Professionelle Aktenführung in der Kommunalverwaltung
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Professionelle Aktenführung in der Kommunalverwaltung

Digitale und analoge Schriftgutverwaltung nach dem Kommunalen Aktenplan 21

Wolfgang Sannwald

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Professionelle Aktenführung in der Kommunalverwaltung

Digitale und analoge Schriftgutverwaltung nach dem Kommunalen Aktenplan 21

Wolfgang Sannwald

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Aktenführung – von Anlage bis ArchivDas Praxishandbuch vermittelt anschaulich die Standards der Aktenführung für das 21. Jh. in Baden-Württemberg. Das Buch ist eine Praxisanleitung für den kompletten Zyklus analoger und elektronischer Akten in der öffentlichen Kommunalverwaltung, vom Anlegen der Akten über deren Ordnung und Ablage mit Hilfe des Kommunalen Aktenplans 21 bis hin zur Aussonderung und Archivierung. Es beschreibt die seit Jahrhunderten bewährten Erkenntnisse der analogen Aktenlehre. Gleichzeitig leistet es auch den bisher fehlenden Know-how-Transfer zwischen Schriftgutlehre und dem modernen, digitalen Dokumentenmanagementsystem.Vorteile der LandeseinheitlichkeitDas Buch vermittelt, warum Aktenführung in den Kommunalverwaltungen in Baden-Württemberg wichtig ist und wozu Landeseinheitlichkeit hergestellt werden soll. Der Autor zeigt auf, wie die Kommunalverwaltung von den Vorzügen der korrekten Aktenführung profitieren kann.Das Handbuch bietet eine praxisnahe und übersichtliche Einführung in die richtige Aktenverwaltung und in die rechtskonforme Aktenführung. Die wesentlichen Grundlagen und Regeln der Aktenführung werden ausführlich erläutert: von der Pflicht zur vollständigen Aktenführung, dem Entstehen und Anlegen einer Akte über ihre Ordnung und Ablage bis hin zum Verbot der willkürlichen Aussonderung.Unterschiedliche Anforderungen und elektronische AkteDer Autor geht dabei auf diverse Aktenausprägungen ein und beschreibt die unterschiedlichen Eigenschaften verschiedener Aktenarten. Die Erfordernisse elektronischer Aktenführung werden dabei durchgängig berücksichtigt.Der Inhalt des handlichen und übersichtlichen Nachschlagewerks ist klar gegliedert und beschränkt sich auf das Wesentliche. Eine vertiefende Inhaltsangabe und ein lexikalisches Register runden das Werk ab.

