RenĂ© Descartes: Meditationen ĂŒber die Erste Philosophie
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RenĂ© Descartes: Meditationen ĂŒber die Erste Philosophie

Andreas Kemmerling, Andreas Kemmerling

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RenĂ© Descartes: Meditationen ĂŒber die Erste Philosophie

Andreas Kemmerling, Andreas Kemmerling

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Die "Meditationen" sind ohne Zweifel ein Meilenstein und ein Meisterwerk des abendlĂ€ndischen Denkens. Durch sie wurde Descartes zum, Vater der modernen Philosophie' – und die Erkenntnistheorie auf Jahrhunderte zu deren Fundamentaldisziplin. Bis heute eignet sich kaum ein anderes epochemachendes Werk besser dazu, in der Auseinandersetzung mit den ArgumentationsgĂ€ngen eines Klassikers selbst zu erfahren, was philosophisches Denken ist – und wie es geht.

Die neun Kapitel dieses Kommentars sind OriginalbeitrĂ€ge. Sie sollen Studierende und Dozenten bei der LektĂŒre begleiten und dazu beitragen, das intellektuelle VergnĂŒgen an der Tiefe (und auch Schönheit) der "Meditationen" noch zu steigern. Mit BeitrĂ€gen von: Lilli Alanen, Gary Hatfield, Andreas HĂŒttemann, Andreas Kemmerling, Tobias Rosefeldt, Andreas Schmidt und Hans-Peter SchĂŒtt.

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Informations

Éditeur
De Gruyter
Année
2019
ISBN
9783110572025
Édition
2
Andreas Kemmerling

1Einleitung

Das Philosophieren war fĂŒr Descartes, so ist zu vermuten, keine der tiefsten intellektuellen Faszinationen seines Lebens. Seine Erkenntnisleidenschaften betrafen Probleme der Mathematik, zahllose Einzelfragen aus den verschiedensten Bereichen der Naturwissenschaften und insbesondere Fragen einer einheitlichen wissenschaftlichen Methode. Philosophie, jedenfalls in dem vergleichsweise engen Sinn unserer Tage, hat er, auf’s Ganze seines Lebens gesehen, eher nebenher betrieben. Aus seiner Korrespondenz geht dies deutlich genug hervor.
Anders als heutigen Naturwissenschaftlern war ihm das Philosophieren jedoch nicht bloß ein Hobby fĂŒr unausgefĂŒllte Wochenenden oder Strandurlaube. Derlei kannte er wohl gar nicht. Vielleicht in seinen jungen Jahren, von denen uns zu wenig ĂŒberliefert ist. Mit 20 war er ein frischexaminierter Jungjurist, mit Anspruch auf eine gediegene ‚Lebenszeitstelle‘ in Poitiers, die er mit 25 hĂ€tte einnehmen können. Sein Vater hatte dies, oder etwas dieser Art, von ihm erwartet. Ein halbes Jahr nach seinem Examen, am 31. MĂ€rz 1617, war er volljĂ€hrig. (Was dies fĂŒr Descartes – einen Menschen mit unbĂ€ndigem Drang nach UnabhĂ€ngigkeit in allem – bedeutet haben mag, sollte ein seit Jahrzehnten beamteter Philosophieprofessor unserer Tage nicht auszumalen versuchen.) Er war nun ein freier junger Mann aus besser gestellten VerhĂ€ltnissen, jedenfalls ohne finanzielle Sorgen. Vermutlich zur Belohnung fĂŒr die durchstandene Öde eines Jurastudiums hatte er sich Mitte des Jahres 1618 einen ausfĂŒhrlichen Europabummel vorgenommen – was angesichts des beginnenden großen Krieges einige Umsicht erforderte. Sich vom Duft der großen weiten Welt ein wenig umwehen lassen, bevor er in Frankreich in eine dröge Amtsadligenkarriere absinken wĂŒrde, war vielleicht das, wonach ihm damals vornehmlich der Sinn stand. Er hatte einiges zu seiner VerfĂŒgung, das ihm allerlei VergnĂŒgen verheißen mochte; unter anderm wird berichtet, er sei damals dem GlĂŒcksspiel zugetan und ein trefflicher Fechter gewesen, der in einem Duell in Paris seinen Gegner bis zur Wehrlosigkeit niederfocht (ihn aber verschonte, der schönen Augen der Dame wegen, die den Anlaß zum Kampf gegeben hatte) und der einmal sogar eine Übermacht von Piraten mit dem Degen zu vertreiben vermochte. Das Fechten war offenbar eine seiner lĂ€nger anhaltenden Passionen; er verfaßte eine Abhandlung ĂŒber die Fechtkunst und trainierte noch als reifer Mann in Holland mit seinem Fechtlehrer.
