Politische Theologie im frühen Judentum
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Politische Theologie im frühen Judentum

Eine Analyse der fünf Versionen des Estherbuches

Simon Bellmann

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  1. 399 pages
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Politische Theologie im frühen Judentum

Eine Analyse der fünf Versionen des Estherbuches

Simon Bellmann

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Im Mittelpunkt der Monographie stehen die fünf antiken Versionen des Estherbuches, die im Masoretischen Text, in der Septuaginta, im griechischen Alpha-Text, in der Vetus Latina und im 11. Buch der Antiquitates Judaicae des Josephus überliefert sind. Der Autor diskutiert die Textvarianten hinsichtlich der narrativen Profilierung der Figuren sowie der Diskurse politischer und göttlicher Macht. Dabei arbeitet er die Konzeptionen politischer Theologie in den Quellen heraus und ordnet sie in ihren Kontext ein. Die fünf Verarbeitungen des Esther-Stoffes erscheinen als je eigenständige Versuche frühjüdischer Identitätsbildung in der Zeit zwischen dem 4. Jh. v. Chr. und dem ausgehenden 1. Jh. n. Chr. sowie teils darüber hinaus. Insbesondere im Blick auf die altlateinische Version des Estherbuches, die hier erstmals in deutscher Übersetzung veröffentlicht ist, leistet die Studie einen gewichtigen Beitrag zur Forschung.

