Raus aus der Sackgasse!
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Raus aus der Sackgasse!

Wie die pietistische und evangelikale Bewegung neu an GlaubwĂŒrdigkeit gewinnt

Michael Diener

  1. 224 pages
  2. German
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Raus aus der Sackgasse!

Wie die pietistische und evangelikale Bewegung neu an GlaubwĂŒrdigkeit gewinnt

Michael Diener

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Evangelikal - unter diesem Sammelbegriff finden sich viele Strömungen: Pietisten und Pfingstler, freie und traditionelle Gemeinden, gefĂŒhlsbetonte SchwĂ€rmer und rationale Denker. Doch es scheint, als spalte sich diese Melange in zwei Lager. "Liberal, tolerant, weltoffen" gegen "konservativ, radikal, weltfremd". Will man zu einer dieser Gruppen eigentlich dazugehören? Ist der Evangelikalismus oder genauer, der Pietismus, noch zu retten?Michael Diener, der langjĂ€hrige PrĂ€ses des Gnadauer Verbands, macht sich in diesem Buch stark fĂŒr eine Reform des Pietismus, eine Umkehr der evangelikalen Welt weg von zerstörerischen, unchristlichen Voraussetzungen. Biblisch fundiert, persönlich-kĂ€mpferisch und immer den Menschen im Blick, legt er den Finger in die Wunde lange schwelender Konflikte und MissverstĂ€ndnisse. Ein engagierter Aufruf, das Gute zu bewahren und Andersdenkenden die Hand zu reichen.

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Informations

Éditeur
adeo
Année
2021
ISBN
9783863348458

1.

EINLEITUNG ODER:
WARUM MIR DIESES BUCH EIN HERZENSANLIEGEN IST

Na, das freut mich aber, dass Sie hier mal reinschauen 
 Sie haben den Buchtitel und vielleicht auch den Namen des Buchautors gelesen – und aufgeschlagen. Vielleicht interessiert, weil Sie der pietistischen oder evangelikalen Bewegung angehören und so schnell mit „Sackgasse“ jetzt auch nichts anfangen können. Vielleicht sogar zustimmend, weil es genau das ist, was Sie auch denken und gut finden, dass „es endlich mal einer sagt“. Vielleicht gelangweilt-distanziert, weil Ihnen ja schon lange klar ist, dass diese Bewegungen in einer Sackgasse stecken (und Sie selbst nicht mehr dazugehören oder noch nie dazugehörten). Oder vielleicht auch wĂŒtend, weil das doch „typisch Diener“ ist, mal wieder völlig unangebracht ĂŒber seine eigene Bewegung herzuziehen 