Doch was ist VergnĂŒgen – fĂŒr einen gutgestellten jungen Mann des frĂŒhen 17. Jahrhunderts, zumal einen, der eher neugierig und abenteuerlustig als blasiert und vergnĂŒgungssĂŒchtig ist? Schon in Holland, dem ersten Zwischenhalt seiner Reise, traf (so stelle ich mir ihn gerne vor:) unser etwas feinerer, nach außen hin selbstbewußter, innerlich nach etwas fĂŒr sein ganzes Leben Erstrebenswertem lechzender, junger Edelmann aus Frankreich auf den hollĂ€ndischen Gelehrten Isaac Beeckman. Der war acht Jahre Ă€lter, wußte aber schon sehr wohl, was ihn sein Leben lang faszinieren und mit tiefem VergnĂŒgen erfĂŒllen wĂŒrde: jedes ernstzunehmende Problem der erblĂŒhenden Wissenschaften. Durch ihn gewann Descartes in wenigen intensiven Monaten einen stimulierenden Eindruck davon, welch enorme Vielfalt an Problemen die international namhaften Wissenschaftler dieser Tage umtrieb. Freundschaftlich geschah das wohl zwischen den beiden. Die enthusiasmierende IntensitĂ€t dieser Begegnung war fĂŒr Descartes lebenserschĂŒtternd. Kurz nach seiner Weiterreise, am 23. April 1619, schrieb er Beeckmann, wahrlich dieser allein habe ihn aus seinem MĂŒĂŸiggang aufgerĂŒttelt (AT X 162). Damals dĂŒrfte ihm aufgegangen sein, daß wissenschaftliche Arbeit fĂŒr ihn die ErfĂŒllung des Lebens sein könnte – und in welch außergewöhnlichem Maße er fĂŒr sie begabt ist.
Kaum ein halbes Jahr spĂ€ter stand fĂŒr den dann 23-jĂ€hrigen fest, was er mit seinem Leben werde anfangen wollen. In einer Novembernacht des Jahres 1619 hatte er drei TrĂ€ume, die er offenbar als einen Sendungsauftrag deutete: ihm sei es aufgegeben, Großes fĂŒr die Wissenschaft als ganze zu leisten. Zwar beschĂ€ftigte er sich weiterhin, als theoretischer und als empirischer Forscher, mit Detailproblemen der Geometrie, Optik, Meteorologie, auch der Musikpsychologie, Mechanik, Anatomie, Chemie, Physiologie, ja mit der Konzeption von GerĂ€ten zum Schleifen asphĂ€rischer Linsen, um Fernrohre bisher nie erreichter QualitĂ€t herstellen zu können – und diese Liste ist wahrlich nicht vollstĂ€ndig. Aber von nun an arbeitete er auch an Monumental-Projekten, die wir als aberwitzig hochfahrend belĂ€cheln mĂŒĂŸten, wenn wir nicht Schriften und Briefe hĂ€tten, aus denen hervorgeht, mit welch ernsthafter NĂŒchternheit, intellektueller Brillanz und Ausrichtung auf konkrete Ergebnisse er sich ihnen hingegeben hat. Eines unter ihnen war die Entwicklung einer universalen Methode wissenschaftlich gesicherter Erkenntnis; er gab es mit Anfang 30 auf. Ein anderes seiner Vorhaben ist es, eine umfassende mechanistisch-korpuskularistische Theorie der unbelebten Natur (im besonderen auch des Lichts), der Tiere (sowie des menschlichen Körpers) und schließlich eine dazu passende Konzeption der Verstandesseele zu entwickeln. Dieses zweite Projekt hat er bis in viele Einzelheiten und in Teilen, wie man heute sagen wĂŒrde, bis zur Publikationsreife ausgearbeitet.
