Hitler – wie lange noch?
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Hitler – wie lange noch?

Eine Spurensuche auf dem Weg vom Heiligen Römischen Reich der Deutschen zum Deutschland von heute

Klaus Dreessen

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  1. 568 pages
  2. German
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Hitler – wie lange noch?

Eine Spurensuche auf dem Weg vom Heiligen Römischen Reich der Deutschen zum Deutschland von heute

Klaus Dreessen

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"Kein Volk kann ohne geschichtliche IdentitĂ€t leben", sagen fĂŒhrende deutsche Historiker. Deutschland verfĂŒgt gegenwĂ€rtig ĂŒber keine IdentitĂ€t. Warum nicht? Wer verhindert das? Darf das deutsche Volk ĂŒberhaupt eine geschichtliche IdentitĂ€t fĂŒr sich beanspruchen, oder erschöpft sich diese seit dem Zweiten Weltkrieg in der kollektiven Schuld an den Verbrechen der Nazis? Klaus Dreessen erzĂ€hlt in diesem zweiten Teil seiner Spurensuche die Geschichte Europas vom WestfĂ€lischen Frieden 1648 bis in die heutige Zeit. Er stellt unbequeme Fragen: Musste das Verlassen des heiligen römischen Sonderwegs zwangslĂ€ufig in den Nationalsozialismus fĂŒhren?Welche Rolle spielten Preußen, Frankreich, England, Russland, Charles Darwin, Karl Marx und das imperiale, industrielle Fortschrittsfieber beim Marsch in den ersten Weltkrieg?Wollte Hitler wirklich Deutschland retten oder nur sich selbst? Ist Deutschland kollektiv schuldig fĂŒr die Morde Hitlers? Waren Lenin und Stalin Sozialisten oder rot lackierte Faschisten?Eine ĂŒberaus spannende Suche nach neuen Antworten, die Überraschendes zutage fördert.

