Aggression in der Pflege
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Aggression in der Pflege

Umgangsstrategien fĂŒr PflegebedĂŒrftige und Pflegepersonal

Theo Kienzle, Sylke Kotschenreuther, Beate Farnkopf

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  1. 136 pages
  2. German
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Aggression in der Pflege

Umgangsstrategien fĂŒr PflegebedĂŒrftige und Pflegepersonal

Theo Kienzle, Sylke Kotschenreuther, Beate Farnkopf

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À propos de ce livre

Dieses Buch ist eine praxisnahe Arbeitshilfe zum professionellen Umgang mit Aggressionen in der Pflege. Es zeigt mögliche Arten der Aggression von kranken, behinderten oder alten Menschen gegen die Mitarbeiter auf. Wie kann der Angriff nicht persönlich genommen werden? Hat man als Pflegender vielleicht den Angriff provoziert? Welche Mittel kann man fĂŒr die Gewaltabwehr einsetzten? Diesen und anderen Fragen geht dieses Buch nach und bietet psychologische ErklĂ€rungen sowie juristische Hilfestellungen fĂŒr den Erwerb sozialer Kompetenzen. Der psychologische Teil wurde vollstĂ€ndig ĂŒberarbeitet und der juristische aktualisiert.

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Informations

Année
2020
ISBN
9783170359185
Édition
9
Sous-sujet
Nursing

II Rechtlicher Teil

1 Rechtliche Einordnung von Aggressionen

Aggressionen sind Übergriffe, diese wiederum Angriffe auf das pflegerische, betreuende oder Ă€rztliche Personal. In der Regel erfolgen diese Übergriffe durch SchlĂ€ge, aber auch durch Zerren an der Kleidung, Treten, Kratzen, WĂŒrgen, durch Werfen von GegenstĂ€nden oder Verdrehen des Arms. Teilweise kommt es sogar zu (Messer-)Stichen, Verletzungen mit anderen GegenstĂ€nden oder zu Geiselnahmen. Aggressionen können jedoch neben körperlichen Angriffen auch in verbalen Drohungen und Beschimpfungen bestehen, die sogar noch hĂ€ufiger sind (vgl. Richter et al. 2001).
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Merke

Aggressionen können vielerlei Ursachen haben, wie im ersten Teil dieses Buches aufgezeigt wurde. Rechtlich, d. h. strafrechtlich, können Aggressionen grob vier Bereichen zugeordnet werden:
‱ Körperverletzung
‱ Nötigung
‱ Sexualstraftat
‱ Beleidigung
Allen gemeinsam ist, dass entweder die körperliche Unversehrtheit des pflegenden bzw. betreuenden Personals oder/und dessen Persönlichkeit beeintrÀchtigt wird. Beides ist aber nicht nur strafrechtlich von Bedeutung, sondern findet auch zivilrechtlich, nÀmlich im Deliktsrecht, seinen Niederschlag.
Der Schutz der körperlichen Unversehrtheit und des Persönlichkeitsrechts hat sogar Verfassungsrang. Sofern nach dem Wortlaut der Juristen »hoheitliche Hilfe« (Hilfe durch Polizei etc.) nicht rechtzeitig erlangt werden kann, steht jedem BĂŒrger – in Grenzen auch dem Pflegepersonal u. Ä. – das Recht zu, sich zur Wehr zu setzen und die Aggression mit eigenen Mitteln zu beseitigen oder zu stoppen. Voraussetzung hierfĂŒr ist allerdings, dass eine gewisse Schwelle ĂŒberschritten wird: Die Aggression muss mehr als nur lĂ€stig sein und den Pflegenden oder Betreuenden körperlich oder psychisch massiv beeintrĂ€chtigen, wobei seine körperliche Unversehrtheit und/oder sein Persönlichkeitsrecht verletzt wird.
Entscheidend dafĂŒr, ob und welche Gegenmaßnahmen getroffen werden dĂŒrfen, ist u. a. die Frage, ob der »Gegenangriff« als Rechtfertigungsgrund (siehe unten) im Sinne des Straf- und Zivilrechts (Deliktsrechts) anzusehen ist.