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Information

Year
2017
ISBN
9783415061064
Edition
1
Topic
Law
Subtopic
Common Law
Index
Law

1. Warum Schriftgut? – die Grundlagen

Viele kennen die zentralen Prinzipien der Schriftgutverwaltung die bei uns gelten und verhalten sich dementsprechend. Etwa die Pflicht zur vollständigen Aktenführung und das Verbot, Akten willkürlich wegzuwerfen. Die meisten kennen diese Prinzipien allerdings eher intuitiv als fundiert. Zunächst geht es mir deshalb darum, herzuleiten, woher diese Prinzipien stammen. Damit lässt sich deren Verbindlichkeit besser beurteilen. Wer einen raschen Zugang zur Praxis der Schriftgutlehre benötigt, kann Kapitel 1 später nachlesen.
Die Inhalte der Schriftgutlehre haben sich im Verlauf mehrerer Jahrhunderte entwickelt. Sie haben von ihrem Entstehen her einen nicht nur verwaltungstechnischen, sondern auch rechtstechnischen Hintergrund. Während die Schriftgutlehre zur Zeit monarchischer und diktatorischer deutscher Regime vor allem für das Funktionieren der Verwaltung – und nebenbei bemerkt für die Wirtschaft – Bedeutung hatte, wandelte sie sich im Zeichen demokratischer deutscher Verfassungen zusätzlich zu einem Instrument, mit dessen Hilfe die Gebote von Verfassung und Rechtstaat verwirklicht werden können. Viele Prinzipien der Schriftgutverwaltung sind heutzutage unmittelbare Instrumente zur Verwirklichung bestimmter Verfassungsprinzipien. Diese Dimension von Verwaltungshandeln kann nicht oft genug betont werden: Es geht zentral auch um rechtsstaatliches Handeln wie es unsere Verfassung gebietet, keineswegs nur um verwaltungstechnische Optimierungsprozesse. Jeder Amtsträger muss diese Grundsätze und die daraus für sein Verwaltungshandeln herrührenden Folgen kennen. Denn er hat generell die Pflicht, sich die notwendigen Fertigkeiten und Kenntnisse zur Führung seines Amtes zu verschaffen und zu erhalten.1
Die Rechtsprechung hat die Pflicht zur Aktenmäßigkeit des Verwaltungshandelns immer wieder bestätigt und in den vergangenen Jahrzehnten konkretisiert. Durch ihre Urteile haben die obersten Richter das ausgelegt, was aus der Verfassung über die Schriftgutverwaltung abgeleitet werden kann. Grundlegend sind ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1983 zur Entfernung und Vernichtung von Vermerken aus Ausländerakten2 und des Bundesverwaltungsgerichts von 1988 zur Aufbewahrung von Unterlagen der Meldebehörde.3 Diesen Urteilen der obersten Gerichte folgten nachgeordnete Instanzen, so das Oberverwaltungsgericht Greifswald am 22.12.2000. Dieses kehrte in seiner Rechtsprechung die Beweislast zuungunsten einer Verwaltung um, die ihre Akten nicht ordnungsgemäß führte.4
Die Richter des Bundesverfassungsgerichts konkretisierten die Gebote des Grundgesetzes im Hinblick auf das Schriftgutwesen der öffentlichen Hand. Dabei legten sie als Prinzipien die Artikel 15, 36, 197 und 208 des Grundgesetzes zugrunde. Sie formulierten zunächst eine prinzipielle Pflicht der Behörden zur Schriftlichkeit und zur Aktenführung: Behördenhandeln macht die Führung von Akten erforderlich, ohne dass dies ausdrücklich in einem Gesetz stehen muss. Den Grund für diese umfassende Pflicht sahen die Richter darin, dass die vollziehende Gewalt nur dank der schriftlichen Dokumentation der einzelnen Verwaltungsvorgänge in Akten eine fortlaufende Kenntnis aller für sie maßgeblichen Umstände erlangen könne. Die Akten stellen einerseits eine Dokumentation über das „bisherige sachbezogene Geschehen“ der einzelnen Verwaltungsvorgänge dar. Andererseits sind sie „mögliche Erkenntnisquellen für das zukünftig infrage kommende behördliche Handeln“. Mithilfe der Schriftlichkeit in Form von Akten können sich Verwaltungen objektiv verhalten9, ohne Rücksicht auf Personen. Was das Gericht mit „Unpersönlichkeit“ meinte, geht aus seinem Hinweis auf mögliche organisatorische Änderungen innerhalb einer Behörde hervor. Wenn aus organisatorischen Gründen oder wegen eines Zuständigkeitswechsels ein neuer Bediensteter mit der Bearbeitung einer spezifischen Sache betraut werde und kein eigenes Wissen über die Vorgeschichte des Falles habe, müsse er sich dieses Wissen mithilfe der Akte aneignen können.
Das Bundesverfassungsgericht urteilte weiter, dass die Aktenführung auch im Interesse des betroffenen Einzelnen liege. Dieser hat einen verfassungsrechtlich geschützten Anspruch auf angemessene Behandlung seiner Angelegenheit. Seinen Anspruch könne er nur mit Erfolg geltend machen, wenn alle rechtlich erheblichen Tatsachen vollständig erfasst werden. Die Erfassung der rechtlich erheblichen Tatsachen erfolgt in Aktenform. Der Anspruch des Betroffenen besteht dabei gegenüber den zuständigen Behörden und gegebenenfalls gegenüber den Gerichten.
Die Richter des Bundesverwaltungsgerichts nannten 1988 vor allem drei Gründe für die Führung und Aufbewahrung von Akten: Diese seien die Grundlage für die kontinuierliche Wahrnehmung der Rechts- und Fachaufsicht über das Verwaltungshandeln. Sie seien gleichermaßen Grundlage für die parlamentarische Kontrolle des Verwaltungshandelns. Zum Zweiten wiesen sie auf ein Eigeninteresse der handelnden Behörde hin. Die Behörde ist nach dem Grundgesetz für die Vollziehung der Gesetze zuständig. Sie muss bei der Vollziehung der Gesetze verfassungskonform handeln. Dies sei nicht ohne eine Dokumentation der einzelnen Verwaltungsvorgänge denkbar. Nur durch das Führen von Akten könne die Behörde die Rechtmäßigkeit ihres Handelns sicherstellen und darlegen. Zum Dritten nannten die Richter des Bundesverwaltungsgerichts das Recht der Betroffenen auf Einsicht in die Unterlagen eines Verwaltungsverfahrens, das sie betrifft. Erst aufgrund der Akten sei der Betroffene in der Lage, eine umfassende Prüfung behördlichen Handelns vorzunehmen und damit tatsächlich wirksamen Rechtsschutz zu erlangen.
Die beiden obersten Gerichte fällten ihre Urteile zwar noch vor der heutigen Dominanz der Informationstechnik. In ihren Urteilen werden jedoch Prinzipien der Schriftgutverwaltung deutlich, die unabhängig von deren physischer Form anwendbar sind. Es ist davon auszugehen, dass diese Prinzipien nach wie vor und generell gelten und somit auch auf elektronische Akten anzuwenden sind. Auf diesen generellen Anforderungscharakter der Prinzipien der Schriftgutverwaltung weisen auch weitere Urteile von Oberverwaltungsgerichten hin.10 Auch einzelne rechtliche Regelungen lassen darauf schließen, dass die von den obersten Gerichten aufgestellten Prinzipien unter dem Vorzeichen elektronischer Akten fortgelten. Die folgenden Ausführungen fügen sich ausnahmslos in den aufgezeigten rechtlichen Rahmen ein. In der Schriftgutlehre geht es zunächst darum, wie die rechtlichen Anforderungen in der Praxis verwirklicht werden können. Neben der Umsetzung rechtlicher Prinzipien geht es aber auch immer darum, inwiefern die Prinzipien der Schriftgutlehre der Verwaltung bei der Erledigung ihrer Aufgaben nützen.