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Informations

Éditeur
Books on Demand
Année
2017
ISBN
9783746041001

Die Morde Stalins beflĂŒgeln Hitlers Aufstieg

Auch Stalin hatte sich maskiert. Als VĂ€terchen Russland ließ er sich darstellen. Mit dem Vokabular von Karl Marx auf den Lippen gab er vor, den von Lenin begonnenen Kampf der Proletarier – mithin die von Marx geadelte einzige ĂŒberlebensfĂ€hige Klasse – zum Sieg ĂŒber die von Hitler geadelte einzige ĂŒberlegene Rasse zu fĂŒhren. Die ĂŒberlebende Klasse gegen die ĂŒberlegene Rasse. „Völker, hört die Signale, auf zum letzten Gefecht, die Internationale erkĂ€mpft das Menschenrecht.“ Ein Gassenhauer jener Tage, der nicht verdecken konnte, dass es mit den Menschenrechten in Russland – Ă€hnlich wie nach der Französischen Revolution in Frankreich – auch in Stalins Reich nicht zum Besten stand. Und diese Informationen suchten sich ihren Weg auch Richtung Westen, nach Deutschland.
WeltstĂŒrzende Ereignisse bleiben nicht geheim. Das war schon zur Zeit der Völkerwanderung so gewesen wie auch in der Zeit der Reformation. Ein Völkermord in den Stalin’schen Dimensionen sprach sich von den RĂ€ndern seines Reiches bis in die Zentren der Nachbarstaaten herum. Schließlich gab es inzwischen Telefon und Radio. Und nicht nur die evangelische Kirche und die KPD erhielten die Schreckensnachrichten aus der Ukraine. Hitler war noch nicht gewĂ€hlt, aber jeder Nachrichtenfetzen aus dem Reich Stalins pflasterte seinen Weg in die Reichskanzlei. Noch war er nur ein unsympathischer Schreihals, den man nicht ernst nehmen musste. Der Schwerverbrecher in ihm war noch nicht zum Vorschein gekommen. Noch fehlten ihm Macht und Möglichkeiten dafĂŒr. Zweifellos hĂ€tte er seinen Weg zur Macht auch ohne die SteigbĂŒgelhalterdienste des roten sowjetischen Faschisten bewĂ€ltigt. Aber sicher ist auch, dass sich die beiden kriminellen Psychopathen auf ihrem Weg der VerwĂŒstung der Zivilisation kongenial unterstĂŒtzten. Sie einte ein krimineller GrĂ¶ĂŸenwahn als Persönlichkeitsmerkmal. Nur die Maske, hinter der sie ihn versteckten, unterschied sie. Der eine versteckte seine faschistische Politik hinter einem durch und durch verlogenen marxistischen Wortgeklingel, wĂ€hrend der andere nationalistischen Klartext redete.
Als die revolutionĂ€ren BlĂŒtentrĂ€ume in Deutschland nach dem Scheitern der AufstĂ€nde im Oktober 1923 in Berlin, Hamburg und im Ruhrgebiet nach EinfĂŒhrung der Rentenmark durch Gustav Stresemann geplatzt waren, standen die russischen RevolutionĂ€re – und insbesondere Stalin nach dem Tode Lenins Anfang 1924 – praktisch vor dem Bankrott. Die E-Lok aus Deutschland war nicht gekommen, und es war nicht absehbar, ob sie jemals kommen wĂŒrde. Vielmehr mussten sie feststellen, dass es an dieser Stelle ihrer revolutionĂ€ren Wegstrecke nicht einmal eine Weiche gab, ĂŒber die entweder eine neue Lokomotive hĂ€tte kommen oder wenigstens eine neue Fahrtrichtung fĂŒr den Revolutionszug hĂ€tte eingeschlagen werden können. Eine solche Weiche gab es – wenn ĂŒberhaupt – vielleicht viele tausend Kilometer entfernt auf diesem alten Schienenstrang. Die einzige vernĂŒnftige, verantwortungsvolle Alternative zur vollen Fahrt voraus wĂ€re fĂŒr Stalin volle Fahrt zurĂŒck gewesen. Aber Mörder handeln weder vernĂŒnftig noch verantwortungsbewusst. Diese Wege sind ihnen verschlossen.
Wenn Stalin aber das Rad nicht zurĂŒckdrehen, die Enteignungen nicht rĂŒckgĂ€ngig machen, dem Volk nicht eine Duma hinsetzen wollte mit der Aufforderung, den Kapitalismus zu entfalten, dann blieb ihm nur das tun, was in Westeuropa die Kapitalisten betrieben hatten: Er musste selbst zu einem gigantischen staatsmonopolistischen Kapitalisten werden mit allen Scheußlichkeiten, die das mit sich brachte, mit Ausbeutung, Krieg und Imperialismus. Und da nicht einmal die alte Dampflok auf der transsibirischen Revolutionsstrecke noch existierte, weil alle Unternehmer umgebracht worden waren, mussten die Reisenden den Zug nun selber ziehen. Mit Mann und Maus und Frau und Kind und Greis wurden sie vor den Zug gespannt. Sie wurden dabei von den Rebellen, die in den Polstern der Waggons Platz genommen hatten, zur Eile angetrieben mit dem Versprechen, die Weiche sei nicht mehr fern, von da an beginne dann das herrliche Leben. Eine besondere Brisanz erhielt diese Situation daraus, dass in den folgenden sechs Jahren bis 1929 die Revolutionswahrscheinlichkeit im boomenden Deutschland, dessen Revolution man so dringend gebraucht hĂ€tte, dahinschwand. Es gab kaum mehr AufmĂ€rsche und Streiks. Die Wirtschaft schien Tritt gefasst zu haben. Russland stand allein mit seinen selbst verschuldeten Problemen.
