Mephisto
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Mephisto

Roman einer Karriere (neue überarbeitete Auflage)

Klaus Mann

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Roman einer Karriere (neue überarbeitete Auflage)

Klaus Mann

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MEPHISTO - ROMAN EINER KARRIERE ist der sechste Roman des Schriftstellers Klaus Mann, der 1936 im Exilverlag Querido in Amsterdam erschienen ist. Er wurde 1956 erstmals in Deutschland im Ostberliner Aufbau-Verlag verlegt. Der Roman zählt neben dem Tschaikowsky-Roman Symphonie Pathétique und dem Emigranten-Roman Der Vulkan zu Klaus Manns drei bedeutendsten Romanen. Erzählt wird die Geschichte des Schauspielers Hendrik Höfgen von 1926 im Hamburger Künstlertheater bis zum Jahre 1936, als dieser es zum gefeierten Star des sogenanntenNeuen Reichesgebracht hat. Höfgen, der sich erst spät während derZeit des Nationalsozialismusmit den Machthabern arrangiert, und so zumIntendantenamBerliner Staatstheaterernannt wurde, flüchtet jedoch zunächst vor seinen zukünftigen Freunden nach Paris, da er Angst vor einer Verfolgung aufgrund seiner "kulturbolschewistischen" Vergangenheit hat. Ab diesem Zeitpunkt stellt Höfgen fest, dass er bereits einen Teil seiner "echten" Freunde wie seine Frau Barbara Bruckner und Frau von Herzfeld verloren hat. Jedoch kann er, zurück in Berlin, Lotte Lindenthal für sich gewinnen, die Frau desFliegergenerals. Dieser hält selbst große Stücke auf seinen Höfgen, seinen Spielball. Als leidenschaftlicher Schauspieler, dem die Rolle desMephistoinGoethesFaustIwie auf den Leib geschnitten ist, erkennt derOpportunistHöfgen erst viel zu spät, dass er tatsächlich einen Pakt mit dem Teufel –dem Mephistopheles– geschlossen hat. Er ist zu einem "Affen der Macht" geworden, ein "Clown zur Zerstreuung der Mörder". Er verliert die humanen Werte und teilt die Auffassungen des Regimes. Er geht sogar so weit, die vorübergehende Verhaftung seiner Geliebten anzustiften, der "Schwarzen Venus", mit der erBDSM-Praktiken ausübt.Die Rolle von Höfgen ist ambivalent, denn es sind im Roman immer wieder Stellen zu finden, in denen er versucht, Freunden zu helfen. Jedoch bleiben diese Rufe klein, und Höfgen hat auch Angst, seine gute Stellung bei seinem "dicken Gönner" zu verlieren. Deshalb bezeichnet er sich am Ende als einen "ganz gewöhnlichen Schauspieler" und kann nicht verstehen, wieso sich seine Freunde von ihm distanzieren.

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Informazioni

Editore
l'Aleph
Anno
2020
ISBN
9789176375846
X
Die Drohung
D
er Intendant war kahlköpfig. Die letzten seidenweichen Strähnen, welche die Natur ihm gelassen hatte, rasierte er sich ab. Seines edel gebildeten Schädels brauchte er sich nicht zu schämen. Mit Würde und Selbstbewusstsein trug er das mephistophelische Haupt, in das der Herr Ministerpräsident sich vergafft hatte. Im fahlen, etwas aufgeschwemmten Gesicht schimmerten die kalten Juwelenaugen so unwiderstehlich wie je. Der empfindliche Leidenszug an den Schläfen rührte zu einem respektvollen Mitleid. Die Wangen begannen ein wenig schlaff zu werden, hingegen hatte das Kinn, mit der markanten Kerbe in der Mitte, seine herrische Schönheit behalten. Vor allem wenn der Intendant es hochreckte, wie dies seine Art war, wirkte es sowohl imponierend als reizend; neigte er indessen das Gesicht, so entstanden Falten am Hals, und es stellte sich heraus, dass er eigentlich ein Doppelkinn besaß.
