New Work und Digitales Arbeiten: Aufwachen Deutsche Manager!
// Von Roswitha A. van der Markt
Accenture, Google und Microsoft zeigen seit Jahren, wie ein âgrenzenloser Arbeitsplatzâ funktionieren kann. In Deutschland haben Manager dagegen schon Probleme mit dem virtuellen Arbeitsplatz, geschweige denn mit globalen Netzwerken. Es sind vor allem die Manager, die an alten Denk- und Organisationsmustern haften bleiben, wie Arbeit festgelegt und organisiert wird.
Optimistische Arbeitnehmer in puncto Digitalisierung
57 Prozent der Arbeitnehmer in Europa erwartet durch die Digitalisierung Verbesserungen ihrer Arbeitsbedingungen. Dies ist das Ergebnis einer groĂ angelegten Umfrage der Unternehmensberatung Accenture 2015: âBeing digital: Embrace the future of work and your people will embrace it with youâ. FĂŒr die Studie wurden 2 500 Arbeitnehmer und 500 FĂŒhrungskrĂ€fte in der EuropĂ€ischen Union befragt.
Die Digitalisierung ist in aller Munde, aber viele Angestellte befĂŒrchten, dass die Manager in ihrem Unternehmen zwar viel ĂŒber technische UmbrĂŒche diskutieren, ohne sie realiter anzupacken. WĂ€hrend Angestellte Vorteile der Digitalisierung fĂŒr die InnovationsfĂ€higkeit: (71 Prozent), AgilitĂ€t: (69 Prozent) und ProduktivitĂ€t: (68 Prozent) ihres Unternehmens erwarten, will nur jeder vierte Manager grundlegende Ănderungen. Und nur jeder fĂŒnfte bezeichnet sein Unternehmen als digital. Alle anderen bewegen sich auf einer kaum definierten Station auf der âdigital journeyâ.
Zaghafte Manager gefÀhrden den Wirtschaftsstandort Deutschland
Fast jedes dritte Unternehmen erwÀgt noch nicht einmal, die GeschÀftsstrategie der Digitalisierung anzupassen. Deutsche Firmen sind gerade mal bereit die existierenden Prozesse zu automatisieren oder anzupassen. Dies war vielleicht in der Vergangenheit noch ein recht passables Rezept, heutzutage reicht es jedoch nicht aus.
âMade in Germanyâ: einerseits durch VW gewaltig in ethischer Schieflage, andererseits mit Kopf und Geist unter der Decke: 70 Prozent der befragten deutschen Manager gaben zu, dass sie keine Vorreiterrolle in der digitalen Transformation ĂŒbernehmen, sondern spĂ€ter ausgereifte digitale Modelle ĂŒbernehmen wollen. Da kann man nur sagen: Quo vadis â DAX, Innovation und QualitĂ€t?
Angst vor Ăberwachung
Die Umfrage berĂŒcksichtigt aber auch die Sorgen und Ăngste der Mitarbeiter. Zwar befĂŒrchten nur 8 Prozent eine Verschlechterung ihres Arbeitsumfelds, wissen aber auch noch nicht recht, ob es zu einem Verlust von Teamgeist kommen wird, wenn der Kollege nur noch online arbeitet und nicht mehr ins BĂŒro kommt.
Laut Accenture Studie sind sogar drei von vier deutschen Arbeitnehmern besorgt oder sehr besorgt darĂŒber, dass ihr Arbeitgeber kĂŒnftig Technologien nutzen wird, um sie auf Schritt und Tritt zu ĂŒberwachen. Verglichen mit anderen Volkswirtschaften, in denen die Umfrage ebenfalls durchgefĂŒhrt wurde, haben nur noch die Franzosen eine noch gröĂere Angst vor der Ăberwachung durch den Chef.
