Gegen / Gewalt / Schreiben
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De-Konstruktionen von Geschlechts- und Rollenbildern in der Ovid-Rezeption

Melanie Möller, Melanie Möller

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  1. 194 pages
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De-Konstruktionen von Geschlechts- und Rollenbildern in der Ovid-Rezeption

Melanie Möller, Melanie Möller

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Die AufsÀtze dieses Bandes analysieren die Rezeption von Ovids Werken (v. a. Metamorphosen und Heroides ) in verschiedenen Epochen, wobei der Fokus auf den Adaptionen der Darstellung erotischer Kontexte und sexualisierter Gewalt liegt. Wie in Ovids Texten selbst ist es besonders der problematische Zusammenhang von Gewalt und Sprache, der sich auf generische Zuschreibungen, IdentitÀtssuchen und Rollenbewusstsein ausgewirkt hat.

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Informations

Éditeur
De Gruyter
Année
2020
ISBN
9783110703269

Domini iure venire iube!

Das Modell der Ovidischen Heroides in der deutschen Literatur
Jost Eickmeyer
Wenn im Rahmen dieses Bandes die Frage aufgeworfen wird, ob und wie Ovid Gender-Kategorien (de-)konstruiert haben mag, dann mĂŒssen die Heroides oder epistulae Heroidum selbstverstĂ€ndlich eine Rolle spielen. Denn in ihnen kommen tatsĂ€chlich die Frauen zu Wort. Dies gilt zumindest fĂŒr 18 der 21 unter Ovids Namen ĂŒberlieferten Versepisteln, in denen mythologische bzw. historische Frauenfiguren von Penelope ĂŒber Phaedra, Deianira, Dido und Helena bis Sappho und Cydippe ihre entfernten Partner (seien es EhemĂ€nner, entlaufene Geliebte oder auch Objekte ihrer mitunter illiziten Begierde) mal anklagen, mal zur raschen RĂŒckkehr drĂ€ngen, mal gar erotisch verfĂŒhren wollen. Dabei decken die epistolaren Schreibweisen der innerfiktionalen Verfasserinnen tendenziell das gesamte Spektrum weiblicher Affektmodulation ab: von Penelopes Mahnen, ihr Ehemann möge doch nach fast zwanzig Jahren endlich wieder nach Ithaka zurĂŒckkehren, ĂŒber Phaedras leidenschaftliches Werben um ihren Stiefsohn Hippolytus und Medeas zwischen Liebe und Hass schwankende Anklage an Iason bis zu Didos Betroffenheit ĂŒber die plötzliche Abreise des Aeneas und Canaces Verzweiflung ĂŒber die verbotene Liebe zu ihrem Bruder Macareus. Dass diese Schreibweisen nun aber vom kaum bestreitbar mĂ€nnlichen Autor Ovid inszeniert, ja in einem bestechend poetischen ƒuvre konstruiert wurden, mag schon einen Hinweis darauf geben, dass am Beispiel der Heroides Konzepte des ‚weiblichen Schreibens‘1 sehr wohl problematisiert werden könnten.
Allerdings ist die Frage nach der authentischen Autorschaft und Textgestalt der Heroides in Forschung und Editionspraxis der letzten gut zwanzig Jahre intensiv diskutiert worden.2 Sie sei in diesem Zusammenhang aber ausgeklammert, da es mir im Folgenden nicht um Ovids Konstruktionen oder Dekonstruktionen von Weiblichkeit oder Ă©criture fĂ©minine geht, sondern um die produktive Rezeption seiner „Heldinnenbriefe“ in der deutschen Literatur. Vom Mittelalter bis zum zwanzigsten Jahrhundert galten vierzehn Einzelbriefe und drei Briefpaare unbestritten als Ovidisches corpus, lediglich der Brief der Sappho an Phaon wurde bis in die FrĂŒhe Neuzeit separat ĂŒberliefert und erst 1629 von Daniel Heinsius in seine Ausgabe der Epistulae Heroidum an fĂŒnfzehnter Stelle eingefĂŒgt.3
Der folgende Gang durch die deutsche Literatur seit Renaissance und Humanismus4 soll exemplarisch illustrieren, wie Ovids elegische Briefe mythologischer Heldinnen knapp 500 Jahre lang als Modell fĂŒr deutsche Dichter und Schriftsteller fortgewirkt haben, wobei hier bewusst der relativ offene Begriff des ‚Modells‘ Verwendung findet, damit die Gefahr von a priori wertenden Perspektiven von Einfluss und EpigonalitĂ€t und eine BeschrĂ€nkung auf eine spezielle Klasse intertextueller BezĂŒge (Junkturen, Allusionen, Kontrafakturen etc.) vermieden wird.5

