Der Engel von Harlem
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Der Engel von Harlem

Die Lebensgeschichte der ersten farbigen Ärztin in New York

Kuwana Haulsey, Dieter Fuchs

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  1. 416 pages
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Der Engel von Harlem

Die Lebensgeschichte der ersten farbigen Ärztin in New York

Kuwana Haulsey, Dieter Fuchs

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À propos de ce livre

May Chinn trĂ€umt davon, Pianistin zu werden. Aber in den 1920er Jahren ist es unmöglich, sich als Farbige in New York zu behaupten. Als ihr ein rassistischer Professor sagt, dass sie keine Chance auf eine große Karriere hat, studiert sie Medizin. Auch hier wird sie mit heftigem Widerstand konfrontiert - und doch gelingt es ihr, die erste schwarze Ärztin New Yorks zu werden.Kuwana Haulsey hat dem faszinierenden Leben der Ärztin May Edward Chinn (1896 - 1980) ein poetisches Denkmal gesetzt - ein Leben des leidenschaftlichen Kampfes fĂŒr die Ärmsten der Armen in Harlem. Immer wieder setzte sie ihr eigenes Leben aufs Spiel, um andere zu retten, fĂŒhrte Operationen auf KĂŒchentischen durch und kĂ€mpfte darum, junge MĂ€dchen vor einem Leben auf der Straße zu bewahren. Die Tochter eines noch als Sklave geborenen Mannes war in der "Harlem Renaissance" aktiv, einer von politischen Unruhen und kĂŒnstlerischen Aufbegehren geprĂ€gten schwarzen Bewegung im New York um 1920, die sich fĂŒr die Rechte der Farbigen einsetzte. May Chinn war Mitglied der Akademie der Wissenschaften sowie eine anerkannte Pionierin im Bereich der Krebsforschung.

