GrĂŒbeln macht unproduktiv: Gegen Pessimismus und Katastrophen-Angst
// Von Simone Janson
Nachdenken ist gemeinhin etwas sehr Positives, kommt man doch durch Denken auf neue Ideen und löst Probleme. Aber man kann Dinge nicht nur zerreden sondern auch zerdenken â und nicht mehr aufhören zu grĂŒbeln. Wie Sie das abstellen, erfahren Sie hier.
Checkliste: ZergrĂŒbeln Sie Ihre Probleme?
Eine kleine Checkliste zum Anfang. Neichten Sie auch dazu, Ihre Probleme zu zerdenken und zergrĂŒbeln? Diese kleine Checkliste hilft Ihnen weiter:
- âWas wĂ€re wennâŠâ, âHĂ€tte nicht vielleichtâŠâ, âKönnte ichâŠâ â beginnen viele Ihrer Gedanken mit solchen SĂ€tzen?
- Eine Gedanken von rechts nach links wĂ€lzen, stundenlang, nicht mehr aufhören können  ist Ihnen das nicht ganz fremd?
- Und neigen Sie dazu, sich ĂŒbertrieben Sorgen um Dinge zu machen, dann aber nichts daran zu Ă€ndern?
Dann könnte es sein, dass Sie ein Thinkaholic sind. Ist das schlimm? Theoretisch nein. Aber praktisch sollten Sie weiterlesen.
Gesundes Nachdenken oder Thinkaholismus?
Bevor MissverstĂ€ndnisse aufkommen: Nachdenken ist nichts Schlechtes. Im Gegenteil, in vielen FĂ€llen hilft es Perfektionisten sogar, einmal tief durchzuatmen und einzuhalten. Sofern dieses Denken irgendwann zu einem Ergebnis fĂŒhrt oder abgeschlossen wird, ist dagegen nichts zu sagen. Auch dass Sie sich gelegentlich um wichtige Dinge Gedanken und Sorgen machen, ist normal und Ihnen sicher vertraut: Wird das Projekt auch rechtzeitig fertig werden? Wird das wichtige Meeting zum Ergebnis fĂŒhren? Ist mein Arbeitsplatz trotz Wirtschaftskrise sicher?
Entscheidend ist, dass dem Nachdenken eine zielgerichtete Handlung folgt. Wenn Sie befĂŒrchten, Sie könnten ein Projekt nicht rechtzeitig beenden, sollten Sie ĂŒberlegen, ob Sie wirklich alles dafĂŒr getan haben, es erfolgreich fertigzustellen. Wenn Sie Angst haben, dass Sie im Meeting die Kollegen oder Mitarbeiter nicht von Ihrer Idee ĂŒberzeugen können, sollten Sie nochmals Ihre Argumente durchgehen. Und selbst wenn Sie glauben, an der aktuellen Wirtschaftslage ja doch nichts Ă€ndern zu können: Statt sich sorgenvoll in Ihrem BĂŒro zu verkriechen und in typischer Perfektionisten-Manier Ă€ngstlich-verbissen vor sich hinzuwerkeln, könnten Sie genauso gut daran arbeiten, dass Sie mit Ihren herausragenden FĂ€higkeiten im Unternehmen noch deutlicher wahrgenommen werden und so Ihren Job sichern.
Vorsicht beim ziellosen Sich-Im-Kreis-Drehen
Wenn Sie allerdings nicht produktiv nachdenken, sondern sich grĂŒbelnd ziellos im Kreis drehen, ohne zu handeln, wenn Sie sich unentwegt Sorgen um eine Sache machen, an der Sie ohnehin nichts Ă€ndern können, dann wird das Nachdenken zum Selbstzweck. Sie können einfach nicht mehr aufhören zu grĂŒbeln und werden im Extremfall sogar völlig handlungsunfĂ€hig. Thinkaholismus entsteht â und ein regelrechter Teufelskreis beginnt, aus dem sie so leicht nicht mehr herauskommen.
âDas ist mir auch klarâ werden Sie vielleicht sagen. Denn vermutlich haben Sie es selbst schon bemerkt, dass Sie zu lange ĂŒber eine Sache nachdenken. Und Sie fĂŒhlen, dass das ein ziemlich irrationales Verhalten ist. Möglicherweise haben Ihre Freunde oder Kollegen Sie auch schon auf diesen Tick hingewiesen. Oder einfach entnervt gesagt: âHör doch endlich auf mit dem GegrĂŒbel!â Sie wissen wahrscheinlich, dass es sicherlich besser wĂ€re, optimistisch zu denken, statt sich stĂ€ndig Sorgen zu machen. Doch so einfach ist es leider nicht, das GrĂŒbeln abzustellen. Denn das Grundproblem liegt etwas tiefer und ist im perfektionistischen Wunsch begrĂŒndet, das Leben und die Welt im Griff zu haben.
