Stalking - das Praxishandbuch
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Stalking - das Praxishandbuch

Opferhilfe, Täterintervention, Strafverfolgung

Wolf Ortiz-Müller, Wolf Ortiz-Müller

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  1. 360 pages
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Stalking - das Praxishandbuch

Opferhilfe, Täterintervention, Strafverfolgung

Wolf Ortiz-Müller, Wolf Ortiz-Müller

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Das Phänomen Stalking erregt große mediale Aufmerksamkeit und stellt neue Herausforderungen an Justiz, Psychiatrie und die gesamte psychosoziale Beratungslandschaft: Wie kann den betroffenen Personen durch unsere Gesellschaft und durch professionelle Helfer Schutz geboten werden? Wie können Menschen, die stalken, zum Aufhören gebracht werden, damit für beide Seiten wieder ein selbstbestimmtes Leben möglich wird?Erfahrene Juristen, Praktiker und Wissenschaftler kommen im Buch genauso zu Wort wie ratsuchende Opfer und Täter selbst.Die Vorstellung wirkungsorientierter Beratungsmodule macht ein bewährtes Vorgehen in der Arbeit mit Menschen, die gestalkt werden und mit Menschen, die stalken, anschaulich. Die beteiligten Berufsgruppen (Rechts- und Staatsanwälte, Polizisten, Ärzte, Psychologen und Sozialarbeiter) können diese Module mit ihrer eigenen Expertise verknüpfen und in ihr Praxisfeld integrieren.Von Berufseinsteigern bis hin zu erfahrenen Profis - sie alle profitieren von einem ausführlichen Glossar, in dem Fachbegriffe handlungsbezogen erläutert werden sowie der Dokumentation wichtiger Gesetzestexte - inklusive des neuen Nachstellungsgesetzes §238 StGB!

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Information

Year
2017
ISBN
9783170302822
Edition
1

III Stalking und Beratungspraxis

9 Hilfe, wo bist du?

Ein unvollständiger Überblick eines unvollständigen Beratungsnetzwerks in Deutschland

Olga Siepelmeyer und Wolf Ortiz-Müller

  1. 9.1 Einleitung
  2. 9.1.1 Zielsetzung und Ablauf
  3. 9.2 Beratungseinrichtungen bundesweit
  4. 9.2.1 Allgemeine Klassifikation der Einrichtungen
  5. 9.2.2 Beratung sowohl für Stalker*innen als auch Stalkingbetroffene
  6. Geschlechtsübergreifend
  7. 9.2.3 Beratung für Stalkingtäter*innen
  8. Geschlechtsübergreifend
  9. Geschlechtsspezifisch
  10. 9.2.4 Beratung für Stalkingbetroffene
  11. Geschlechtsübergreifend
  12. Geschlechtsspezifisch
  13. 9.3 Forschungseinrichtungen
  14. 9.4 Entwicklungen und Veränderungsbedarf
  15. 9.5 Fazit und Ausblick
  16. 9.6 Literatur
Zusammenfassung:
Dieser Beitrag bietet eine Übersicht der Einrichtungen in Deutschland, die Stalkingbetroffene und Menschen, die stalken, beraten. Die Zusammenstellung resultiert aus der Beantwortung bundesweit versandter Fragebögen, aus telefonischen Auskünften und aus Internetrecherchen. Die Liste gibt den Informationsstand vom Oktober 2016 wieder und versteht sich als eine Orientierungshilfe sowie als einen Schritt, die Vernetzung der beteiligten Helfer*innen zu fördern. Probleme, die den Aufbau eines Netzwerks erschweren, werden ebenfalls thematisiert.

