Jakob Lucius der Ăltere. Bedeutender Drucker,
Formschneider und Zeichner der Reformationszeit
VON GYULA PĂPAY
Jakob Lucius (um 1530â1597) gehörte zu den bedeutendsten Druckern, Formschneidern und Zeichnern der Reformationszeit. Obwohl er von 1564 bis 1578 als UniversitĂ€tsdrucker in Rostock tĂ€tig war, blieb er in den Publikationen zur UniversitĂ€tsgeschichte unerwĂ€hnt. Die erste Begegnung mit Lucius ist dafĂŒr ein beredtes Beispiel. Als in der Mitte der 1980er Jahre eine internationale Suchaktion nach einem, damals verschollen geltenden Werk von Tilemann Stella (1524-1589) erfolgreich durchgefĂŒhrt wurde, konnte der Drucker dieses Werkes, Jacobus Transylvanus, noch nicht mit Lucius identifiziert werden. Im UniversitĂ€tsarchiv wurde von ihm nur ein Immatrikulationsvermerk aus dem Jahre 1566 gefunden. Davon ausgehend wurde angenommen, dass Jacobus Transylvanus damals ein junger Student aus SiebenbĂŒrgen und in der Druckerei so unerfahren war, dass er auf dem Titelblatt einen Druckfehler machte (1546 statt 1566) (Abbildung 1). Die hier verwendete Vignette hĂ€tte seine IdentitĂ€t mit Jakob Lucius verraten können, aber im Mittelpunkt der damaligen Forschung stand Tilemann Stella und so wurden zu Jakob Lucius keine weiteren Nachforschungen angestellt. Stella war neben Mercator und Ortelius der bedeutendste Kartograph im 16. Jahrhundert. Erst durch eine Publikation von Norbert Buske aus dem Jahre 2001 wurden neue Recherchen zu Jakob Lucius initiiert1.
Jakob Lucius d. Ă. wurde um 1530 in SiebenbĂŒrgen geboren. Ăber seine Jugend und Ausbildung zum Formschneider gibt es nur spĂ€rliche und zum Teil widersprĂŒchliche Angaben beziehungsweise Annahmen. Sein ursprĂŒnglicher Familienname, den er spĂ€ter ausschlieĂlich in latinisierter Form verwendete, ist unbekannt. In der Literatur ist sogar sein Geburtsort umstritten. Aus seinen Initialen J.L.C.T. wurde die Annahme abgeleitet, dass seine Geburtsstadt entweder Kronstadt/ Corona (BraÈov) oder Hermannstadt/ Cibinio (Sibiu) oder vielleicht Klausenburg/ Claudiopoliensis (Cluj-Napoca) war.2 In mehreren Publikationen wurden seine Initialen als Iacobus Lucius Coronensis Transylvanus gedeutet3, obwohl dafĂŒr keine quellenmĂ€Ăige BestĂ€tigung vorlag. Zur Entscheidung dieser Frage wurden sogar Bildquellen einbezogen, da in den Zeichnungen von Lucius mehrere ungarische Motive vorhanden sind. Die Sichtung der von ihm gezeichneten Stadtansichten brachte das interessante Ergebnis, dass er die Konturen seines Herkunftsorts aus der Erinnerung wiedergab. Dieses Bild zu dem neunten Gebot, das Lucius selbst ins Holz schnitt, erschien in dem Catechismus Martin Luthers in Wittenberg 1564 (Abbildung 2). Somit konnten sich die weiteren Recherchen auf Kronstadt konzentrieren. Eine weitere Spur war der Bibliothekskatalog des KronstĂ€dter Gymnasiums. Aus der Literatur war bekannt, dass hier ein von Lucius 1563 in Wittenberg gedrucktes Werk vorhanden ist. Es handelt sich dabei um ein Gedicht, das anlĂ€sslich der RĂŒckkehr von Titus Amicinus (?- 1566) von Wittenberg nach SiebenbĂŒrgen verfasst wurde. Amicinus wurde Stadtpfarrer von Kronstadt.4 Dieses Gedicht wurde von Lucius 1563 in Wittenberg gedruckt.5 Diese Publikation ist im Katalog der KronstĂ€dter Gymnasialbibliothek verzeichnet.6 Hier wurde jedoch nicht nur diese, sondern gleich neun Publikationen gefunden, die von Lucius gedruckt wurden.7 Der Bibliothekskatalog war ein wichtiger Hinweis dafĂŒr, dass Lucius zu diesem Gymnasium eine besondere Beziehung haben musste. Mit einigen Schwierigkeiten gelang der Zugang zu den Matrikeln des KronstĂ€dter Gymnasiums. MerkwĂŒrdigerweise wurde diese wichtige Quelle zu Lucius bisher nicht herangezogen, obwohl sie schon 1863 vom damaligen Rektor Martin Ziegler publiziert wurde.8 Dieses Gymnasium wurde von dem