Der Intendant war schön. Nur Personen, die so scharf blickten wie die alte Frau Generalin durch ihre Lorgnette, glaubten feststellen zu dürfen, dass seine Schönheit nicht ganz echt, nicht ganz legitim und mehr eine Leistung des Willens war als eine Gabe der Natur. ”Es verhält sich mit seinem Gesicht so ähnlich wie mit seinen Händen”, behaupteten solche Boshaften und Überkritischen. ”Die Hände sind breit und hässlich, aber er weiß sie zu präsentieren, als wären sie spitz und gotisch.”
Der Intendant war sehr würdig. Das Monokel hatte er gegen eine Hornbrille mit breitem Rand vertauscht. Seine Haltung war aufrecht, zusammengenommen, beinah steif. Der Zauber seiner Persönlichkeit ließ das Fett übersehen, das er doch in Wahrheit reichlich ansetzte. Meistens sprach er mit einer leisen, belegten, dabei singenden Stimme, die gebieterische, kokett wehleidige und sinnlich werbende Töne auf diskrete Art miteinander abwechseln ließ und zuweilen, bei festlichen Anlässen, den überraschend aufleuchtenden Metallton hergab.
Jedoch konnte der Intendant auch munter sein. Im Repertoire der Mittel, mit denen er verführte, hatte die typisch rheinische, bei ihm aber übermütig persönlich geprägte Lustigkeit ihren wichtigen Platz. Wie der Intendant zu scherzen verstand, wenn es galt, verdrossene Bühnenarbeiter, widerspenstige Schauspieler oder die schwer zu behandelnden Repräsentanten der Macht für sich zu gewinnen! Er brachte Sonnenschein in ernste Versammlungssäle, er erhellte mit der ihm angeborenen und durch eine lange Routine perfektionierten Schalkhaftigkeit trübe Probenvormittage.
Der Intendant war beliebt. Beinah alle Menschen mochten ihn, rühmten seine Leutseligkeit und waren der Ansicht, er sei ein feiner Kerl. Ihm gegenüber schien sogar die politische Opposition, die nur bei geheimen Zusammenkünften, in sorgfältig verschlossenen Räumen ihre Ansicht äußern konnte, milde gestimmt. Es sei doch ein rechtes Glück – so meinten die, welche mit dem Regime nicht einverstanden waren –, dass auf einem so wichtigen Posten, wie der es war, den Höfgen innehatte, ein deklarierter Nicht-Nationalsozialist sitze. In diesen verschwörerischen Zirkeln wollte man wissen, dass der Chef des Staatstheaters sich den Ministerien gegenüber manches leistete und herausnahm. Er hatte Otto Ulrichs an die preußische Bühne gebracht – eine ebenso riskante wie lobenswerte Tat. Seit Neuestem hielt er sich sogar einen Privatsekretär, der Jude oder mindestens Halbjude war –: Johannes Lehmann hieß der junge Mensch, er hatte sanfte, goldbraune, etwas ölige Augen und war dem Intendanten ergeben wie ein treuer Hund. Lehmann war zum Protestantismus übergetreten und sehr fromm. Neben germanistischen und theatergeschichtlichen Kollegs hatte er theologische gehört. Für Politik interessierte er sich nicht. ”Hendrik Höfgen ist ein großer Mensch”, pflegte er zu sagen und verlieh dieser Meinung in den jüdischen Kreisen, zu denen er durch seine Familie, und in den oppositionell-religiösen, zu denen er durch seine Frömmigkeit Beziehung hatte, eifrig Ausdruck.
Hendrik honorierte den ergebenen Johannes aus eigener Kasse: Er ließ es sich etwas kosten, einen Menschen von der Paria-Rasse in seinem Dienste zu haben und, auf solche Weise, den Gegnern des Regimes zu imponieren. Für das Gehalt eines ”arischen” Privatsekretärs wäre das Staatstheater aufgekommen; jedoch konnte der Intendant nicht gut die öffentliche Kasse für den Sold eines ”Nicht-Ariers” in Anspruch nehmen. Vielleicht hätte ihm der Ministerpräsident sogar diese Laune verziehen. Aber Hendrik legte Wert darauf, das finanzielle Opfer zu bringen. Die zweihundert Mark, die er monatlich zu zahlen hatte und die übrigens in seinem Etat eine minimale, kaum spürbare Rolle spielten, lohnten sich ihm. Denn gerade sie gaben seiner schönen Tat ein besonderes Gewicht und vergrößerten ihre Wirkung. Der Jüngling Johannes Lehmann war ein bedeutender Aktivposten in der Bilanz jener ”Rückversicherungen”, die Höfgen sich ohne gar zu große Risiken leisten durfte. Er brauchte sie, ohne sie hätte er seine Situation kaum ertragen, sein Glück wäre zerstört worden durch ein schlechtes Gewissen, das wunderlicherweise nie ganz schweigen wollte, und durch eine Angst vor der Zukunft, die den großen Mann zuweilen bis in seine Träume verfolgte.
