TALK | Professor Dr. Petra Jansen, Lehrstuhl fĂŒr Sportwissenschaft der Uni Regensburg: Emotionssteuerung, Karriere-Ziele und Frauen
// Von Simone Janson
Professor Dr. Petra Jansen, Lehrstuhl fĂŒr Sportwissenschaft der Uni Regensburg erzĂ€hlt im Interview u.a. wie man seine GefĂŒhle mit Achtsamkeit steuert, wie man seine Ziele erreicht und warum es die GlĂ€serne Decke wirklich gibt.
Professor Dr. Petra Jansen studierte an der Johannes-Gutenberg-UniversitĂ€t in Mainz, Anthropologie, Ethnologie, Psychologie und Mathematik, bevor sie 1999 an der Gerhard-Mercator UniversitĂ€t in Duisburg in Allgemeiner Psychologie zu dem Thema âKognition von Distanzenâ promovierte. 2005 habilitierte Sie an der Heinrich-Heine UniversitĂ€t in DĂŒsseldorf in Experimenteller Psychologie mit dem Thema âEntwicklung rĂ€umlichen Wissensâ. 2008 schloss Sie auch ein Weiterbildungsstudium in Tanztherapie an der WestfĂ€lischen-Wilhelms-UniversitĂ€t MĂŒnster ab. Seit 2008 hat Sie den Lehrstuhl fĂŒr Sportwissenschaft an der UniversitĂ€t in Regensburg inne. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen in der Untersuchung des Zusammenhanges von Motorik, Emotion und Kognition, u.a. unter einer neurowissenschaftlichen Perspektive. Ihre Forschungsarbeiten wurden in mehreren Projekten von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert und bislang in ĂŒber 120 peer-reviewed Zeitschriftenartikel veröffentlicht. Ihre Zukunft sieht Sie in der Erforschung der Integration von Herz und Verstand. Prof. Dr. Petra Jansen ist Mutter von drei erwachsenen Kindern.
Frau Prof. Dr. Jansen, bitte umreisen Sie kurz Ihr Forschungsgebiet.
Lange Zeit galt mein Hauptinteresse der Erforschung kognitiver Prozesse beim Menschen. Die Kognition beinhaltet die Prozesse der Wahrnehmung, Sprache, des Denkens, des Problemlösens und z. B. auch der Verarbeitung rÀumlicher Information.
Hier haben mich insbesondere die Untersuchung des Einflusses der Bewegung auf die Kognition sowie mögliche Geschlechtsunterschiede bei kognitiven FÀhigkeiten interessiert. Heute erforsche ich vermehrt den Zusammenhang zwischen Körper, Kognition, und Emotion im Rahmen der Embodiment-Forschung und den Einfluss von achtsamkeitsbasierten Trainings.
Lassen sich Emotionen ĂŒberhaupt wirkungsvoll steuern?
Emotionen lassen sich regulieren. Stellen Sie ich bitte ein kleines Kind an der Ladenkasse vor. Es sieht all die SĂŒĂigkeiten und fĂ€ngt vielleicht an zu schreien, weil es diese gerne haben möchte. Selbst ein Erwachsener kann das Kind kaum beruhigen.
Die EmotionsregulationsfÀhigkeit ist bei dem kleinen Kind noch nicht so gut ausgeprÀgt, Erwachsene hingegen haben jedoch zumeist die FÀhigkeit erworben, wenn Sie etwas unbedingt wollen, angemessen zu reagieren.
Und was ist wichtiger: Der IQ oder der EQ?
ZunĂ€chst einmal ist der IQ das wissenschaftlich lĂ€nger untersuchte theoretische Konzept. Es ist sicherlich unbestritten, dass der Intelligenzquotient wesentlich fĂŒr das Lösen kognitiver Aufgaben ist. Checa und Fernandez-Berrocal (2015) konnten jedoch nachweisen, dass auch emotionale Kompetenzen fĂŒr die menschliche kognitive KontrollfĂ€higkeit wichtig sind. Es gibt wechselseitige EinflĂŒsse, die in einer aktuellen Ăbersichtsarbeit von Okon-Singer und Kollegen (2015) sehr schön auf den Punkt gebracht werden: âStress, anxiety and other kinds of emotion can profoundly influence key elements of cognition, including selective attention, working memory, and cognitive control. [âŠ] In turn, circuits involved in attention, executive control, and working memory contribute to the regulation of emotion.â Meines Erachtens wĂ€re es gut, von einer âentweder â oderâ Sichtweise zu einer âund-auchâ Sichtweise zu gelangen.