Nachdenken: Aus Liebe zum Detail?
Denn viele Perfektionisten wollen eine Situation dadurch kontrollieren, dass sie sie möglichst bewusst wahrnehmen. Sie versuchen also, so viele Informationen wie möglich zu erfassen und alle Facetten eines Problems zu beleuchten. Dabei gehen sie selbst an nebensĂ€chliche Teilaspekte eines Problems heran, als wĂ€ren es wichtige Dinge, bei denen es sich lohnt, jedes Detail zu kennen. Sie wollen alles grĂŒndlich verstehen und sich spĂ€ter an alles erinnern. Daher scannen sie ihre Umgebung regelrecht nach jedem auch noch so kleinen Informationsbrocken ab, der ihnen jetzt oder irgendwann einmal nĂŒtzlich sein könnte. Ja, manche Perfektionisten sind geradezu aberglĂ€ubisch davon ĂŒberzeugt, sie blieben vom kosmischen Buchhalter vor unliebsamen Ăberraschungen verschont, wenn sie sich nur lange und ausfĂŒhrlich genug mit einem Problem und all seinen Details beschĂ€ftigten.
Aus dieser Detailverliebtheit entsteht jedoch ein Problem: Das Hirn macht irgendwann nicht mehr mit. Das zeigen psycholgische Studien. Zu viel Nachdenken ruft ein GefĂŒhl des Kontrollverlusts hervor. Achten Sie einmal darauf, was passiert, wenn Sie sich das nĂ€chste mal beim GrĂŒbeln ertappen: Am Anfang haben Sie vielleicht noch klare Gedanken und sind sich in Ihrer Meinung relativ sicher. Dann kommen Ihnen erste Zweifel, die Sie dazu bringen, die Sache auch aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Denn je lĂ€nger Sie darĂŒber nachdenken, was Sie in dieser oder jener Situation anders machen könnten, je mehr Sie Ihre Gedanken hin- und herwĂ€lzen, desto mehr muss sich Ihr Gehirn anstrengen. Daher empfinden Sie das Problem, ĂŒber das Sie nachdenken, umso komplizierter, je lĂ€nger Sie sich damit beschĂ€ftigen. Und Sie finden es immer schwieriger, zu einem Ergebnis zu kommen. Dadurch verstĂ€rkt sich der Eindruck, die Situation nicht unter Kontrolle zu haben. Ihr Selbstbewusstsein schwindet, Sie werden unsicherer.
Gedankenstopp oder ein Problem ergrĂŒbeln?
Selbst wenn Sie also nicht gleich eine Lösung fĂŒr ein Problem ergrĂŒbeln können: Lassen Sie es erst einmal dabei bewenden. Denken Sie gegebenenfalls zu einem anderen Zeitpunkt nochmals ĂŒber das Thema nach. Denn wenn Sie nun weiter grĂŒbeln, kommen Ihnen immer mehr Zweifel, die Sie im Extremfall gar nicht mehr abstellen können, ja die Gedanken scheinen sich zu verselbstĂ€ndigen. Wenn Sie Ihrem Gehirn hingegen eine Pause gönnen, werden Sie gelegentlich ĂŒberrascht feststellen, dass sich das Thema von selbst erledigt hat.
Eine sehr simple, doch effektive Methode, sich vom GrĂŒbeln abzuhalten, ist der Gedankenstopp, der etwa 15 Sekunden dauert. Er dient dazu, sich bewusst zu machen, wann man ins GrĂŒbeln abgleitet und dieses Denkmuster bewusst zu durchbrechen, indem Sie dem GrĂŒbeln eine bewusste Reaktion entgegensetzen. Versuchen Sie die nachfolgende Ăbung zunĂ€chst einen Monat lang, damit Sie allmĂ€hlich lernen, Ihre Gedanken bewusst wahrzunehmen und Ihr Verhalten zu steuern.
Gedankenstopp â so geht es!
