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Zeitstrukturen
Theologisch-praktische Quartalschrift 1/2021
Linz Die Professoren Professorinnen der FakultĂ€t fĂŒr Theologie der Kath. Privat-UniversitĂ€t
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Theologisch-praktische Quartalschrift 1/2021
Linz Die Professoren Professorinnen der FakultĂ€t fĂŒr Theologie der Kath. Privat-UniversitĂ€t
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Ein reibungsloser Ablauf unseres Zusammenlebens erfordert eine Strukturierung von Zeit. Eine solche Ordnung ist der Zeit nicht inhÀrent, sondern sie muss von einer Gesellschaft geschaffen und festgelegt werden. In diesem Prozess haben Religionen besondere PrÀgekraft entfaltet. Heft 1/2021 "Zeitstrukturen" befasst sich mit der Frage, wie und mit welchen Zielen Religionsgemeinschaften Zeit ordnen.
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Aktuelle Fragen
⊠Dienberg, Thomas / Winter, Stephan (Hg.): Mit Sorge â in Hoffnung. Zu Impulsen aus der Enzyklika Laudato Siâ fĂŒr eine SpiritualitĂ€t im ökologischen Zeitalter. Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 2020. (248) Kart. Euro 24,95 (D) / Euro 25,70 (A) / CHF 25,44. ISBN 978-3-7917-3141-4.
Mit seiner Enzyklika Laudato Siâ ĂŒber die Sorge fĂŒr das gemeinsame Haus hat Papst Franziskus 2015 fĂŒr groĂes Aufsehen gesorgt und weit ĂŒber die Grenzen der Kirchen hinaus viel Zustimmung erfahren. Seit damals haben die zwölf Autoren und eine Autorin, bis auf zwei allesamt Lehrende an der Philosophisch-Theologischen Hochschule (PTH) MĂŒnster der Deutschen Kapuzinerprovinz, daran geforscht, wie stark sich Papst Franziskus darin an der franziskanisch-klarianischen Tradition christlicher SpiritualitĂ€t orientiert. (11) Im Rahmen eines interdisziplinĂ€ren Forschungsprojekts, angesiedelt im Kompetenzzentrum fĂŒr christliche SpiritualitĂ€t IUNCTUS, organisierten sie FachgesprĂ€che, Studientage und Workshops, um Laudato Siâ zu vertiefen und weiterzudenken. Unter christlicher SpiritualitĂ€t verstehen sie dabei âdie fortwĂ€hrende Umformung (transformatio) eines Menschen, der antwortet auf den Ruf des menschgewordenen Gottes.â (15) Im Feld gĂ€ngiger SpiritualitĂ€tsbegriffe ist das ein auĂergewöhnlich dynamischer, prozessual angelegter Begriff, der erhebliches Innovationspotenzial birgt.
Nach einer einfĂŒhrenden PrĂ€sentation (Klaus Töpfer) analysieren die BeitrĂ€ge die Enzyklika aus spiritualitĂ€tshistorischer (Niklaus Kuster), neutestamentlicher (Gerhard Hotze), moraltheologischer (Rudolf B. Hein), gesundheitswissenschaftlicher (Arndt BĂŒssing), managementwissenschaftlicher (Markus Warode), theologisch-zoologischer (Rainer Hagencord), pĂ€dagogischer und interreligiöser (Deborah Williger), ökologischer (Bernd Beermann), evolutionsbiologischer (Andreas May), systematisch-theologischer (Thomas Dienberg und Thomas Eggensperger) und liturgiewissenschaftlicher (Stephan Winter) Perspektive. Mitunter tun sie dies durch Bezug auf eine einzige Stelle aus Laudato Siâ, mitunter durch Reflexion eines die ganze Enzyklika durchlaufenden Themas, mitunter durch eine Gesamtschau auf das Rundschreiben.