Im Theater selbst – dort also, wo er als hohe Amtsperson handelte – erschien es ihm keineswegs ratsam, sich gar zu viel herauszunehmen: Der Propagandaminister und seine Presse schauten ihm auf die Finger. Der Intendant musste froh sein, wenn er das Äußerste an künstlerischer Blamage, wenn er die Aufführung völlig dilettantischer Stücke, das Engagement total unbegabter, nichts-als-blonder Schauspieler verhindern konnte.
Selbstverständlich war das Theater garantiert ”judenrein”, von den Bühnenarbeitern, Inspizienten und Portiers bis hinauf zu den Stars. Selbstverständlich durfte die Annahme eines Stückes nicht erwogen werden, wenn die Ahnentafel des Verfassers nicht bis ins vierte und fünfte Glied nachweisbar tadellos war. Stücke, in denen sich eine Gesinnung vermuten ließ, die das Regime als anstößig empfinden konnte, kamen ohnedies nicht in Frage. Es war nicht ganz leicht, unter solchen Umständen ein Repertoire zusammenzustellen; denn auch auf die Klassiker konnte man sich nicht verlassen. In Hamburg hatte es bei einer Aufführung des ”Don Carlos” demonstrativen und fast aufrührerischen Beifall gegeben, als Marquis Posa vom König Philipp die ”Gedankenfreiheit” forderte; in München war eine Neuinszenierung der ”Räuber” so lange ausverkauft gewesen, bis die Regierung sie verbot: Schillers Jugendwerk hatte als aktuell-revolutionäres Drama gewirkt und begeistert. Intendant Höfgen wagte sich also weder an den ”Carlos” noch an die ”Räuber”, obwohl er selber gerne sowohl den Marquis Posa als auch den Franz Moor gespielt haben würde. Fast alle modernen Stücke, die bis zum Januar 1933 in den Spielplan einer anspruchsvollen deutschen Bühne gehört hatten – die frühen, noch kraftvollen Werke Gerhart Hauptmanns, die Dramen Wedekinds, Strindbergs, Georg Kaisers, Sternheims –, wurden wegen zersetzend kulturbolschewistischen Geistes scharf und mit Empörung abgelehnt: Intendant Höfgen konnte sich nicht erlauben, eines von ihnen zur Aufführung vorzuschlagen. Die jüngeren Dramatiker von Talent waren beinah ausnahmslos emigriert oder lebten in Deutschland nicht anders denn in der Verbannung. Was sollte Intendant Höfgen spielen lassen in seinen schönen Theatern? Die nationalsozialistischen Dichter – forsche Knaben in schwarzen oder braunen Uniformen – schrieben Dinge, von denen jeder, der etwas vom Theater verstand, sich mit Grausen abwandte. Intendant Höfgen erteilte Aufträge an jene von den militanten Buben, denen er am ehesten einen Funken von Begabung zutraute: An fünf von ihnen ließ er ein paar tausend Mark auszahlen, ehe sie noch mit der Arbeit begonnen hatten, damit er nur endlich ein Stück bekäme. Die Resultate aber fielen jämmerlich aus. Was abgeliefert wurde, waren patriotische Tragödien, die das Machwerk hysterischer Gymnasiasten zu sein schienen. ”Es ist wahrhaftig keine Kleinigkeit, in diesem Deutschland auch nur halbwegs vernünftiges Theater zu machen”, äußerte Hendrik im Kreise der Intimen und stützte sein fahles, überanstrengtes, ein wenig angewidertes Gesicht in die Hände.