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Informations

Année
2021
ISBN
9783825162368
TEIL DREI

Kapitel 15

I’ve known rivers:
I’ve known rivers ancient as the world and older than the
flow of human blood through veins.
My soul has grown up deep like the rivers.
Liebe ist das Einzige, was zĂ€hlt auf der Welt. Es gibt so viel Liebe, so viel Helligkeit hier, dass ihre Strahlung mir manchmal im Herzen weh tut. Ich suche mich zu entspannen und mich ihr hinzugeben, mich zu einem BehĂ€ltnis zu machen, das groß genug ist, auch nur ein Fetzchen davon aufzunehmen, doch nie bin ich mir sicher, ob es mir gelungen ist oder nicht. Ich muss einfach lieben. Aber es kann einem so viel Angst machen, seine Nacktheit jemand anderem zu FĂŒĂŸen zu legen, ihn dabei zusehen zu lassen und selbst nicht zu wissen, ob die Aufrichtigkeit und die Anerkennung der Liebe auch in den Augen aufscheinen, die deinen Blick erwidern. Nicht einmal, wenn es deine eigenen sind. Du öffnest dein Herz und weißt, dass es so etwas wie den Besitz einer anderen Person nicht geben kann, weißt, dass Hingabe, also Wandel, der einzige Modus ist, in dem die Welt funktioniert, und dass dieses Wissen irgendwo, irgendwie, tief im Innern, gut sein muss. Du liebst, bis das Blut dieser Liebe im Mark deiner Knochen erstarrt, und, weiter noch, bis an die Stellen deines Atems und deines ganzen Daseins, die rein körperlich gar nicht vorhanden sind und dennoch den Formen ihr Leben geben, diesen abgeriegelten, von Außenwirkung abhĂ€ngigen Mauern. Dort lebe ich.
Dort habe ich ihn verloren.
Zu viele Tode. Zu viel Trauer in mir, die in Spiralen aufsteigt und meine Lungen verstopft, sodass ich nicht atmen kann. Die Schlagartigkeit des Schmerzes, wie wenn man sich verbrennt und das Fleisch zusammenbrutzelt und die Haut sich ablöst, wenn das Brandzeichen wieder abgenommen wird. Genauso sieht es in mir aus. Glattes Fleisch, gesunde Haut, weich und sauber, und dann auf einmal ist nichts, wie es vorher war, und man kann nichts, aber auch rein gar nichts tun, um es rĂŒckgĂ€ngig zu machen. Kein Weg zurĂŒck. »Ich liebe dich« liegt bedeutungslos und leer in deiner Kehle, runtergeschluckt durch puren Zufall. Wie soll man damit leben? (Womit gleichzeitig gesagt ist, dass man damit nun mal lebt. FĂŒr immer.) Was ich eigentlich wissen möchte, ist, wie man es anstellt, damit nicht mehr leben zu mĂŒssen. Wie man das loswerden kann. Wie ich es anstellen muss, mich nicht mehr dafĂŒr zu hassen, dass ich lebe und er nicht. Wie ich endlich damit aufhören kann, mir zu wĂŒnschen, ich könnte mich an seiner Stelle hingeben, aufhören, all die Dinge nachzurechnen, die ihm und nicht mir die grĂ¶ĂŸere Daseinsberechtigung geben. Ich muss wissen, wie ich wieder uns beide lieben kann.
Im Nachgang trĂ€umte ich viele NĂ€chte in aller LĂ€nge und Breite von Coleman, wie von einem Baum ohne Äste, hoch wie ein Fluss und so dick, dass zwanzig MĂ€nner, Fingerspitze an Fingerspitze, ihn gerade so umfassen konnten. GefĂ€llt von unsichtbaren HĂ€nden und so, dass ich gerade noch ausweichen konnte, kippte der Baum krachend um und rutschte unaufhaltsam den steilen Abhang eines Berges hinunter. Wogen von Schlamm rissen mich mit, und ich ritt auf einer Lawine aus aufgeschleuderter Erde, die sich in seinem Gefolge den Weg ins Tal bahnte.
Aber dieser Traum war nur die eine Variante, wie sein Gesicht mir erschien. Viele andere begannen um mich herum aufzutauchen. Und die erstarrten Teile meines Bewusstseins zu riechen, zu berĂŒhren und zu schmecken. Die sich der Erinnerung weit öffneten. Und auf einmal schien es, als sei alles wieder da. Seine sĂŒĂŸen Augen mit den schweren Lidern. Darunter sein weicher Mund. KrĂ€ftige HĂ€nde, Haut wie die aufgewĂŒhlte Erde in meinem Traum, HandflĂ€chen wie der Staub, der den Boden zu Beginn bedeckte, bevor der Herbst kam.
Coleman hatte die Angewohnheit, jedem, der vorbeikam, aufmunternd zuzunicken, egal, ob er ihn kannte oder nicht. Doch erst, als mir endgĂŒltig klar wurde, dass ich ihn nie wiedersehen wĂŒrde, fing ich an zu spĂŒren, wie liebevoll eine derartige Aufmerksamkeit doch war. Und das war etwas, womit ich nicht leben konnte. Warum wurden mir mit einem Schlag all diese Formen der Liebe so bewusst wie nie zuvor, nur weil der Tod ihn an Stellen und auf eine Art berĂŒhrt hatte, wie ich es nie gekonnt hatte? Ich hatte keine Ausrede.
Fast ein Jahr lang lebte ich so dahin, die Tage gingen so gut wie nahtlos ineinander ĂŒber. Sie bedeuteten mir kaum etwas, in keiner Hinsicht.
Freunde kamen, um mir ihr Beileid auszusprechen, und verschwanden rasch wieder in ihren Lebensalltag, ohne recht zu wissen, wie man mit einem Tod wie diesem umgeht. Coleman war nicht Opfer eines Lynchmordes oder eines PolizeiĂŒbergriffs oder einer Krebskrankheit oder auch nur eines Messerstichs geworden. Nur ein Unfall. Mir aus den Armen gerissen von einem steinigen Fluss. An einen Baumstamm gedrĂŒckt, einen halben Meter, vielleicht sogar weniger, unter der WasseroberflĂ€che, wĂ€hrend die Luft langsam aus seinen Lungen entwich. Wozu sollte man in einem solchen Fall die Köpfe zusammenstecken?