Nur, wie bringe ich Sie jetzt zum Weiterlesen?
Ich versuche es mal so: Unsere Gesellschaft ist im Umbruch und die christlichen Kirchen auch.1 Total. Wir erleben VerĂ€nderungen, die so einschneidend und markant sind wie vielleicht seit der AufklĂ€rung und dem Beginn der Industrialisierung nicht mehr.2 Wenn wir nur ansatzweise davon ĂŒberzeugt sind, dass die christliche Botschaft, das Evangelium, fĂŒr unsere heutige Zeit, gerade auch in diesen UmbrĂŒchen, relevant ist, dann kann uns nicht egal sein, in welcher Form sich die christlichen Kirchen befinden. Und da ist eindeutig „TrainingsrĂŒckstand“ zu attestieren. Die Form könnte besser sein. Immer wieder haben Kirchen Re-Formationen erlebt, kleine und große. Heute ist die Zeit fĂŒr Re-Formation. Eindeutig.
Aufgrund meiner Verantwortungsbereiche könnte ich jetzt viel sagen und schreiben zur ReformbedĂŒrftigkeit und ReformansĂ€tzen in den evangelischen Landeskirchen (und vielleicht mache ich das in einer spĂ€teren Veröffentlichung auch noch). An manchen Reformschritten, wie etwa dem ReformationsjubilĂ€um 2017 oder auch am gesamtkirchlichen Zukunftsprozess, der 2020 in die „12 LeitsĂ€tze zur Zukunft einer aufgeschlossenen Kirche“3 mĂŒndete, war ich auch nicht ganz unbeteiligt. Und vieles davon weist aus meiner Sicht in die richtige Richtung.
Aber in diesem Buch geht es mir um einen anderen Teil evangelischer Kirche: nĂ€mlich um die pietistische und evangelikale „Welt“.4 Unser Glaube hat immer ein bestimmtes Profil. Teils können wir uns das gar nicht aussuchen, weil wir so aufwachsen und erzogen werden. Aber natĂŒrlich ĂŒbernehmen wir im Laufe der Jahre selbst Mit-Verantwortung fĂŒr das, was uns prĂ€gt. Und da sage ich frank und frei (und begrĂŒnde das spĂ€ter auch ausfĂŒhrlich): Ich bin Christ, evangelisch, mit pietistischer PrĂ€gung. Das ist nun nichts Besonderes, kein Luxusstandard von Christsein (wobei das manche schon ganz anders einschĂ€tzen wĂŒrden), aber eine Blumensorte (nein, kein Unkraut) auf der bunten FrĂŒhlingswiese Gottes. Im Zuge heutiger Schubladisierungen wĂŒrden manche das mit „evangelikal“ gleichsetzen, aber ganz ehrlich, das sehe ich anders. Ich bin Pietist, aber nicht evangelikal, gestehe aber gerne ein, dass pietistische und evangelikale Bewegungen heute viele Gemeinsamkeiten aufweisen und im Grunde als eine Bewegung erscheinen. Das respektiere ich und nenne jetzt beide hĂ€ufig gemeinsam.5 Deren ZukunftsfĂ€higkeit bereitet mir an einer zentralen Stelle wirklich Sorgen. Also nicht ĂŒberwiegend und auch nicht ĂŒberall, nein. Ich bin dankbar fĂŒr viele Entwicklungen und ĂŒberzeugt, dass pietistische und evangelikale Glaubensprofile viel zur Reform der evangelischen Christenheit beigetragen haben und weiter beitragen können. Da ist vieles auch richtig gut und zukunftsweisend aufgestellt, aber aus meiner Sicht gibt es fĂŒr die pietistische und evangelikale Bewegung ein GlaubwĂŒrdigkeitsproblem in unserer heutigen Gesellschaft, das sie nicht haben mĂŒsste. Und DAS macht mir Sorgen.
In einem ersten Reflex antworten dann Angehörige dieser Frömmigkeitsprofile gern: „Das liegt an den anderen. Die stellen uns falsch dar. So sind wir nicht!“ Aber leider ist in der Regel schon irgendwo auch Feuer vorhanden, wenn andere Rauch wahrnehmen. Ich meine, dass es innerhalb der pietistischen und evangelikalen Bewegung Überzeugungen und Haltungen gibt, die weder dem Evangelium entsprechen noch lebensförderlich sind. Denn das ist fĂŒr mich das Entscheidende: Es geht um den Kern unserer GlaubensĂŒberzeugungen UND unsere Wahrnehmung in der Gesellschaft.
„Toxisch“ nennt man das heute. Mir ist klar, dass das ein harter Begriff ist. Vor allem, weil hinter diesen Überzeugungen und Haltungen ja Menschen stehen – und Geschwister im Glauben. Ich habe mir auch lange ĂŒberlegt, ob ich dieses Wort verwenden soll und meine, dass es hilfreich ist, Fehlentwicklungen klar zu benennen. „Toxisch“ meint: nicht lebensdienlich, zerstörerisch, spaltend. Und das sehe ich wirklich so. Diese Fehlentwicklungen haben Auswirkungen auf die gesamte Bewegung, nach innen wie nach außen. Und deshalb lassen sich derartige Fragen auch nicht einfach „intern“ klĂ€ren oder aufarbeiten.