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Informations

Éditeur
De Gruyter
Année
2020
ISBN
9783110674552

1 Einleitung

1.1 Die Fragestellung: Politische Theologie

Nach der hellenistischen Legende, die uns die Septuaginta in 1Esdr 3 – 4 überliefert,1 ist sich der Leibwächter des Dareios sicher: In einer Monarchie herrscht der König über alle und alles; ihm gehorchen Länder, Völker und Armeen:
ὁ δὲ βασιλεὺς ὑπερισχύει καὶ κυριεύει πάντων καὶ δεσπόζει αὐτῶν, καὶ πᾶν, ὃ ἐὰν εἴπῃ αὐτοῖς, ἐνακούουσιν.
Der König aber ist mächtiger und herrscht über alle und gebietet ihnen; und in allem, was er ihnen sagt, gehorchen sie ihm.
1Esdr 4,3
Wie könnte es auch anders sein in einer Monarchie, fragt der Redner, und bringt seine Vorstellung von der Herrschaft des Königs pointiert auf den Punkt, wenn er ausruft: καὶ αὐτὸς εἷς μόνος ἐστίν·, „Und er allein ist einzig!“ (1Esdr 4,7).
Der junge Mann, der hier spricht, vertritt offenbar ein sehr konsequentes, gar radikales Konzept der Alleinherrschaft, und so manch antiker Monarch hätte ihm wohl mit Freuden zugestimmt und die eigene Ideologie umfassender Autorität über Land und Leute bestätigt gesehen. Doch so einfach ist es nicht, erhält doch der Redner, der mit seinem Beitrag die Preisfrage beantworten will, wer oder was am mächtigsten sei (ὑπερισχύω), sogleich scharfen Widerspruch von seinen Ko-Diskutanten: Der Wein beherrsche den Verstand und das Handeln selbst des mächtigsten Königs – nein, die Frauen seien die wahren Herrscherinnen im Reich, letztlich aber gebiete die Wahrheit über alles und sei die ewige Richterin über jegliches menschliche Tun. Auch viele andere antike Reflexionen über Macht und Herrschaft – in der Philosophie, in der Kunst oder in der Geschichtsschreibung – stellen fest, dass das Bild einer „absoluten“ Monarchie2 Fiktion bleiben muss und dass der Herrscher nie über unbegrenzte und unangefochtene Macht verfügt.
Dies bestätigt auch ein Blick auf die historisch verbürgten Beispiele der achämenidischen, hellenistischen und römischen Ausprägungen der „Allein“-Herrschaft, die den breiteren historischen Rahmen abstecken, in dem sich die vorliegende Arbeit bewegt. Sie zeichnen sich zwar durch eine starke Betonung der Zentralgewalt des Herrschers aus, was sich häufig in entsprechender Ideologie und Herrschaftsrepräsentation spiegelt. Jedoch ist Macht hier offenbar auf viele verschiedene Akteure verteilt; die Herrschaft des Monarchen ist daher stets legitimationsbedürftig und prekär. Machtspiele, Intrigen, Verrat und Mord am Königshof sind nicht nur ein beliebter literarischer Topos, sondern immer wieder auch historische Wirklichkeit. Der Monarch muss in seinen Bemühungen um Legitimität und Akzeptanz seiner Herrschaft die Interessen vieler verschiedener politischer Akteure berücksichtigen, will er der Gefahr des Herrschaftsverlustes durch Putschversuche oder Bürgerkriege erfolgreich begegnen.3 Dieser Zusammenhang liegt darin begründet, dass Macht, auch politisch wirksame Macht als notwendiges Element von Herrschaft, verschiedene Ausprägungen haben kann.
Auf diesen Umstand verweist uns auch die klassisch zu nennende soziologische Definition von „Macht“, wie sie Max Weber formuliert hat: „Macht bedeutet jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel, worauf diese Chance beruht.“4 Weber betont dabei, Macht sei „soziologisch amorph. Alle denkbaren Qualitäten eines Menschen und alle denkbaren Konstellationen können jemand in die Lage versetzen, seinen Willen in einer gegebenen Situation durchzusetzen.“5 In der Tat kann sich Macht aus vielerlei unterschiedlichen Quellen speisen, was auch in der neueren sozial- und politikwissenschaftlichen Diskussion hervorgehoben wird. Machtquellen eröffnen den Zugang zu verschiedenen Machtmitteln, d. h. zu „Medien der Machtausübung“, wie es Peter Imbusch formuliert: „Sie stellen die Trümpfe in Machtspielen dar, mit ihnen werden Konflikte ausgefochten, kann Widerstand geleistet oder gebrochen werden.“6 Dass jede Form der Herrschaft, also institutionalisierter bzw. durch Legitimität abgesicherter Macht,7 darauf Rücksicht nehmen muss, liegt auf der Hand. Daher überrascht es nicht, dass wir in antiken Quellen solch vielfältige Reflexionen darüber finden, dass Machtquellen und ‐mittel im o. g. Sinne nirgends allein in den Händen des Monarchen liegen, sondern sich auf viele unterschiedliche Akteure in einem verzweigten Netzwerk von Machtbeziehungen verteilen. Sie bilden damit jeweils höchst individuelle, komplexe und sich dynamisch verändernde Machtstrukturen aus, in denen nach antiker Vorstellung sogar Dinge und Abstrakta ihren Platz haben können, wie das oben skizzierte Beispiel aus 1Esdr zeigt.8
Reflexionen oder Imaginationen solcher Machtstrukturen werden nun jedoch dort um eine weitere Komplexitätsstufe ergänzt, wo einer Gottheit bzw. den Göttern Macht oder Herrschaft zugeschrieben wird. Hiermit befinden wir uns am Übergang zwischen politischer Reflexion im engeren Sinne und politischer Theologie, wie sie in dieser Arbeit verstanden wird: Das Nachdenken über Macht und Herrschaft im Bereich des Politischen, d. h. im Bereich der Ordnung und Steuerung von Gemeinwesen, wird verbunden mit Aussagen über die Macht und Herrschaft von Göttern. Dabei kann zunächst kaum verwundern, dass einer Gottheit Prädikate der Macht und der Herrschaft beigelegt werden: Der Begriff „Gott“ oder „Gottheit“ impliziert immer schon die Zuschreibung von Macht, insofern sich hinter ihm die Vorstellung einer übermenschlichen, oft auch übernatürlichen Kraft verbirgt. So lässt sich in beinah jedem religiösen Symbolsystem, beinah jeder religiösen Vorstellungswelt das Phänomen beobachten, dass Aussagen über Gott oder Götter, d. h. theologische Aussagen,9 mithilfe einer Begrifflichkeit formuliert werden, die auch in Diskursen im Bereich des Politischen Verwendung findet. Ein hellenistisches Beispiel aus dem Bereich der Stoa mag dies verdeutlichen: In seinem Hymnus an Zeus ruft Kleanthes von Assos seinen Gott an als ewig Allmächtigen (παγκρατὲς αἰεί Kleanth. H. 1), als Ur-Herrscher über die Natur (φύσεως ἀρχηγέ 2), als höchsten König über alles (ὕπατος βασιλεὺς διὰ παντός 14), der mit seinem Gesetz und in Gerechtigkeit alle Dinge regiert (νόμου μέτα πάντα κυβερνῶν 2; δίκης μέτα πάντα κυβερνᾷς 35).10