Die Situation war sehr schwierig, aber Intendant Höfgen war sehr geschickt. Da es keine modernen Lustspiele gab, entdeckte er alte Possen und hatte starke Erfolge mit ihnen; monatelang machte er volle Häuser mit einer verstaubten französischen Komödie, über die unsere Großväter sich amüsiert hatten. Er selber spielte die Hauptrolle, zeigte sich dem Publikum in einem wunderbar bestickten Rokokokostüm, sein köstlich geschminktes Gesicht wirkte mit einem schwarzen Schönheitspflästerchen am Kinn derartig pikant, dass alle Weiber im Parkett vor Wonne kicherten, als hätte man sie gekitzelt, seine Gebärden hatten eine Beschwingtheit, seine Konversation eine Verve, die den wacker fabrizierten Großvater-Scherz wirken ließen wie den glanzvollsten modernen Reißer. – Da Schiller, mit seiner ewigen Beschwörung der Freiheit, anrüchig war, bevorzugte der Intendant Shakespeare, den die maßgebende Presse als den großen Germanen, als das völkische Genie par excellence proklamiert hatte. – Lotte Lindenthal, Favoritin eines Halbgottes und repräsentative Menschendarstellerin des neuen Deutschland, konnte es wagen, als Minna von Barnhelm aufzutreten – also in einer Komödie, deren Verfasser für seine Judenfreundlichkeit ebenso unliebsam bekannt war wie für seine gänzlich unzeitgemäße Liebe zur Vernunft. Weil die Lindenthal mit dem Fliegergeneral buhlte, verzieh man Gotthold Ephraim Lessing seinen ”Nathan der Weise”. Auch die ”Minna von Barnhelm” machte gute Kasse. Die Einnahmen der staatlichen Bühnen, die unter der Direktion des Dichters Cäsar von Muck so miserabel gewesen waren, verbesserten sich zusehends, dank der Gewandtheit des neuen Intendanten.
Cäsar von Muck, der im besonderen Auftrag des Führers eine Vortrags- und Propaganda-Tournee durch Europa unternahm, hätte Anlass gehabt, sich über die Triumphe seines Nachfolgers zu ärgern. Er ärgerte sich in der Tat, zeigte es aber nicht, sondern schrieb Ansichtskarten an seinen ”Freund Hendrik” aus Palermo oder aus Kopenhagen. Auf ihnen ward er nicht müde zu betonen, wie schön und herrlich es sei, so in Freiheit durch die Lande zu streifen. ”Wir Dichter sind doch alle Vagabunden”, schrieb er aus dem Grand Hotel in Stockholm. Er hatte reichlich Devisen mitbekommen. In seinen teils lyrisch, teils militant gestimmten Feuilletons, die alle Zeitungen in großer Aufmachung publizieren mussten, war viel von Luxusrestaurants, reservierten Theaterlogen und Empfängen auf Botschaften die Rede. Der Schöpfer der ”Tannenberg”-Tragödie entdeckte seine Neigung für die große Welt. Andererseits fasste er seine Lustpartie als erhabene sittliche Sendung auf. Der mondän-poetische Agent der deutschen Diktatur im Ausland liebte es, seine suspekte Tätigkeit als ”Seelsorgerberuf” zu bezeichnen und zu betonen, dass er nicht mit Bestechungsgeldern für das Dritte Reich werben wolle, wie etwa sein Chef – der Hinkende – dies tat; vielmehr mit kleinen zarten Liebesliedern. Überall hatte er Abenteuer, die so reizend wie bedeutsam waren. In Oslo zum Beispiel erreichte ihn ein Anruf aus der nördlichsten Telefonzelle Europas. Eine besorgte Stimme fragte ihn aus der Polargegend: ”Wie ist es in Deutschland?” Da versuchte der seelsorgerische Globetrotter mit aller Andacht ein paar Sätze zu formen, die wie eine Handvoll Märzenbecher, Schneeglöckchen und erste Veilchen in der Dunkelheit drüben erblühen sollten. – Überall war es nett, nur in Paris fühlte der Sänger der Schlacht von den Masurischen Sümpfen sich unbehaglich. Denn dort irritierte ihn ein militaristisch-kriegerischer Geist, der ihm fremd war und den er nicht mochte. ”Paris ist gefährlich”, berichtete