Wem gehört das Meer?
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Wem gehört das Meer?

Globale Ressourcen und die dritte UN-Seerechtskonferenz (1968–1994)

Johanna Sackel

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  1. 343 pages
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Wem gehört das Meer?

Globale Ressourcen und die dritte UN-Seerechtskonferenz (1968–1994)

Johanna Sackel

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Die Frage nach Besitz und Nutzung des Ozeans birgt gewaltiges Konfliktpotential, ist doch das Meer nicht nur Nahrungsquelle, sondern auch Wirtschaftsfaktor und Gegenstand geopolitischer AnsprĂŒche. Erstmalig untersucht die Autorin aus historischer Perspektive die Verhandlungen und Debatten wĂ€hrend der dritten UN-Seerechtskonferenz, die sich innerhalb des Spannungsfelds gegensĂ€tzlicher Vorstellungen von Verteilungsgerechtigkeit und globalem Ressourcenmanagement bewegten. Sie verbindet die Analyse des Konferenzgeschehens mit einem akteurszentrierten Mehr-Ebenen-Ansatz, um die Bedeutung und Wirksamkeit der unterschiedlichen Wahrnehmungen mariner Ressourcen herauszuarbeiten, die den Umgang mit den Meeren und die Ocean Governance bis heute prĂ€gen. Als Akteure nimmt sie dabei insbesondere den Staatenverbund der EntwicklungslĂ€nder G77, die deutsche Hochseefischerei und die Meeresaktivistin Elisabeth Mann Borgese in den Blick. Die Seerechtskonferenz erscheint somit als ein LehrstĂŒck fĂŒr die Akteurs- und Interessenkonstellationen zwischen Staaten, Wirtschaft und Zivilgesellschaft auf internationalen Konferenzen. Zugleich unterstreicht die Studie das Potential maritimer Geschichte fĂŒr umwelt-, wirtschafts- und globalhistorische Fragestellungen.