Es gibt ja diese gute Sehnsucht unter Christenmenschen, nicht zu streiten und schon gar nicht öffentlich. Aber in einer modernen Medienwelt ist das fast unmöglich und die Dispute um die verschiedenen Sichtweisen in der pietistischen und evangelikalen Welt werden lĂ€ngst von allen Seiten auch öffentlich ausgetragen. Das finde ich auch nicht verwerflich, solange es möglichst sachlich zugeht. Noch wichtiger als Problemschilderungen ist mir der Blick nach vorne – was kommt nach der Sackgasse? Darum geht es ganz besonders ab dem fĂŒnften Kapitel. Wie kann Christsein in pietistischer und evangelikaler PrĂ€gung heute neu an GlaubwĂŒrdigkeit und Relevanz gewinnen fĂŒr die Menschen unserer Zeit? Genau das kann uns als Christ*innen doch nicht gleichgĂŒltig sein – wir sind doch Teil einer Mission und die ist untrennbar damit verbunden, mit den Zeitgenoss*innen unserer Kultur(en) Evangelium zu teilen. Das gelingt aber gesamtgesellschaftlich immer weniger. Nur noch in eigenen „IdentitĂ€tsblasen“ oder soziologischen „Milieus“. Und dann meinen wir, dass Wachstum in dieser Blase schon gleichbedeutend wĂ€re mit „alle Menschen mit dem Evangelium erreichen“. Welch ein Irrtum!
Schon an der Widmung können Sie erkennen: Ich schreibe dieses Buch besonders, mit Blick auf meine Kinder Jennifer und Nicolai, fĂŒr viele junge Menschen aus mehr oder weniger „frommen“ ElternhĂ€usern. Eveline und ich haben unsere beiden nun schon erwachsenen Kinder christlich erzogen, sozialisiert in Landeskirche und Landeskirchlicher Gemeinschaft, und uns gewĂŒnscht und darum gebetet, dass sie mit „Wurzeln und FlĂŒgeln“ leben. Und Gott sei Dank, das tun sie. Zugleich erlebten sie hautnah, wie lebensprĂ€gend und aufbauend, aber auch wie einengend und zerstörerisch ein evangelischer Glaube pietistischer PrĂ€gung sein kann. Heute glauben beide auf ihre Weise, aber es ist völlig unvorstellbar, dass sie in konservativen Gemeinschaften oder Gemeinden, wie ich sie nun jahrelang mit vertreten habe, je heimisch wĂŒrden. Und ich weiß, dass das nicht nur „ihr Problem“ ist. Ihnen ist das gesellschaftliche Engagement auch der Kirchen wichtig. Sie erwarten, dass Christen respektvoll mit Menschen anderen Glaubens oder mit anderen Überzeugungen umgehen. Ablehnung queerer Menschen geht fĂŒr sie gar nicht, ebenso wenig wie eine ĂŒbergriffige, restriktive Sexualethik. Digitale Glaubens- und Gemeindeangebote sind hilfreich, aber „analog“ muss es ebenso stimmen. Wir hoffen und beten, dass sie einmal Gemeinschaften von Christenmenschen finden, die einladend und offen, tolerant und gleichzeitig nicht so auffĂ€llig milieuverengt sind, wie sie das bisher weitgehend erfahren mussten. Noch heute reden sie dankbar und begeistert von der bunten und offenen Gemeinschaft ihrer Kindheitstage in der protestantischen Johanneskirchengemeinde in Pirmasens. Sie erwarten, dass Glaube mit ihrem persönlichen Leben zu tun hat und gemeindliche Zugehörigkeit einen Mehrwert fĂŒr ihren Tag und ihr Leben bietet: Begeisternd und lebensnah soll christliche Kirche sein.
Ich sehe meine Kinder und so viele junge Menschen, die ich in den vergangenen Jahren in der pietistischen und evangelikalen Welt getroffen habe. Ich sehe ihre Elterngeneration, mit der ich in den vergangenen Jahren an vielen Orten so intensiv zusammengearbeitet habe. Ich sehe unsere Ă€lteren Glaubensgeschwister, die mir in so vielem Vorbild und Ermutigung gewesen sind. Im Blick auf alle diese Menschen möchte ich zu „einem guten Gewissen“ fĂŒr einen geistlich und biblisch gegrĂŒndeten, aufgeschlossenen, offenen Pietismus beitragen, weil ich davon ĂŒberzeugt bin, dass ein solches Glaubensprofil zur Kirche Jesu Christi auch in der Zukunft Substanzielles beizusteuern hat. Wenn denn der Weg aus der Sackgasse gelingt 

