ADHS in Schule und Unterricht
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ADHS in Schule und Unterricht

PÀdagogisch-didaktische AnsÀtze im Rahmen des multimodalen Behandlungskonzepts

Jan Frölich, Manfred Döpfner, Tobias Banaschewski, Andreas Gold, Cornelia Rosebrock, Renate Valtin, Rose Vogel

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  1. 183 pages
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ADHS in Schule und Unterricht

PÀdagogisch-didaktische AnsÀtze im Rahmen des multimodalen Behandlungskonzepts

Jan Frölich, Manfred Döpfner, Tobias Banaschewski, Andreas Gold, Cornelia Rosebrock, Renate Valtin, Rose Vogel

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Viele Studien haben mit genetischen, neurobiologischen und -psychologischen Befunden zum besseren VerstĂ€ndnis von ADHS beigetragen. Doch es fehlt nach wie vor an theoriegeleiteten, praxistauglichen Interventionen, die es Lehrpersonen ermöglichen, aus einer vertieften Kenntnis der neurobiologischen Ursachen heraus effektive pĂ€dagogische und didaktische Maßnahmen im schulischen Bereich abzuleiten. Dabei geht es auch um motivationale und gedĂ€chtnisbezogene Aspekte. Das Buch verbindet aktuelle Forschungsergebnisse mit pĂ€dagogisch-didaktischen Konsequenzen und handlungsanleitenden Schritten.

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Informations

Année
2021
ISBN
9783170383487

1 Klassifikation und diagnostische Einordnung der ADHS

Aufmerksamkeitsdefizit-/HyperaktivitĂ€tsstörungen (ADHS) zeichnen sich durch die Kardinalsymptome AufmerksamkeitsschwĂ€che, ImpulsivitĂ€t und motorische HyperaktivitĂ€t aus. Die Symptome mĂŒssen situationsĂŒbergreifend, aber nicht in allen Situationen, fĂŒr das Alter und den Entwicklungsstand in unangemessenem Ausmaß und zeitlich ĂŒberdauernd auftreten. In der Regel sind sie rĂŒckverfolgbar bis in das frĂŒhe Kindesalter. Außerdem dĂŒrfen sie nicht durch andere psychische Störungsbilder, organische Erkrankungen oder situative Bedingungen erklĂ€rbar sein. Hinzukommt, dass die Symptomatik in erkennbarer Form zu einer BeeintrĂ€chtigung wichtiger Alltagsfunktionen im Sozial- oder Lernverhalten und des seelischen Befindens bei den Betroffenen und ihren Bezugspersonen fĂŒhren muss.