Paris hatte er Ende 1628 verlassen und sich in Holland niedergelassen. Sein Erbe erlaubte es ihm, seiner Sehnsucht nach Ungestörtheit entsprechend zu leben. Übrigens in einem durchaus komfortablen Rahmen: In Endegeest bei Leyden, zum Beispiel, lebte er zwei Jahre lang in einem, wie einer seiner seltenen Besucher berichtet, herrlich gelegenen SchlĂ¶ĂŸchen mit Garten, Obstgarten und ‚einer ausreichenden Zahl an Domestiken‘ (AT III 351). Seine ZurĂŒckgezogenheit hatte durchaus skurrile ZĂŒge. Aus seinen Aufenthaltsorten (er zog hĂ€ufig um) machte er geradezu ein Geheimnis. Sein großbrĂŒderlicher Freund Mersenne in Paris war einer der wenigen, die er diesbezĂŒglich immer auf dem Laufenden hielt. Diese Ausnahme hatte ihren guten Grund: Mersenne wirkte seit Descartes’ Übersiedlung nach Holland als zuverlĂ€ssige Vermittlungszentrale fĂŒr die ungeheuer umfangreiche Korrespondenz zwischen den fĂŒhrenden Wissenschaftlern Europas und dem Freund, der sich aus der geistigen Metropole fern auf’s platte Land zurĂŒckgezogen hatte, um in Ruhe, jederzeit Herr seiner eigenen Zeit, seiner Sendung zu leben. Wir sollten ihn uns allerdings nicht als einen versponnenen, soziophoben Eremiten denken. Er hatte in Holland und Frankreich Freunde, mit denen er gerne zusammen war. Gelegentlich fuhr er nach Frankreich, besuchte seine Familie und andere, die ihm lieb waren. Aber auf’s Ganze zog er es vor, nur denen zu begegnen, denen er begegnen wollte. Und eben nur dann, wenn die Arbeit an seinem Werk es zuließ. – Viele denkende Menschen haben diesen Traum. Descartes war 32, als er sich mit aller Entschiedenheit zu solch einer LebensfĂŒhrung entschloß. Diesem Entschluß und der WillensstĂ€rke, ihn durchzuhalten, verdanken wir auch die Meditationen, von denen dieser Band handelt.1
Im Jahre 1633 wurde Galilei verurteilt. Jedem wissenschaftlich Gebildeten war mit einem Schlag klar: Die katholische Kirche war entweder nicht willens oder intellektuell nicht in der Lage, die unleugbaren Ergebnisse der neuen Wissenschaft mit ihren Doktrinen in Einklang zu bringen. Descartes hielt seine zur Veröffentlichung gedachten Schriften zurĂŒck; die Bewegung der Erde war ein integraler Bestandteil seiner Theorie-EntwĂŒrfe. Ja, unmittelbar nachdem er von Galileis Verurteilung erfahren hatte, war er zunĂ€chst so schockiert, daß er mit dem Gedanken spielte, all seine Manuskripte zu verbrennen. Doch er besann sich eines Besseren. Vier Jahre spĂ€ter, 1637, publizierte er in Holland, anonym, eine auf Französisch abgefaßte Schrift, die aus vier Teilen bestand: dem kurzen einleitenden, autobiographisch gehaltenen Diskurs ĂŒber die Methode, seine Vernunft gut einzusetzen und die Wahrheit in den Wissenschaften zu suchen und drei Proben („essais“) dieser Methode, in denen es um die Optik, die Meteore und die Geometrie ging. – Durch die Wahl des Wortes „discours“, im Kontrast zu „traitĂ©â€œ, wollte Descartes deutlich machen, daß besagte Methode in dieser Schrift nicht lehrbuchartig entwickelt, sondern nur ‚diskursiv‘ behandelt wird. Die drei Essais, aber auch die Behandlung medizinischer, physikalischer und metaphysischer Themen im Discours sollten dem Leser deutlich werden lassen, daß diese Methode universal anwendbar ist und ihr Wert sich in der Praxis ihrer Anwendungen zeigt.2