Besorgen Sie sich ein Gummiband, das bequem um Ihr Handgelenk passt und streifen Sie es ĂŒber die rechte oder linke Hand. Jedes Mal, wenn Sie sich beim GrĂŒbeln ertappen, ziehen Sie das Gummiband ein oder zwei Zentimeter auseinander und lassen es zurĂŒckschnellen. Zugleich sagen Sie mit lauter Stimme: âStopp!â
Wenn Sie nicht alleine sind, sagen Sie es leise, aber eindringlich zu sich. Atmen Sie tief ein und langsam wieder aus, entspannen Sie sich. Sagen Sie sich dabei: âBesorgnis oder GrĂŒbeln hilft nicht.â Dann lenken Sie sich ab, z.B. indem Sie mit Ihrer Arbeit weitermachen. Falls Sie gerade nichts zu tun haben, machen Sie EntspannungsĂŒbungen oder beginnen Sie, etwas zu tun. Wichtig: Denken Sie an etwas anderes!
Thinkaholismus im Praxistest
Vielleicht möchten Sie einwenden, dass analytische FĂ€higkeiten gerade fĂŒr das berufliche Vorankommen sehr nĂŒtzlich sind. Es ist richtig: FĂŒr Perfektionisten kann die Begabung, Dinge zu reflektieren und von vorne bis hinten zu durchdenken, im Berufsalltag ein echter Pluspunkt sein. Meist sind sie ausgesprochen interessiert und neugierig und beschĂ€ftigen sich so lange mit einer Sache, bis sie wirklich alle Fakten und HintergrĂŒnde kennen. Dadurch erwerben viele Perfektionisten mit der Zeit ein umfangreiches Fachwissen, das ihnen ausgesprochen gute Karrierechancen ermöglicht â sofern sie es verstehen, ihre Kenntnisse auch entsprechend zu nutzen.
Auch die Handlungen und Entscheidungen von Perfektionisten sind in der Regel wohlĂŒberlegt, denn sie denken vorab entsprechend lange darĂŒber nach. Das kann ein echter Vorteil fĂŒr die Karriere sein. Es kann sogar hilfreich sein, das zeigen die Forschungen des amerikanischen Psychologieprofessors Neal Roese, völlig unproduktiv ĂŒber Dinge nachzugrĂŒbeln, die Sie ohnehin nicht mehr Ă€ndern können. WĂ€hrend Sie verpasste Gelegenheiten und die gefĂ€llten Entscheidungen ausgiebig in Zweifeln ziehen, durchlaufen Sie nĂ€mlich einen sehr wichtigen psychologischen Prozess. Wenn Sie ĂŒber vergangene Situationen eingehend nachdenken und ĂŒberlegen, was Sie hĂ€tten besser machen können, werden Sie sich in Zukunft in Ă€hnlichen Situationen entsprechend besser verhalten. Oder Sie gehen vorbereiteter in eine Situation. Das Weinen ĂŒber vergossene Milch, so sinnlos es im ersten Moment erscheint, hilft auf diese Weise also, zukĂŒnftig Fehler zu vermeiden, Probleme zu lösen und Dinge zu verbessern.
Bitte nicht ĂŒbertreiben!
Doch Perfektionisten mĂŒssen aufpassen, dass Sie das GrĂŒbeln nicht ĂŒbertreiben und dadurch ihrem Erfolg selbst im Wege stehen. Denn sie laufen Gefahr, so lange ĂŒber eine Sache nachzudenken â eine Entscheidung regelrecht zu zergrĂŒbeln â, und sich in Ăngste und Sorgen derart hineinzusteigern, dass sie schlieĂlich nicht mehr in der Lage sind zu handeln. Das ist gerade dann von Nachteil, wenn es im Berufsalltag auf Entscheidungsfreude und FĂŒhrungsstĂ€rke ankommt. Und es wird zu einem richtigen Problem, wenn dadurch wichtige Arbeiten immer wieder aufgeschoben oder vernachlĂ€ssigt werden. Denn manchmal ist es eben im Beruf auch sinnvoll, einfach zu handeln!
Es gibt noch eine anderes Problem: Der Wunsch, ein Problem von allen Seiten zu betrachten, lĂ€sst manche Perfektionisten gerne den Wald vor lauter BĂ€umen nicht sehen. So wie Sarah, die beim Brainstormen wĂ€hrend eines Meetings jede neue Idee ihrer Kollegen akribisch zerpflĂŒckt â selbst wenn sie gar nicht deren Vorgesetze ist und ihr die Kritik eigentlichgar nicht zusteht: âWie haben Sie sich das im Einzelnen vorgestellt? Wie sieht die Finanzierung dieses Projektes aus? Und werden Sie durch diese Idee nicht andere Arbeiten vernachlĂ€ssigen?â Die Kollegen sind genervt, fĂŒhlen sich kritisiert und schweigen bald. Auch die Chefin ist nicht begeistert von Sarahs EinwĂŒrfen, denn die hat die wichtige Ideenfindung im Meeting mit ihren Bemerkungen regelrecht abgewĂŒrgt und ĂŒberdies in den Kompetenzbereich ihrer Chefin eingegriffen. Sarah hingegen hat es nur gut gemeint, wollte als typische Perfektionistin eigentlich nur Schwachstellen im Team aufzeigen, hat dabei aber das Wesentliche ĂŒbersehen: In der ersten Phase des Brainstormens ist es wichtig, dass alle Beteiligten ihre Ideen kommentarlos herausposaunen können â eine detaillierte Betrachtung samt kritischer Beurteilung erfolgt erst spĂ€ter. Mit dieser Haltung hat sich Sarah bei Ihren Kollegen nicht gerade beliebt gemacht.