1.1 Internationale Klassifikationssysteme und diagnostische Einordnung

Es existieren zwei international anerkannte psychiatrische Klassifikationssysteme, zum einen das Diagnostische Manual Psychischer Störungen (DSM – Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders), welches von der American Psychiatric Association herausgegeben wird, und das Kapitel V der Internationalen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD), herausgegeben von der WHO (World Health Organization). Derzeit liegt das DSM in der fĂŒnften Version vor (American Psychiatric Association, APA, 2013; deutsch: APA/Falkai et al., 2018), ICD-10 in der 10. Version (Dilling, Mombour & Schmidt, 2010). Die 11. Version (ICD 11) ist in der englischen Fassung im Internet publiziert (https://icd.who.int/browse11/l-m/en). Die Hauptaufgabe in der Entwicklung unterschiedlicher Versionen der Klassifikationssysteme besteht darin, die fĂŒr die jeweilige Diagnose relevanten Merkmale zu definieren, zu ordnen und zu gewichten, um auf diese Weise zu einer möglichst prĂ€zisen Beschreibung psychischer Störungen zu gelangen. Jede neue Version versucht hierbei, die ĂŒber die Jahre neu hinzukommenden Forschungsergebnisse zu einem psychischen Störungsbild angemessen zu berĂŒcksichtigen und einzuordnen. Auf diese Weise entstehen allgemein gĂŒltige Standards, die fĂŒr die Diagnoseerstellung dringend erforderlich sind.
GrundsĂ€tzlich ist festzustellen, dass die Kernsymptome der ADHS, d. h. motorische Unruhe, HyperaktivitĂ€t,mangelnde Aufmerksamkeit und Ablenkbarkeit sowie ImpulsivitĂ€t Extreme eines Spektrums ganz normaler VerhaltenszĂŒge darstellen, welche jedes Kind zeigen kann, entweder temperaments-, situations- oder auch reifebezogen. Es besteht also bei der klinischen AbklĂ€rung einer ADHS die Aufgabe, eher dimensional als kategorial zu evaluieren, ab welchem Grad der AusprĂ€gung der genannten Symptome diese als außerhalb der Norm befindlich einzuordnen sind und auch eine BehandlungsbedĂŒrftigkeit nach sich ziehen (McLennan, 2016). Wie bei allen Merkmalen, die kontinuierlich verteilt sind – sei es Bluthochdruck, Übergewicht oder ADHS – sind die Grenzen zwischen NormalitĂ€t und UnauffĂ€lligkeit fließend. Von einer ADHS Betroffene weisen aber Symptommerkmale in besonders hoher AusprĂ€gung auf, so dass sie bei der Verrichtung alltĂ€glicher Aufgaben deutlich eingeschrĂ€nkt sind und hierdurch ein erhöhtes Risiko fĂŒr die Entwicklung weiterer Erkrankungen bzw. psychischer Störungen in sich tragen. Die »Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme« (ICD-10) formuliert in ihren Leitlinien folgende Kriterien fĂŒr die Diagnose einer ADHS (Dilling et al., 2010):
Beurteilungsmaßstab sollte sein, dass die Symptome im VerhĂ€ltnis zu dem, was in der gleichen Situation von gleichaltrigen Kindern mit vergleichbarer Intelligenz zu erwarten wĂ€re, stark ausgeprĂ€gt sind. Hinzu kommt, dass die Symptomatik in verschiedenen Situationen von verschiedenen Beobachtern gleich oder Ă€hnlich vorhanden und als gleich oder Ă€hnlich störend erlebt werden muss, d. h. situationsĂŒbergreifend auftritt. In aller Regel werden hierzu die Eltern oder die Erwachsenen, bei denen das Kind lebt, und die Lehrpersonen oder Erzieher/-innen als Informationsquellen herangezogen. EinschrĂ€nkend ist festzuhalten, dass die Kernsymptomatik nicht zwingend in jeder Situation und immer ausgeprĂ€gt sein muss. Ein charakteristisches Kennzeichen von ADHS besteht darin, dass die betroffenen Kinder und Jugendlichen einerseits große Schwierigkeiten haben, sich in monotonen, Ausdauer erfordernden (Leistungs-)Situationen konzentrieren zu können, anderseits aber die FĂ€higkeit besitzen, in fĂŒr sie persönlich hoch motivational besetzten Situationen auf eine bestimmte AktivitĂ€t sogar zu hyperfokussieren (Hupfeld, Abagis & Shah, 2019) (