9.1 Einleitung

Noch immer erreichen uns wöchentlich bei Stop-Stalking aus dem ganzen Bundesgebiet Anfragen von Ratsuchenden, ob es denn auch in ihrer Stadt, in ihrer Region eine auf Stalking spezialisierte Beratungsstelle gebe? Schon bald nach der Gründung wurde für uns deutlich, dass Stop-Stalking Berlin aufgrund seiner medialen Präsenz auch für viele nicht in Berlin ansässige Ratsuchende eine erste Anlaufstelle darstellt, wenn sie eine Unterstützung oder Information zum Thema Stalking benötigen. Wir bemühen uns seit Jahren, diesem Personenkreis eine passende Empfehlung zu geben und bemerken immer wieder, wie rar gesät spezialisierte Stalkingberatungsstellen in Deutschland sind.
Während man für viele spezielle Fragestellungen zu ähnlich komplexen Problematiken (z. B. häusliche Gewalt, Pädophilie, sexueller Missbrauch) feststellen muss, dass es immer noch »weiße Flecken« auf der Landkarte gibt, stellt sich die Situation für Stalkingbetroffene, noch mehr aber für ratsuchende Stalker*innen weitaus drastischer dar: bildlich gesprochen erscheint ganz Deutschland als eine große weiße Fläche, aus der sich nur vereinzelt Konturen lokaler Beratungsangebote abzeichnen.
Wie flächendeckend Netzwerke psychosozialer Angebote für andere Problematiken mittlerweile ausgebaut sind, erkennt man an diesen Beispielen: im Bereich häuslicher Gewalt existiert seit 2013 die bundesweite Hotline »Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen«; mittlerweile verfügt fast jede Kreisstadt über zumindest eine Frauenberatungsstelle, an die sich gewaltbetroffene Frauen wenden können.
Die 2005 in Berlin gegründete Einrichtung Kein Täter werden für die Problematik pädophiler Menschen hat mit den Jahren ein Netzwerk von ähnlichen Einrichtungen in bislang elf Städten etabliert, an das sich Ratsuchende wenden können. Alle beteiligten regionalen Einrichtungen haben sich auf Mindeststandards verpflichtet, welche Unterstützungsleistung ratsuchende Pädophile erhalten können.
Seit den 1980er Jahren ist es gelungen, dass aus der damaligen Selbsthilfegruppe Wildwasser e. V. in Berlin ein bundesweites Netzwerk gleichnamiger Einrichtungen in einer Vielzahl von Städten erwachsen ist, die ein fachlich hochqualifiziertes Angebot für die Opfer sexuellen Missbrauchs bereitstellen und sich überregional in Landes- oder Bundesarbeitsgemeinschaften vernetzen.
Ganz anders die Situation im Fall von Stalking! Von den politisch Zuständigen wird bisher nicht erkannt, dass angesichts der vielen Betroffenen ein erweiterter Bedarf für eine bundesweite Angebotsstruktur besteht. Man entlastet sich gern mit dem Hinweis, dass Stalking schon bei der Beratung der von häuslicher Gewalt betroffenen Frauen abgedeckt werde. Das stimmt aber nur für den kleinen Teil der Fälle, wenn Stalking als Folgephänomen häuslicher Gewalt in Erscheinung tritt. Ausgeschlossen bleiben hierbei männliche Stalkingbetroffene, die – je nach Untersuchung – zwischen 20 und 40% aller Stalkingfälle ausmachen. Außen vor bleiben auch all die weiblichen Stalkingopfer, bei denen gar keine häusliche Gewalt vorausging, sondern das Stalking auf einer ganz anderen Dynamik beruht, z. B. einem beziehungssuchenden Stalking oder einem rachemotivierten Stalking, dessen Ausgangssituation gar keine Liebesbeziehung war.
Hinsichtlich der männlichen Stalkingtäter wird von politischen Repräsentant*innen argumentiert, dass sie ja bei Männerberatungsstellen Hilfe finden können. Diese sind jedoch zumeist nur auf Täter häuslicher Gewalt eingestellt und bieten hierfür qualifizierte Kurse an. Längst nicht alle Stalker jedoch wenden überhaupt physische Gewalt an. Viele unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Problematik ganz beträchtlich von Männern, die ihre Partnerinnen schlagen. Die Vorstellung, Stalkingtäter könnten bei Männereinrichtungen Hilfe finden, ist insbesondere angesichts der Tatsache unsinnig, dass ein nicht unerheblicher Teil der Menschen, die stalken, Frauen sind (
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Kap. 4).
Kurzum, weder gibt es genug spezialisierte Beratungseinrichtungen, noch ist das Beratungsangebot der überwiegenden Anzahl der übrigen Beratungs- und Hilfeeinrichtungen darauf ausgerichtet, dass Stalking ein ganz eigenes Problemverhalten mit eigenen Ausgangskonstellationen darstellt. Auch wird allgemein zu wenig zur Kenntnis genommen, dass alle Geschlechter auf der Seite der Täter*innen wie auch der Opfer vorkommen.