2 RechtfertigungsgrĂŒnde bei Gegenwehr

Jede Art der Aggression, gleichgĂŒltig, ob es sich um psychische, physische oder sexuelle handelt, stellt einen Angriff gegenĂŒber der betreuenden Person dar. In der juristischen Literatur wird deshalb ein Angriff auch allgemein dahingehend definiert, dass er eine unmittelbare Bedrohung rechtlich geschĂŒtzter GĂŒter durch menschliches Verhalten ist (Schönke/Schröder 2019, § 32 StGB, Rdn. 3). Danach ist jedes rechtlich geschĂŒtzte Interesse des Angegriffenen notwehrfĂ€hig, d. h. der Angegriffene ist berechtigt, sich zu wehren (ebd., Rdn. 4). Die Aggression des Bewohners oder des Patienten stellt deshalb ein soziales Verhalten dar, welches von der Rechtsordnung nicht gebilligt wird und den Betreuenden zur angemessenen Gegenreaktion berechtigt. NĂ€heres dazu in Kapitel 2.1.1 »Notwehr« (
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Kap. 2.1.1).
Die ZulĂ€ssigkeit von angemessenen Gegenreaktionen ist in unserer Rechtsordnung durch die RechtfertigungsgrĂŒnde sowohl im Strafrecht als auch im Zivilrecht vorgesehen. Im Strafrecht verhindern die RechtfertigungsgrĂŒnde als zulĂ€ssige Maßnahmen eine Bestrafung des Angegriffenen bzw. Verteidigers. Im Zivilrecht muss bei einer gerechtfertigten Verletzung eines Rechtsgutes – aufgrund eines Rechtfertigungsgrundes – im Sinne einer unerlaubten Handlung (§§ 823 ff. BGB) nicht die Verpflichtung auf Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld befĂŒrchtet werden.

2.1 Strafrechtliche RechtfertigungsgrĂŒnde

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Definition

Eine Handlung ist nur dann eine Straftat, wenn zusammen mit der TatbestandsmĂ€ĂŸigkeit, d. h. der ErfĂŒllung der im Strafgesetz beschriebenen Merkmale (beispielsweise der körperlichen Misshandlung bei der Körperverletzung), eine Rechtswidrigkeit vorliegt. Im Normalfall ist eine Tat, die einen gesetzlichen Tatbestand verwirklicht, auch rechtswidrig. Dies gilt aber nicht in denjenigen FĂ€llen, in welchen ein sogenannter Rechtfertigungsgrund vorliegt. Derartige RechtfertigungsgrĂŒnde, die eine Tat (beispielsweise eine Körperverletzung) rechtmĂ€ĂŸig machen, sind:
‱ Notwehr, Nothilfe (§ 32 StGB)
‱ Notstand (§ 34 StGB)
‱ Einwilligung

2.1.1 Notwehr

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Gesetzestext

Notwehr ist nach § 32 StGB die erforderliche Handlung, um einen gegenwÀrtigen, rechtswidrigen Angriff abzuwehren. Die Nothilfe ist dabei die Verteidigung zugunsten eines anderen:
1. Wer eine Tat begeht, die durch Notwehr geboten ist, handelt nicht rechtswidrig.
2. Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwÀrtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden.
Jeder Mitarbeiter in der Pflege und Betreuung von alten, kranken und behinderten Menschen muss sich stets bewusst sein, dass nur diejenige Abwehr zulĂ€ssig ist, die erforderlich ist. Wie im ersten Teil dieses Buches dargestellt wurde, kann Aggressionen in der pflegerischen Praxis ĂŒberwiegend mit psychologischen und/oder pĂ€dagogischen Instrumentarien begegnet werden. Die Erforderlichkeit fĂŒr eine Abwehrhandlung, d. h. die Anwendung von (Gegen-)Gewalt, fehlt, wenn es möglich ist, mittels psychologischer und pĂ€dagogischer Maßnahmen die Aggression anderweitig zu beenden.
In FÀllen, in denen eine Deeskalation auf diese Weise nicht möglich ist, darf man als Mitarbeiter in einer Einrichtung der Alten- bzw. Behindertenhilfe oder einem (psychiatrischen) Krankenhaus vom Notwehrrecht Gebrauch machen. Dabei ist zunÀchst festzustellen, was ein »Angriff« im Sinne des § 32 StGB ist:
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Definition

