er sei Schriftsteller und habe zuletzt in Bogenhausen gelebt. KrĂŒger hat mehr als genug Geld fĂŒr Zigaretten und SĂŒĂŸigkeiten im Kassenbuch stehen, seine SchlafanzĂŒge sind aus feinem Stoff und die WĂ€sche kommt aus gutem Haus. Die HĂ€nde sind schlank und feinhĂ€utig, die Finger gepflegt – ja, Wunder, er wĂ€scht sich wieder. Und auf dem Nachttischchen liegt ein Notizbuch, das im Laden viel kostet. Manchmal kritzelt KrĂŒger etwas hinein, was niemand lesen kann. Was er denn so schreibe, hat ihn Schwester Barbara einmal gefragt. Da legte er die Finger auf die Lippen und murmelte etwas von einem neuen Projekt.
KrĂŒger bekommt keinen Besuch und wird nie am Telefon verlangt. DafĂŒr liegt immer mal wieder ein Brief in der Post. »Gibt’s ein Geld?«, hat ihn Schwester Barbara scherzhaft gefragt – und KrĂŒger blickte sie ernst an: »Es geht immer ums Geld.«
Selbst die Ärzte waren ĂŒberrascht, wie schnell es noch weiter mit ihm bergab ging. Von einem Tag auf den anderen starrte er an die Decke, atmete immer unbedachter – und war mit dem Denken in einer anderen Zeit.
Das Notizbuch rĂŒhrte er schon bald nicht mehr an.
âœș âœș âœș
Frauen. So viele. Das Herz haben sie mir zerrissen. Jede. Genommen habe ich mir die Frauen und nicht gemerkt, wie sie mich ausgenommen haben.
MarlĂšne hat es lange ausgehalten.
Der Deutsche war fĂŒr sie das große Los. Hat sie von der Straße geholt und ihr schöne Sachen gekauft. Den behielt sie.
Ich war nicht interessant. Nur nĂŒtzlich. Wieder mal. Bis ich sie rausgeschmissen habe.
Schwester Barbara ist wieder da. Was stöpselt sie da an meinem Arm herum? Braucht doch nicht zu stöpseln, soll mich nur streicheln, ich weiß doch, dass ich sterb, ist bald vorbei, der Höllenritt.
KrĂŒger, du Großer.
AnzĂŒge vom Schneider. Texte nicht unter zehn Mille. Fernsehen. Preise. Dein Zeug wird verfilmt. Du machst selbst Filme, herrliche Filme, so klug und bewundernswert. KrĂŒger, du ÜbergrĂ¶ĂŸe.
Man gibt ihm Medizin. Er ist sturzbetrunken von der Medizin und er wehrt sich auch nicht mehr dagegen. Pfleger Marcus meint, ob das nicht ein paar Tabletten zu viel seien. Die Ärztin sieht auf den sterbenden KrĂŒger, zuckt mit den Achseln. Da denkt der Pfleger Marcus an seine Frau, die gerade mit dem zweiten Kind schwanger ist, und er ist ganz froh mit seinem Leben, der Pfleger.
»Da, nehmen’s noch eine, Herr KrĂŒger«, sagt er und gibt dem Mann eine kleine weiße Pille.
Die Titten-Frauen im Moulin-Rouge haben keine Titten, sie haben nur BrĂŒste. Eher klein, egal. Ich habe sie geleckt, und sie haben nett geschmeckt. Vaginal waren sie nicht ganz so ergiebig.
Heißa, war das eine schöne Zeit! Ein Geld zum Schweine-FĂŒttern hatte ich. Vier Zimmer an der Place Blanche – und wenn mir Paris zu viel wurde, bin ich fĂŒr ein paar Wochen in die Wohnung nach MĂŒnchen. Ein Film im Jahr – das reichte. Sie sind vor mir gekrochen.
Geschrieben habe ich jeden Morgen. Ich hatte Disziplin...

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