- Checa, P., und FernĂĄndez-Berrocal, P. (2015). The role of intelligence quotient and emotional intelligence in cognitive control processes. Frontiers Psychology, 6: 1853.
- Okon-Singer, H., Hendler, T., Pessoa, L., und Shackman, A.L., (2015). The neurobiology of emotion-cognition interactions: fundamental questions and strategies for future research. Frontiers in Human Neuroscience, 9:58. doi: 10.3389/fnhum.2015.00058
In jĂŒngster Zeit gibt es immer wieder Kritk an Achtsamkeit, z.B. von der Feministin Laurie Penny oder auch in Verbindung mit dem Silicon Valley. Was halten Sie von Kritik an Achtsamkeit?
Die Kritik bezieht sich im ersten Artikel meines Erachtens mehr auf den âTrend zur Selbstliebeâ, wobei die Autorin am Ende die Selbstsorge ins GesprĂ€ch bringt und im zweiten Artikel mehr auf Achtsamkeit als eine Art DiĂ€t von der digitalen Welt.
Beides beschreibt Achtsamkeit meines Erachtens nicht treffend. In meinen Augen bedeutet Achtsamkeit das Gewahrsein im jetzigen Moment. An diesem Streben kann ich nichts kritisch finden; mit der Aufmerksamkeit da zu sein, wo man ist, das halte ich fĂŒr ein wichtiges Ziel fĂŒr jeden Menschen. Das, was ich als kritisch empfinde, ist, dass viele Menschen das GefĂŒhl haben, Yoga machen zu mĂŒssen, zu meditieren oder Achtsamkeitsseminare besuchen zu mĂŒssen. Achtsamkeit bezieht sich fĂŒr mich â und ich betone fĂŒr mich â neben der PrĂ€senz im Moment darauf, den eigenen fĂŒr sich passenden Lebensweg zu finden, es ist ein Schritt zur Selbstliebe. Selbstliebe hat damit ĂŒberhaupt nichts mit Wellness zu tun, sondern mit dem Erkennen und SchĂ€tzen des eigenen Lebens. Und ich völlig mit Laurie Penny ĂŒberein, dass z.B. fĂŒr sozial benachteiligte Menschen der Weg zur Selbstliebe nicht ĂŒber âSelbstliebe-Seminareâ geht, sondern zunĂ€chst eher vielleicht ĂŒber Gedanken zur Ănderung der sozialen Situation.
Meines Erachtens bedenken wir viel zu wenig die IndividualitĂ€t des Einzelnen. Die Menschen unterscheiden sich individuell in der emotionalen, kognitiven, körperlichen und spirituellen Entwicklung und natĂŒrlich auch von der sozialen Situation und des kulturellen Eingebundenseins. Achtsamkeit bedeutet, diese Facetten mit einzubeziehen und aus dieser Situation heraus prĂ€sent zu sein. Es ist klar, dass hier die Wege verschieden sind und dass auch nicht jeder, vielleicht weil er gerade in einer belastenden sozialen Situation eingebunden ist, auf dem Weg sein kann. Auch das gilt es anzunehmen.
Es gibt ja sehr viel Kritik an digitalen Medien. Macht Handy- und Internetkonsum weniger achtsam? Und wie sieht es mit neueren Technologien wie Augmented und Virtual Reality aus?
