Teil III:
Marktorientiertes Innovationsmanagement: Marktanalysephase
Für den Erfolg von Innovationen ist deren »Behauptung« im Markt entscheidend. Deshalb wurde bereits in den beiden ersten Hauptphasen des marktorientierten Innovationsprozesses die unternehmensinterne Innovationsentwicklung permanent einer Prüfung auf Marktfähigkeit unterzogen. In
Teil III dieses Buches wird mit der
dritten Hauptphase (
Abb. 37) der
Marktanalyse einer vom Unternehmen generierten Invention besondere Beachtung geschenkt. Durch die Marktanalyse wird die Marktfähigkeit einer Invention überprüft. Die Teilphasen 4 bis 6 stehen dabei in engem Zusammenhang, und die hier gewonnenen Erkenntnisse münden abschließend im Nachweis der Profitabilität einer Invention für das Unternehmen durch die Erstellung eines Businessplans.
In Kapitel 9 wird im Rahmen der Markterprobung (Teilphase 4) die im Rahmen der Entwicklungstätigkeit generierte Invention als Ganzes auf der Nachfragerseite getestet (Real-life-test). Dadurch sollen nicht nur ggf. noch letzte Änderungserfordernisse an einer Invention aufgedeckt, sondern auch mögliche Nachfragerunsicherheiten sowie Kauf- bzw. Nutzungswiderstände erkannt werden. Kapitel 10 ist sodann der Marktabschätzung (Teilphase 5) gewidmet. Aufbauend auf der Analyse des spezifischen Kaufprozesses von Innovationen (Adoptionsprozess) geht es vor allem um die Abschätzung der zukünftigen Marktausbreitung einer Innovation (Diffusion), welche die Basis zur Bestimmung deren Absatzpotenzials bildet. Vor allem für den Fall der Nutzungsinnovationen ist darüber hinaus aber auch die Akzeptanz zu untersuchen, die Auskunft darüber gibt, ob eine Innovation auch dauerhaft in der Verwendung des Nachfragers bleibt. Schließlich wird in Kapitel 11 die (finale) Erstellung eines Businessplans für die Innovation betrachtet (Teilphase 6). In den Businessplan gehen die zentralen Erkenntnisse aus den Teilphasen 4 und 5 ein, der im Ergebnis die Abschätzung der Profitabilität einer Innovation erlaubt. Auf Basis der Businessplanung fällt die endgültige Go- oder auch No-Go-Entscheidung für die Markteinführung.
In der Regel hat erst ein durch die Geschäftsführung positiv verabschiedeter Businessplan die Markteinführung einer Innovation zur Folge. In diesem Buch konzentrieren sich die Betrachtungen deshalb mit Kapitel 12 auf ausgewählte Fragen der Markteintrittsentscheidung sowie der Kontrolle des Innovationserfolgs.
9 Phase 4: Markterprobung
Mit der Markterprobung wird die
dritte Hauptphase (Marktanalyse) im marktorientierten Innovationsprozess eingeleitet (
Abb. 37). Mit den Analysen in dieser vierten Teilphase wird geprüft, ob sich im Rahmen der Entwicklungsphase generierte Inventionen auch am Markt behaupten können.
Die Markterprobungsphase verfolgt das Ziel, abschließende Markttests einer Invention vorzunehmen und diese hinsichtlich ihrer Wettbewerbsfähigkeit zu prüfen. Dabei sollen nicht nur letzte Mängel einer Invention aus Nachfragersicht identifiziert, sondern auch mögliche Nachfragerunsicherheiten sowie Kauf- und Nutzungswiderstände aufgedeckt werden.
Die Markterprobungsphase umfasst zum einen die Durchführung von
Markt- und Produkttests (
Kap. 9.1) und ist zum anderen aber auch auf die Ermittlung von
Nachfragerunsicherheiten beim Kauf einer Innovation (
Kap. 9.2) sowie die Identifizierung mögliche
Kauf- und Nutzungswiderstände ausgerichtet (
Kap. 9.3).
Abb. 82: Teilschritte der Markterprobungsphase
9.1 Markt- und Produkttests
Die Markterprobung stellt den letzten » Checkpoint« im marktorientierten Innovationsprozess dar, bei dem auch noch eine Entscheidung gegen die Markteinführung einer Innovation fallen kann. Ziel der Markterprobung ist es, die tatsächliche Marktfähigkeit einer Invention unter »live-Bedingungen« auf der Nachfragerseite zu testen und die Invention mit der Nachfragerseite zu »konfrontieren«. Die im Folgenden behandelten Testverfahren werden differenziert nach:
• Art und Umfang der Testverfahren (Markt- und Produkttests),
• dem Durchführungsort der Tests (Typen von Testmärkten).