Diese formale HeterogenitĂ€t der BeitrĂ€ge wĂ€re kein Problem, wenn in den BeitrĂ€gen der lebendige Fachdialog der AutorInnen untereinander spĂŒrbar wĂŒrde. Das ist jedoch nur in homöopathischen Dosierungen der Fall. Mehr oder weniger stehen die BeitrĂ€ge unverbunden nebeneinander. Auch das originelle Konzept eines transformativen SpiritualitĂ€tsbegriffs, das als verbindendes Formalobjekt zu Grunde gelegt wurde, ist nur in wenigen BeitrĂ€gen fruchtbar geworden. GroĂen Gewinn hat der Rezensent hingegen aus der LektĂŒre der BeitrĂ€ge der drei Kapuziner unter den Autoren gezogen: Niklaus Kuster bietet eine brillante historisch-kritische Interpretation des Sonnengesangs von Franz von Assisi. Bernd Beermann verbindet franziskanische Quellen und moderne Ăkologie in der Reflexion auf franziskanische GĂ€rten und lĂ€sst uns teilhaben an der Gestaltung des MĂŒnsteraner Klostergartens. Und Thomas Dienberg bringt die Aussagen der Enzyklika ĂŒber die Stadt in eine sehr gewinnbringende Verbindung mit moderner Stadtsoziologie (allerdings erstaunlicherweise ohne einen einzigen Hinweis auf die Bedeutung der Stadt fĂŒr Franz von Assisi!).
Insofern enthÀlt der Band echte Perlen. Als ganzer hÀtte er aber mehr Reifezeit verdient.
Michael Rosenberger (Linz)
⊠Lederhilger, Severin J. (Hg.): âEs muss sich etwas Ă€ndernâ. Zeit der Reformen â AnstöĂe der Reformation. 18. Ăkumenische Sommerakademie KremsmĂŒnster 2016 (Schriften der Katholischen Privat-UniversitĂ€t Linz 3). Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 2017. (206) Kart. Euro 24,95 (D) / Euro 25,70 (A) / CHF 32,40. ISBN 978-3-7917-2880-3.
AnlĂ€sslich des 500-jĂ€hrigen ReformationsjubilĂ€ums veranstaltete die Ăkumenische Sommerakademie KremsmĂŒnster eine hochkarĂ€tig besetzte Tagung, die sich mit der Bewertung der Ereignisse des 16. Jahrhunderts aus heutiger Sicht, insbesondere aber auch mit der aktuellen Bedeutung und Notwendigkeiten von Reformen befasste. Papst Franziskus sagte mit Blick auf das Zweite Vatikanische Konzil: âHaben wir all das getan, was uns der Heilige Geist im Konzil gesagt hat? In der KontinuitĂ€t und im Wachstum der Kirche, ist da das Konzil spĂŒrbar gewesen? Nein, im Gegenteil: Wir feiern dieses JubilĂ€um und es scheint, dass wir dem Konzil ein Denkmal bauen, aber eines, das nicht unbequem ist, das uns nicht stört. Wir wollen uns nicht verĂ€ndern und es gibt sogar auch Stimmen, die gar nicht vorwĂ€rts wollen, sondern zurĂŒck: Das ist dickköpfig, das ist der Versuch, den Heiligen Geist zu zĂ€hmen.â (194) Dieses Wort kann in analoger Weise auch fĂŒr die Beziehung zur Reformation gesagt werden. Es ist bezeichnend, dass das VorwĂ€rtsdrĂ€ngende zumeist in AnfĂŒhrungszeichen steht (âEs muss sich etwas Ă€ndern!â; âeine unaufschiebbare kirchliche Erneuerungâ vgl. Gruber, 181), als wolle man sich davon behutsam distanzieren. TatsĂ€chlich könnte (und sollte!) man die Gretchenfrage allen Autoren und Autorinnen stellen, deren BeitrĂ€ge in diesem Band versammelt sind: Bist du wirklich der festen Ăberzeugung, dass im Bereich der Ăkumene VerĂ€nderungen notwendig sind? Und worin sollten diese bestehen? Es gibt zu denken, dass von soziologischer Seite von einem âUnbehagen vieler Menschenâ angesichts von Reformen die Rede ist und die groĂe ErzĂ€hlung von Reform âmehr und mehr zur groĂen ErzĂ€hlung von Bedrohungen und ZwĂ€ngen wirdâ (Prisching, 180). Einleitend prĂ€sentiert Severin Lederhilger als Herausgeber in seinem Vorwort weit mehr als eine Inhaltsangabe der einzelnen BeitrĂ€ge; er setzt inhaltliche Akzente, etwa indem er Clemens Sedmak zitiert: âVor allem aber gibt es eine Bequemlichkeit â ein Leugnen des Handlungsdrucks wie die Illusion, in den Komfortzonen bleiben zu könnenâ (7 f.). Den Kern des reformatorischen Geistes sieht der Herausgeber mit Bezug auf Gerold Lehner im âBedenken des Ursprungsâ. (10) Nahezu alle BeitrĂ€ge bewegen sich auf einem hohen reflektorischen