Gesicherte Studien gibt es bzgl. der störenden Wirkung des Jandy-Gebrauchs im StraĂenverkehr und zwar nicht nur beim Autofahren sondern auch als FuĂgĂ€nger. Generell ist es so, dass der Gebrauch von Handys wĂ€hrend wir eine kognitive Aufgabe durchfĂŒhren, unsere Aufmerksamkeit von der kognitiven Aufgabe abzieht und die Leistung dann in dieser Aufgabe schlechter wird. Jetzt konnte in einer neuere Arbeit sogar gezeigt werden, dass allein das auditive Signal, das eine Nachricht (Sprachanruf oder SMS) angekommen ist, die Aufmerksamkeit stört, ohne das direkt das handy genutzt wird. Wissenschaftlich gesehen zeigt sich demnach, dass die Handynutzung die Aufmerksamkeit abzieht. Dies wirklich gesamtgesellschaftlich zu untersuchen, ist eine groĂe Herausforderung und sehr schwierig. So mĂŒĂte beantwortet werden, was es bedeutet, dass wir in einer Gesellschaft leben, die die leichte Ablenkbarkeit gelernt hat. Wahrscheinlich ist aus diesem Grunde die Sehnsucht nach dem achtsamen Leben im jetztigen Moment sehr groĂ.
Bzgl. Augmented und Virtual Reality gibt es zahlreiche Studien, die positive Effekt in der Bildung, im Training und aber auch in der Rehabilitation zeigen. Meines Erachtens fehlen noch Studien, die den Einfluss der Technologie auf das Gehirn nachweisen. Dies ist auch methodisch sauber und ethisch m.E. nicht einfach zu untersuchen.
- Stothart, C., Mitchum, A., und Yehnert, C. (2015). The attentional cost of receiving a cell phone notification.
- Journal of Experimental Psychology: Human Perception and Performance, 41, 893-897.
Eignet sich Achtsamkeit auch dazu, Ziele zu erreichen? Welche Strategie empfehlen Sie Menschen, wenn es darum geht, Ziele erreichen zu wollen?
Meiner Kollegin Britta Hölzel aus MĂŒnchen und ihren Kollegen (2011) zufolge wirkt die Achtsamkeit auf: a) die Aufmerksamkeitsregulation, b) das Körperbewusstsein, c) die Regulation der GefĂŒhle durch das Wahrnehmen und das Nicht-Bewerten der auftretenden GefĂŒhle und d) die VerĂ€nderung des eigenen Selbst. Da die FĂ€higkeit, die Aufmerksamkeit zu regulieren eine Basiskomponente ist, um Ziele zu erreichen, hilft die Ăbung der Achtsamkeit an dieser Stelle. Viele Coaches werben auch damit. Jedoch fehlen meines Erachtens Untersuchungen, die dies auch wirklich in mit Hilfe eines kontrolliert durchgefĂŒhrten Pre-Post Test Designs und einer Kontrollgruppe nachweisen.
Ich persönlich empfehle Menschen, die ihre Ziele erreichen wollen, dass Sie zunĂ€chst einmal in sich hineinschauen, um zu sehen, welches ihre wahren Ziele sind und was Sie wirklich gerne erreichen wollen. Manchmal ist das ganz schwer von den Erwartungen der Umwelt zu trennen. Hier spricht sicherlich die Psychologin in mir. Dann ist das Setzen realistischer Ziele ebenso wichtig, wie das Wissen um und die Annahme von RĂŒckschlĂ€gen.
- Hölzel, B.K., Lazar, S.W., Gard, T., Schuman-Olivier, Z., Vago, D.R. und Ott, U. (2011). How does mindfulness meditation work? Proposing mechanisms of action from a conceptual and neural perspective. Perspectives in Psychological Science, 6, 537-559. doi:10.1177/1745691611419671
Was Karriere-Ziele angeht, wird ja gerade bei Frauen oft von einer glÀsernen Decke gesprochen. Können Sie das bestÀtigen oder nicht?
Im Januar 2016 betrug der Anteil der Professorinnen an deutschen Hochschulen auf einer C4/W3 Professur 17.3%, dabei ist er seit 1994 kontinuierlich gewachsen â gemittelt ĂŒber alle Besoldungsgruppen von 7,5% auf 21,3%. Diese Zahlen sprechen sicherlich fĂŒr sich. Es findet ein Fortschritt statt â jedoch langsam. Ein Problem ist, dass die jungen Wissenschaftler nach der Habilitation nicht an der eigenen UniversitĂ€t berufen werden können. Auch wenn dies aus wissenschaftlicher Sicht sehr sinnvoll ist, ist es natĂŒrlich familienbezogen gesehen schwierig.
