Wenn jede DiÀt versagt
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Wenn jede DiÀt versagt

Wie ich 70 Kilo abgenommen habe

Artemis Gounaki

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  1. 272 pages
  2. German
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Wenn jede DiÀt versagt

Wie ich 70 Kilo abgenommen habe

Artemis Gounaki

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Artemis Gounaki hat mithilfe eines Magenbandes innerhalb von zwei Jahren ihr Körpergewicht von knapp 140 kg auf 70 kg halbiert. Sie erzĂ€hlt persönlich und fesselnd, wie ihr Leben im Showbusiness als "Vollweib" aussah und warum sie sich entschlossen hat, sich der Operation zu unterziehen. Sie stellt ihr neues Leben vor, das sich durch ErnĂ€hrungsumstellung und regelmĂ€ĂŸigen Sport auszeichnet, und macht allen Mut, die selbst ein Gewichtsproblem haben.

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Informations

Éditeur
mvg
Année
2010
ISBN
9783864150142

1. TĂ€glich grĂŒĂŸt das Murmeltier (November 2006)

Spieglein, Spieglein an der Wand – wer ist die Schönste im ganzen Land? In einer Boutique mit wundervoll geschwungenen roten Lettern habe ich ihn gesehen. Ich musste ein paarmal an ihm vorbeigehen, bevor ich erkannte, wie zauberhaft er mich zurĂŒckstrahlen ließ. So schmal. Fast schlank. Um die HĂŒfte leicht geschwungen. Wenn ich es mir verkniff, mich seitlich sehen zu wollen, sah mein Bauch fast flach aus. Von vorne gesehen eben. Frontansicht also. Nur nicht drehen. Er war schon was ganz Besonderes. Er konnte mich schlagartig etliche Pfunde schlanker erscheinen lassen. Ich wirkte in die LĂ€nge gezogen und alles, was an mir formlos runterhing, was meine Rundungen aufquellen ließ, alles, was an mir drĂŒckte und klemmte, wurde mit einem Mal passend und schien geradezu exklusiv auf meinen Körper zugeschneidert. Vielleicht war er gekrĂŒmmt. Wie einer dieser Spiegel im Spiegelkabinett vieler JahrmĂ€rkte. Gruselig und zugleich erfreulich, wenn man sieht, wie verschieden man dargestellt werden kann. Wie unterschiedlich man aussehen kann. Aus Klein mach Groß, aus Dick mach DĂŒnn. Die Nase lang. Das Kinn noch lĂ€nger. Die Augen groß und grĂ¶ĂŸer. Wer weiß? Ich weiß nur, ich konnte nicht anders, damals, als auf Knien bittend und bettelnd dieses »Must have« dem GeschĂ€ftsfĂŒhrer abzukaufen. Eine horrend ĂŒberhöhte Summe verlangte er, aber das war es mir wert. Ich musste ihn haben! Und nun steht er hier bei mir, mein mich schlank machender, magischer Spiegel.
Mein Wecker klingelt. Ich gehöre zu den glĂŒcklichen Menschen, deren Tage etwas spĂ€ter beginnen als die meiner Mitmenschen. Ich bin, vielleicht aus genau diesem Grund, gar kein Morgenmuffel. Ich öffne meine Augen, erschlage wie gewöhnlich dieses schrill kreischende Ding und bin umgehend wach. Fit. Ansprechbar. Einfach da. Mental da. Kann denken und entscheiden. Kann den Tag planen und durchorganisieren. Ich kann nur nicht umsetzen, was mein Geist mir befiehlt. Denn mein Körper – nun ja. Ein Stich da. Ein Ziehen dort. Ich versuche, diesen Betonklotz zu bewegen. Aua! Jede Faser meines Körpers schmerzt. Ich bleibe einfach liegen. Versuche mich zu konzentrieren. Versuche zu lokalisieren, woher der Schmerz kommt, was unmöglich scheint. Irgendwie tut alles weh. FrĂŒher hatte ich das nicht. Nein. Aber seit jetzt nunmehr drei Jahren werde ich immer unbeweglicher. Immer steifer. Immer – oh Gott – fetter! Jeden Tag etwas grĂ¶ĂŸer, fĂŒlliger, breiter, massiger – eben fetter.