Niveau. Wer genauer hinsieht, kann in der Argumentation eine unterschiedliche ökumenische Offenheit erkennen. Bedenklich erscheint etwa, dass sich Kurt Koch als PrĂ€sident des PĂ€pstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen in seinem Beitrag auf ein Wort Walter BrandmĂŒllers beruft, wenn dieser meint, konstatieren zu mĂŒssen, dass Reform ânie zum Ergebnis haben kann, dass das Reformierte nicht mehr mit dem vorherigen zu Reformierenden identisch istâ (36). Hier gibt sich der traditionalistische Wolf im kuscheligen Schafspelz zu erkennen. Damit erĂŒbrigt sich ein weiteres ökumenisches GesprĂ€ch. In dem glĂ€nzend geschriebenen Beitrag von Ulrich Körtner fĂ€llt auf, dass Luther von seiner Grundhaltung des genauen Hinhörens bestimmt wird. Genau diese FĂ€higkeit des Hören- und Verstehen-wollens kommt jedoch fĂŒr Luther an eine unĂŒberwindliche Grenze, wo er mit einem, von seinem Grundansatz abweichenden theologischen Horizont konfrontiert wird, wie sich in der Auseinandersetzung mit Erasmus von Rotterdam zeigt. In nahezu allen BeitrĂ€gen wird die Problemstellung der Ăkumene beeindruckend gescheit analysiert und reflektiert. Was jedoch fast ganz ausfĂ€llt, sind konkrete Visionen, welche Schritte als nĂ€chste zu gehen sind und mit welchem Zwischenziel. Mit gutem Grund weicht der Herausgeber in seiner Zusammenstellung der BeitrĂ€ge von der ursprĂŒnglichen Abfolge in der Sommerakademie ab und folgt so einer von ihm selbst konzipierten Dramaturgie. Das ist von der Sache her zu begrĂŒĂen. Dennoch bleibt der Wunsch offen, nachdem es sich hier eben auch um einen Dokumentationsband einer Veranstaltung handelt, wenigstens mit einem Link auf die im Internet vorzĂŒglich prĂ€sentierte ursprĂŒngliche Veranstaltung hinzuweisen. Fazit: Wer sich in einem ĂŒberschaubaren Umfang eine Momentaufnahme zum Stand der Ăkumene in Ăsterreich wĂŒnscht, sei auf diese Publikation nachdrĂŒcklich hingewiesen.
Hanjo Sauer (Bamberg / Linz)
⊠Voderholzer, Rudolf: Zur Erneuerung der Kirche. Geistliche Impulse zu aktuellen Herausforderungen. Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 2020. (256) Geb. Euro 24,95 (D) / Euro 25,70 (A) / CHF 25,44. ISBN 978-3-7917-3138-4.
In den letzten Jahren sind bereits viele BĂŒcher zur Reform der Kirche erschienen. Aus Anlass der MGH-Studie zum sexuellen Missbrauch und des âSynodalen Wegesâ in Deutschland veröffentlicht der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer eine Sammlung seiner Stellungnahmen, Predigten/Ansprachen und fachwissenschaftlichen AufsĂ€tze, die sich teils direkt, teils indirekt damit befassen. In den BeitrĂ€gen möchte er nicht nur seinen Standpunkt wiederholen, sondern den Blick fĂŒr die Erneuerung der Kirche weiten und seine Anliegen weiterdenken. Die Auswahl der Themen des sexuellen Missbrauchs, die Frage nach dem Amt in der Kirche und des Glaubens in der Welt von heute zeigen die AktualitĂ€t und den Handlungsbedarf fĂŒr die Erneuerung der Kirche. Werden diesbezĂŒglich meist Imperative an die Kirche herangetragen, so argumentiert der Verfasser des Buchens mit Indikativen und lĂ€dt mit der Auswahl der BeitrĂ€ge eine breite Leserschaft ein, seinen AusfĂŒhrungen zu folgen. Hier wird das pastorale Anliegen des Bischofs deutlich erkennbar.
Das Buch gliedert sich in drei Abschnitte. Der erste Teil (17â38) geht auf die MGH-Studie ein. Voderholzer sieht zur Aufarbeitung des Missbrauchsskandals neben den strukturellen Diskussionen die Notwendigkeit fĂŒr âeinen tieferen Gehorsam gegenĂŒber der Botschaft des Evangeliumsâ (21) als unabdingbar, damit es zu einer Erneuerung im gesamten Leben der Kirche kommen kann. Neues Vertrauen wird dort wachsen können, wo sich Verantwortliche den Opfern persönlich zuwenden und Anteil an ihrem Leid nehmen (25). Als Bischof stellt sich der Autor aber auch gegen einen Generalverdacht gegenĂŒber Priestern und pastoralen Mitarbeitern (27â38).
