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Aktuelle FĂŒhrungssituation
1.1 FĂŒhrungskultur in deutschen Unternehmen
Ein Unternehmen sollte als Ganzes eine â wie auch immer geartete â durchgĂ€ngige FĂŒhrungsphilosophie besitzen. Es reicht nicht aus, in einer HochglanzbroschĂŒre wohlklingende FĂŒhrungsgrundsĂ€tze niederzuschreiben. Diese mĂŒssen auch auf allen Unternehmensebenen gelebt werden. Dazu sollte die Unternehmensleitung vorbildhaft vorangehen sowie stetig darauf hinwirken, dass die FĂŒhrungskrĂ€fte klare Vorstellungen von den geltenden FĂŒhrungsprinzipien haben und mit ihren Mitarbeitern entsprechend umgehen.
AuĂerdem sind die passenden Rahmenbedingungen zu gewĂ€hrleisten. Dazu sollten die folgenden Komponenten auf einer einheitlichen FĂŒhrungsphilosophie beruhen und aufeinander abgestimmt sein:
Leider ist es hinsichtlich der FĂŒhrungskultur in den deutschen Unternehmen nicht zum Besten bestellt. Die Untersuchungen des Gallup Instituts zeigen, dass gut zwei Drittel der BeschĂ€ftigten sich nur wenig mit ihrem Unternehmen verbunden fĂŒhlen und mehr oder weniger âDienst nach Vorschriftâ machen. Rund 15 Prozent haben sogar bereits innerlich gekĂŒndigt. Was echtes Mitarbeiterengagement anbelangt, nimmt Deutschland bei europĂ€ischen Vergleichen mittlerweile einen der hinteren RĂ€nge ein. Allen voran zeichnen sich skandinavische Unternehmen durch eine besonders offene Kommunikationskultur und daraus resultierende hohe Mitarbeiterzufriedenheit aus.
1.2 Geschichtliche VerĂ€nderungen des FĂŒhrungsverstĂ€ndnisses
WĂ€hrend der Nachkriegszeit haben sich nicht nur die politischen und wirtschaftlichen VerhĂ€ltnisse in Deutschland kontinuierlich geĂ€ndert, sondern es hat sich auch das allgemeine FĂŒhrungsverstĂ€ndnis grundlegend gewandelt. NaturgemÀà hat sich das auch auf die FĂŒhrungskulturen von Organisationen ausgewirkt mit entsprechenden Folgen fĂŒr FĂŒhrungsstile sowie das Kommunikationsverhalten der FĂŒhrungskrĂ€fte.
FĂŒhren in frĂŒheren Epochen
FĂŒhrungskrĂ€fte konnten sich frĂŒher weitestgehend auf ihre AmtsautoritĂ€t und ihren Wissensvorsprung verlassen. Das galt nicht nur fĂŒr MilitĂ€r und Polizei sowie öffentliche Verwaltungen, sondern ebenso fĂŒr Handwerks- und Industriebetriebe. Ăber viele Generationen hinweg praktiziert, war diese Art des FĂŒhrens die NormalitĂ€t und wurde gesellschaftlich weitgehend akzeptiert. Denn auch die Erziehung in Elternhaus, Kindergarten oder Schule basierte auf diesen Prinzipien.
Noch bis in die ersten Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg wurde in Deutschland nahezu ausschlieĂlich nach dem Prinzip von Anordnung und Gehorsam gefĂŒhrt.
Diese Art des FĂŒhrens wird in der klassischen FĂŒhrungslehre als der âautokratische FĂŒhrungsstilâ bezeichnet, abgeleitet vom griechischen âAutokratorâ, dem âAlleinherrscherâ. In der neuzeitlichen Fachliteratur wird er oft als der âautoritĂ€reâ Stil bezeichnet, und zwar meist in negativem Sinn. Was jedoch ein sprachlicher Missgriff ist, denn dieses Wort stammt ab vom lateinischen âauctoritasâ, was so viel wie âAnsehen, Geltungâ bedeutet â also etwas Positives benennt. In der Zusammensetzung âFachautoritĂ€tâ ist es auch nach wie vor im positiven Sinn gebrĂ€uchlich.
Dem gegenĂŒber steht der âdemokratische FĂŒhrungsstilâ (griechisch âdemosâ, deutsch âVolkâ). Hierbei haben die Meinungen und Belange der Mitarbeiter einen hohen Stellenwert. Mitunter wird auch der sogenannte âLaisser-faire-Stilâ erwĂ€hnt (französisch âmachen lassenâ), was jedoch eine Nicht-FĂŒhrung bedeutet und somit streng genommen nicht als FĂŒhrungsstil gelten kann.