FrĂŒher, ja, da war noch alles anders. Ich bin aufgesprungen, nein, geradezu aus meinem Bett gehechtet. Voller Power und Tatendrang. Ich war imstande, meine Tage immer mit einem LĂ€cheln zu beginnen. Mein Wetter war immer sonnig. Ich bin durch die Wohnung geflitzt, im Wissen, dass ich nur 24 Stunden zur VerfĂŒgung habe. GefrĂŒhstĂŒckt habe ich im Stehen. Unter anderem auch im Gehen. In einer Hand ein Brötchen, in der anderen die Zeitung. In regelmĂ€ĂŸigen AbstĂ€nden habe ich Zeitung und Brötchen gegen Kaffeepott, Orangensaft, Apfel und allerlei Gesundes und Ungesundes ausgetauscht. Ich hĂ€tte drei bis fĂŒnf HĂ€nde benötigt, um alles gut und zeitsparend im Griff zu haben. Jede Minute war verplant. Jeder Moment durchorganisiert. Bereits am Morgen lief ich so viel durch die Wohnung, wie eine andere in acht Stunden lĂ€uft. Ich war unentwegt auf Achse. Hyperaktiv. Ein Termin jagte den nĂ€chsten. 11 Uhr Managementbesprechung. 13.30 Uhr Studiojob, Werbejingle einsingen. 16 Uhr Chorprobe, Songs vorbereiten. 18 Uhr Bandprobe, Songs einspielen. 20 Uhr Meeting NachtcafĂ© MĂŒnchen. 21.30 Uhr Bayerischer Hof, Gig. Dazwischen rennen, rennen, rennen, dreimal die Woche hundert Bahnen schwimmen und Taxi. Viel Taxi. Sonst hĂ€tte ich meine zahlreichen Termine gar nicht alle schaffen können. Essen? Hab ich vergessen. Wann auch. Der Tag wurde eigentlich immer ohne Pausen geplant. Die hĂ€tten zu viel Zeit gekostet. Irgendwann, wenn mir der Magen durch lautes Knurren, Zwicken und Kneifen anzeigte, dass er auf MinimalgrĂ¶ĂŸe geschrumpft war und in Begriff war, alle umliegenden Innereien zu verspeisen, fiel es mir wie Schuppen von den Augen – essen! Schnelle Abhilfe brachten der BĂ€cker von nebenan, Mc Donald’s, Pizza vom Stand an der MĂŒnchner Freiheit und diese lecker in Remoulade ertrĂ€nkten Backfischbrötchen. Getrunken hab ich dazu Cola. In Übermengen. Hallo, ich bin SĂ€ngerin. Ich muss viel trinken. Wasser? Aber nein. Das schmeckt doch nicht. Cola Light? Ich bitte dich – das ist doch ungesund.
Ich fĂŒhlte mich frei, unabhĂ€ngig, schön. Ich konnte tun und lassen, was ich wollte. Mein Leben war ungezwungen. Ich hatte es mir genau so gewĂŒnscht. Genau so ausgewĂ€hlt. Genau so vorgestellt. Ich lebte meinen Traum und das war genau so, wie ich es mir immer ersehnt hatte!
Heute liege ich im Bett. Morgens. Es dauert geschlagene 23 Minuten, bis meine Knochen auf Bewegung eingestellt sind. Bis ich sie so weit vorbereitet habe, dass ich aufstehen kann. Bis ich meine armen ĂŒberstrapazierten Knochen mit tausend kleinen Leckerlis ĂŒberzeugt habe, einen Schritt vor den anderen zu tun. Das dauert zu lange? Ja. Aber heute muss ich mir die Zeit geben, bis ich bewegungsfĂ€hig bin. Bis ich endlich funktioniere, wie ich sollte. Bis ich es aus der Waagerechten in die Senkrechte schaffe.