1.1 Aktenmäßigkeit des Verwaltungshandelns

Das zentrale Prinzip der Schriftgutverwaltung im öffentlichen Bereich ist das der „Aktenmäßigkeit“. Deren Grundlage ist die Verschriftlichung von Information. Durch das Aufschreiben wird die Information von den Gedächtnissen lebendiger Personen losgelöst, entpersönlicht. Sie wandert in Form einer Akte in das Speichergedächtnis der Gesellschaft, eine Registratur oder ein Archiv. Dort bleibt die Information zeitlos, dauerhaft und für viele Menschen verfügbar. Gesetze und Rechtsprechung fordern diese „Aktenmäßigkeit“ des Verwaltungshandelns. Sie gilt generell für alle Behörden, ohne dass diese Pflicht ausdrücklich in Fachgesetzen ausgesprochen sein muss. Das Prinzip der Aktenmäßigkeit gilt für alle Staatsgewalten und für alle Unterlagen öffentlicher Verwaltungen, also auch für elektronische Dokumente. Die Aktenmäßigkeit ermöglicht es, personenunabhängig nachzuvollziehen, wie und warum eine Verwaltung in einer „Sache“ oder bei einem „Vorgang“ gehandelt hat. Das Prinzip der Aktenmäßigkeit des Verwaltungshandelns bezieht sich einerseits auf jede einzelne Akte einer Verwaltung, andererseits auf die Gesamtheit aller Akten einer Verwaltung.
Im Hinblick auf die einzelne Akte bringt das Prinzip der Aktenmäßigkeit des Verwaltungshandelns mit sich, dass alle Unterlagen zu einem Vorgang oder zu einem Sachthema zunächst vollständig in einem Container zusammengefasst werden. Die Container, in denen die Unterlagen in dieser Weise zusammengefasst werden, heißen „Akte“. Der Begriff „Akte“ lässt sich unabhängig von der physischen Form des Containers oder seiner Inhalte verwenden, also unabhängig davon, ob der Container ein Leitzordner ist und reale Papierblätter enthält oder ob er über ordnende Metadaten als virtuelle Klammer in einem Dokumentenmanagementsystem elektronische Dokumente zusammenfasst. In dem Container „Akte“ müssen die Unterlagen sodann so geordnet sein, dass sie den Entscheidungsprozess einer Verwaltung in seinem chronologischen Verlauf abbilden: welche Entscheidung traf die Behörde aufgrund welcher Information? Es muss möglich sein, anhand der Akte alle Argumente und Entscheidungsgründe, die die Bearbeitenden in der Behörde ihrer Entscheidung zugrunde gelegt haben, nachzuvollziehen. Dabei kommt es auch darauf an, wann welches Argument vorgetragen wurde und wie und wann es die Entscheidungsfindung beeinflusste.
Mit dem Begriff Akte verbindet sich also bereits eine Vorstellung von deren Inhalt, Vollständigkeit und innerer Gliederung. Damit Akten gut funktionieren, müssen sie zudem stets aktuell gehalten werden. Das Prinzip heißt: „Der Stand einer Sache muss jederzeit aus den Akten vollständig ersichtlich sein.“ Die Sachbearbeitung muss also Dokumente zu einem Vorgang oder zu einem Sachthema unmittelbar bei oder nach ihrer Bearbeitung in die Akte aufnehmen.
Der Begriff „Aktenmäßigkeit“ bezieht sich zunächst auf die Akte als Container und dessen Inhalt. Unter dem Begriff „Aktenmäßigkeit“ werden aber auch Aussagen zu allen Akten einer Verwaltung getroffen. Man kann sich in diesem Fall ein geschlossenes Containerlager vorstellen, in dem alle Akten-Container einer Verwaltung stehen. Dieses Containerlager ist dann die „Registratur“ oder das Dokumentenmanagementsystem (DMS) einer Verwaltung. Sowohl die Registratur wie auch das Dokumentenmanagementsystem müssen alle Akten der Verwaltung in einem Lagerbestand zusammenfassen. Dazu benötigt die Lagerverwaltung ein Verzeichnis der eingestellten Container. Das Verzeichnis muss die Lagerverwaltung so aktuell führen, dass die Lagerverwaltung zu jedem Zeitpunkt nachweisen kann, welche Container gerade in dem Lager stehen und an welchem Ort sich der einzelne Container gerade befindet. Registratur und Dokumentenmanagementsystem sind Aktenlager und Lagerverwaltung von Akten gleichzeitig. Sie sorgen dafür, dass jede einzelne Akte systematisch abgelegt und gefunden werden kann. Alle Akten einer Verwaltung müssen in dem Aktenlager vorhanden sein, nachgewiesen und nutzbar sein. Nur ein Überblick über den gesamten Aktenbestand einer Verwaltung garantiert, dass bei Bedarf alle maßgeblichen Akten zu einem Thema oder Vorgang zuverlässig auffindbar sind. Eine Verwaltung, die keinen Überblick über ihren gesamten Aktenbestand hat, befindet sich in keiner guten Situation. Wie will sie auf der Basis ihrer Unkenntnis beispielsweise gegenüber einem Gericht darlegen, dass sie nun alle relevanten Akten vorgelegt hat?
DIN ISO 15489-1 Aktenführung.
Die DIN ISO 15489-1 von 2009 schreibt als Ziel der Aktenführung bei öffentlichen Einrichtungen und privaten Unternehmen fest, dass der Stand einer Sache jederzeit aus den Akten ersichtlich sein muss. Unterlagen dürfen nicht verloren gehen oder gefälscht werden. Unterlagen versteht die Norm als medienunabhängig. Auf der Basis definierter Verantwortlichkeiten und Begriffe gestattet die DIN ISO die Einrichtung eines Qualitätsmanagements in der Schriftgutverwaltung. Aufgrund ihrer strukturierten Darstellung stellt sie eine Hilfe bei der Einführung von elektronischen Systemen dar, die ihrerseits den Prinzipien der Schriftgutverwaltung zu folgen haben. Abschnitt 7 umfasst die Anforderungen an die Schriftgutverwaltung. Im Detail finden sich Verfahren und die Steuerung der Schriftgutverwaltung auf der operativen Ebene in Kapitel 9. Da die DIN ISO 15489-1 auf angloamerikanische Diskussionen und Begriffen aufbaut, kam es bei der Übersetzung ins Deutsche immer wieder zu definitorischen Schwierigkeiten. Leitbegriffe der DIN sind Aktenführung, Schriftgutverwaltung und Records Management. Die DIN enthält Regeln für transparente, nachvollziehbare Verwaltungs- oder Geschäftsvorgänge. Durch die Vollständigkeit, Transparenz und Authentizität von Schriftgut werden die Voraussetzungen geschaffen, um die Aktivitäten von Politik und Verwaltung überprüfen zu können und Korruption zu erschweren.