Wandel der FĂŒhrungsphilosophien
Selbst noch in den 1960er-Jahren wurde in den meisten deutschen Unternehmen der autokratische FĂŒhrungsstil praktiziert â und das durchaus erfolgreich. Passte er doch zu den ausgesprochen hierarchischen Unternehmensstrukturen sowie den arbeitsorganisatorischen Regelungen und war die gesellschaftlich anerkannte Art des Umgangs mit âUntergebenenâ (so der damals ĂŒbliche Sprachgebrauch). Die damit gelegentlich einhergehenden menschlichen Probleme wirkten sich in der Regel nicht nennenswert auf den Gesamterfolg der Unternehmen aus.
Anders in den USA. Hier fĂŒhrte bereits in den 1940er-Jahren die fortgeschrittene Optimierung der industriellen ArbeitsablĂ€ufe zu der Erkenntnis, dass weitere ProduktivitĂ€tssteigerungen nur noch ĂŒber den Faktor Mensch zu erreichen seien. Amerikanische Wissenschaftler entwickelten daher neue effizienzsteigernde FĂŒhrungsmodelle und FĂŒhrungstechniken. Dazu gehörten vor allem die zahlreichen âManagement-by-Konzepteâ, die in den folgenden Jahrzehnten empfohlen und praktiziert wurden. Als die am weitesten verbreiteten seien hier das âManagement by Objectivesâ und das âManagement by Delegationâ genannt.
Im Zuge des rasanten Wirtschaftswachstums in der Bundesrepublik Deutschland seit Ende der 1950er-Jahre wurden dann auch hierzulande in den Unternehmen zunehmend neuartige FĂŒhrungskonzepte eingefĂŒhrt, um die Produktionsleistungen zu steigern. Hinzu kamen von deutschen Wissenschaftlern entwickelte neuartige FĂŒhrungskonzepte wie das âHarzburger Modellâ (Prinzip der Verantwortungsdelegation) oder der sogenannte âKooperative FĂŒhrungsstilâ.
Allerdings fĂŒhrte das nahezu inflationĂ€re Propagieren immer neuer FĂŒhrungskonzepte und -stile sowohl bei Managern als auch bei LehrkrĂ€ften zunehmend zu Irritationen und Orientierungslosigkeit. Es stellte sich zunehmend die Frage, welche der FĂŒhrungsempfehlungen denn nun das wirksamste Erfolgsrezept sei. Bei Licht betrachtet zeigte sich jedoch, dass alle im Wesentlichen auf ein demokratisches FĂŒhren hinausliefen und sich lediglich hinsichtlich der einzusetzenden FĂŒhrungstechniken und -instrumente unterschieden.
Bei der praktischen Anwendung wurde auĂerdem offenbar, dass alle Konzepte je nach Zielsetzung und Rahmenbedingungen ihre StĂ€rken, aber auch SchwĂ€chen aufweisen. Beispielsweise liegt dem mancherorts auch heute noch praktizierten Management by Objectives die Philosophie zugrunde, den Mitarbeitern lediglich die Arbeitsziele prĂ€zise vorzugeben und es ihnen freizustellen, auf welchen Wegen sie diese erreichen. Bald jedoch kam es zunehmend zu der ernĂŒchternden Erkenntnis, dass sich unterschiedliche Arbeitsweisen trotz qualitativ und terminlich gleichwertiger Ergebnisse durchaus unterschiedlich auf den Unternehmenserfolg auswirken können: etwa wegen eines unterschiedlich sparsamen Einsatzes von materiellen oder personellen Ressourcen. Mitunter fĂŒhrten diese Erfahrungen dazu, zunĂ€chst eingefĂŒhrte Konzepte wieder zu verwerfen und immer wieder neue zu erproben. Oder man resignierte und kehrte schlieĂlich zu den alten intuitiven FĂŒhrungsgewohnheiten zurĂŒck.
Autokratisches versus demokratisches FĂŒhren
Auch Ă€nderte sich wenig an dem jahrzehntelangen, teilweise ideologisch geprĂ€gten Widerstreit zwischen Wissenschaftlern und Praktikern, ob denn nun ein autokratisches oder demokratisches FĂŒhren letztendlich effizienter ist. SpĂ€t, aber letztlich setzte sich anfangs der 1970er-Jahre die Erkenntnis durch, dass es keinen âeinzig richtigenâ FĂŒhrungsstil geben kann.
Es hĂ€ngt vielmehr von der jeweiligen FĂŒhrungssituation ab, welche Art der FĂŒhrung erfolgreicher ist. WĂ€hrend in Krisen- oder Gefahrensituationen eine schnelle autokratische Alleinentscheidung des Hauptverantwortlichen unverz...