1 Die geriatrischen Versorgungsstrukturen und die Ausgliederung des Pflegepersonalbudgets
Agnes Hartmann
1.1 EinfĂŒhrung
Die mit der GKV-Gesundheitsreform 2000 gelegte gesetzliche Grundlage zur EinfĂŒhrung eines »durchgĂ€ngigen, leistungsorientierten und pauschalierten VergĂŒtungssystems« (§ 17b Abs. 1 Satz 1 Krankenhausfinanzierungsgesetz, KHG) zielte in erster Linie auf eine »Verbesserung der Wirtschaftlichkeit der Krankenhausversorgung« ab. Seit dieser Reform gilt fĂŒr die VergĂŒtung der allgemeinen Krankenhausleistungen ein durchgĂ€ngiges, leistungsorientiertes und pauschalierendes VergĂŒtungssystem. Es bildet KomplexitĂ€ten und KomorbiditĂ€ten bundeseinheitlich ab und hat einen praktikablen Differenzierungsgrad, mit dem die allgemeinen voll- und teilstationĂ€ren Krankenhausleistungen fĂŒr einen Behandlungsfall vergĂŒtet werden.
Die bundeseinheitliche Kalkulation der Fallpauschalen (G-DRG2) erfolgte auf Grundlage von Echtkosten der an der Kalkulationsstichprobe teilnehmenden KrankenhĂ€user. Diese verpflichteten sich, die Erhebung der Kosten auf Grundlage eines eigens dafĂŒr erstellten Kalkulationshandbuchs durchzufĂŒhren, welches die Betriebskosten von den investiven Kosten getrennt darstellt. Hieraus entstand der Fallpauschalen-Katalog, der â vereinfacht dargestellt â ĂŒber Bewertungsrelationen multipliziert mit dem Landesbasisfallwert die Erlöse der Krankenhausbehandlung aufzeigt.
Gesetzlich ist dies in § 17b KHG geregelt. 2020 wurde erstmals die Ausgliederung der Pflegepersonalkosten von dieser pauschalen VergĂŒtung eingefĂŒhrt. Die Kostenerhebung der Kalkulationsteilnehmer folgt, wie bereits seit 2001, den Vorgaben des Kalkulationshandbuchs mit einer KostentrĂ€gerrechnung, die auf Fallebene dem 100-%-Ansatz folgt (siehe Vereinbarung von GrundsĂ€tzen der Systementwicklung 2020 gem. § 4 Absatz 4 Pflegepersonalkostenabgrenzungsvereinbarung). Ziel war es, die Pflegepersonalkosten fĂŒr die unmittelbare Patientenversorgung auf bettenfĂŒhrenden Stationen auszugliedern. Aus dem bisher gĂŒltigen G-DRG-System wurde das kĂŒnftige aG-DRG-System3. Der bislang bekannte Fallpauschalen-Katalog wurde um eine zusĂ€tzliche Spalte, in der die tagesbezogenen Bewertungsrelationen des Pflegeerlöskataloges ausgewiesen werden, ergĂ€nzt. Erstmals berechnet sich somit der Gesamterlös einer symptombezogenen Behandlung zum einen aus dem verweildauerabhĂ€ngigen Relativgewicht einer Fallpauschale multipliziert mit dem Landesbasisfallwert und zum anderen aus dem Produkt der Anzahl der Behandlungstage, dem Pflegeerlös Bewertungsrelation/Tag (erstellt vom InEK4) und dem hausindividuellen Pflegeentgeltwert. Das hausindividuelle Pflegeentgelt ist ein Ergebnis der jĂ€hrlichen Budgetverhandlungen zwischen Klinik und Kassen. Um die LiquiditĂ€t bei fehlender Budgetverhandlung auf Ortsebene zu sichern, wurde im KHEntgG § 15 Abs. 1 Satz 2a folgende Regelung getroffen: »Kann der krankenhausindividuelle Pflegeentgeltwert nach § 6a Absatz 4 aufgrund einer fehlenden Vereinbarung des Pflegebudgets fĂŒr das Jahr 2020 noch nicht berechnet werden, sind fĂŒr die Abrechnung der tagesbezogenen Pflegeentgelte nach § 7 Absatz 1 Satz 1 Nummer 6a die Bewertungsrelationen aus dem Pflegeerlöskatalog nach § 17b Absatz 4 Satz 5 des Krankenhausfinanzierungsgesetzes mit 146,55 Euro zu multiplizieren.«
1.2 DRG-Kalkulation â Report Browser
Der DRG-Browser zeigt, welche mittleren Kosten (Summe der Kosten dividiert durch die Anzahl der Inlier
5) je Kostenmodul herangezogen wurden. Die Kosten werden getrennt nach Personalkosten, Sachkosten und Infrastrukturkosten ausgewiesen (InEK GmbH 2018). Tab. 1.1 zeigt am Beispiel der B44A
6, dass fĂŒr diese DRG fĂŒr die Pflege insgesamt Kosten in Höhe von 3.363,88 ⏠ausgewiesen werden (
Tab. 1.1,
Abb. 1.1). Dies entspricht 50 % der gesamten Personalkosten fĂŒr die Berufsgruppen Pflege, Ărztlicher Dienst und Medizinisch-Technischer Dienst (MTD). Auf den Ărztlichen Dienst entfallen ĂŒber alle Kostenstellen (Normalstation, Intensivstation, OP âŠ) 31 % und auf den MTD 19 %. Von den Gesamtpflegekosten entstehen auf der Kostenstelle Normalstation 2.254,27 âŹ, was wiederum einem Anteil von 67 % der Gesamtpflegepersonalkosten entspricht (InEK GmbH 2018).