Misstrauen in deutschen Management-Etagen
Der virtuelle Arbeitsplatz als Zeichen von Weisure, der Verschmelzung von Work/ Arbeit und Leisure/ Freizeit erzeugt Misstrauen in deutschen Management-Etagen. Denn er rĂŒttelt an den Grundfesten der deutschen Leistungskultur und âordentlich-strukturierendenâ Arbeitsorganisation:
- Wie kann ich meinem Mitarbeiter vertrauen, dass er auch wirklich âhartâ arbeitet, â in seinem Home Office oder gar am Strand?
- Wie kann ich meine Mitarbeiter noch effizient fĂŒhren, wenn ich sie nicht sehe, d.h. eingreifen und kontrollieren kann?
Auch im Kollegenkreis wird befĂŒrchtet, dass andere Team-Mitglieder vielleicht lieber in der Sonne sitzen. Die meisten Manager sind leider immer noch ĂŒberzeugt von der guten, alten PrĂ€senzkultur.
Daniel Cable, Professor fĂŒr Organisationsmanagement an der London Business School, hat in Untersuchungen festgestellt, dass Home Office Arbeit fĂŒr Mitarbeiter zum Karrierekiller werden kann. Angestellte, die im BĂŒro tĂ€glich prĂ€sent und vom Vorgesetzten wahrgenommen werden, werden signifikant öfter befördert. Manager meinen, die Home-Worker seien weniger fleiĂig und zuverlĂ€ssig. Sichtbarkeit gaukelt somit eine angebliche Wertigkeit der Ergebnisse vor.
Jahrhundertealte Denkmuster beherrschen unsere Arbeitsorganisation
Denkmuster, die seit Jahrzehnten, ja Jahrhunderten fest in unseren Köpfen verankert sind: Nur âharteâ Arbeit verdient die notwendige Anerkennung und Be-/ Entlohnung. Das Versprechen: Mehr Leistung, meist verstanden als messbar mehr gute und harte Arbeit, bringt mehr Erfolg, mehr Sicherheit und mehr Wachstum.
Eines der leichtesten Messkriterien fĂŒr Leistung in der Industrie-Gesellschaft war bislang die Arbeitszeit. Wer anwesend und unter Kontrolle des Vorgesetzten war, hat auch hart gearbeitet, wurde oftmals rein nach Stunden bezahlt. Diese Anwesenheitskultur wird zur âRechtfertigungskulturâ, wenn man mal nicht fĂŒr den Vorgesetzten erreichbar, nicht am Arbeitsplatz verfĂŒgbar ist. Nicht nur von Nine2Five, sondern heutzutage am besten 24/7.
Im âStammhirnâ fest verankert sind SprĂŒche wie âOber sticht unterâ, nur âMorgenstund hat Gold im Mundâ oder verquerte Scherze wie âMachst wohl ÂŽnen halben Tag Urlaubâ, wenn jemand schon um 18 Uhr das BĂŒro verlĂ€sst. Alles Zeichen einer Misstrauenskultur, einer fehlenden Akzeptanz von DiversitĂ€t, d.h. unterschiedlichen Lebens- und Arbeitsmodellen. Aber auch Zeichen von Angst, denn die bisherige Leistungsstruktur gab uns Sicherheit, eine klare Zeiteinteilung, eindeutige Messkriterien fĂŒr Leistungserbringung, einen eindeutigen Karriereweg von unten ânach oben ins Managementâ, â und eine eindeutige Trennung von Arbeit und Freizeit, letzteres vor allem eine Freiheit vom Eingreifen des Vorgesetzten in das Privatleben.
Kompromisse verhindern den Fortschritt
In vielen Unternehmen wird daher eine âKompromiss-Lösungâ angestrebt: Ein bis zwei Tage Home Office mit normaler Kernzeit, d.h. Anwesenheit am Computer von 9 bis 17 Uhr, FĂŒnf-Tage Woche. Work-Life-Balance am Wochenende. Damit bleibt eigentlich alles beim Alten, im Denken wie im Tun.