1 Der christliche Ovid: Helius Eobanus Hessus (1488–1540)

Im Anschluss an mittelalterliche Traditionen gehört Ovids Werk selbstverstĂ€ndlich zum Stoff der Lateinschulen und spĂ€terhin Akademien, war also fest in der sprachlich-poetischen Grundausbildung der FrĂŒhen Neuzeit verankert. Dies zum einen, weil Ovid mit den Metamorphosen das kosmographische, ethnologische und nicht zuletzt moralische Kompendium antiker Überlieferung verfasst hatte, zum anderen, weil er mehr als Properz oder Tibull als Leitautor fĂŒr die Gattung Elegie galt. Die Probleme, die eine christliche PĂ€dagogik mit den moralischen PrĂ€missen der Amores oder der Ars amatoria bekommen musste, zumal Ovids elegisches Ich durchweg autobiographisch gelesen wurde, liegen auf der Hand. Sie strahlen bis auf die Heroides aus, denn schwerlich wollte man Ovids geschickt psychologisierte Innensicht der inzestuösen Stiefmutter Phaedra oder der im Selbstmord endenden Phyllis und Dido, der koketten Helena, die bekanntlich die Vaterstadt ihres Geliebten dem Untergang weihte, oder des listigen Acontius, der seiner begehrten Cydippe unter blasphemischer Ausnutzung des Tempelheiligtums eine Falle stellt, mit christlicher Ehe- und Sexualmoral in Einklang bringen. Kurz: Man konnte all diese zwielichtigen Charaktere christlichen Studenten nicht so ohne weiteres vorsetzen. Da die Möglichkeit der Allegorisierung, die sich fĂŒr die Metamorphosen so sehr bewĂ€hrt hatte,6 hier ausfiel, blieben drei Möglichkeiten der Aufbereitung: erstens Purgierung, was im philologisch orientierten Humanismus nicht mehr so leicht fiel und vor allem in ExtremfĂ€llen (Catull, Martial) praktiziert wurde; zweitens Kommentierung, wovon intensiv Gebrauch gemacht wurde; drittens langfristige Ersetzung der problematischen antiken Leittexte durch moderne christliche. So hatte sich am Beginn des sechzehnten Jahrhunderts fĂŒr die Heroides eine moralisierende Kommentarpraxis verfestigt, die letztlich auf mittelalterliche Accessus ad auctores zurĂŒckging.7 Als ein Beispiel unter vielen zitiere ich den Kommentar des Renaissance-Gelehrten Ubertino da Crescentino, 1481 verfasst, aber noch 1570 als Basis einer Ausgabe mit weiteren Kommentaren gedruckt. Zur EinschĂ€tzung der Heroides schreibt er:
Materia [operis] vero est ethica. [
] quia describit varios virorum: mulierumque mores: [
] quantum hi differant in mulieribus pudicis et impudicis [
]. Itaque alie ad laudem et imitationem: alie ad libidinis et impudicitie detestationem memorantur.8
Der Gegenstand des Werkes ist ein sittlicher. [
] Denn es beschreibt die unterschiedlichen Sitten von MĂ€nner und Frauen [...], inwiefern diese in keusche und unkeusche Frauen unterschieden werden können [
]. Deshalb fordern die einen zu Lob und Nachahmung auf, die anderen zur Abscheu gegenĂŒber Wollust und Unkeuschheit.
FĂŒr die Frage nach den Bedingungen der Möglichkeit frĂŒhneuzeitlicher Heroides-Rezeption bedeutet dies erstens, dass das Werk bei Lesern und Verfassern hinlĂ€nglich bekannt war, ja sicherlich prĂ€ziser bekannt als bei den meisten heutigen Lesern, wenn man bedenkt, dass das Studium eines antiken Autors damals im Wesentlichen aus der LektĂŒre, Memorierung und Imitation seines Werkes bestand; zweitens, dass eben deshalb die Minimalschwelle fĂŒr literarische Anspielungen sehr niedrig lag, so dass Allusionen, die heute sehr subtil erscheinen mögen, fĂŒr die zeitgenössische Leserschaft weitaus deutlicher gewesen sein dĂŒrften; drittens, dass die Heroides ausreichend poetische DignitĂ€t besaßen, um als ganzes Werk humanistische Dichter zur imitatio und aemulatio aufzurufen, also zur konkurrierenden Nachahmung des dichterischen Vorbildes in derselben Gattung, und das hieß in der FrĂŒhen Neuzeit vor allem: in derselben Form.
Als erster nahm diesen poetischen Wettstreit Eoban Koch auf, der sich als Sonntagskind und gebĂŒrtiger Hesse zu Helius Eobanus Hessus latinisierte.9 An sein Studium in Erfurt schlossen sich einige Jahre in Preußen und Pommern an, wo Eoban in Diensten des musisch orientierten Bischofs Hiob von Dobeneck stand. Als Frucht dieser Jahre erschienen 1514 in Leipzig die Heroidum Christianarum Epistolae, von denen in den 1550er Jahren Hessus’ Biograph Joachim Camerarius vermerkte, es handle sich um ein „denkwĂŒrdiges erstes Werk, und auch insofern beachtlich, als es [Eobans] dichterische BefĂ€higung im Entstehen zeigt und ein Musterbeispiel fĂŒr seine Begabung darstellt, zumal da er sich mit der Abfassung nicht besonders anstrengte [...]“.10 Im Einklang mit diesem Lob zeigt sich der Archeget ovidischer Heroidendichtung in Deutschland poetisch und poetologisch auf der Höhe seiner Zeit. In der Widmungsvorrede an seinen Gönner Hiob von Dobeneck will er einerseits seine Heroidum Epistolae als Hommage an den großen Dichter Ovid verstanden wissen, weist aber andererseits selbstbewusst darauf hin, dass er der erste sei, der eine Nachahmung der gesamten Epistelsammlung unternehme:
Causa scribendarum epistolarum ea potissimum fuit, quod videbam ea in re nullum hactenus poetarum admodum elaborauisse, indignum ratus omnem ingenij florem in prophanis quibusdam ac frivolis occupationibus desumere.11
Der Grund, diese Briefe zu schreiben, war vor allem, dass ich bemerkte, dass sich dieses Gegenstandes bislang kein Poet angenommen hat, und ich es fĂŒr unwĂŒrdig hielt, dass jede Blume dichterischer Begabung sich irgendwelchen heidnischen und zweideutigen BeschĂ€ftigungen hingab.
Hessus sieht also die Gefahr, die humanistischen Poeten von Seiten einer christlichhumanistischen Literaturkritik drohte, durchaus, immerhin hatten sich bereits Dichterkollegen wie Michael Marullus oder Conrad Celtis wegen all...

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