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Informations

Année
2022
ISBN
9783110748949

1 Einleitung

26. Mai 1985, 57° 35’ 48“ N und 13° 41’ 19“ W. Tom McClean ist allein. Mitten im Ozean hat man ihn ausgesetzt, auf einem 21 Meter hohen Felsen, umbraust von den wilden Wellen des Nordatlantiks. Als Unterkunft dient ihm nur ein PlastikgehĂ€use, das ihn notdĂŒrftig vor dem unablĂ€ssig ĂŒber ihn hinwegfegenden Sturm schĂŒtzt. Dieser Zustand, so der Plan, soll sich nun mindestens 21 Tage nicht Ă€ndern. So lange braucht es, bis McClean bewiesen hat, dass der Felsen Rockall, 300 km westlich der Hebriden gelegen, eine bewohnbare Insel ist. Und eben nicht nur ein vulkanischer Gesteinsbrocken, der allenfalls als Brutplatz fĂŒr Basstölpel dient. Der ehemalige Elitesoldat McClean ist Brite und hat ein Anliegen: Die reichen Öl- und Fischvorkommen um Rockall sollen weder den DĂ€nen, noch den Iren oder den IslĂ€ndern zugutekommen, sondern Großbritannien.
Bereits seit 1955 hatten die vier Staaten versucht, den Felsen jeweils fĂŒr sich zu erobern. Nie erkannte irgendjemand diese AnsprĂŒche an. Das SeerechtsĂŒbereinkommen von 1982 jedoch gab einen völkerrechtlichen Hinweis, indem es festschrieb, dass Erhebungen aus dem Meer dann als Inseln gelten, wenn sie bewohnbar sind oder wenn auf ihnen eigenstĂ€ndige wirtschaftliche AktivitĂ€ten stattfinden können. Hierauf bezog sich der patriotische Tom McClean. Freilich erkannten Island, DĂ€nemark und Irland seine Aktion nicht als Beweis an. 40 sommerliche Tage – solange harrte er auf dem Felsen aus –, das war ihrer Meinung nach keine Kunst. Im Winter wĂŒrde ein Mensch Rockall jedenfalls nicht ĂŒberleben. Und so blieb die Felseninsel weiter staatenlos. Zwölf Jahre spĂ€ter unterstrich Greenpeace diesen Umstand und rief auf Rockall öffentlichkeitswirksam den freien Staat „Waveland“ aus, um gegen Offshore-Ölbohrungen zu protestieren.1
Szenenwechsel: MĂ€rz 2012, Kayar/Senegal. Die einheimischen Fischer sind wĂŒtend. Demonstrierend ziehen sie durch die Stadt und protestieren gegen die Entscheidung ihrer Regierung, neue Fanglizenzen an auslĂ€ndische Fischereiunternehmen zu verkaufen. Es ist die Angst um ihre Existenz, die sie auf die Straße treibt. Denn seit Senegal Lizenzen fĂŒr die technisch hochgerĂŒsteten Fangflotten der EuropĂ€ischen Union ausstellt, damit sie in der 200 Seemeilen-Zone fischen können, fangen die einheimischen Fischer immer weniger. Ihre kleinen Pirogen können mit den Fabriktrawlern der EU nicht mithalten, die weit draußen durch den Atlantik pflĂŒgen und dafĂŒr sorgen, dass viele der Fische es gar nicht erst in die NĂ€he der KĂŒste schaffen. 200 Tonnen Fisch fasst ein solcher Megatrawler – eine Piroge höchstens 10. Um ĂŒberhaupt noch etwas zu fangen, fahren die senegalesischen Fischer immer weiter hinaus, was gefĂ€hrlich ist und sich eigentlich nicht lohnt. Von den Einnahmen aus den Lizenzen sehen sie wenig, diese werden anderswo eingesetzt. Und die EU lĂ€sst sich den westafrikanischen Fisch einiges kosten – zu groß ist der Druck, die heimischen MĂ€rkte zu versorgen und die hochsubventionierten Fischereiflotten zu erhalten.2
Szenenwechsel: 27. Juni 2008, Karkum/Papua-Neuguinea. Der „Rat indigener Bevölkerungsgruppen in der Bismarck- und Salomonensee“ verabschiedet die „ErklĂ€rung von Karkum“.3 Anlass ist die Absicht der Regierung Papua-Neuguineas, gemeinsam mit dem kanadischen Unternehmen Nautilus Minerals Inc. in der Tiefsee vor Neuguineas KĂŒsten Meeresbergbau zu betreiben. Mit der Lizenzierung durch die Regierung kann das Unternehmen die International Seabed Authority (ISA) umgehen, die die Tiefseeressourcen außerhalb der nationalen Wirtschaftszonen als Gemeinsames Erbe der Menschheit verwaltet. Es sind Massivsulfide und Manganknollen, reich an seltenen Erden, deren Ausbeutung hohe Gewinne verspricht. Die in Karkum zusammengekommenen Vertreter indigener Bevölkerungsgruppen fĂŒhlen sich indes ĂŒbergangen und fĂŒrchten GefĂ€hrdungen des Ökosystems; sie sehen außerdem ihre Lebensweise bedroht. In ihrer ErklĂ€rung beklagen sie die mangelnde BerĂŒcksichtigung ihrer Interessen und begrĂŒnden dies mit ihrer besonderen Verbundenheit zum Meer: „Unsere ErnĂ€hrungsgrundlage und unsere Kultur basieren auf diesem Meer, das ein untrennbarer Bestandteil unserer Kultur, unserer IdentitĂ€t und unserer Lebensweise ist. Unser Leben ist verbunden mit den KreislĂ€ufen des Meeres.“4