In Reaktion auf dieses Buch, das Mersenne und auch Descartes selbst an eine Reihe von Gelehrten und wissenschaftlich Interessierten verschickt hatten, entspann sich ein ausufernder Briefwechsel mit denen, die ihre EinwĂ€nde vorbrachten. Nicht wenige solcher EinwĂ€nde, auch die von Mersenne selbst, betrafen den vierten Teil des Discours, in dem es um Metaphysik ging. Descartes war sich zum Beispiel dessen bewußt, daß sein dort eher skizzierter als durchgefĂŒhrter Gottesbeweis in der Tat nicht so evident war, wie er es behauptete. Und er – der wahrlich nicht zu ĂŒbertriebener Selbstkritik neigte – bekannte, daß dies ein großer Mangel seines Buch sei (AT I 353). Im Verlauf dieser brieflichen Diskussionen dĂŒrfte in ihm der Entschluß gereift sein, seine eigene, radikal neue Metaphysik – die Grundlage seines gesamten wissenschaftlichen Systems – nun endlich einmal so auszuarbeiten, daß sie nicht mehr den MißverstĂ€ndnissen und berechtigten EinwĂ€nden ausgesetzt wĂ€re, die ihm nun aus den Reaktionen auf den Discours bekannt waren. Wie aus einigen Briefstellen (z. B. AT I 144, 182, 350) hervorgeht, hatte er schon seit dem Sommer 1629 eine ‚kleine Abhandlung‘ zur Metaphysik angefangen. Mersenne gegenĂŒber erwĂ€hnt er diesen auf Latein verfaßten Text, in dem er die Existenz Gottes ziemlich ausfĂŒhrlich [assez au long] herleite; seine BeweisgrĂŒnde seien beweiskrĂ€ftiger und klarer als die aller Beweise der Geometer. Zehn Jahre spĂ€ter, im Januar 1639, ist er endlich entschlossen, sich an die Ausarbeitung zu machen. Er schreibt Mersenne, er habe vor, sich fĂŒr den Rest des Winters einer Studie zu widmen, die keine Ablenkung zulasse; er bitte sehr demĂŒtig, ihm zu gestatten, bis Ostern nicht wieder zu schreiben, und auch darum, ihm keine Briefe weiterzuleiten; Sorgen möge Mersenne sich nicht machen, sondern in der Zwischenzeit bitte annehmen, daß er lebe, gesund sei und philosophiere (AT II 492).
So rasch ließen die Meditationen sich dann doch nicht schreiben. Erst im November desselben Jahres erwĂ€hnt Descartes sein Vorhaben wieder; er arbeite an einem Diskurs, schreibt er Mersenne, in dem er zu erhellen versuche, was er bisher zum Thema Gottesbeweis geschrieben habe; es werde nur ein kleines Buch, er hoffe jedoch, daß es ein Gutteil der Metaphysik enthalten werde (AT II 622). Im MĂ€rz 1640 ist die Arbeit am Manuskript endlich abgeschlossen. Zwei hollĂ€ndische Freunde lesen Korrektur, das durchgesehene Exemplar geht weiter an erste katholische Testleser, zwei Priester aus Haarlem, mit denen Descartes seit einigen Jahren befreundet war; die beiden bitten Johannes Caterus (1590 –1657), einen philosophisch gebildeten Priester in Alkmaar, umeinen schriftlichen Kommentar. Das Manuskript geht zurĂŒck an Descartes.