der Dichter nach Hause, und er dachte mit ernster Rührung an den feierlichen Frieden, der in Potsdam herrscht. – Nur ganz nebenbei, zwischen all den starken Erlebnissen, die seine Reise für ihn mit sich brachte, intrigierte Herr von Muck, brieflich und telefonisch, ein wenig gegen seinen Freund Hendrik Höfgen. Der deutsche Dichter hatte in Paris, durch irgendwelche Spione – Agenten der Geheimen Staatspolizei oder Mitglieder der deutschen Botschaft – herausbekommen, dass es dort eine Negerin gab, die in unstatthaften und hässlichen Beziehungen zu Höfgen gestanden hatte und auch heute noch von ihm erhalten wurde. Cäsar überwand die ihm angeborene Aversion gegen welsche Unmoral und begab sich in das zweifelhafte Etablissement am Montmartre, wo Prinzessin Tebab als Vögelchen wirkte. Er bestellte Champagner für sich und die schwarze Dame; als diese aber erfuhr, dass er aus Berlin komme und etwas über Hendrik Höfgens erotische Vergangenheit zu wissen wünsche, sprach sie einige verächtliche und derbe Worte, stand auf, streckte ihm das schöne Hinterteil hin, von dem grüner Federnschmuck wallte, und begleitete diese Gebärde auch noch mit einem Geräusch, welches ihre gespitzten Lippen produzierten und das die fatalsten Assoziationen hervorrufen musste. Das ganze Lokal amüsierte sich. Der deutsche Barde war auf lächerliche und blamable Art abgefahren. Er machte drohende Stahlaugen, schlug mit der Faust auf den Tisch, äußerte mehrere sächsisch akzentuierte Sätze der Entrüstung und verließ das Lokal. Noch in derselben Nacht unterrichtete er telefonisch den Propagandaminister davon, dass mit dem Liebesleben des neuen Intendanten irgendwie nicht alles in Ordnung sein könne. Ohne Frage: Hier waltete ein trübes Geheimnis, und der Liebling des Ministerpräsidenten bot Angriffsflächen. Der Propagandaminister dankte seinem Freunde, dem Dichter, aufs Lebhafteste für die interessanten Mitteilungen.
Aber wie schwer war es nun schon geworden, dem ersten Theatermann des Reiches, dem großen Liebling der Mächtigen und des Publikums etwas anzuhaben! Hendrik wurde allgemein geschätzt, er saß fest im Sattel. Auch sein Privatleben machte den günstigsten Eindruck. Auf eine gewisse nervöse und eigenwillig originelle Art hatte der junge Herr Intendant, im Rahmen seiner Häuslichkeit, geradezu etwas Patriarchalisches bekommen.
Hendrik hatte sich seine Eltern und Schwester Josy aus Köln nach Berlin kommen lassen. Mit ihnen bewohnte er eine große, schlossartige Villa im Grunewald. In der Etage am Reichskanzlerplatz, über die der Mietvertrag noch für einige Monate lief, logierte vorläufig Nicoletta. Die Villa mit Park, Tennisplatz, schönen Terrassen und geräumigen Garagen gab dem jungen Intendanten das Relief, den hochherrschaftlichen Hintergrund, den er nun brauchte und wollte. Wie lange war es her, dass er auf leichten Spangenschuhen, mit flatterndem Ledermantel, das Monokel vorm Auge – eine auffallende und beinah komische Erscheinung – durch die Straßen geeilt war? Noch am Reichskanzlerplatz war er Bohemien gewesen, wenn auch Bohemien mit luxuriösem Lebensstil. Im Grunewald aber wurde er Grandseigneur. Geld spielte keine Rolle: Wenn es sich um ihre Favoriten handelte, war die Hölle nicht geizig, die Unterwelt zahlte, der Schauspieler Höfgen, der vom Leben nichts beansprucht hatte als ein reines Hemd und eine Flasche Eau de Cologne auf dem Nachttisch, konnte sich Rennpferde, große Dienerschaft und einen ganzen Park von Automobilen leisten. Niemand, oder fast niemand, nahm Anstoß an dem Pomp, den er entfaltete. In allen Illustrierten war das schöne Milieu zu sehen, in dem der junge Herr