Die anhand dieser FĂ€lle verdeutlichten unterschiedlichen ZugĂ€nge zum Thema Meeresressourcen deuten das Spannungsfeld an, das sich zwischen diversen Einzelinteressen und globalen BezĂŒgen entfaltet. Die darin aufscheinenden Facetten und Probleme der maritimen Ressourcennutzung in einer globalisierten Welt lassen sich grob in vier Grundannahmen zusammenfassen:
1. Die Verwaltung der Ozeane und ihrer „marinen Ressourcen“5 erfordert offensichtlich ein Regime6, das sowohl globale Gemeinwohlinteressen als auch lokale und wirtschaftliche BedĂŒrfnisse integrierend befriedigt und damit zusammenhĂ€ngende Konflikte befriedet.
2. Staatliche SouverĂ€nitĂ€t ĂŒber natĂŒrliche marine Ressourcen konkurriert mit dem Prinzip der „Global Commons“ (globale AllmendegĂŒter). Wie und in welchem Ausmaß eine Ressource genutzt wird, entscheidet entweder ein Staat in Gestalt seiner Regierung oder Vertreter eines quasi-globalen Kollektivs.
3. Die sogenannte „Ocean Governance“ wird von diversen Akteuren in einem Mehrebenensystem verhandelt und gestaltet. Dazu zĂ€hlen Staaten, internationale Organisationen, StaatenverbĂŒnde oder -gruppen mit gemeinsamen Interessen, Nichtregierungsorganisationen (NGOs), aber auch WirtschaftsverbĂ€nde und Unternehmen. Diese unterschiedlichen Stakeholder agieren sowohl auf internationaler, transnationaler und nationaler als auch auf subnationaler, ergo regionaler und lokaler Ebene (manchmal nur auf einer dieser Ebenen, manchmal auch auf mehreren zugleich).
4. Das Meer ist ProjektionsflĂ€che fĂŒr zahlreiche, kulturell geprĂ€gte Naturkonzepte, aber auch – und dies ist besonders im Ressourcenkontext bedeutsam – fĂŒr teilweise deutlich miteinander konfligierende Verteilungsmodelle. WĂ€hrend beispielsweise das Konzept vom Gemeinsamen Erbe der Menschheit eine gemeinsame Bewirtschaftung und gerechte Verteilung der MeeresschĂ€tze vorsieht und dabei die Endlichkeit dieser Ressourcen annimmt, impliziert der Begriff der „Freiheit der Meere“ eine Unerschöpflichkeit, die einen uneingeschrĂ€nkten Zugriff fĂŒr jeden zulĂ€sst.
Historischer Fluchtpunkt fĂŒr diese Überlegungen ist die dritte Seerechtskonferenz der Vereinten Nationen (UNCLOS III), die in elf Sitzungsperioden von 1973 – 1982 stattfand und mit der Verabschiedung des SeerechtsĂŒbereinkommens endete. Inkrafttreten konnte das Übereinkommen erst 1994, nachdem Teile des Vertragstextes nachverhandelt worden waren und die erforderlichen 60 Staaten die Konvention ratifiziert hatten. Das Übereinkommen bildet das rechtliche Rahmenwerk fĂŒr die Ocean Governance und den Hintergrund der beschriebenen Sachlagen und KonfliktfĂ€lle. Mit ihr wurde die 200 Seemeilen (dies entspricht ungefĂ€hr 370 km) breite „Ausschließliche Wirtschaftszone“ kodifiziert, die alle in diesem Gebiet befindlichen lebenden und nichtlebenden Ressourcen der Jurisdiktion beziehungsweise SouverĂ€nitĂ€t des jeweiligen KĂŒstenstaates unterstellt. FĂŒr die Hohe See außerhalb dieser Zonen gilt bis dato weiterhin die Freiheit der Meere, wohingegen die Ressourcen des darunterliegenden Meeresbodens („the area“/„das Gebiet“) als Gemeinsames Erbe der Menschheit in der Konvention verankert und damit dem freien Zugriff entzogen sind. Das Abkommen enthĂ€lt zudem Regelungen fĂŒr den Meeresumweltschutz, die wissenschaftliche Meeresforschung sowie die friedliche Streitbeilegung. Nicht zuletzt sind der Internationale Seegerichtshof in Hamburg, die Meeresbodenbehörde (ISA) mit Sitz in Kingston/Jamaika und die Kommission zur Begrenzung des Festlandsockels, die in der Regel in New York tagt, Resultate der Konvention.
Mitnichten war die Seerechtskonferenz eine rein juristische Veranstaltung. Vielmehr verhandelten die Konferenzteilnehmer7 ambitioniert ĂŒber Ressourcenverteilung und damit auch ĂŒber Ressourcengerechtigkeit. Im Zuge der Seerechtskonferenz wurde das Meer von einem der „Freiheit der Meere“ unterliegenden open access good zu einem quasi-territorialisierten Raum, in dem neben der Meeresfreiheit zwei weitere GrundsĂ€tze zum Tragen kamen, nĂ€mlich das Prinzip der RessourcensouverĂ€nitĂ€t und das Prinzip des Gemeinsamen Erbes. Die Geschichte der Meere lĂ€sst sich folglich in ein „Vor“ und ein „Nach“ der Konferenz periodisieren und zwar in rechtlicher, geopolitischer und geoökonomischer Hinsicht. Im Hinblick auf ressourcenbezogene Verteilungsfragen kommt jedoch vor allem dem „Dazwischen“ besondere Bedeutung zu.
Begreift man nÀmlich die Seerechtskonferenz als einen Transformationsprozess, wi...

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