Sicher kann dies auch schon eine Erleichterung sein. Man spart sich an einigen Tagen den Weg in die Firma, die Zeit in der S-Bahn oder den Stress im Auto. Aber in der RealitĂ€t nutzt man noch nicht einmal ein Drittel der VorzĂŒge eines virtuellen Arbeitsplatzes.
Mitarbeiter können sich selbst am besten organisieren
In einer Vertrauenskultur geht man davon aus, dass der Kollege wie Mitarbeiter als Wissensarbeiter (Knowledge Worker) selbst am besten weiĂ, wann, wie und wo er am besten arbeitet, dies ĂŒbrigens âzum Wohle des Teams wie des Unternehmensâ.
Ein SpĂ€taufsteher teilt seinen Tag anders ein als ein FrĂŒhaufsteher, eine Mutter anders als ein Single mit spezifischen Hobbies. Dadurch entsteht eine gröĂere Lebenszufriedenheit. Als verantwortungsvolles Teammitglied weiĂ jeder selbst, wann in welcher QualitĂ€t er sein Ergebnis einzubringen hat, wann Teammeetings online stattfinden, fĂŒr wen er wann verfĂŒgbar sein sollte, gerade auch bei unterschiedlichen Zeitzonen. Selbst-Management gepaart mit Projekt- und Team-Management fĂŒhren zu einem qualitativ ĂŒberzeugenden Ergebnis.
FlexibilitĂ€t bringt gröĂere Arbeitszufriedenheit
Der Vorteil eines virtuellen Arbeitsplatzes liegt genau in dieser FlexibilitĂ€t. Da kann jeder untertags seine Arbeit unterbrechen, ruhig einkaufen gehen, Sport treiben, mit dem Hund spazieren, mit den Kindern im Park spielen und dafĂŒr eben auch nachts, ganz frĂŒh oder am Wochenende arbeiten. Gerade diese FlexibilitĂ€t verringert Stress.
Pausen steigern die ProduktivitĂ€t. Es geht eben nicht um die zeitliche Anwesenheit am Arbeitsplatz â sei er im FirmengebĂ€ude oder zu Hause, die es zu ĂŒberwachen gilt, sondern um die Ergebnisorientierung, den Glauben und das Vertrauen in die Leistungsbereitschaft und LeistungsfĂ€higkeit des Einzelnen, auch ohne Sichtbarkeit.
Ăberwachungskultur killt Motivation
Warum besteht ein solches Misstrauen in die Leistungsbereitschaft? Warum arbeiten die meisten deutschen Arbeitnehmer anscheinend ohne Leidenschaft: Laut Gallup liegt der Engagement Index in Deutschland seit 2001 bis 2014 leider auf einem Ă€uĂerst bescheidenen Niveau. In all den Jahren liegen die ProzentsĂ€tze bei Mitarbeitern mit hoher Bindung am Unternehmen nicht ĂŒber 16 Prozent, schwanken bei geringer Bindung zwischen 61 bis 70 Prozent und zeigen bei 16 bis 24 Prozent sogar ein erschreckendes Bild von Mitarbeitern ohne jegliche Bindung. Und dies bei fast durchgĂ€ngiger PrĂ€senzkultur.
Liegt darin die Skepsis der FĂŒhrungskrĂ€fte begrĂŒndet, ihren Mitarbeitern so wenig Vertrauen entgegen zu bringen oder liegt es vielmehr an einem falschen Ansatz, wie man Mitarbeiter motiviert. Denn in der Gallup Studie 2015 geben Mitarbeiter ihren deutschen FĂŒhrungskrĂ€ften schlechte Noten, vor allem hinsichtlich Kommunikation und Austausch, eben jenen FĂ€higkeiten, die in einer vernetzten Projektkultur so notwendig sind. 21 Prozent sprechen nur einmal im Monat mit ihrem Team, weitere 21 Prozent gar noch weniger. Somit sind fast 50 Prozent der Arbeitnehmer ohne geregelte Teamabsprachen.