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Kap. 2.5, Dysfunktionale motivationale Prozesse). Dies schließt eine ADHS nicht aus, sondern diese PolaritĂ€t gehört hĂ€ufig zu dem Störungsbild dazu. Des Weiteren ist es möglich, dass die Symptomatik in hoch strukturierten Situationen im Kontakt mit einer oder nur wenigen Personen nur geringgradig oder gar nicht zum Vorschein kommt, so dass die SymptomausprĂ€gung zum Beispiel in der Schule stĂ€rker ist als bei den Hausaufgaben oder im schulischen Rahmen. Unterschiede bestehen zwischen freieren Situationen (Pause, Sport) und dem Unterricht oder der Stillarbeit (Purper-Quakil, Whol, Michel, Mouren & Gorwood, 2004). Mannuzza et al. (2002) unterscheiden diesbezĂŒglich drei Subtypen (situationsĂŒbergreifende versus schulbezogene versus dominierend zuhause auftretende Symptomatik mit unterschiedlichen RisikoverlĂ€ufen bis in das Erwachsenenalter hinein).
Kritiker mögen hier einwenden, dass sich dann natĂŒrlich die Frage stelle, wie sich ein Kind mit einer ADHS von einem nicht betroffenen Kind ĂŒberhaupt unterscheide, da es sich hierbei im Grunde genommen um ganz normale VerhaltenszĂŒge handele. Dem ist zu entgegnen, dass sich die Symptome der ADHS auf einem dimensionalen Spektrum mit zunehmend extremerer AusprĂ€gung prĂ€sentieren mit der Folge eines störungsspezifischen Wertes.
Die Reife des Kindes spielt in der Beurteilung der Symptomatik ebenso eine gewichtige Rolle, denn von einem jĂŒngeren Kind wird ein deutlich höheres Maß an motorischer Unruhe, impulsbezogenem Handeln und AufmerksamkeitsschwĂ€chen zu erwarten sein als von einem Ă€lteren Kind. Zugleich ist an dieser Stelle davor zu warnen, was im pĂ€dagogischen Bereich leider hĂ€ufig praktiziert wird, das Vorhandensein der Kernsymptome der ADHS vorschnell mit einer allgemeinen Unreife des Kindes gleichzusetzen und dieses dann vom Schulbesuch zurĂŒckzustellen. Dies wĂ€re beispielsweise nur dann zu erwĂ€gen, wenn eine allgemeine, auch sozio-emotionale Unreife des Kindes festzustellen ist. Charakteristisch fĂŒr die ADHS ist, dass neben den Kernsymptomen, welche hĂ€ufig als Unreife wahrgenommen werden, durchaus altersgerechte Entwicklungen stattfinden können.
Das internationale Klassifikationsschema der ICD-10 fordert des Weiteren, dass die Kernsymptome vor dem 6. Lebensjahr aufgetreten sein mĂŒssen. Das amerikanische Klassifikationsschema DSM-5 (APA, 2013) formuliert aktuell eine höhere Altersgrenze von 12 Lebensjahren bis zum Beginn einer beeintrĂ€chtigenden ADHS-Kernsymptomatik. Es gehört nicht zur Aufgabenstellung dieses Buches, auf die unterschiedliche Bewertung der ADHS-Symptome durch die gebrĂ€uchlichen psychiatrischen Klassifikationssysteme IDC-10 und DSM-5 differenzierter einzugehen. Beide Diagnosesysteme unterscheiden sich nur unwesentlich in der Definition der einzelnen Kriterien, durchaus aber bei den Anforderungen der Anzahl und Kombination dieser Kriterien, welche fĂŒr die Diagnosestellung erforderlich sind. Die neue ICD-11 nimmt gegenĂŒber der ICD-10 in der Störungsbeschreibung keine bedeutsamen VerĂ€nderungen vor. Wie beim DSM-5 wird in der neuen Fassung allerdings auch eine Typisierung in Untergruppen der ADHS vorgenommen mit drei hauptsĂ€chlichen Symptommanifestationen (primĂ€r unaufmerksame PrĂ€sentation, primĂ€r hyperaktiv-impulsive PrĂ€sentation sowie kombinierte Symptomkombination) (Steinhausen, 2019).
