Lyrisches ErzÀhlen
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Lyrisches ErzÀhlen

Eine Gattungsgeschichte der DDR-Ballade

Marianne Schwarz-Scherer

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  1. 340 pages
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Lyrisches ErzÀhlen

Eine Gattungsgeschichte der DDR-Ballade

Marianne Schwarz-Scherer

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Mit einer Gattungsgeschichte der Ballade fragt diese Untersuchung nach einem Spezifischen der DDR-Literatur, jenseits von kulturpolitischen Richtlinien und Eckdaten. DafĂŒr werden Textbeispiele aus dem Zeitraum 1945 bis 1989 mit narratologischen Kriterien analysiert. Die Ergebnisse belegen eine immanente Evolution der Poetik, in der sich schon frĂŒh die Konventionen des sozialistischen Realismus relativiert zeigen. Denn in den fĂŒnfziger Jahren entwickelt sich eine poetische Alternative, fĂŒr die die Ballade als ein Prototyp gelten kann: das lyrische ErzĂ€hlen. Von Seiten der Ästhetik in der DDR dank der Zuordnung der Ballade zur Lyrik und der daran gebundenen Verpflichtung auf SubjektivitĂ€t autorisiert, ist die Gattung als subjektive DomĂ€ne prĂ€destiniert und narrativ fĂŒr autofiktionale Verfahren bis hin zur "RĂŒckkehr des Autors" offen. Vielfach nehmen die Gedichte schon eine postmoderne Poetik vorweg, in der jedoch immer ein Typisches der Literatur und ihrer Geschichte in der DDR eingeschrieben bleibt – AuthentizitĂ€t.

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Informations

Éditeur
De Gruyter
Année
2021
ISBN
9783110709353

1 Zur Heuristik der Gattungsgeschichte

1.1 Norm und Abweichung – Modell einer gattungsgeschichtlichen Untersuchung

In seiner „Philosophie der Literatur“, Norm und Abweichung1, greift Harald Fricke einen strukturfunktionalen, ehemals formalistischen Ansatz auf, der von Jurij Tynjanov in den 1930er Jahren entwickelt wurde. FĂŒr eine Gattungsgeschichte nach dieser Abweichungspoetik mĂŒssen der zu betrachtenden Gattung „systematische Merkmale“2 zugrunde gelegt werden, wie sie ein „transhistorischer Ordnungsbegriff“3 bereitstellt und eine Gattungsbestimmung als „literarische Textsorte“ erfĂŒllt. Deren Merkmale, „Quasi-Normen“ benannt, „beruhen ausschließlich auf faktischer Gewöhnung an hĂ€ufig wiederkehrende Strukturen“4. Literarische oder poetische Abweichungen von diesen Quasi-Normen bilden das Norm-Abweichungs-Korrelat gleichsam auf zweiter Stufe ab, sodass „VerstĂ¶ĂŸe gegen literarhistorische Quasi-Normen [als] sekundĂ€re Abweichungen“ zu betrachten sind.5 Diese sekundĂ€ren Abweichungen finden ihren Ausdruck im „Genre“, das Fricke, rekursiv zur literarischen Textsorte, als „historische Institution“ erlĂ€utert, „als eine historisch verfestigte Form ‚institutionalisierter Textgruppen und -reihen‘“ – wie Fricke im Jahr 2010 noch einmal und mit ausdrĂŒcklichem Bezug auf Wilhelm Voßkamp bestĂ€tigt –, „‚die vom Lesepublikum als solche wiedererkannt werden können und ein eigenes Beharrungsvermögen aufweisen, aber zeitlich begrenzte Dauer und Funktion haben‘“.6
Nach Fricke können „poetische Abweichungen“ in den Bereichen „Graphik und Phonetik“, „Interpunktion“, „Phonologie“, „Morphologie“, „Lexik“, „Syntax“, „Textematik“, „Semantik“ und „Pragmatik“ auftreten. FĂŒr FiktionalitĂ€t werden Abweichungen von der „empirische[n] Wirklichkeit“ – so in der realistischen Fiktion – und von der „empirische[n] Möglichkeit“ – so in der phantastischen Fiktion – angefĂŒhrt, wĂ€hrend Abweichungen von „logische[r] Möglichkeit“ den stilistischen Elementen wie Oxymoron oder Paradoxon ebenso wie einigen FĂ€llen der „Potenzierung“7 zugrunde liegen, darunter Metalepsen und anderen selbstreflexiven Verfahren.8
Um jeweils als poetische Abweichung zu gelten, ist sie an Funktionen gebunden, die auf Wirkung abzielen. Der Funktionsbegriff wird von Fricke ausdrĂŒcklich als „Dispositionsbegriff“ beschrieben, denn wie die Funktion einer Normabweichung selbst nur „intersubjektiv“ ermittelbar ist, lĂ€sst sich auch ihre Wirkung nur in der Weise bestimmen, ob eine „sprachliche Normverletzung“ „eine bestimmte Wirkung hĂ€tte ausĂŒben können“9. Dabei kann sich die Funktion auf „Tatsachen innerhalb des Textes“ berufen, wie beispielsweise die in versifizierten Texten normabweichende Segmentierung; diese wird von Fricke als „interne Funktion“ bezeichnet. Bezieht sich die Funktion hingegen auf eine „Tatsache außerhalb des Textes“, wie sie gesellschaftliche oder politische Kontexte vorgeben, handelt es sich um eine „externe Funktion“10. „Eine Abweichung von sprachlichen Normen“ erfĂŒllt eine Funktion immer dann, „wenn sie eine Beziehung herstellt, die ohne diese Normabweichung so nicht bestĂŒnde.“11
Über das der Gattungsgeschichtsschreibung als „Quasi-Normen“ angediente ‚Instrumentarium‘ lassen sich ZĂ€suren innerhalb der literarischen Entwicklung als Abweichungen bestimmen, die – bei Übereinstimmung in mehreren Gattungen – zur Epochenbestimmung der Literaturgeschichtsschreibung beitragen können.