Aber dieser scheint selbst im Sommer immer noch nicht endgĂŒltig dazu entschlossen gewesen zu sein, den Text zu veröffentlichen. Jedenfalls schreibt er am 31. Juli 1640 an Constantijn Huygens, seinen Freund und Bewunderer (den Vater des bald schon berĂŒhmten Christiaan), der gerĂŒchteweise von der bevorstehenden Veröffentlichung gehört hatte: DarĂŒber sei er erstaunt, denn weder habe er etwas an den Verleger gegeben, noch habe er irgend etwas fertig, das nicht zu geringfĂŒgig [peu] sei, um der Rede wert zu sein (AT III 751). Endlich, am 10. November, einem fĂŒr ihn bedeutsamen Datum3, gibt er das Manuskript (samt den EinwĂ€nden von Caterus), endgĂŒltig aus der Hand. ZunĂ€chst geht es an Huygens, der es eine Woche lang studieren darf, bevor er es an Mersenne weiterschickt. Der Freund in Paris sendet es an eine Reihe von Gelehrten, mit der Bitte um deren EinwĂ€nde; diese schickt er an Descartes, der seine Erwiderungen wiederum Mersenne schickt. Dieses Hinundher endet im Juli; Ende August erscheint in Paris die erste Auflage. Als Titel hatte Descartes vorgeschlagen: Meditationen ĂŒber die Erste Philosophie, es jedoch Mersenne ĂŒberlassen, die endgĂŒltige ‚Taufe‘ vorzunehmen (AT III 239). Dieser erweiterte den Titel um den Zusatz 
 in der die Existenz Gottes und die Unsterblichkeit der Seele bewiesen wird. In der zweiten Auflage, die bereits neun Monate spĂ€ter in Amsterdam erscheint, Ă€ndert Descartes diesen Zusatz ab; nun lautet er 
 in der die Existenz Gottes und die Unterschied zwischen der menschlichen Seele und dem Körper bewiesen wird.
Metaphysik war Descartes das schwerste intellektuelle GeschĂ€ft ĂŒberhaupt. Hierzu bedurfte es des reinen Denkens – eines Denkens, das mit sich selbst mĂŒhsam ins Reine kommen muß: sich von allem befreien muß, was die sinnliche Wahrnehmung oder das bildliche Vorstellungsvermögen ihm – und sei’s auch nur in Analogien oder Metaphern – gewissermaßen als Denk-Material anbieten oder gar aufdrĂ€ngen. Die besondere geistige Anstrengung, deren es bei dem Versuch bedarf, metaphysische Einsichten zu gewinnen, liegt fĂŒr Descartes in wenigstens zweierlei: Erstens muß man die Begriffe, mit denen man dabei arbeitet, erbarmungslos daraufhin durchmustern, ob mit ihnen ĂŒberhaupt etwas klar & deutlich Verstandenes erfaßt wird oder nicht. Zweitens muß man mit den klaren & deutlichen Begriffen dann intellektuell rigoros umgehen: darf sich keinen einzigen Gedanken und keinen einzigen Gedankenschritt durchgehen lassen, dessen Wahrheit bzw. Korrektheit nicht selbst wiederum ĂŒber den Ă€ußersten rationalen Zweifel erhaben ist.
Mehrfach warnt Descartes davor, sich der Anstrengung metaphysischen Denkens auszusetzen. Tunlichst unterziehe man sich dieser Pein nur einmal im Leben. Im GesprĂ€ch mit dem Theologen Frans Burman sagt er am 16. April 1648: „Es ist zu beachten, daß man sich nicht in die Meditationen vertiefen sollte, auch nicht in metaphysische Themen, deren Kommentare und dergleichen. Erst recht sollte man diese Themen nicht noch einmal tiefschĂŒrfender angehen, als der Autor [also Descartes selbst] dies getan hat; denn er selbst hat sie tiefschĂŒrfend genug in Angriff genommen. Vielmehr reicht es aus, sie ein einziges Mal allgemein zur Kenntnis zu nehmen und dann ihrer Schlußfolgerung eingedenk zu sein. Andernfalls lenken sie den Geist zu sehr von den physischen und sinnlich wahrnehmbaren Dingen ab und machen ihn unfĂ€hig, sich mit diesen zu beschĂ€ftigen. Doch es ist im höchsten Maße wĂŒnschenswert, daß Menschen gerade dies [sich mit den physischen und sinnlich wahrnehmbaren Dingen beschĂ€ftigen] tun, denn daraus ergibt sich eine FĂŒlle von Nutzen fĂŒr das Leben“ (AT V 165). – Ähnlichen Rat hatte er der Prinzessin Elisabeth in einem Brief vom 26. Juni 1643 gegeben: „
 ich glaube, daß es sehr notwendig ist, die Prinzipien der Metaphysik einmal im Leben gut begriffen zu haben, denn sie geben uns die Kenntnis von Gott und von unserer Seele. Auch glaube ich, daß es sehr schĂ€dlich wĂ€re, den Verstand hĂ€ufig mit dem Meditieren ĂŒber diese Dinge zu beschĂ€ftigen, 
“ (AT III 695). Zuvor hatte er ihr im selben Brief folgendes enthĂŒllt: „Ich kann wahrheitsgemĂ€ĂŸ sagen, daß die Hauptregel, die ich in meinen Studien beachtet habe, 
 ist, daß ich niemals mehr als sehr wenige Stunden am Tag auf Gedanken verwandt habe, die die Vorstellungskraft beanspruchen, und sehr wenige Stunden pro Jahr auf Gedanken, die den reinen Verstand beanspruchen; den gesamten Rest meiner Zeit habe ich der Entspannung der Sinne und der Erholung des Geistes gegeben“ (AT III 692 f.).