Den Wald vor lauter BĂ€umen nicht sehen
Vielleicht waren Sie auch schon einmal in einer Ă€hnlichen Situation. Sie wollten mit Ihren hintergrĂŒndigen Gedanken eine Sache weiter vorantreiben, kritisch Schwachpunkte in den neuen Ideen aufzeigen und damit zum Vorteil aller handeln. Wahrscheinlich wollten Sie in solchen Momenten auch zeigen, dass Sie von der Materie wirklich Ahnung haben. Und dann haben Sie sich gewundert, warum Ihre Mitmenschen das nicht gesehen haben, sondern im Gegenteil von ihrer Detailverliebtheit genervt waren.
In vielen FÀllen reicht es völlig aus, sich zunÀchst nur einen allgemeinen ersten Eindruck zu verschaffen und sich eventuell spÀter, wenn es wirklich wichtig ist, mit den Details zu beschÀftigen!
Nur keine Panik!
So mancher Perfektionist kommt leider aus dem Sich-Sorgen gar nicht mehr heraus. Das kann zu dauerhaftem Pessimismus fĂŒhren, den manche Menschen in regelrechten Panikattacken ĂŒbersteigern. Das ist weder angenehm fĂŒr Sie, noch Ihrer Arbeit besonders förderlich.
Wer viel grĂŒbelt, ist in der Regel pessismistischer als seine Mitmenschen und macht sich mehr Sorgen. Schuld daran ist das menschliche Gehirn, das uns hier einen Streich spielt. Es merkt sich einfach Dinge, die mit negativen GefĂŒhlen verknĂŒpft sind, besser als positiv belegte Ereignisse. Und wer viel nachdenkt, dem fallen auf diese Weise auch eher die negativen Ereignisse ein. Dadurch haben manche Menschen oft den subjektiven und falschen Eindruck, negative Ereignisse ĂŒberwiegen in ihrem Leben â und machen sich daher auch mehr Sorgen um zukĂŒnftige Ereignisse. Vielleicht haben Sie sich auch schon darĂŒber geĂ€rgert, dass viele Kollegen öfter jammern als Positives berichten? Und wenn Sie ehrlich sind, ist das bei Ihnen auch nicht anders. Die Ursache ist die subjektive Wahrnehmung.
Pessimismus vermeiden
Wenn Sie Ihre Wahrnehmung Ă€ndern wollen, sollten Sie einfach einmal die Sorgen, die Sie sich um eine Sache machen, in Frage stellen: HĂ€ufig resultieren nĂ€mlich zu pessimistische Gedanken daher, dass Sie Gegenbeweise ĂŒbergangen haben. Fragen Sie sich: Was lĂ€sst mich das glauben? Warum denke ich das? WeiĂ ich das sicher? Was ist tatsĂ€chlich das Schlimmste, was mir passieren kann? Kann ich damit fertig werden? Sind schon andere Leute damit fertig geworden?
Möglicherweise gehören Sie zu den Leuten, die glauben, sich von vornherein auf den absoluten Worst-Case einzustellen. Diese Vorstellung hilft Ihnen dabei, auf jede nur erdenkliche Situation vorbereitet zu sein; in Ihren Augen ist Pessimismus also eine realitÀtsnahe Denkweise. Denn wenn es besser kommt, können Sie ja umso erleichterter sein, oder?
Realismus funktioniert nicht mit Pessimismus
Ich muss Sie enttĂ€uschen: Das Gegenteil ist der Fall. Wenn Sie dazu neigen, die Dinge aus einer pessimistischen Perspektive zu betrachten, sehen Sie die Welt auch automatisch negativer. Denn die selektive menschliche Wahrnehmung sorgt dafĂŒr, dass man in der Regel auch nur die Dinge aufnimmt, die d...