Heutzutage gehe ich brunchen und in feine Restaurants und lasse mir das Essen am liebsten nach Hause bringen, weil es doch so viel Auswahl gibt und ich mir daheim, so ganz unter Ausschluss der Öffentlichkeit, noch viel besser den Magen vollschlagen kann. Die TV-Produktionen, fĂŒr die ich arbeite, bieten ĂŒppiges und reichhaltiges Catering an. Da wird man doch satt. Da hat man doch alles, was man braucht. Ich bin unterwegs mit Bands. Bin auf Tour durch die ganze Welt. Als Tourcoach arbeite ich an ihren Stimmen. Und das Tourleben macht fett. Pancakes zum FrĂŒhstĂŒck machen fett. Amerika macht fett. Japan nicht. Asien an sich auch nicht. Aber England macht umso fetter. Nach jeder Tour bringe ich aus jeder Stadt, aus jedem Land wieder ein paar Kilogramm mehr mit nach Hause. Abgenommen habe ich noch nie auf Tour. Nur zugenommen. Und ab und an mal, aber sehr selten, zeigt die Waage danach das Gleiche an wie Wochen davor, als ich noch zu Hause in meinem trauten Heim war und mich auf das Weggehen vorbereitete. Ich bin viel auf Tour. Sehr viel!
Mein Spiegel hat inzwischen seinen festen Platz in meiner Wohnung erhalten. Es war anfangs nicht leicht, das perfekte Licht zu finden, doch nun krönt er meinen langen, die Wohnung durchziehenden Flur und dient, umringt von einem leider nicht wachsen wollenden Ficus und einem bombastischen Kerzenleuchter, als VerbindungsstĂŒck zwischen Schlafzimmer und Bad. Und so komme ich auf meinem Weg in die Dusche vorbei an meinem Spiegel. NatĂŒrlich achte ich darauf, dass ich mich frontal zum Spiegel vorbeibewege. Das habe ich mir nun beigebracht. Es gibt mir ein gutes GefĂŒhl, gerade morgens. Dieses erste Bild von mir begleitet mich durch den ganzen Tag. Ich achte also darauf, dass dieses erste Bild ein verdammt schönes ist. Ein schönes Bild von mir? Und das schon vor dem Duschen? Ungeschminkt? Mit Haaren, die sich wie Antennen in alle Himmelsrichtungen ausrichten? Nun gut, okay. Ich gebe zu, ich versuche beim allerersten Vorbeiwabbeln meinem Spiegelbild komplett auszuweichen. Was ziemlich schwierig ist, da sich meine Ausmaße seit einiger Zeit doch sichtlich vergrĂ¶ĂŸert haben.
Ich habe mir abgewöhnt, mein morgendliches Waschritual in meiner Dusche abzuhalten. Viel zu eng. Ich komm ja kaum noch durch die GlastĂŒr. Und das BĂŒcken entwickelt sich zu einem mittelschweren Desaster, wenn man bedenkt, dass ich mir beim Versuch, etwaige tiefer liegende Körperregionen zu erreichen, regelmĂ€ĂŸig den Kopf anschlage. Die Knie mĂŒssen also gehoben werden, um FĂŒĂŸe und Zehen einer grĂŒndlichen Reinigung zu unterziehen, was wiederum ein desolates Ende nehmen wĂŒrde, da mein Gleichgewichtssinn seit der Eroberung und langfristigen Einnahme eines Körpergewichts jenseits der 130 Kilogramm schrecklich nachgelassen hat. Also dusche ich in der Badewanne. Da hat man doch Platz, kann sich ausbreiten, im wahrsten Sinne des Wortes. Am liebsten sitze ich ganz gemĂŒtlich auf dem Badewannenrand. Ich dusche mich quasi sitzend ab. Da erreiche ich jede Körperpartie, ohne mich großartig anzustrengen. Seit LĂ€ngerem ist es mir in erster Linie wichtig, mein Ziel mit möglichst wenig körperlichem Einsatz zu erreichen. So habe ich nun auch beim Duschen die Redewendung »Sport ist Mord« eigens fĂŒr mich kultiviert und zelebriere sie jeden Morgen in Perfektion.