Intendant sich von anstrengender Arbeit erholte – ”Hendrik Höfgen, im Garten seiner Besitzung den berühmten Rassehund Hoppi fütternd”, ”Hendrik Höfgen, im Renaissance-Speisezimmer seiner Villa mit seiner Mutter beim Frühstück” –, und die meisten Leute fanden es recht und billig, dass ein Mann, der sich um das Vaterland derartige Verdienste erwarb, auch seinerseits stark verdiente. Übrigens war ja all die Pracht, mit welcher der Intendant sich umgab, klein und bescheiden, verglichen mit dem märchenhaften Aufwand, den sein gewaltiger Herr und Freund, der Fliegergeneral, sich vor den Augen der Volksgemeinschaft provokant und prahlerisch gönnte …
Die Grunewald-Villa war das Eigentum des jungen Intendanten; er nannte sie ”Hendrik-Hall” und hatte sie einem jüdischen Bankdirektor, der nach London übersiedelt war, für eine relativ niedrige Summe abgekauft. In Hendrik-Hall war alles höchst fein und gewiss ebenso großartig, wie es im Palais des ”Professors” gewesen war. Die Diener trugen schwarze Livreen mit silbernen Borten, nur der kleine Böck durfte ein wenig schlampig umhergehen. Meistens zeigte er sich in einer schmutzigen, blau und weiß gestreiften Jacke; zuweilen in der braunen SA-Uniform. Der törichte Bursche mit den wässrigen Augen und dem harten Haar, das ihm immer noch wie eine Bürste vom Schädel stand, genoss eine besondere und bevorzugte Stellung in Hendrik-Hall. Ihn bewahrte der Schlossherr wie ein drolliges kleines Andenken an vergangene Zeiten. Der kleine Böck war im Grunde eigens dafür engagiert, um sich beständig über die wundersame Verwandlung seines Meisters zu erstaunen und zu entzücken. Das tat er denn auch und sagte täglich mindestens einmal: ”Nein, wie schön und reich wir geworden sind! Es ist doch nicht zu schildern! Wenn ich daran denke, dass wir uns einmal sieben Mark fünfzig haben pumpen müssen, um abendessen zu können!” Der kleine Böck kicherte ehrfurchtsvoll und gerührt bei der Erinnerung. – ”Ein braves Tier”, sagte Höfgen von ihm. ”Er ist mir auch in schlechten Zeiten treu gewesen.” – Die betonte Freundlichkeit, mit der er vom kleinen Böck sprach, schien einen geheimen Trotz zu enthalten. Wem galt er, gegen wen richtete er sich? War es nicht Barbara gewesen, die ihm seinen Böck, den ergebenen Knecht, nicht hatte gönnen wollen? In der Hamburger Wohnung war nur ein Fräulein geduldet worden, das ihren zehnjährigen Dienst auf dem Gute der Generalin hinter sich hatte – damit sich nur ja nichts änderte im Leben der gnädigen Frau, der Geheimratstochter. Hendrik, in all seinem Glanz, konnte die kleinsten Niederlagen der Vergangenheit nie vergessen.
”Jetzt bin ich Herr im Hause!”, sagte er.
Jetzt war er Herr im Hause, über dessen Schwelle beinah nur noch Menschen kamen, die mit Bewunderung und Ehrfurcht auf ihn blickten. Die Familie, die er an seines Daseins festlicher Schönheit teilhaben ließ, bekam auch seine Launen zu spüren. Hendrik veranstaltete zuweilen gemütliche Abende am Kaminfeuer oder reizende Sonntagvormittage im Garten. Häufiger aber geschah es, dass er sein fahles, beleidigtes Gouvernantengesicht zeigte, sich in seine Gemächer verschloss und vorwurfsvoll behauptete, er leide an schwerer Migräne – ”weil ich so sehr viel arbeiten muss, um für euch das Geld herbeizuschaffen, ihr Nichtstuer”: Dies sagte er nicht, deutete es jedoch drastisch an durch leidendes und gereiztes Wesen. ”Kümmert euch nicht um mich!”, riet er den Seinen, und nahm es dann nachhaltig übel, wenn man wirklich ein paar Stunden lang nicht nach ihm sah.
Am besten verstand es seine Mutter Bella, mit i...

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