In einem zweiten Themenkreis (39â111) wird das geistliche Amt in den Blick genommen. Gleich mit dem ersten Beitrag unterstreicht der Autor, dass es im kirchlichen Amt nicht um Macht von einem ĂŒber andere geht, sondern dass die âerste Sorgeâ (44) von allen Christen das Zeugnis fĂŒr den auferstandenen Christus sein muss. Aus dieser Zeugenschaft entfaltet sich die Struktur der Kirche. Amt bedeutet damit âSorge dafĂŒr zu tragen, dass alle Getauften das ihnen gemeinsame VerkĂŒndigungsamt, das Hirtenamt und den Heiligungsdienst möglichst gut und dem Herrn der Kirche gemÀà ausĂŒben könnenâ (57): Dienst in der Kirche ist Auftrag fĂŒr die Ermöglichung der Taufgnade des Anderen. Besonders bei der umstrittenen Frage des Weihevorbehalts fĂŒr MĂ€nner verweist der Dogmatiker auf das Traditionsargument; er zeigt aber hierbei, dass Theologie im Ringen um eine zeitgemĂ€Ăe Beantwortung dieser Themen es nicht bei der Wiederholung der Argumente bewenden lassen kann. Es braucht den philosophisch-anthropologischen und den theologisch-systematischen Diskurs (77â92), aus dem eine Antwort auf die Zeichen der Zeit gegeben werden kann. Jede Zeit braucht daher auch eine âTheologie der PersonalitĂ€t und der personalen Verantwortungâ (99), um der Welt und den Herausforderungen der Zeit nicht mit AllgemeinplĂ€tzen, sondern aus der persönlichen Gottesbeziehung heraus zu antworten. Der Autor des Buches zeigt gerade in diesem Abschnitt, dass der Blick in die Zukunft der Kirche keine Einzelgruppen abgesondert von allen anderen erfassen darf. Die Kirche als ganze ist dazu berufen, in der Welt auf den Schöpfer zu verweisen. Darum ist fĂŒr Voderholzer fĂŒr das kirchliche Leben das VerstĂ€ndnis der SakramentalitĂ€t von zentraler Bedeutung (106â111).
In einem lĂ€ngeren dritten Teil (113â250) wird der Blick auf die Welt und die Kultur gerichtet, in denen sich der christliche Glaube zu bewĂ€hren hat. Dahinter steht die Ăberzeugung, dass sich eine Erneuerung der Kirche nicht nur innerhalb der eigenen Mauern vollziehen kann. Es braucht eine evangeliumsgemĂ€Ăe Verantwortung des Glaubens fĂŒr die Welt und den Einsatz fĂŒr eine menschenwĂŒrdige und schöpfungsbewusste Kultur (180â216). Weil die Erneuerung der Kirche eine gesamtkirchliche Herausforderung darstellt, wird von Voderholzer nicht nur das geistliche Amt, sondern auch der Auftrag der Laien bedacht. Hat der Ausdruck âLaieâ im gegenwĂ€rtigen Sprachgebrauch eine negative Konnotation als Dilettant, so plĂ€diert der Autor aufgrund des âWeltcharaktersâ (LG 31) fĂŒr die Bezeichnung âWeltchristâ (128â149). Die Welt ist der Ort, an dem der christliche Glaube existenziell verwirklicht werden soll und wo die RĂ€nder gesucht werden mĂŒssen, um dort das Feldlazarett des Evangeliums aufzuschlagen.
Den Hintergrund aller AusfĂŒhrungen bildet die Feststellung einer Glaubens- und Gotteskrise, die ein modernes LebensgefĂŒhl beschreibt, âdas Glauben und Wissenschaft, moderne Naturwissenschaft und eine glĂ€ubige Hinwendung zu Welt und Geschichte, nicht in Einklang zu bringen vermagâ (225). Wenn am Ende des Buches BeitrĂ€ge ĂŒber das Gebet und die persönliche Glaubensverantwortung aufgenommen sind, dann ist damit die BrĂŒcke zum Buchtitel geschlagen. Die aktuelle Situation ist eine Herausforderung fĂŒr die Kirche, die aber neben den strukturellen Diskussionen auch den geistlichen Impuls verlangt.
Rudolf Voderholzer legt ein gut lesbares Buch vor, das geistige Impulse setzt und damit zum Nachdenken anregen möchte. Au...