Die schiere Verzweiflung schließlich muss es gewesen sein, die Stalin dazu trieb, einen Brief an den deutschen Genossen Thalheimer zu schreiben, den man mit Fug und Recht als Bettelbrief bezeichnen kann. Er versprach darin nicht weniger als die Verlagerung des Zentrums der Weltrevolution von Moskau nach Berlin, wenn dort nur endlich die Revolution stattfinden wĂŒrde. Wörtlich schrieb er: „Die kommende Revolution in Deutschland ist das wichtigste Weltereignis unserer Tage. Der Sieg der Revolution in Deutschland wird fĂŒr das Proletariat in Europa und in Amerika eine grĂ¶ĂŸere Bedeutung haben als der Sieg der russischen Revolution vor sechs Jahren. Der Sieg des deutschen Proletariats wird ohne Zweifel das Zentrum der Weltrevolution aus Moskau nach Berlin versetzen [
].“204
Der Genosse Sinowjew, damals noch gemeinsam mit dem Genossen Kamenew Mitglied im Triumvirat der sowjetischen FĂŒhrung zusammen mit Stalin, brachte die Not der Revoluzzer auf den Punkt, als er in einem Zeitungsartikel ĂŒber „Probleme der deutschen Revolution“ schrieb, wie sehr er als ein in „unterentwickelte VerhĂ€ltnisse“ verschlagener Marxist erleichtert darĂŒber wĂ€re, wenn mit der Revolution in Deutschland endlich eine „klassisch-proletarische Revolution“ bevorstehe.“205
Das sehnsĂŒchtige Warten auf die Revolution in Deutschland entsprang mithin keineswegs einer Großherzigkeit oder sozialistischer Bruderliebe, auch nicht einer Dankbarkeit gegenĂŒber dem Land, das den Schöpfer des Kommunismus hervorgebracht hatte. Es war die nackte Verzweiflung. Ein Hilferuf aus der Sackgasse, in die die RevolutionĂ€re sich und ihr Land hinein manövriert hatten. Marx hatte sie gesehen diese Sackgasse; Vera Zasulič, die russische AltrevolutionĂ€rin aus Zarenzeiten hatte davon gewusst und davor gewarnt und war dann nicht mehr mit von der Partie gewesen. Lenin hatte es nicht wahrhaben wollen, Trotzki beharrte weiterhin darauf, Stalin stand vor dem Scherbenhaufen und musste entscheiden, wie es jetzt weitergehen sollte. Immer noch hatte er die MĂŒnchner RĂ€terepublik als Idealfall vor Augen fĂŒr einen Weg, auf dem das ganze Deutsche Reich in eine kommunistische RĂ€terepublik, eine Sowjetrepublik eben, verwandelt werden konnte. Das lag erst wenige Jahre zurĂŒck. Man war so nah dran gewesen. Es wĂ€re so schön gewesen.
Mit einem Schlage wĂ€ren die russischen Pseudokommunisten ihre Probleme losgewesen, wenn die Wirtschaft Russlands mit der Deutschlands im Rahmen einer „Internationale der sozialistischen BruderlĂ€nder“ hĂ€tte vereint werden können. Der Block dieser beiden LĂ€nder hĂ€tte wesentliche Voraussetzungen fĂŒr ein sozialistisches Gesellschaftssystem mitgebracht. Die Revolution in Russland wĂ€re nicht nur nachtrĂ€glich marxistisch gerechtfertigt worden, weil Russland – aus dem Blickwinkel der Marx’schen Theorie – in dieser Konstellation ein Glied in einer Kette kapitalistischer Volkswirtschaften gewesen wĂ€re. Es wĂ€re eben nur das schwĂ€chste Glied gewesen, aber es hĂ€tte als Bestandteil dieses kapitalistischen Blocks die Revolution stellvertretend fĂŒr die anderen als erstes Land durchgefĂŒhrt.
Viel wichtiger als diese Theoriebetrachtung war fĂŒr Russland der wirtschaftliche Vorteil einer Revolution in Deutschland. Durch das Zusammengehen der beiden LĂ€nder wĂ€re die Aufrechterhaltung der revolutionĂ€ren Umstrukturierungen in Russland dauerhaft ermöglicht worden. Die deutsche Wirtschaft konnte die Lokomotive sein, die die russische Agrarwirtschaft ins Industriezeitalter ziehen wĂŒrde, ohne dass Russland zuvor selbst die kapitalistische Phase hĂ€tte durchlaufen mĂŒssen. Die Revolution in Deutschland wĂ€re jene Weiche gewesen, ĂŒber die die deutsche E-Lok vor den russischen Zug hĂ€tte gespannt werden können. Die russische Wirtschaft hĂ€tte auf die Ressourcen und das Wissen in Deutschland zurĂŒckgreifen können. Die russische Bevölkerung hĂ€tte sofort die Vorteile eines industrialisierten Wirtschaftsblocks nutzen können, wĂ€hrend gleichzeitig in Russland schrittweise eine eigene Industrie hĂ€tte aufgebaut werden können.206