Ich steige aus der Wanne und rein interessehalber auf meine immer bereitstehende Waage. Es ist eine von diesen digitalen, mit großer GlasflĂ€che. Ich frage mich jedes Mal, ab welchem Gewicht Glasplatten zerbersten. Ob sie wohl in tausend kleine Scherben zerbrechen wird und ich blutend und bewegungslos auf dem Boden liege? Vielleicht bilden sich auch nur einzelne tiefe Risse im Glas und zeigen mir den dringenden Kauf einer neuen, stabileren Waage an. Na, so weit ist es Gott sei sehr, sehr, sehr gedankt noch nicht. Und in der Hoffnung, dass ich es niemals so weit kommen lassen werde, stelle ich mich drauf. Ich warte. Rote digitale Doppelpunkte erscheinen und wandern wild auf dem Display hin und her. Von rechts nach links und von oben nach unten. Hat auch was Spannendes. Das Warten. Das eigene Gewicht. Jetzt kommt’s. Da steht’s. OH MEIN GOTT.
Ich, Artemis, bringe heute sage und schreibe 139 Kilogramm auf diese formvollendete Waage. Ja! Formvollendet bin ich auch! Die Form ist vollendet. Aus, Schluss vorbei! Fertig, das gute StĂŒck. 139 Kilo. Das bedeutet, dass ich am Abend, nachdem ich den ganzen Tag ĂŒber gegessen habe, locker auf 141 Kilogramm komme. Das bedeutet, dass ich kurz davor bin, meine Besinnung zu verlieren. Das bedeutet: ganz, ganz großer Mist.
Ich renne zum Telefon. Nein, ich schleppe meine 139 Kilo zum Telefon. Vorbei an meinem grandiosen Spiegel, vorbei an meinem gemĂŒtlichen Schlafzimmer, vorbei an meiner KĂŒche, Feindraum Nummer eins, rein ins BĂŒro. Ich bin außer mir. Meine Augen fĂŒllen sich mit TrĂ€nen. Mir ist heiß, ich schwitze. Und ich bin sauer. Ich bin stocksauer. Ich bin stocksauer auf mich und die Welt. 139 Kilo, was fĂŒr ein Gewicht, was fĂŒr eine Masse. Wie konnte ich es nur so weit kommen lassen? Ich mache mir Gedanken ĂŒber die Glasplatte an meiner Waage? Was ist mit mir? Wann werde ich unter meinem Gewicht zerbrechen? In tausend Teile zerfallen? Zusammenklappen? Wann wird mein Körper unter meinem Gewicht kraftlos zu Boden sinken und aufgeben? Was ist nur los mit mir? Bin ich nicht eine Frau, die Wert auf Schönheit legt und immer schon gelegt hat? Der es gefĂ€llt, schöne Dinge zu besitzen, die ein Auge fĂŒr Kunst hat, Mode, Musik, Design? Warum gebe ich nicht meinem ursprĂŒnglichen, sehr attraktiven Äußeren den passenden Rahmen? Ich liebe doch Menschen, die leichtfĂŒĂŸig sind. Und zart. Die inneren Glanz ausstrahlen und sympathisch wirken. Warum habe ich mich nur so gehen lassen? Ist es denn so schwierig, nur ein Brötchen zu frĂŒhstĂŒcken statt drei? Und statt Brötchen lieber doch eine Vollkornschnitte? Brauche ich denn tatsĂ€chlich Zwischenmahlzeiten, wenn ich esse wie ein Scheunendrescher? Futterneider! Und nehmen wir an, eine Zwischenmahlzeit sei vonnöten, kann es dann nicht Obst sein statt einer LeberkĂ€ssemmel? Statt Schokolade? Statt Currywurst? Statt Chips?
Mein Bauch wĂ€chst und wĂ€chst und wĂ€chst. Schwanger? Nein, bin ich nicht. Aber das könnte man denken. Obwohl mein Umfang den einer im neunten Monat schwangeren Frau bei Weitem ĂŒbersteigt. Bei Weitem! Neulich erst im Warteraum meines Arztes wurde mir ein Platz angeboten. Von einem kleinen Jungen, dessen Mutter ihn heimlich an der Schulter antippte und ihn wortlos aufforderte, doch seinen Stuhl der armen schwangeren Frau zu ĂŒberlassen. Ich habe ihn natĂŒrlich angenommen. Ich wĂ€re am liebsten im Erdboden versunken. Ich wĂ€re am liebsten sofort in Wehen ausgebrochen. Aber ich habe ihn dankend angenommen und dem kleinen Jungen zĂ€rtlich ĂŒber sein Haar gestrichen. Armer Kerl. Aber was hĂ€tte ich nur tun sollen? Der Bauch war groß, er ist es noch. Und er wĂ€chst stetig.