1.2 Die literarische Textsorte „Ballade“

Christian Wagenknecht bestimmt in seinem Artikel „Ballade“12 die Gattung Ballade zunĂ€chst als eine „[g]edicht-, meist liedförmige ErzĂ€hlung einer merkwĂŒrdigen Begebenheit“ und erlĂ€utert dies mit folgender Explikation: „(1) Fiktionaler Text (2) geringen Umfangs (3) in Versen, worin (4) ein konflikthaftes Ereignis (5) erzĂ€hlt wird.“13 Diese eher allgemein gehaltene und sowohl formale als auch strukturelle Charakteristika umfassende Beschreibung prĂ€zisiert er in einem zweiten Schritt, indem er die Ballade nach Maßgabe eines systematischen, transhistorischen Ordnungsbegriffs und folglich als literarische Textsorte definiert. Die Bestimmungen (1) bis (5) sind daher als Quasi-Normen zu betrachten, an die die Forderung nach ‚TrennschĂ€rfe‘14 gegenĂŒber anderen Gattungen gestellt wird. Zugleich soll der Begriff aufgeschlossen und flexibel gegenĂŒber historisch abweichenden Erscheinungen sein, wofĂŒr Fricke den notwendigen Merkmalen auch alternative Merkmale zur Seite stellt.15 Indem Wagenknecht optionale Erscheinungsweisen der Gattung benennt, erhĂ€lt seine „klassifizierende Explikation die gewĂŒnschte Geschmeidigkeit oder Geschichtsförmigkeit des Gattungsbegriffs“16.
Die Merkmale „fiktionaler Text“ und ‚ErzĂ€hlen‘ fĂŒhrt Wagenknecht als eigenstĂ€ndige, jedoch in Korrelation stehende Bedingungen fĂŒr die Ballade an. Fiktionen sind zunĂ€chst textgebunden bestimmt, setzen somit zumindest „[a]ls eine Art kleinsten gemeinsamen Nenners“17 thematische und semantische KohĂ€renz sowie KohĂ€sion innerhalb eines ErzĂ€hltextes voraus; zugleich ist der fiktionale Text an das ErzĂ€hlen und, nach klassischer Definition, an eine Vermittlungsfunktion, ein „ErzĂ€hlsubjekt“18, gebunden, das die fiktionale ErzĂ€hlung prĂ€sentiert. Histoire, rĂ©cit und narration in der Terminologie GĂ©rard Genettes scheinen Wagenknecht als Merkmalsbestimmung von Fiktion in der Ballade zu dienen, das heißt, Fiktion wird vor dem Hintergrund narratologischer Elemente bestimmt.
Ähnlich verfĂ€hrt Frank Zipfel in seiner Fiktionstheorie,19 die davon ausgeht, dass „in jede ErzĂ€hltheorie fiktionstheoretische Annahmen eingehen und jede Fiktionstheorie mit erzĂ€hltheoretischen Unterscheidungen operiert.“20 Daher werden in dieser gattungsgeschichtlichen Untersuchung die Quasi-Normen „fiktionaler Text“ und ‚ErzĂ€hlen‘ unter dem Oberbegriff ‚fiktionales ErzĂ€hlen‘ erfasst und betrachtet.
Der Schwerpunkt der gattungsgeschichtlichen Untersuchung liegt auf dem narratologischen Aspekt der fiktionalen ErzĂ€hlung. Doch statt auf GĂ©rard Genette wie Zipfel beruft sich die vorliegende Untersuchung auf Wolf Schmids Elemente der Narratologie21. Dabei ist Schmids „Doppelstruktur der Kommunikation im literarischen ErzĂ€hlwerk“22 kompatibel mit Zipfels Fiktionsmodell, ermöglicht aber aufgrund semiotisch und strukturalistisch fundierter narratologischer Grundlagen eine differenziertere, produktions- wie rezeptionstheoretische Aspekte umfassende Analyse der narrativen Verfahren.
Wagenknechts auf TrennschĂ€rfe ausgerichtete weitere Explikation zum Merkmal „[f]iktionaler Text“ wird als Aspekt der FiktivitĂ€t oder, in der Terminologie Wolf Schmids, der „erzĂ€hlte[n] Welt“23 deutlich, wenn er die mögliche „historische VerbĂŒrgtheit des Geschehens“24 anfĂŒhrt und darĂŒber die Frage der Referenz berĂŒhrt – in der Geschichtsballade als das „Geschehen“25 Grundlage der erzĂ€hlten Geschichte.26
Wagenknechts ErlĂ€uterung der Quasi-Norm ErzĂ€hlen verweisen nicht nur hinsichtlich der ErzĂ€hlweise in „szenische[n] Formen“ auf einen „weiten“ ErzĂ€hlbegriff, ĂŒber den der Ballade die ganze „Mannigfaltigkeit der erzĂ€hlerischen Darstellungsmittel“27 zur VerfĂŒgung steht. Der weite Begriff hat auch Konsequenzen fĂŒr das „ErzĂ€hlgedicht“, das er in einem „Verweis-Stichwort“28 und auf ‚Augenhöhe‘ mit der Romanze anfĂŒhrt. Die Bezeichnung „ErzĂ€hlgedicht“ wĂ€hlte Heinz Piontek fĂŒr die neuere Balladenliteratur, die er mit der Gattungsbezeichnung „Ballade“ nicht mehr erfasst sah.29 Seine recht vage Argumentation wurde von literaturwissenschaftlicher Seite von Heinz Graefe prĂ€zisiert.30 In dessen Untersuchung wird das „ErzĂ€hlgedicht“ auf der Grundlage linguistischer und sprechakttheoretischer Kriterien nach Typen der PrĂ€sentationsweisen einer Geschichte klassifiziert,31 die RĂŒdiger Zymner als Differenzierung nach lyrischen oder epischen „Attraktoren“ und dementsprechender Alternation von „epischer Lyrik“ oder „lyrischer Epik“ auf...

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