Angriff ist die von einem Menschen drohende Verletzung rechtlich geschĂŒtzter Interessen. Es ist dabei gleichgĂŒltig, ob der Angreifer schuldfĂ€hig ist. Deshalb können auch psychisch Kranke, geistig Behinderte und Kinder Angreifer sein, gegenĂŒber denen Notwehr möglich ist. Allerdings muss in derartigen FĂ€llen versucht werden – so möglich – den Angriff mit anderen Mitteln als der Anwendung von Gegengewalt abzuwenden (vgl. Schönke/Schröder 2019).

Beispiel

Eine Altenpflegerin ist nachts allein auf der Station und wird plötzlich von einer Bewohnerin von hinten angegriffen und an den Haaren gezogen. Sie schreit die Bewohnerin an: »Lassen Sie sofort los!« – jedoch ohne Erfolg. Es gelingt ihr, einen Stuhl zu ergreifen, mit dem sie zur Seite und nach hinten schlĂ€gt. Die Bewohnerin stĂŒrzt dadurch und erleidet eine Fraktur des Arms und des Oberschenkelhalses. Deren Tochter erstattet Strafanzeige gegen die Pflegerin. Hat diese Anzeige Aussicht auf Erfolg?
Die Strafanzeige der Tochter kann keinen Erfolg haben. Die Altenpflegerin hat zuerst versucht, den Angriff mit verbalen Mitteln zu beenden. Da dies erfolglos blieb und der Angriff der Bewohnerin gefĂ€hrlich und zudem Ă€ußerst schmerzhaft war, musste die Pflegerin zum einzig erreichbaren Abwehrmittel, dem Stuhl, greifen und sich damit zur Wehr setzen. Es war ihr nicht zuzumuten, andere Methoden, die voraussichtlich genauso erfolglos geblieben wĂ€ren, auszuprobieren. Die Verletzung der Bewohnerin war schicksalhaft und nicht der Altenpflegerin zuzurechnen.
Fraglich könnte in der Praxis sein, welche angegriffenen RechtsgĂŒter zur Notwehr berechtigen. Die Rechtsprechung erkennt folgende Punkte als notwehrfĂ€hig an:
‱ Ehre
‱ allgemeine Bewegungsfreiheit
‱ IntimsphĂ€re
‱ Besitz und das Eigentum
‱ körperliche Unversehrtheit
‱ Leben
‱ Freiheit
Dies bedeutet im Einzelnen Folgendes:
Maßnahmen können nicht nur bei drohenden oder bereits eingetretenen Verletzungen des Eigentums oder des Körpers oder bei Lebensgefahr ergriffen werden, sondern auch bereits bei einer Verletzung der Ehre. Notwendig ist dabei jedoch, dass das mildeste geeignete Mittel (NĂ€heres siehe unten) gewĂ€hlt wird und die Ehrverletzung noch andauert. Eine einmalige, in der konkreten Situation abgeschlossene Beleidigung rechtfertigt deshalb nicht die »Notwehr«, da es sich dann nicht um eine Notwehr, sondern um eine »Revanche« handelt. Die Erwiderung einer Beleidigung durch eine andere Beleidigung, gewissermaßen als Gegenwehr, kann jedoch nach § 199 StGB straffrei sein:

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Gesetzestext

Wenn eine Beleidigung auf der Stelle erwidert wird, so kann der Richter beide Beleidiger oder einen derselben fĂŒr straffrei erklĂ€ren.
Voraussetzung ist folglich, dass eine sofortige Erwiderung, d. h. in einem sachlich-psychologischen Zusammenhang (Schönke/Schröder, § 199 StGB, Rdn. 9) und im andauernden Erregungszustand, erfolgt. Besteht jedoch der Angriff, d. h. die Beleidigungen bzw. Ehrverletzungen ĂŒber einen gewissen Zeitraum, kann auch eine tĂ€tliche Abwehr durch den Beleidigten in Form einer angemessenen Gewaltanwendung erfolgen.
Weiter ist Notwehr möglich gegen EinschrÀnkungen der Bewegungsfreiheit (Festhalten, Versuch des Einsper...

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