Welche Sackgasse meine ich?
„It’s the economy, stupid!“ – „Es ist die Wirtschaft, du Dummkopf.“ Dieser Spruch wird auf James Carville, einen Politikberater Bill Clintons, zurĂŒckgefĂŒhrt, der damit 1992 erklĂ€rte, was ausschlaggebend ist, um Wahlen zu gewinnen: Es geht um die Wirtschaft! Und sonst nichts. Aus dieser Einsicht entwickelte Bill Clinton 1993 eine Wahlkampfstrategie und gewann in den amerikanischen PrĂ€sidentschaftswahlen gegen George Bush. Seitdem wird dieser Slogan immer mal wieder abgewandelt verwendet, um auf DEN zentralen SchlĂŒsselfaktor einer gewĂŒnschten VerĂ€nderung hinzuweisen.
Wer die Sackgasse und den Weg aus derselben fĂŒr eine pietistische und evangelikale Bewegung beschreiben will, muss formulieren: „It’s bible and culture, stupid!“ – „Es ist die Bibel und die Kultur, du Dummkopf!“
Die Grundthese dieses Buches ist, dass eine notwendige geistliche Erneuerung der pietistischen und evangelikalen Welt nur gelingt, wenn eine bestimmte Lesart der Bibel, die ich jetzt vorlĂ€ufig einmal als „eher fundamentalistisch oder biblizistisch“ benenne, das „Ankommen“ in einer bestimmten Zeit und Kultur nicht erschwert oder sogar unmöglich macht.
Eine derartige Lesart hat die „DNA“ der pietistischen und evangelikalen Bewegung hĂ€ufig negativ beeinflusst, sodass dieses Glaubensprofil damals wie heute in unserer Kultur und Gesellschaft unattraktiv und nicht mehr vermittelbar zu werden droht. Dabei geht es nicht um den klassischen Gegensatz zwischen „konservativ“ und „progressiv“ – derartige Grundhaltungen hat es immer in allen Religionen gegeben und wird es immer geben. Das ist gut und wichtig. „Zerstörerisch“ wird es meines Erachtens da, wo die aus der eigenen Schriftauslegung gewonnenen GlaubensĂŒberzeugungen so verabsolutiert werden, dass Spaltungen zwischen Glaubensgeschwistern fast unvermeidlich sind.
WĂ€hrend ich das schreibe, höre ich schon die mahnenden Stimmen, dass es bei einem Buchentwurf, der so sehr auf unsere Kultur und Gesellschaft blickt, doch wahrscheinlich nur um eine Anbiederung an den „bösen Zeitgeist“ gehen kann. Hier soll „das Evangelium verwĂ€ssert“, die „Freundschaft mit der Welt“ gesucht und die Gemeinde ihrer „Salz- und Lichtkraft“ beraubt werden. Mitnichten. Nein, auf keinen Fall. Es geht eben gerade nicht um einen Ausverkauf der biblischen Botschaft an den Zeitgeist, sondern stattdessen um die Befreiung der Heiligen Schrift aus einer Lesart, einem VerstĂ€ndnis, wie sie nach meiner Überzeugung nie gelesen und verstanden werden wollte.