1.2 Verwaltungshandeln dank Akten

Dass Verwaltungen aktenmäßig arbeiten müssen, ist also kein Selbstzweck. Die Pflicht zur Aktenführung von Verwaltungen besteht generell. Gerichte werten sie als Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips, da nur eine geordnete Aktenführung einen rechtsstaatlichen Verwaltungsvollzug ermöglicht. Nur Akten bieten Gerichten und Aufsichtsbehörden die Grundlage für ihre Rechtskontrolle. Die Aktenführung obliegt jedem Amt und besteht generell, auch ohne ausdrückliche gesetzliche Anordnung. Im Folgenden systematisiere ich die aus den Gesetzen und der obersten Rechtsprechung ableitbaren Prinzipien des Verwaltungshandelns für die Aktenführung.
Ein Grund für die Aktenmäßigkeit des Verwaltungshandelns ist, dass Verwaltungen nicht willkürlich agieren dürfen, sondern dass sie Sachentscheidungen „unemotional“ treffen müssen. Das hat der Philosoph Max Weber als positive Eigenschaft der Bürokratie herausgestellt. Die Grundlagen des Handelns von Behörden sind eben nicht persönliche Emotionen der Entscheidenden, sondern unpersönliche Gesetze und Verordnungen. Wenn Beamtinnen, Beamte und Beschäftigte öffentlicher Verwaltungen im Rahmen ihres Ermessens Gesetze und Verordnungen nach den Umständen des Falles auslegen, müssen sie „unpersönlich“ handeln. Dazu brauchen sie Akten.

1.2.1 Kontinuität des Verwaltungshandelns

Ein Zeichen von Willkür einer Verwaltung wäre demgegenüber deren Sprunghaftigkeit. Behörden dürfen sich nicht sprunghaft und keinesfalls widersprüchlich verhalten. Stattdessen müssen sie ihre „offizielle“ Meinung in einem regulierten Verfahren kontinuierlich und konsequent bilden. Gerichte verlangen von Behörden regelrecht, dass sie sich konsequent verhalten.11 Ein Antragsteller hat deshalb auch Ansprüche gegenüber einer Behörde, wenn ihm ein Amtsträger Anlass gegeben hat, auf ein bestimmtes Verhalten der Verwaltung vertrauen zu können. Dann darf er auf dieses Verhalten vertrauen und damit rechnen, dass sich die Behörde entsprechend verhält. Die Verwaltung darf von einem in Aussicht gestellten Verhalten nur noch abweichen, wenn sie dafür einen sachlichen oder vertretbaren Grund hat. Der Bürger hat zudem ein Recht darauf, dass ihm eine Verwaltung Auskunft über ihr Denken gibt. Amtsträger müssen ihm ordnungsgemäße Auskünfte, Belehrungen, Hinweise und Warnungen erteilen. Jede Auskunft des Amtsträgers muss dem Stand seiner Erkenntnismöglichkeiten entsprechen. Und sie muss sachgerecht, richtig und unmissverständlich, insofern auch kontinuierlich sein.12
Damit eine Verwaltung kontinuierlich handeln kann, muss sie einen Vorgang über längere Zeiträume hinweg verfolgen. Das führt zu weiteren Fragen, deren Antworten immer mit Akten zu tun haben: Wie kann sich eine Verwaltung Dinge merken? Wie hoch ist die Merkfähigkeit des einzelnen Sachbearbeiters? Garantiert sie alleine die kontinuierliche Entscheidungsfindung? Verwaltung muss ja auch funktionieren, wenn Mitarbeiter überraschend krank werden oder rasch in eine andere Funktion wechseln. Eine Behörde muss ihre Kenntnis eines Sachverhalts auch dann behalten, wenn ein neuer B...

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