Ich sollte meine Taille messen. Da ist diese Kugel. In meiner Körpermitte. Die sich auf Höhe meines Zwerchfells eingenistet hat. Die ich, wie mir schon vor ein paar Tagen aufgefallen war, wĂ€hrend der letzten Wochen und Monaten weiter gepflegt und gehegt und liebevoll modelliert und in stundenlangen Essorgien gemeißelt hatte. Diese feste, pralle, sich nach allen Seiten erstreckende Riesenkugel ist doch ebenfalls vergrĂ¶ĂŸert? Oh Schreck. Sicher. Also schleppe ich mich zurĂŒck ins Bad und setze mich auf den Badewannenrand, der noch nass ist von meiner morgendlichen Duschorgie.
Erst mal durchatmen. Nur die Ruhe. Bereits vor Wochen hatte ich mich mit meinem Arzt zusammengesetzt und ĂŒber mein extremes Übergewicht – er nannte es Adipositas – gesprochen. Schon damals wurde ich gewogen und genau abgemessen. Seitdem war ich gar nicht stolzer EigentĂŒmer weiterer sieben Kilo geworden. Dabei hatte ich doch auf mein Gewicht geachtet? Dachte ich wohl. Hatte ich wohl nicht! Ich hatte auf jeden Fall mehr Obst zu Hause. Das weiß ich doch noch genau. Aber hatte ich es denn auch gegessen statt ... LeberkĂ€ssemmeln? Ich kann mich nicht mehr dran erinnern.
Ich lege das Maßband um meine Taille und ja, oh Schock, 143 Zentimeter. Wie traurig und lustig zugleich. Schenkelklopfer. Ha! Ich könnte mir den zehnjĂ€hrigen Sohn meiner Nachbarin einmal komplett um meinen Bauch wickeln. Er ist so groß, wie ich rund bin. Was fĂŒr ein Bild. Was fĂŒr eine Vorstellung. Allerdings wird und soll er nun mal wachsen jeder wird ihm stolz auf die Schultern klopfen: »Mensch, Junge, du bist ja gewachsen, du wirst uns noch alle ĂŒberholen!«, »Das wird mal ein richtiger Kerl, groß und krĂ€ftig! Da kommt so schnell keiner gegen ihn an«, ich dagegen sollte lieber versuchen, nachhaltig und außergewöhnlich stark zu schrumpfen: »Du bist so eine schöne Frau, wenn da nicht ...!«, »Denk doch mal an deine Gesundheit! In ein paar Jahren werden sich all diese Kilos rĂ€chen.« Kotz! WĂŒrg!
Na, das weiß ich doch auch, ihr Lieben und Guten. Ihr Freunde, Verwandte und Bekannte. Aber, wie soll ich es denn machen? Ich bin doch offen fĂŒr alles. Alles, was schlank machen soll. Habe ich nicht wochenlang Eier gegessen, bis ich sie fast wieder aus mir rauswĂŒrgen musste, nur weil die Mayo-DiĂ€t genau dies fĂŒr gut befand und vorschrieb? Gesund kann das ja wohl nicht gewesen sein. Von der AnanasdiĂ€t bekam ich Ausschlag im ganzen Gesicht. Wegen der Enzyme, hieß es. Meine Visagistin war mit ihrem Latein am Ende. Es half nur noch abdecken, abdecken, abdecken. Es wurden die neuesten Produkte angeschafft und an mir ausprobiert. Das Resultat war dann ein neuer Ausschlag, diesmal nicht von der Ananas. Das war’s dann auch damit. Und tschĂŒss, Ananas!
Und die KohlenhydratdiĂ€t? Die war ratsam und hĂ€tte, wie ich spĂ€ter erfuhr, auch funktioniert und mich sicherlich schlank gemacht – mit viel Sport als Begleitung. Sport? Stimmt, da war doch noch was. Ja, Sportler brauchen Energie, brauchen Kohlenhydrate, verbrauchen Energie, verbrauchen Kohlenhydrate. Artemis dagegen bleibt auf ihren Kohlenhydraten sitzen. Nach jedem Versuch, abzunehmen, waren immer höhere Zahlen auf dem Display meiner vollkommenen Glaswaage zu erkennen. Ich wollte etwas an meiner Figur verĂ€ndern? Habe ich. Auf jeden Fall. Nur – in die falsche Richtung eben. Mist!