Die Bibel selbst bietet genĂŒgend Anschauungsunterricht fĂŒr Einheit in Vielfalt und fordert uns dazu auf, in diesem Sinne auch aufeinander zuzugehen. Kompromisslose Übereinstimmung ist im Bekenntnis zu Jesus Christus gefragt. Wenn aber diese Kompromisslosigkeit aufgrund des eigenen hermeneutischen VerstĂ€ndnisses auf immer mehr dogmatische und ethische Fragen ausgeweitet wird, beschĂ€digt das die weltweite Gemeinde Jesu Christi. Noch einmal: Ich halte diese Lesarten der Bibel fĂŒr unsachgemĂ€ĂŸ, fĂŒr unevangelisch – ganz egal, wie gebrĂ€uchlich ein derartiges VerstĂ€ndnis der Bibel in Teilen der pietistischen und evangelikalen Bewegung bisher gewesen sein mag. Es wird Zeit, sich von einer solchen Auslegungsweise der Bibel zu verabschieden, nicht nur um der Menschen, sondern eben auch um der Bibel willen. „GlaubwĂŒrdigkeit“ zielt im Titel dieses Buchs also in verschiedene Richtungen: Sie ist relevant fĂŒr unsere Gottesbeziehung, fĂŒr das VerhĂ€ltnis von Christ*innen untereinander und sie ist absolut wichtig fĂŒr die gesellschaftliche Wahrnehmung.
„Raus aus der Sackgasse“ bedeutet auch: „Holt euch die Bibel zurĂŒck!“ Holt sie euch von denen zurĂŒck, die meinen, sie hĂ€tten ein Monopol auf ihre sachgemĂ€ĂŸe Auslegung. Da höre und lese ich fast gebetsmĂŒhlenartig von der „AutoritĂ€t der Bibel, wegen der man irgendetwas genau so sehen muss“, von „bibeltreu“ oder „unbiblisch“. Und jedes Mal handelt es sich um nichts anderes als um eine sehr subjektive, aus einer bestimmten Frömmigkeitstradition gespeiste Sicht auf die Bibel und ihre Themen. Menschen in pietistischen und evangelikalen Kontexten kennen diese durchaus ernst gemeinte und dennoch formelhaft wirkende Aneinanderreihung bestimmter Aussagen. Ich wehre mich entschieden gegen eine derartige Vereinnahmung der Bibel: Die Bibel ist auch fĂŒr mich AutoritĂ€t fĂŒr meinen Glauben und mein Leben und dennoch komme ich in VerstĂ€ndnis und Auslegung der Heiligen Schrift in manchen Fragen zu völlig anderen Ergebnissen. Wieso muss ich mir immer wieder vorwerfen lassen, meine Bibelauslegung untergrabe deren AutoritĂ€t?
Es geht uns doch allen um ein verantwortungsvolles VerstĂ€ndnis der Bibel. Welche Auslegung „verantwortungsvoll“ ist, „glaubwĂŒrdig im Blick auf Text und Menschen“, das ist hier die Frage. Die Bibel gehört doch zu allen Christenmenschen und es ist immer schief gegangen, wenn eine Gruppe das Auslegungsmonopol beanspruchte und diese „Richtschnur“ verwendet wird, um den Bibelgebrauch anderer zu entwerten. Um es salopp zu sagen: Eine Richtschnur richtet aus, sie stranguliert nicht.
Das ist eine Sackgasse.
Meine „Zielgruppe“, die Menschen, fĂŒr die ich schreibe, sind aber nicht diejenigen, die sich jetzt verwundert fragen: „Sackgasse? Wo ist hier eine Sackgasse?“ Mir stehen beim Schreiben nicht diejenigen AusprĂ€gungen der pietistischen und evangelikalen Welt vor Augen, von denen ich mich aus guten GrĂŒnden abgewendet habe, sondern die vielen hoch engagierten, motivierten, liebevollen Menschen in pietistischen und evangelikalen Gemeinden und Organisationen, denen ich in den vergangenen 12 Jahren begegnen...

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