Papa redete nicht mehr mit mir, nachdem Coleman gestorben war, als sei ich irgendwie schuld an seinem Tod. Aber diesmal war es so, dass ich mir diese Stille sehnlichst wĂŒnschte. Manchmal dachte ich, ich wĂŒrde ihm – sollte er tatsĂ€chlich kein einziges Wort mehr an mich richten – an seinem Totenbett nur eines sagen, nĂ€mlich Danke. Auch Mama schwieg. Monatelang. Aber ihr Schweigen war anders. Es war nicht voller Bedauern und Furcht und Scham und Trauer. Mit ihrem Schweigen konnte ich leben, weil es weitrĂ€umig und wohlwollend war. Nur gelegentlich mischte sich ein klein wenig Trauer darunter.
Im dritten Monat hatte ich mich durch die dickste Hautschicht der Trauer hindurchgearbeitet. Es gab nicht mehr so viele NĂ€chte, in denen ich aufwachte und Coleman am Fuß meines Bettes stehen sah, fein herausgeputzt in seiner MilitĂ€runiform und lĂ€chelnd. In diesen NĂ€chten streckte er den Arm im Dunkeln nach mir aus und ergriff meine Hand dabei so fest, dass ich, wenn ich mich im Bett aufsetzte und Licht machte, immer noch den Abdruck seiner Finger in der Mitte meiner HandflĂ€che spĂŒren konnte. Gegen Ende des dritten Monats passierten derlei Dinge nicht mehr so oft. Ich konnte wieder sehen, und ich konnte lĂ€cheln.
Um diese Zeit herum fing Dr. Broadhurst an, uns zu Hause zu besuchen. Mama und ich empfingen sie stets höflich und boten ihr duftenden Ingwertee und einen Happen zu essen an. Wir redeten ĂŒber Neuigkeiten in Sachen Kultur und Politik oder ĂŒber diesen oder jenen Tratsch, bis es fĂŒr sie wieder Zeit zum Gehen war. Ich dachte eigentlich, sie wĂŒrde das schnell wieder aufgeben, aber Woche fĂŒr Woche kam sie wieder, bis ich schließlich zustimmte, wieder im Pathologie-Labor zu arbeiten.
DarĂŒber, dass ich ein Jahr lang meine Studien vernachlĂ€ssigt hatte, verlor niemand auch nur ein Wort. Aus RĂŒcksicht auf meine Trauer, wie sie sagten. Ich wusste das sehr zu schĂ€tzen, wenngleich es den Anschein hatte, als steckte viel mehr dahinter als nur das. Jedenfalls ließ mich jeder von ihnen auf seine eigene Art wissen, dass sie dachten, es sei an der Zeit, so langsam ein paar Entscheidungen zu treffen. Nach den vielen Monaten des Alleinseins dachte ich das auch. Also fing ich wieder an zu arbeiten. Ein paar Monate spĂ€ter kam es mir zu Bewusstsein (als ich allein bei der Arbeit saß und mir bei kaltem Kaffee ein paar Notizen machte), dass ich sehr einsam war. Ich versuchte ein paar alte Kontakte wieder aufleben zu lassen, aber die Leute waren verschwunden. Jean hatte sich dem Buddhismus, der Dichtung Carl Sandburgs und dem tiefen SĂŒden verschrieben, wo er, wie er es bezeichnete, »um eine Fusion rang, analog zur Durchmischung der Rassen«. Na dann.
Claude veröffentlichte einen Gedichtband mit dem Titel Harlem Shadows, der begeisterte Kritiken erhielt und mit dem er aus dem Stand der Liebling der literarischen Welt wurde. Kaum war das geschehen, ekelten ihn Harlem und dessen Elite, dazu die Weißen, die diese unterstĂŒtzten, sowie letzten Endes die Vereinigten Staaten als Ganzes derart an, dass er Hals ĂŒber Kopf nach Russland verschwand. Paul und Adelaide gingen auch weg, beide auf bestem Weg, drĂŒben in Europa Riesenerfolge zu feiern. Essie blieb vor Ort, doch als frischgebackene Misses Robeson war sie voll ausgelastet mit AktivitĂ€ten und Aufgaben, denen ihrer Meinung nach die Gattin von Paul Robeson nachzugehen hatte. Erfolgreich und charismatisch, wie sie waren, hatte der Ruhm fast all meine Freunde in alle Himmelsrichtungen verstreut. Ganz offenbar war es auf einmal in Mode gekommen, das Gewicht der Rasse zu tragen.
»Das ist eine sehr anspruchsvolle TÀtigkeit, wissen Sie«, sagte Langston eines trÀgen Nachmittags in der besten seiner Alain-Locke-Imitationen. »Die Bedeutung und den Wert der Negritude innerhalb der Grenzen der westlichen Gesellschaften aufzuzeigen, ist schon eine Sache, die einen Kasper wie mich auf Trab halten kann.«
Ich lachte und sagte: »Also, ich bin froh, dass du immer noch da bist.«
Wir standen am Rand des Turtle Ponds im Central Park und schauten hinauf zu dem Steinschlösschen, das auf der Klippe thront.
»Ich werde immer fĂŒr dich da sein, May. Egal, was passiert.«
Wir schlenderten vom Teich weg und gingen ostwĂ€rts Richtung Fifth Avenue. Der Wind roch frisch und feucht, wie nach Schnee. Mittlerweile war es lĂ€ngst Februar. Wir hatten uns beide dick mit WollmĂ€nteln und Schals eingepackt, und der starke, böige Manhattan-Wind trieb uns vorwĂ€rts. Schnee wĂ€re wirklich ein Segen gewesen. Es fĂŒhlte sich nie derart kalt an, wenn der Himmel einfach losließ und ein wenig Schnee zur Erde schickte.
»Wann machst du mit deiner Ausbildung weiter?«, fragte er.
»Im September, glaube ich. Und wie geht’s dir? Sieht es jetzt ein wenig besser aus an der Columbia?«
»Nicht wirklich.« Langston zuckte die Achseln. »Ich glaube ni...

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