Metaphysik-Treiben ist fĂŒr Descartes kein Zuckerschlecken; ja, er hielt diese TĂ€tigkeit offenbar fĂŒr gesundheitsgefĂ€hrdend. Der gewöhnliche Mensch sollte sich ihr nur einmal im Leben widmen; und dann am besten so, daß er die Cartesischen Meditationen liest, nicht allzu tiefschĂŒrfend, und sich ihre Ergebnisse einprĂ€gt. Aber selbst die, die an hochtheoretisches Denken gewöhnt sind, die Mathematiker, tun sich schwer mit dem metaphysischen Denken. Descartes, dem besten Mathematiker seiner Zeit, sollte zugebilligt werden, daß er weiß, wovon er redet, wenn er Mersenne (mit Bezug auf eine Gruppe Pariser Mathematiker) schreibt, daß deren Ansichten ĂŒber die Existenz Gottes und die Ehre, die ihm zu erweisen sei, nur sehr schwer zu heilen seien. Zum einen seien sie dermaßen von ihren eigenen hohen GeistesfĂ€higkeiten ĂŒberzeugt, daß ihre FĂ€higkeit, den Argumenten anderer zuzuhören, geringer sei als die anderer Menschen. Außerdem stehe ihnen ihre Hauptbegabung, das bildliche Vorstellungsvermögen, beim metaphysischen Denken eher im Wege: das Vorstellungsvermögen sei zwar der Teil des Geistes, der fĂŒr die Mathematik am hilfreichsten sei, aber bei den metaphysischen Spekulationen schade er mehr als er nutze (AT II 622).
Mit welchem konkreten Ziel hat Descartes sich der fĂŒr ihn offenbar immensen Anstrengung unterzogen, dieses Werk zur Metaphysik zu schreiben? Darauf gibt es mehr gute Antworten als in eine kurze Einleitung passen, und einige darunter dĂŒrften durch die vorangehenden Bemerkungen leidlich deutlich geworden sein. Hier möchte ich nur zwei seiner erklĂ€rten Ziele nennen. Das erste erwĂ€hne ich, weil es in mehreren der nachfolgenden BeitrĂ€ge eine wichtige Rolle spielen wird; Descartes formuliert es gegenĂŒber Mersenne so: „Das Hauptziel meiner Metaphysik ist es, verstĂ€ndlich zu machen, welche diejenigen Dinge sind, die man deutlich konzipieren kann“ (30. September 1640, AT III 192). Ein anderes sei genannt, weil es in der Literatur fast nie erwĂ€hnt wird. Descartes verfaßte die Meditationen zum Ruhme Gottes. Wiederum an seinen Freund Mersenne gerichtet, schreibt er ein Jahr spĂ€ter: „Mit der Veröffentlichung meines Buchs habe ich getan, was ich dachte, tun zu mĂŒssen: zum Ruhme Gottes und zur Entlastung meines Gewissens“ (AT III 436).4 Niemand, der diesen Autor auch nur oberflĂ€chlich gelesen hat, kann dies fĂŒr eine Floskel halten.
Mit dem Discours hatte Descartes ein breiteres Publikum erreichen wollen. Auf wen er mit den auf Latein verfaßten Meditationes abzielte, spricht er in dem oben erwĂ€hnten Brief a...

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