Ich muss wie ein HĂ€ufchen Elend gewaltigen Ausmaßes aussehen. So allein auf dem Rand meiner Badewanne sitzend. Meine Augen sind rot. Sie sind feucht, aber ich weine nicht. Jede TrĂ€ne wĂ€re eine TrĂ€ne voller Selbstmitleid. Die habe ich nun schon zu oft geweint. Und ich habe keine Lust mehr. Wenn ich jetzt nichts unternehme, wird es morgen zu spĂ€t sein. Ich habe mir etwas angewöhnt, was ich mir nicht abgewöhnen kann. Es ist also höchste Zeit, mein körperliches Wohlbefinden, meine Gesundheit, meine körperliche Zukunft zu ĂŒberdenken. TrĂ€nen trocknen. Auch von allein. Aber meine inneren und Ă€ußerlichen Schmerzen werden so schnell nicht vergehen, wenn ich nicht jetzt sofort etwas dagegen unternehme. Ich habe mich entschieden. Ich weiß, welchen Schritt ich nun zu gehen habe. Es wird Zeit. Langsam stemme ich mich auf. Meine Knie knacksen laut.
ZurĂŒck an meinem Schreibtisch, ergreife ich den Hörer meines Telefons, flĂ€ze mich in meinen, wie ich immer dachte, eigentlich sehr bequemen Sessel und wĂ€hle die Nummer meines Leibarztes. Den hab ich schon seit Ewigkeiten. Er kennt meinen ganzen Leidensweg und hat immer mal wieder neue kleine Tipps fĂŒr mich. Er findet mich wohl auch ein wenig flippig und so ganz anders als seine anderen Patientinnen. So lebenslustig. Positiv. Mit viel Power. Wenn der wĂŒsste, wie unendlich verloren ich mich gerade fĂŒhle. Mein LĂ€cheln ist einer ernsten Miene gewichen. Eine Stimme meldet sich: »Praxis Dr. Abenhardt, guten Tag, Sie sprechen mit Frau BĂ€r.« Ja, so fĂŒhle ich mich auch gerade, wie ein zotteliger BĂ€r, der mit seinem mĂ€chtigen Hinterteil in seinem viel zu engen violetten Sessel klemmt. War nicht immer so. Nein. Noch vor zwei Jahren passte ich perfekt auf die SitzflĂ€che. Gut, ich fĂŒllte ihn aus, so ganz, eben komplett, meinen Sessel, aber eingeklemmt war ich nicht. Jetzt klemme ich fest. Meine HĂŒfte ist gefangen zwischen den Armlehnen. Wie die starken HĂ€nde eines Mannes bedrĂ€ngen sie mich. Quetschen mich. Halten mich fest. Sie lassen mich nicht los. Eine Bewegung? Unmöglich. Die Masse, die sich, von Haut ĂŒberzogen, um meine Schenkel legt, auch Fett genannt, schrumpelt seitlich nach oben. Wie ekelhaft das aussieht. Wenn ich angezogen bin, sieht das ja niemand. Aber ich klemme hier fest und bin nur mit einem Höschen bekleidet. Sieht aus wie Orangenhaut. Ist das Orangenhaut? Ich glaube schon. Unebenheiten bilden sich auf der Haut, fast wie Kerben. Wenn ich locker stehe, sieht man davon nichts. Aber kaum sitze ich, quillt es widerlich die Lehnen nach oben. Eigentlich sitze ich gar nicht richtig. Gehalten werde ich nur von den Seiten. Mein enormes GesĂ€ĂŸ schwebt leicht ĂŒber der SitzflĂ€che. Ich sitze also nicht. Ich schwebe. Nein. Ich klemme schwebend.
Das passiert mir auch manchmal im Flugzeug. Eigentlich immer. Ich fliege oft. Und da klemme ich dann in meinem Sitz, neben mir die jungen, schlanken und schmalen SĂ€ngerinnen, mit denen ich auf Tour bin. Die können sogar bei einer Beinfreiheit von null locker ihre Beine ĂŒbereinanderschlagen. Wie machen die das nur? Ich dagegen sitze fest. Und tue so, als ob nichts wĂ€re. LĂ€ssig.
Ich versuche auch kurz, mal mein rechtes ĂŒber mein linkes Bein zu schl...

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