Szenen aus der frĂŒhen Corona-Periode
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Szenen aus der frĂŒhen Corona-Periode

Arno Widmann

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  1. 70 pages
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Szenen aus der frĂŒhen Corona-Periode

Arno Widmann

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Das Corona-Virus verĂ€ndert seit dem ersten Ausbruch in bisher unbekannter Schnelligkeit und Vehemenz den Alltag in Deutschland, in Europa, in fast allen LĂ€ndern des Globus. Nur wie? Was macht das Virus mit Menschen, Gesellschaften, Staaten? Der Journalist Arno Widmann schildert in seinem Essay Szenen aus der frĂŒhen Corona-Periode. Reflexion als eine Art Domino: Die VerhĂ€ltnisse sind im Fluss, niemand kann klare Erkenntnisse fĂŒr sich in Anspruch nehmen, und die Überlegungen Widmanns bringen sich in eine Form, die dem gerecht wird – sie formieren sich, je nach Begebenheit, je nach Szene, wieder und wieder neu. Der Autor zieht sich zurĂŒck, schon aus Gehorsam, hört zu, beobachtet, eher von fern als aus der NĂ€he, er erzĂ€hlt Szenen aus dem Leben in ungeheuerlicher Zeit und lĂ€sst so den Gedanken ihren Lauf.