Silo- und Konkurrenzdenken statt agilem, vernetztem Kooperieren
In der Regel dominieren die alten herkömmlichen Sichtweisen, Methoden und AblÀufe in den Köpfen. Der Personaldienstleister Hays belegt in seiner aktuellen Studie, dass 72 Prozent der befragten Entscheider aus IT, Finanzwesen, Forschung und Entwicklung vor allem das Insel- und Konkurrenzdenken der Fachabteilungen als Barriere auf dem Weg in die digitale Organisation sehen. Personal-Abteilungen und selbst moderne HR Software zementieren oft noch die alten Normen und Regeln.
Da herrschen immer noch Arbeitsplatz-Beschreibungen mit festgelegten Kompetenzen, Verantwortlichkeiten, Fertigkeiten, FĂ€higkeiten und Zielvorgaben vor, die den aktuellen fluiden und vernetzten Anforderungen nicht mehr gerecht werden. Da dĂŒrfen Absprachen, Entscheidungen nur innerhalb der Abteilungen gemÀà der Hierarchie-Ebenen getroffen werden, â und selbst kollegiale Kommunikation ĂŒber âBereichsgrenzenâ hinaus wird misstrauisch beĂ€ugt.
Die Bereichsgrenze markierte die Macht und den Einfluss, den Erfolg des einzelnen Managers und damit auch sein Bonussystem. Eine offene Nutzung virtueller ArbeitsplĂ€tze ist meist nicht âgeregeltâ. Die simple Tatsache, dass Mitarbeiter frei von Ort und Zeit arbeiten können, noch dazu partnerschaftlich vernetzt, kommt in diesem Denken nicht vor. So fallen viele Vorgesetzte zurĂŒck in das Command und Control-Denken des letzten Jahrtausends.
Verharren in altem Leistungsdenken
Erfolg in unserer Wirtschaft war bislang gleichbedeutend mit einer relevanten Management-Position. LeistungstrĂ€ger werden im Beförderungssystem immer noch geködert mit dem Aufstieg auf der Karriereleiter, dem Versprechen mehr Einkommen, Macht und Status zu gewinnen. Die âreine Fachkarriereâ als Experte gab es zwar auch schon lange, aber die Manager-Laufbahn ist immer noch die âCrĂšme de la CrĂšmeâ, vor allem wenn man es in die Chefetagen der DAX-Unternehmen schafft.
Headhunter belegen, die Karriere als Manager wird immer noch anhand von FĂŒhrungsspanne und FĂŒhrungstiefe gemessen, also der Anzahl der hierarchisch unterstellten Mitarbeiter und der Hierarchieebenen. Was selbst bei immer flacher werdenden Strukturen schon nicht mehr sinnvoll war, wird bei global vernetzten Projekt- und Prozessstrukturen absolut hinfĂ€llig. Ganz vergessen wurden die âneuenâ Bewertungsstrukturen junger Generationen, fĂŒr die Macht, Einfluss und FĂŒhrungsposition keine Motivation mehr darstellen.
Ein Manager war bislang âumso mĂ€chtigerâ, je gröĂer zusĂ€tzlich noch seine Budgetverantwortung war. Letztlich zĂ€hlen allein seine Erfolge in Umsatz und vor allem Gewinn. Ob er dies mit einer partnerschaftlich-motivierenden MitarbeiterfĂŒhrung erzielt, ist unbedeutend. Ob er dabei Werte und Ethik berĂŒcksichtigt hat, ebenso wenig. Dies wird erst relevant, wenn ein Skandal wie bei VW die SchwĂ€che eines solchen Leistungssystems aufdeckt und selbst den Shareholder Value des Unternehmens schĂ€digt.
Alte Erfolgskriterien verlieren an Bedeutung
In einer Management-Veranstaltung ĂŒber Industrie 4.0 in diesem Septembe...