Die Vorteile einer solchen Entwicklung hatte zweifellos auch Lenin schon im Auge gehabt. Nicht ohne Bedacht hatte er nach dem endgĂŒltigen Zusammenbruch des Deutschen Reiches nach dem Krieg im neu ausgehandelten Friedensvertrag – sehr zum Ärger Frankreichs – auf Reparationszahlungen verzichtet. Stattdessen hatte er alle RevolutionsansĂ€tze in Deutschland massiv finanziell und personell unterstĂŒtzt. Romantiker mochten glauben, diese Politik sei ein verdeckter Dank gewesen fĂŒr den ersten Friedensvertrag, den er wenige Monate zuvor nach der Niederlage Russlands mit dem siegreichen Deutschland abgeschlossen hatte, in welchem Russland nichts Unzumutbares abverlangt worden war. Nichts von seinem Kerngebiet hatte Russland an Deutschland abtreten mĂŒssen. TatsĂ€chlich aber war Lenins Politik reinste Interessenpolitik. Solange Deutschland in schier aussichtsloser Lage und nackter Existenznot unter der Knute der westlichen SiegermĂ€chte im Chaos von Reparationen, DemĂŒtigungen, Hungersnöten, Inflation und Verzweiflung zu versinken drohte, hatte man in Moskau auf die Erlösung durch ein Sowjet-Deutschland hoffen können. Also versuchte man mit revolutionĂ€rer WĂŒhlarbeit im Nachbarland diesen Prozess nach KrĂ€ften zu unterstĂŒtzen.
Moskau organisierte im Auftrag der Komintern in Deutschland den Aufbau eines MilitĂ€r- und eines Nachrichtenapparates fĂŒr die KPD sowie den Aufbau einer besonderen militĂ€rpolitischen Organisation, die fĂŒr den Aufbau einer Roten Armee ins Leben gerufen wurde und unter der Leitung eines Sowjetgenerals als Reichsleiter stand. Ein Sowjetgeneral als Reichsleiter – der hatte Deutschland damals schon in sechs Oberbezirke eingeteilt, an deren Spitze neben deutschen Verantwortlichen ebenfalls SowjetgenerĂ€le als Berater standen. ZusĂ€tzlich wurde ein Terrorapparat aufgebaut, der den Massenterror vorbereiten und Spitzel beseitigen sollte.207
Auch fĂŒr den großen Schlag stand Moskau Gewehr bei Fuß, wie ein in die Sowjetunion geflohenes deutsches KPD-Mitglied im April 1923 in der Roten Fahne berichtete. In einem GesprĂ€ch mit dem sowjetischen Oberkommandierenden der Westfront, dem Genossen Tuchatschewski, habe er als Vertreter der Zentrale der KPD sich davon ĂŒberzeugt, dass die Rote Armee voller Begeisterung bereit sei, dem deutschen Proletariat zu Hilfe zu kommen und dass es fĂŒr sie dabei keinerlei Hindernisse geben werde: „Wie einen Halm niedertreten wird die russische Armee den polnischen Wall, der sie in der Schicksalsstunde des deutschen Proletariats von ihm trennen sollte.“208
Hier wurden erstmals auch militĂ€rische Optionen ins Spiel gebracht, mit denen man sich einen Zugriff aufs kapitalistische Schlaraffenland verschaffen konnte – wenn der entsprechende brĂŒderliche Hilferuf erklingen sollte, versteht sich. Auch Trotzki hatte schon 1920 als Kriegskommissar den „nationalen Krieg“ gegen Polen gefordert. Das wĂ€re der erste Schritt auf dem Kriegspfad gen Westen Richtung Deutschland gewesen.
Lenin hatte noch kurz vor seinem Ableben – nach zwei SchlaganfĂ€llen Ende 1923 – versucht, Stalin als Nachfolger zu verhindern. Der sei zu grob fĂŒr die Position des GeneralsekretĂ€rs. Nachdem er es dennoch geworden war, gab Lenin zu bedenken, dass Genosse Stalin, nachdem er GeneralsekretĂ€r geworden sei, eine unermessliche Macht in seinen HĂ€nden konzentriere, und er nicht ĂŒberzeugt sei, dass Stalin es immer verstehen werde, von dieser Macht vorsichtig Gebrauch zu machen. Lenin hielt Trotzki fĂŒr geeigneter, auch Bucharin bringe als „Liebling der Partei“ bessere Voraussetzungen mit, glaubte er. Da schwingt ein letztes Mal so etwas wie ein Restbestand humanistischer FĂŒrsorglichkeit im Dienst an einer guten Sache mit. Vor dem Hintergrund dessen, was Lenin bereits an Verbrechen auf sein Gewissen geladen hatte, mutet seine Sorge jedoch grotesk an. Dennoch sollte er auf schreckliche Weise Recht behalten mit seinen BefĂŒrchtungen. Stalin stellte alles an Furchtbarem in den Schatten, was die Menschheit bis dahin erlebt hatte.
Iosseb Dschughaschwili hatte ursprĂŒnglich Priester werden wollen. Dann kam er mit den Schriften von Marx in Kontakt, wurde RevolutionĂ€r und BankrĂ€uber und nannte sich Stalin. Das heißt „der StĂ€hlerne“. Es war sein Name und sein Programm. Er hatte nicht die Statur eines Menschen, der vernĂŒnftigerweise eine Flinte ins Korn wirft, wenn sich das zu erlegende Objekt der Begierde als vollkommen unerreichbar und die bisherige Treibjagdstrategie als komplett misslungen und schon im Ansatz falsch entpuppt. Ein Nervenarzt, der ihn als jungen Mann nach einem Unfall untersuchte, bei dem die linke Schulter zertrĂŒmmert wurde, diagnostizierte bei ihm paranoide Wahnvorstellungen. Ob Verfolgungswahn oder GrĂ¶ĂŸenwahn, ließ sich nicht mehr klĂ€ren. Der Arzt ĂŒberlebte den Tag nach der Diagnose nicht. Sein Name wurde von Stalin spĂ€ter aus allen wissenschaftlichen Schriften un...

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