Diese sprachlichen Koinzidenzen verweisen nun allerdings auf eine tieferliegende, konzeptionelle Herausforderung, die in der vorliegenden Arbeit als das Problem der „politischen Theologie“ bezeichnet wird. Dieses betrifft die inhaltliche Schnittmenge zwischen politischem und theologischem Reden bzw. Denken, aufgrund derer diese beiden Bereiche sachlich untrennbar ineinander verwoben und letztlich nur modellhaft zu unterscheiden sind. Wer Göttern Macht und Herrschaft zuschreibt, muss sich zugleich fragen, in welchem Verhältnis diese zur Macht und Herrschaft von Menschen steht. Wenn mein Gott über die Welt herrscht, wie setzt er dann seine Herrschaft ganz konkret und politisch wirksam um? Wenn der von mir verehrte Gott z. B. „König“ ist, was heißt das dann für sein und mein Verhältnis zu jenem menschlichen König, mit dessen politischen Entscheidungen ich tagtäglich konfrontiert bin? Hier sehen wir bereits: Theologische Aussagen können politische Implikationen haben oder von politischen Ideen beeinflusst sein – umgekehrt gilt dasselbe. Dieser Problembereich soll mit dem Begriff „politische Theologie“ erfasst werden.
Unter dem Stichwort „politische Theologie“ werden seit Langem verschiedene Debatten geführt, die teils miteinander verwandt sind, teils aber auch kaum strukturelle oder inhaltliche Bezüge zueinander aufweisen.11 Sie brauchen hier nicht erörtert zu werden, da sie zumeist nicht wesentlich zum in dieser Arbeit vorausgesetzten Verständnis von „politischer Theologie“ beitragen. Dieses schließt sich in Teilen dem Begriffsgebrauch bei Jan Assmann an. Mit ihm lässt sich politische Theologie verstehen als Reflexion der
wechselvollen Beziehungen zwischen politischer Gemeinschaft und religiöser Ordnung […]. Politische Theologie entsteht dort, wo solche Probleme in Formen verhandelt werden, die die Götter bzw. Gott einbeziehen. […] Es geht bei den Fragestellungen der Politischen Theologie also um die implizite Theologie des Politischen (das ist z. B. der Fall bei Carl Schmitt) sowie um die implizite Politologie, Soziologie und auch Anthropologie theologischer oder allgemein religiöser Diskurse.12
Assmann ist in seinem Werk Herrschaft und Heil vor allem am entstehungsgeschichtlichen Zusammenhang zwischen politischen und theologischen Begriffen interessiert. Er steht damit Carl Schmitt gegenüber, der Begriffe und Konzepte des Politischen als Ableitungen aus theologischen Ideen verstehen wollte (gewissermaßen als Säkularisierung). Assmann führt demgegenüber eine Tradition weiter, die vor allem die gegenläufige Entwicklung betont:
Es soll gezeigt werden, daß der Prozeß der Säkularisierung auch eine Gegenrichtung hat. Diesen Prozeß nenne ich ‚Theologisierung‘ und möchte ihn anhand des Theologischwerdens zentraler politischer Begriffe nachweisen, genauso wie Carl Schmitt den Prozeß der Säkularisierung anhand des Politischwerdens zentraler theologischer Begriffe nachweisen wollte.13
Im Unterschied und in Ergänzung zu der diachron orientierten Frage nach der „Theologisierung“ oder „Säkularisierung“ von Herrschaftsbegriffen befasst sich die vorliegende Arbeit mit den gewissermaßen „synchronen“ Aspekten politischer Theologie, d. h.: Wie werden politische und theologische Ideen in konkreten politisch-theologischen Konzeptionen miteinander verbunden? Gegenüber nicht-theologischen politischen Konzeptionen ist hier von entscheidender Bedeutung, welche Rolle Gott oder den Göttern im Verständnis (guter) politischer Ordnung zugedacht wird. Wie wird das Verhältnis zwischen göttlichen und menschlichen Mächten, Herrschenden, Königinnen und Königen bestimmt? Wie wird die praktische Durchsetzung göttlicher „Herrschaft“ imaginiert, die in einer potenziellen Spannung steht zur Herrschaft von Menschen? Mit dieser Kernfrage politischer Theologie, wie sie hier verstanden wird, verbinden sich weitere Aspekte. So stellt sich mit jeder Aussage über göttliche Herrschaft über die Welt etwa sogleich die Frage nach der theologischen Legitimität oder Illegitimität ganz konkreter Modelle menschlicher Herrschaft. Politisch-theologische Konzeptionen stehen damit in einem engen wechselseitigen Verhältnis zu politischen Interessen und Erfordernissen; zugleich können sie zur individuellen oder kollektiven Handlungsorientierung beitragen.

1.2 Der historische Rahmen: Politische Theologien im frühen Judentum

Die vorliegende Arbeit bezieht die Frage politischer Theologie auf das historische Beispiel des frühen Judentums, d. h. jüdischer Gemeinschaften in der persischen, hellenistischen und römischen Welt. Das Problem politischer Theologie, das oben mit Aussagen aus dem Zeushymnus des Kleanthes illustriert worden ist, lässt sich in ganz ähnlicher Weise in israelitisch-jüdischen Überlieferungen entdecken, wenn etwa der Psalmbeter bekennt:
‏כִּי מֶלֶךְ כָּל־הָאָרֶץ אֱלֹהִים זַמְּרוּ מַשְׂכִּיל (9) מָלַךְ אֱלֹהִים עַל־גּוֹיִם אֱלֹהִים יָשַׁב עַל־כִּסֵּא קָדְשׁוֹ‎‏‎
Denn Gott ist König der ganzen Welt; lobsingt ihm mit einem Psalm! (9) Gott herrscht als König über die Völker; Gott sitzt auf seinem heiligen Thron.
Ps 47,8 – 9
Mit der Ausbildung und Transformation einer Vielzahl theologischer Konzepte in der Perser...

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