Und wie sehen ihre eigenen Erfahrungen als Frau und Mutter aus?
Meine ganz persönliche Meinung zur glĂ€sernen Decke ist, âJA â sie gibt esâ. Aber vielleicht nicht nur bezogen auf das Geschlecht sondern vielmehr auf die menschlichen Eigenschaften der AuthentizitĂ€t, Transparenz und Ehrlichkeit. In meiner anfĂ€nglichen NaivitĂ€t habe ich gedacht, es ginge an den UniversitĂ€ten um den reinen Wert der Erkenntnis. Erst langsam habe ich begriffen, wie sehr das universitĂ€re Leben von Macht und politischem Gebaren geprĂ€gt ist â und da es halt so viele MĂ€nner in den FĂŒhrungspositionen gibt, von dem mĂ€nnlichen Machtanspruch.
Ich persönlich empfinde das als sehr schade und wenig zielfĂŒhrend. Wenn ich mal etwas gesagt habe, wurde mir gesagt, ich sehe die Sache zu pointiert. Eigentlich ist dies ein Kompliment, aber es scheint eine Eigenschaft zu sein, die nicht gewĂŒnscht ist. Ich konzentriere mich jetzt wieder sehr auf die Arbeit an meinem Lehrstuhl. Dort kann ich die Werte der Aufrichtigkeit und AuthentizitĂ€t vermitteln, die mir wichtig sind. Und dafĂŒr bin ich sehr dankbar.
Wie schafft man es alleinerziehende Mutter im eher konservativen Wissenschaftsbetrieb auf einen Lehrstuhl?
Wie sich herausgestellt hat, war dies nicht so einfach, wie ich es mir vorgestellt hatte â gerade auch der Umzug von Nordrhein-Westfalen nach Bayern nicht. Vor allem die Kinder hatten zunĂ€chst Schwierigkeiten in der Schule, die sich aber dann auch wieder gegeben haben. Und dann die mitleidigen Blicke meiner Kollegen â âWie Du bist alleine mit den Kindern? â Das tut mir aber leidâ. Ich wusste diese Aussage gar nicht einzuordnen, war ich es doch aus NRW gewohnt, dass dies Niemanden zum Erstaunen bringt.
Auch die Organisation von Job und Erziehung stellte natĂŒrlich hohe AnsprĂŒche an mich: Auf der einen Seite brauchten die Kinder aufgrund des Umzuges vermehrt Aufmerksamkeit, auf der anderen Seite musste ein Lehrstuhl in einem fĂŒr mich fremden Fach aufgebaut werden.
Ich glaube, es gibt nur drei Dinge, die es einem ermöglichen, das zu schaffen: 1) eine groĂe Liebe zu den Kindern, 2) eine groĂe Leidenschaft fĂŒr die Wissenschaft und 3) viel Kraft und Resilienz.
Was raten Sie jungen MĂŒttern, die eine wissenschaftliche Karriere anstreben?
FĂŒr mich ist die Antwort einfach: Es gibt die zwei Faktoren, die ich oben schon erwĂ€hnt habe, wie das gut gelingen kann: Bedingungslose Liebe zu den Kindern und Leidenschaft fĂŒr die Wissenschaft. Wenn man das spĂŒrt, gibt es keine andere Wahl und alles andere lĂ€sst sich irgendwie organisieren, heute noch besser als vor 25 Jahren.
Ich wĂŒnsche allen jungen Eltern in der Wissenschaft, dass Sie Chefs und Chefinnen haben, die ihnen die Freiheit lassen, dann zu arbeiten, wann Sie wollen. Das Wichtigste aus beruflicher Sicht ist am Ende die Leistung und das Wohlbefinden der Mitarbeiter/innen und nicht der Ort und der Zeitpunkt der Arbeit.
Apropos neue Arbeitsformen: Prominente wie TV-Star Manuel Andrack oder LinkedIn-GrĂŒnder Konstantin Guericke erledigen einen Teil ihrer Arbeit beim ...