Markttests werden erst bei Abschluss des Forschungs- und Entwicklungsprozesses durchgeführt, d. h. sie kommen erst bei Vorliegen einer konkreten Invention zur Anwendung. In diesem Zusammenhang wird von Markttests gesprochen. Mit Hilfe von Markttests soll vor der endgültigen Markteinführung nochmals geprüft werden, ob sich eine Invention auch tatsächlich am Markt absetzen lässt, ob sie Nachfragerprobleme lösen kann und welche Wirkungen unterschiedliche Ausgestaltungen und Kombinationen absatzpolitischer Instrumente in Verbindung mit der Invention ausgehen (Brockhoff 1999b, S. 212 ff.). Es existieren dazu verschiedene Arten von Markttests, wobei im Folgenden eine Konzentration auf sog. Produkttests vorgenommen wird, die eine Invention bzw. das Produkt betreffen.
Hierbei lassen sich zwei Arten von Produkttests unterscheiden. Jene, die unmittelbar vom Hersteller initiiert werden und jene, die unabhängig von Anbieter sind, wie bspw. Tests der Stiftung Warentest. Da letztere bei der Produktgestaltung nur eine untergeordnete Rolle spielen, werden sie im Folgenden nicht weiter betrachtet. Bei den anbieterinitiierten Produkttests wird zwischen Konzepttests und Volltests unterschieden. Während bei Konzepttests den Testteilnehmern meist nur Modelle des Produktes vorgelegt werden, liegt dem Volltest eine vollständige marktfähige Invention zu Grunde. Der Volltest baut damit quasi auf den Ergebnissen des Konzepttests auf und zielt primär auf die Prüfung der Akzeptanz von Detaillösung ab. Die Ergebnisse von Produkttests müssen deshalb eine Rückkopplung mit den Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten erfahren, weshalb bereits in der Entwicklungsphase begleitende Produkttests durchzuführen sind.
Markttests stellen insgesamt Instrumentarien dar, um Nachfragerbedürfnisse rechtzeitig in die Produktentwicklung zu integrieren. Der letztliche Verkauf einer Innovation hängt aber nicht ausschließlich von dem Produkt, sondern auch von anderen akquisitorischen Maßnahmen ab. Deren gezielter Einsatz ist aber nur möglich, wenn Anbieter relativ genaue Vorstellungen über das Verhalten der Nachfrager während des Kaufprozesses haben. Dazu können von der sog. Adoptions- und der Akzeptanztheorie verschiedene Hinweise gewonnen werden. Die Ergänzung zu Markttests stellen somit auf theoretischer Seite die Adoptionstheorie (
Kap. 10.1) und die Akzeptanztheorie (
Kap. 10.3) dar.
Eine weitere Möglichkeit der Markterprobung besteht in der Zusammenarbeit mit Nachfragern (Reinecke/Janz 2007, S. 180 ff.). Diese Zusammenarbeit kann in verschiedenen Formen durchgeführt werden, wobei insbesondere zwischen einer Zusammenarbeit vor und nach dem Kauf unterschieden werden kann: Vor dem Kauf kann ein Anbieter dem Nachfrager mehr oder weniger ausgereifte Prototypen oder bereits ein fertig gestelltes Produkt zu Testzwecken zur Verfügung zu stellen. Für den Nachfrager hat dies den Vorteil, dass sich das mit dem Kauf verbundene wahrgenommene Risiko durch eine längerfristige Inspektion des Produktes in der eigenen Anwendungssituation reduzieren lässt. Die Zusammenarbeit kann nunmehr darin bestehen, dass der Nachfrager dem Anbieter im Gegenzug zur Verfügungstellung des Prototypen bzw. des Produktes detaillierte Erfahrungsberichte erstellt. Dies ermöglicht wiederum dem Anbieter, gegebenenfalls erforderliche Anpassungen in der Leistungsgestaltung vorzunehmen, was insgesamt den späteren Markterfolg erhöht. Nach dem Kauf erfolgt eine Zusammenarbeit meist dadurch, dass der Nachfrager dem Anbieter als Referenz dient. Der dadurch für den Nachfrager entstehende Zusatzaufwand, etwa durch Demonstrationen für weitere Kunden, kann der Anbieter beispielsweise mittels Preisnachlässen beim Kauf oder durch einen kostenlosen Wartungsservice entgelten.
Bei der Suche nach geeigneten Kooperationspartnern auf der Nachfragerseite bietet sich insbesondere der Rückgriff auf
Lead-User an (
Kap. 3.2.1). Sie sind relativ gut in der Lage, ihre Bedürfnisse zu artikulieren und besonders geeignet, zur Produktivitätssteigerung bei der Innovationsentwicklung beizutragen. Allerdings existieren hier unterschiedliche Intensitäten, mit denen Lead-User die Produktentwicklung beeinflussen, die von reinen Bedarfsmeldungen bis zur Übernahme des gesamten Entwicklungsprozesses durch Lead User reichen können (Kleinaltenkamp/Staudt 1991, S. 65). Neben der repräsentativen Informationsgewinnung durch Lead-User wird durch diese Zusammenarbeit zudem bereits vor der Markteinführung eine akquisitorische Wirkung erreicht, da Lead-User oftmals die Rolle von Meinungsführern einnehmen und damit eine frühzeitige Informationsdiffusion im Markt in...