bedeutenden Reformator Johannes Honterus (um 1498â1549) gegrĂŒndet. Gleich im ersten Jahrgang, das heiĂt 1544, erscheint in den Matrikeln der Name Joannes Lucius, Naidorfius. Die frĂŒhere Annahme, dass hier ein Abschreibfehler wegen der schweren Lesbarkeit des Originals vorliegt9, muss nach neueren Einsichten korrigiert werden. Nach Auskunft von Thomas Ćindilariu (Archiv und Bibliothek der Honterusgemeinde, Kronstadt / BraĆov), der das Original der Matrikel diesbezĂŒglich ĂŒberprĂŒfte, liegt hier kein Abschreibfehler vor.10 Obwohl hier statt Jakob ein anderer Vorname angegeben ist, erscheint es ziemlich wahrscheinlich, dass es sich bei dieser Eintragung um Jakob Lucius handelt.11
Die Matrikeleintragung liefert zu mehreren Fragen im Lebenslauf von Lucius eine Antwort. Sein Geburtsort war also Neudorf. Diesen Namen trugen damals mehrere Orte. Sehr wahrscheinlich erscheint es, dass es sich in diesem Fall um BarcaĂșjfalu (heute Satu Nou) handelt, das in unmittelbarer NĂ€he von Kronstadt liegt und 1462 in den Besitz von Kronstadt kam.12 Der ursprĂŒngliche Name von Lucius konnte nicht ermittelt werden.13
Im KronstĂ€dter Gymnasium lernte Lucius mehrere bedeutende Gestalten der Reformation in SiebenbĂŒrgen kennen; auĂer Honterus gehörte dazu auch Valentin Wagner (um 1510â1557), der sich 1541/42 in Wittenberg aufhielt und in seiner TĂ€tigkeit von Melanchthon beeinflusst wurde. 1544 war Wagner Rektor des KronstĂ€dter Gymnasiums. Auch unter Luciusâ Kommilitonen befanden sich einige Personen, die spĂ€ter in der siebenbĂŒrgischen Reformation eine wichtige Rolle spielten. Unter den Namen Franciscus Colossvarinus14 trug sich 1545 Ferenc David (Franz Hertel, um 1510/1520â1570) in die Matrikel ein.15 Den entscheidenden Einfluss auf Lucius ĂŒbte allerdings Honterus aus, der auch ein sehr guter Formschneider war und 1532 die erste SiebenbĂŒrgen-Karte herausgab, die er selber in Holz schnitt. Die bereits in der Ă€lteren Literatur geĂ€uĂerte Annahme, dass Lucius sein SchĂŒler war, kann aufgrund der Matrikeleintragung mit hoher Wahrscheinlichkeit bestĂ€tigt werden.16
Die ersten Holzschnittarbeiten von Lucius wurden erst nach Honterusâ Tod publiziert, jedoch nicht in Kronstadt, sondern in Klausenburg. FĂŒr Heltais Catechismus minor von 1550 lieferte Lucius sieben Holzschnitte.17 Warum Lucius fĂŒr die Klausenburger Druckerei arbeitete, darauf gibt ebenfalls die Matrikeleintragung die bisher fehlende Antwort. Diese Druckerei wurde 1550 von GĂĄspĂĄr Heltai (Kaspar Helth, um 1520-1574) und Georg Hoffgreff (?) gegrĂŒndet. Hoffgreff, der 1542/43 in Wittenberg studierte und die Buchdruckerei 1546/47 in NĂŒrnberg erlernte, war 1544 einer der Lehrer von Lucius am KronstĂ€dter Gymnasium. Davon zeugt ebenfalls die oben genannte Matrikeleintragung von 1544. Möglicherweise lieferte Lucius auch fĂŒr Valentin Wagner Holzschnitte mit Totentanzmotiven.18
Es ist anzunehmen, dass Lucius Ende Februar 1553 nach Wittenberg gekommen ist, denn Mellenberger, ein Schwiegersohn von Honterus, der in dem folgenden Jahr Rektor des KronstĂ€dter Gymnasiums wurde, kam zu dieser Zeit in Begleitung von Titus Amicinus nach Wittenberg19. Lucius gehörte möglicherweise zu dieser Reisegesellschaft. Es ist auch möglich, dass Lucius Valentin Wagner begleitete, der am 15. Februar 1554 in Wittenberg seine Disputation hielt und den Rang eines Magisters erhielt.20 Zweifelsfrei ist nachweisbar, dass Lucius ab Mitte der 1550er-Jahre in Wittenberg tĂ€tig war, denn ab dieser Zeit erscheint sein KĂŒnstlerzeichen, liegendes dreiblĂ€ttriges Kleeblatt mit gebogenem StĂ€ngel, in seinen Holzschnitten.21 Er war zunĂ€chst in der bedeutenden Offizin von Hans Lufft (um 1495â1584) nicht nur als ein hochgeschĂ€tzter Formschneider, sondern zugleich als ein bedeutender Zeichner tĂ€tig, worĂŒber unter ande...