Wesentlich fĂŒr die Diagnosestellung ist des Weiteren, dass die Symptomatik nicht durch andere psychische Störungen erklĂ€rbar ist, namentlich tiefgreifende Entwicklungsstörungen (autistische Störungsbilder), Störungen der Affektregulation, Manie (Zustand von extrem aufgehellter Stimmung und stark erhöhtem Antrieb), Depressionen, Angststörungen oder Störungen des Sozialverhaltens. Alle genannten Störungsbilder können zumindest in Teilaspekten Symptome einer ADHS aufweisen. Zugleich ist festzuhalten, dass die genannten Störungsbilder trotzdem gleichzeitig oder in Folge einer ADHS auftreten können (
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Kap. 1.6, Komorbide Störungen). Gerade darin besteht hÀufig die Schwierigkeit des diagnostischen Prozesses.
Zusammenfassend ist hervorzuheben, dass bei der Betrachtung von Aufmerksamkeitsdefizit-HyperaktivitĂ€tsstörungen ein dimensionaler Blick notwendig ist anstatt eines kategorialen (Steinhausen, 2010). Außerdem ist die Symptomatik heterogen in ihrer Zusammensetzung, d. h. es existieren verschiedene Subtypen (Unterformen) des Störungsbildes (
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Kap. 1.2, Subtypen der ADHS), sie zeigt einen altersspezifischen, charakteristischen Verlauf und sie ist auch individuell teilweise inkonsistent auftretend, d. h., dass die Symptomatik beim selben Kind in der gleichen Situation nicht immer gleich ausgeprĂ€gt sein muss, sondern durchaus in Phasen mit geringerer als auch grĂ¶ĂŸerer BeeintrĂ€chtigung verlĂ€uft. Sie ist erheblich abhĂ€ngig von der pĂ€dagogischen Strukturvorgabe der jeweiligen Situation. Somit kommt pĂ€dagogisch-didaktischen Kompensationsmöglichkeiten eine erhebliche Wichtigkeit zu, um die AusprĂ€gung abzumildern.
Ein entscheidendes Kriterium fĂŒr die diagnostische Beurteilung eines Kindes mit Symptomen einer ADHS stellen in der dimensionalen Betrachtung zwei Aspekte dar:
Eine ĂŒber das normale Maß hinausgehende Symptomatik geht fast immer mit einem erhöhten Leidensdruck auf Seiten des Kindes und/oder der mit ihm interagierenden Gleichaltrigen bzw. Erwachsenen einher. Hierbei ist Wert darauf zu legen, dass dieser Leidensdruck nicht bei jedem betroffenen Kind vorhanden sein muss, vermutlich aufgrund der gestörten Selbstwahrnehmung der Betroffenen. Im Regelfall ist es dann allerdings so, dass entweder die Eltern oder die Lehrpersonen einen erhöhten Leidensdruck zeigen aufgrund des stark erhöhten pĂ€dagogischen Aufwands, der im Umgang mit dem Kind zu tĂ€tigen ist. PĂ€dagogische Bezugspersonen fĂŒhlen sich individuell entweder psychisch ĂŒberlastet oder sie klagen darĂŒber, dass hierunter andere Alltagspflichten in geringerem Ausmaß wahrgenommen werden können oder die SchĂŒlergruppe1, Geschwister oder der Lebenspartner bzw. der Lebenspartnerin weniger Zuwendung erfahren. Die Beziehung zwischen den pĂ€dagogischen Bezugspersonen und dem betroffenen Kind ist auf Dauer oft erheblich belastet.
Von einer ADHS betroffene Kinder und Jugendliche können darĂŒber hinaus im Entwicklungsverlauf fast immer alterstypische Entwicklungsaufgaben im Lern-/Leistungsbereich oder bezogen auf das Sozialverhalten nicht erfolgreich tĂ€tigen. Es entsteht also mittelfristig sehr hĂ€ufig ein hierauf bezogener EntwicklungsrĂŒckstand, welcher weitere sozio-emotionale AuffĂ€lligkeiten zum Vorschein bringt. In der dimensionalen diagnostischen Betrachtung der ADHS mĂŒssen deshalb stets immer beide Aspekte, d. h. Leidensdruck und sich auftuende Entwic...

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