Es zeigt sich also, dass die Kosten der geriatrischen DRG â hier am Beispiel der B44A â in ihrer Höhe sehr durch die Pflegekosten getriggert werden. Schaut man sich die B44AâD im Jahr 2019 ĂŒber die Schweregradsplits AâD an, so werden die Kostenunterschiede, die durch den Anteil der Pflege entstehen, sehr schnell deutlich. Die Pflegekosten waren somit bis 2019 der Hauptkostentrenner der B44AâD (InEK GmbH 2018). Durch die Ausgliederung der Pflegepersonalkosten wurden die Kostenunterschiede minimiert und die FĂ€lle werden im Jahr 2020 in die DRG B44A bis B44C gruppiert (InEK GmbH 2019).
Gliedert man zur besseren Darstellung die Pflegepersonalkosten komplett aus und setzt diese auf 0 âŹ, finden sich zwei weitere Kostenunterschiede. Es wird deutlich, dass sich in den Sachkosten des medizinischen Bedarfs (ohne Arzneimittel, Implantate und Transplantate) in der Rubrik 6a ein Unterschied abbildet sowie im Medizinisch-Technischen Dienst, worunter im GroĂteil die therapeutischen Verfahren fallen. Hier wird zwischen der B44A und der B44D im Jahr 2019 ein Kostenunterschied von rund 600 ⏠ausgewiesen (
Abb. 1.2, InEK GmbH 2018).
Tab. 1.1: Kostenmodule am Beispiel der B44A (InEK GmbH (2018) G-DRG-Report-Browser 2019, hier B44A, modifizierte Darstellung)
PersonalkostenSachkostenInfrastrukturkostenĂDPDMTD 1234a4b56a6b6c78
Abb. 1.1: Kostenvergleich B44A, B44B, B44C und B44D7 im Jahr 2019 (eigene Darstellung, basierend auf InEK GmbH (2018) G-DRG-Report-Browser 2019)
Abb. 1.2: Kostenvergleich B44A, B44B, B44C und B44D im Jahr 2019, ohne Pflegepersonalkosten (eigene Darstellung, basierend auf InEK GmbH (2018) G-DRG-Report-Browser 2019)
Bei genauerer Betrachtung der Kosten der therapeutischen Verfahren, welche die Therapieeinheiten gem. OPS 8-550 abbilden, stellt man fest, dass der Kostentrenner zwischen den DRG B44A mit einem Anteil von 55,2 % sowie B44B mit einem Anteil von 56,3 % und der B44C mit einem Anteil von 72,3 % sowie der B44D mit einem Anteil von 72,0 % jeweils nur gering ist (
Abb. 1.3, InEK GmbH 2018).
Abb. 1.3: Kostenvergleich B44A, B44B, B44C und B44D im Jahr 2019, Personalkosten MTD und Anteil der therapeutischen Verfahren (eigene Darstellung, basierend auf InEK GmbH (2018) G-DRG-Report-Browser 2019)
Es gilt also abzuwarten, wie sich der Umbau des DRG-Systems in den nĂ€chsten Jahren entwickelt. Die Ausgliederung der Pflegepersonalkosten im Jahr 2020 war sicherlich erst der Beginn einer zukĂŒnftigen starken VerĂ€nderung der DRG-Kataloge.
1.3 Logik der DRG-Eingruppierung
Die Eingruppierung in die jeweiligen DRG erfolgt ĂŒber eine Abfrage-Reihenfolge, gestuft nach den mittleren Kosten der Inlier. Hierbei sind die DRG, die auf A enden, z. B. B44A, höher bewertet als eine B44B. Bisher waren in den Gesamtkosten die Pflegekosten enthalten und die Reihenfolge wurde unter BerĂŒcksichtigung der Gesamtkosten festgelegt.
Da aus den DRG mit der Umstellung nun verschieden hohe Pflegeentgelte herausgerechnet wurden, erfolgt â dieser Logik folgend â eine Umsortierung der DRG im System, wordurch sich mitunter die Abfrage-Reihenfolge verĂ€nderte und verschiedene DRG, die in den mittleren Kosten keinen Kostentrenner mehr aufwiesen, in anderen DRG aufgingen.
Abb. 1.4: Auswirkungen auf die DRG-Klassifikation. Beispiel zur Umsortierung. Unterschiedliche Anteile der »Pflege am Bett« in den einzelnen DRGs mit ggf. entsprechend verĂ€nderter Abfragereihenfolge (Heimig (2019) Entgeltsystem im Krankenhaus 2020. »Entwicklung des G-DRG-Katalogs fĂŒr das Jahr 2020«. Hrsg. von der InEK GmbH, S. 53)
Abb. 1.5: Auswirkungen auf die DRG-Klassifikation. Beispiel zur Umsortierung. Im aG-DRG-System Abfragereihenfolge orientiert an den mittleren Kosten der Inlier ohne Pflege am Bett (Heimig (2019) Entgeltsystem im Krankenhaus 2020. »Entwicklung des G-DRG-Katalogs fĂŒr das Jahr 2020«. Hrsg. von der InEK GmbH, S. 54)
1.4 aDRG 2020 ohne Pflegepersonalkosten
Die DRG 2020 folgen, in Bezug a...