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Informations

Année
2020
ISBN
9783940524928
1Lisa ist alt geworden. Sie hört ihren Atem, wenn sie die Treppe hochgeht. Noch schlimmer ist, dass sie sich dabei ertappt, wie sie mit sich selbst redet. Vor ein paar Tagen stand sie – das Coronavirus war noch in Wuhan – in einer Umkleidekabine in der Galeria Kaufhof am Alexanderplatz, sah in den Spiegel und dachte: DafĂŒr bist du zu alt. Dann aber kaufte sie, nur um sich zu widersprechen, Anfang MĂ€rz das bunte Sommerkleid, das sie wohl nie wieder anziehen wĂŒrde.
2Thomas sitzt in einem Sessel am Fenster. Er ist eingeschlafen. Er wacht auf mit dem Gedanken: In dieser sich hinziehenden Gegenwart, in der die Menschen einander belauern, jeder darauf achtet, niemandem zu nahe zu kommen und gerade dadurch das Verlangen nach NĂ€he in jedem von uns immer wieder aufsteigt, entstehen neue Formen der NĂ€he. Auch wer wie Thomas in der Liebe bisher ganz darauf angewiesen war, zu berĂŒhren und berĂŒhrt zu werden, versucht es jetzt mit der Sprache. Die Menschen finden Zeit fĂŒr ZĂ€rtlichkeiten, die sie sonst nicht einmal als solche betrachtet hĂ€tten. Corona ist die Auferstehung der Sprache.
3Silvia erzĂ€hlt, dass sie, als sie den schalldichten Raum in der Kufsteiner Straße betrat, sie nicht etwa nichts hörte, dass sie vielmehr ĂŒberwĂ€ltigt wurde von zwei heftigen KlĂ€ngen: einem sehr hohen und einem sehr tiefen. Der hohe, habe man ihr erklĂ€rt, sei eine Hervorbringung ihres ruhelosen, nimmermĂŒden Nervensystems und der tiefe sei nichts anderes als das den Körper Schlag fĂŒr Schlag durchströmende Blut. Jetzt ist sie viel allein und ertappt sich dabei, auch zu Hause die beiden KlĂ€nge zu hören. Sie hat Angst.
4Inge sieht im Fernsehen die leeren Straßen Roms. Kaum jemand ist unterwegs. Der Platz vor dem MailĂ€nder Dom ist leer. Bilder wie aus einem Albtraum. Vor Jahrzehnten war viel die Rede gewesen von einer Bombe, die alle Menschen umbringen wĂŒrde, ohne auch nur einer einzigen Mauer ein Leids zu tun. Italien sieht aus, als sei hier dieses Massenvernichtungsmittel erstmals zum Einsatz gekommen. Inge erinnert sich, dass ihr Vater ihr einmal erzĂ€hlt hatte, der Erfinder habe kurz vor seinem Tod erklĂ€rt, die Neutronenbombe sei die einzige sinnvolle Atomwaffe, denn die Welt bleibe auch nach dem Krieg noch intakt.
5Lisa ist aufgeregt. Ihre RommĂ©runde hat sich entschlossen zu pausieren. „Morgen und ĂŒbermorgen. Dann ist Wochenende. Dann sehen wir weiter.“ Sie hat ihre Tochter angerufen, um ihr das zu erzĂ€hlen. Die ist sehr verblĂŒfft, dass ihre Mutter sich meldet. Die zieht es nĂ€mlich vor, angerufen zu werden und sich dann darĂŒber zu beschweren, dass sie nicht angerufen wird. „Wir haben nach dem Spiel heute uns auch keine AbschiedskĂŒsschen mehr gegeben und beschlossen, erst einmal Pause zu machen.“ „Aber ihr seid doch nur zu viert!“ „Die Kanzlerin hat gesagt, wir sollten unsere sozialen Kontakte reduzieren. Und meine sind nun mal Erna, Gisela und KĂ€the. Wir wissen schon, was wir tun.“ Lisa und ihre Nachbarinnen bewohnen alle ĂŒber achtzigjĂ€hrig die HĂ€user, in denen sie ihre Kinder großzogen. Sie haben ihre EhemĂ€nner – Erna und KĂ€the auch mehrere – begraben. Sie sind fit, und darauf sind sie stolz.
6Inge und Helmut leben seit 13 Jahren zusammen. Sie haben drei Kinder. Vor einem Jahr traf Inge wieder ihren Exfreund Philip. Er ist auch verheiratet, betreibt, wie Inge sich ausdrĂŒckt, ebenfalls Brutpflege. Philip lebt in Wien. Sie sehen einander nur einmal im Monat. Desto heftiger reagieren sie aufeinander. Inge wollte Helmut von Philip erzĂ€hlen, tat es aber nicht. „Jetzt lebe ich mit Helmut in QuarantĂ€ne“, erklĂ€rt sie ihrer Freundin Julia. Die lacht nur. Inge ereifert sich: „Das Schlimmste am Coronavirus ist, dass wir zurĂŒckgeworfen werden auf das Leben, vor dem schon unsere Eltern geflohen waren: die Kleinfamilie, den Kult des Zuhauses.“
7Anne und Klaus sitzen seit ĂŒber einer Stunde auf mitgebrachten StĂŒhlchen vor dem Bismarckdenkmal im Tiergarten. Sie sind tief in den siebzig, gehören also der Hochrisikogruppe an. Solange sie hier sitzen, ist niemand vorbeigekommen. Sie waren hierher gegangen, weil sie das Denkmal mögen. Nicht, weil sie es schön, sondern weil sie es pompös, also verlogen finden. Die MĂ€rzsonne wĂ€rmt sie ein wenig, aber Anne wird es jetzt zu kĂŒhl. Klaus umarmt sie. Anne hat das GefĂŒhl, er macht es, um sich und nicht etwa um sie zu wĂ€rmen. Darum wehrt sie ihn ab. „Ich soll das Coronavirus haben! Bist du verrĂŒckt!“ Klaus ist empört. Anne lacht, umarmt und kĂŒsst ihn.
8Inge missfĂ€llt, dass es in der Virologie immer einen Schuldigen gibt. Das Virus ist immer von jemandem zu jemandem ĂŒbergegangen. Am Anfang ist es ein Äffchen, ein Vogel, eine Fledermaus und jemand, der dem Tier zu nahe kommt und dann jemandem, ohne sich grĂŒndlich die HĂ€nde zu waschen, die Hand gibt. So geht es, Kontakte multiplizierend, immer schneller, immer weiter. Inge ist Soziologin. Die Virologie, das stĂ¶ĂŸt ihr auf, kommt ohne etwas so Übergreifendes wie Gesellschaft aus. FĂŒr sie gibt es nur eine Kette von Individuen. Man sieht jetzt zwar Wagen durch die StĂ€dte fahren, die irgendeine FlĂŒssigkeit versprĂŒhen, die das Virus bekĂ€mpfen soll. Aber jeder weiß: Das bringt gar nichts. Kein einziges Virus wird dadurch gekillt. Das ist Show wie das Getanze der Cheerleader vor einem Spiel. Beim Virus geht alles hĂŒbsch nacheinander: Schlag auf Schlag. Bis es in einem ist, bis zum Touch Down.
9Alex sieht im Fernsehen einen Ökonomen, der erklĂ€rt, wir sollten dem Coronavirus dankbar sein. Man sehe doch, wozu ein Staat, wenn er nur wolle, alles in der Lage sei. „Mit einem Schlag können BĂŒrger beobachtet, ĂŒberwacht und in ihre Wohnungen eingesperrt werden. Die lebensgefĂ€hrliche, so heißt es, Krankheit Covid-19 hebelt mal kurz die Grundrechte aus, legt die Wirtschaft lahm. Das Virus klĂ€rt uns auf: Man kann sehr wohl eine Politik gegen die MĂ€rkte machen. Ich behaupte: Mehr noch als Corona bedroht unsere Gesellschaft die wachsende Ungleichheit. Gegen die sollten wir ebenfalls vorgehen. Man wirft mir Radikalismus vor. Ich wĂ€re schon froh, wir wĂŒrden die Reichen so besteuern wie Helmut Kohl es tat. Meine Parole ist: Demokratie wagen: zurĂŒck zu Kohl.“ Noch ein Punkt blieb Alex in Erinnerung: Das Coronavirus stoße auf solchen Widerstand, nicht weil es Menschen töte, das habe noch nie irgendjemanden gestört, sondern weil es ein großer Gleichmacher sei. Seit Jahrzehnten werde ĂŒberall auf der Welt daran heftig gearbeitet, einen kleinen, einen winzigen Teil der Bevölkerung vor den „WechselfĂ€llen des Lebens“ zu schĂŒtzen. „Aber im Augenblick hilft auch ein Milliardenvermögen nicht gegen SARS-CoV-2.“
10Inge erzĂ€hlt, Christoph habe ihr erzĂ€hlt, seine Frau habe ihm erzĂ€hlt – so lebt man heute aus dritter Hand –, beim Einkaufen in der Metro auf der Buckower Chaussee habe sie beobachtet, wie ein Mann an den Einkaufswagen einer Frau gegangen sei, ihr erklĂ€rt habe, sie habe fĂŒnf Reinigungscremes, jetzt gebe es keine mehr, er nehme sich darum eine von ihr und – zugegriffen habe. Die Frau rannte zur Kasse. „Bald haben wir Krieg!“
11Christoph liest in der Zeitung, SĂŒdkoreas Haupthafen Busan habe profitiert von der Schließung der chinesischen HĂ€fen. Allerdings waren aus der Stadt schon Ende Februar zweiundzwanzig Corona-Infektionen gemeldet worden. Niemand weiß, wie viele es heute sind. Der Hafen wird jedenfalls nicht geschlossen. Die Regierung stellt die Bewegungsprofile aller 8000 im ganzen Land Infizierten ins Netz. Sie sind anonymisiert, aber fĂŒr Leute, die sie kennen – Ehefrauen zum Beispiel – leicht identifizierbar. Gegen diesen Verstoß gegen die PrivatsphĂ€re wird geklagt. Gerichte mĂŒssen jetzt Sicherheit gegen BĂŒrgerrechte abwĂ€gen. Christoph ist Rechtsanwalt und ĂŒberlegt, ob seine Kanzlei aus dieser Nachricht nicht auch hier in Berlin ein GeschĂ€ft machen könnte.
12Am Abend verschwinden zwei Kolleginnen in die Nacht, in eine Disco. „Auf absehbare Zeit vielleicht die letzte Chance“, winken sie Christoph zu. Der grĂŒbelt nach ĂŒber den Satz, der ganz offensichtlich ironisch gemeint ist. Er aber, der schon lange kein Nachtleben, sondern eine Ehefrau hat, nimmt den Satz ernst. Ausgeschlossen, dass das Berliner Nachtleben ein Opfer des Virus werden wird. Wieso sollte Corona schaffen, w...

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