9.1.1 Zielsetzung und Ablauf

Das Aufzeigen der Mängel, Missstände und Entwicklungsaufgaben sollte uns nicht davon abhalten, in diesem Beitrag all jene uns bekannten Einrichtungen in Deutschland vorstellen zu können, die einen oder mehrere Teilaspekte von Hilfen bei Stalking anbieten.
Aus der eingangs beschriebenen Problematik, dass wir so viele Ratsuchende aus anderen Regionen ohne konkrete Weitervermittlung lassen mussten, ist unsere Initiative erwachsen, zu möglichst vielen Beratungsstellen mit Hilfe eines Fragebogens Kontakt aufzunehmen, um zukünftig »Nicht-Berliner-Ratsuchenden« hilfreiche Auskünfte über regionale Beratungsmöglichkeiten geben zu können.
Ein weiteres Ziel der Umfrage war selbstverständlich auch, dass wir das vor Ort gesammelte Erfahrungswissen zu diesem immer noch neuen Problemfeld bündeln und die Grundlagen für einen fachlichen Austausch schaffen wollten.
Wir haben als Quellen weitere Informationswege genutzt: Eine von den Autor*innen durchgeführte Internetrecherche wurde ergänzt durch unstrukturierte Interviews im Rahmen des kollegialen Austausches. Hinzu kamen die Antworten auf den Fragebogen, der an 40 Einrichtungen abgeschickt wurde.
Der Fragebogen beinhaltete insgesamt 18 Fragen und deckte zwei Bereiche ab: allgemeine Angaben zur Exploration struktureller Bedingungen und inhaltliche Informationen wie Ziele, Schwerpunkte, Konzepte und Methoden der Beratung. Die Befragten wurden gebeten, den Fragebogen so ausführlich wie möglich zu beantworten. Wegen großer struktureller Unterschiedlichkeit der Einrichtungen und selektiver Rückmeldungen zu einzelnen Fragen, die eine statistische Auswertung behindern, entschieden wir uns für eine qualitative Beschreibung der Einrichtungen, von denen wir ausgefüllte Fragebögen erhalten haben. Wir erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

9.2 Beratungseinrichtungen bundesweit

9.2.1 Allgemeine Klassifikation der Einrichtungen

Der Fragebogen und die Recherche differenzierten die Angebote nach folgenden Kriterien:
• Richtet sich das Beratungsangebot an Stalker*innen oder an Stalkingbetroffene oder an beide Seiten?
• Zielt das Angebot auf jede Art von Stalking, unabhängig von der Motivation der Stalker*innen, oder geht es primär um die Bearbeitung der Stalkingproblematik bei ehemaligen Intimpartner*innen im Kontext der Gewalt in nahen sozialen Beziehungen?
• Ist das Angebot geschlechtsspezifisch (nur für Frauen, Männer oder andere Geschlechtsdefinitionen) oder steht es allen Geschlechtern zur Verfügung?
• Findet die Beratung im Einzelsetting oder als Gruppenangebot statt?
Im Folgenden wird eine Beschreibung der Beratungsstellen anhand ihrer Zielgruppe und Geschlechtsspezifität unternommen.

9.2.2 Beratung sowohl für Stalker*innen als auch Stalkingbetroffene

Geschlechtsübergreifend

Seit 2006 berät das Stalking-KIT (Kriseninterventionsteam) Bremen im Rahmen einer Täter-Opfer-Ausgleich-Einrichtung sowohl Stalkinggeschädigte als auch Stalker*innen. Das Stalking-KIT entstand zunächst als EU-Projekt mit Partnereinrichtungen aus Schweden, Großbritannien, Polen und Italien. Die psychologischen Beratungsgespräche werden an einem besonders niedrigschwelligen, zentral gelegenen, auch mit dem ÖPNV gut zu erreichenden Ort angeboten. Die Lage wahrt gleichzeitig eine Anonymität. Beratungen werden im Umfang von 20 Wochenstunden angeboten. Gespräche werden nach Bedarf, anfangs wöchentlich, später etwa 14-tägig, durchgeführt. Beratungen bei sehr komplexen Situationen können auf längere Zeit angelegt werden. »Überprüfungstermine« finden einige Monate nach Beendigung des Nachstellungsverhaltens statt. Das Bremer Stalking-KIT ist mit den Einrichtungen Stop-Stalking Berlin, der Bundesarbeitsgemeinschaft-Stalking, dem DBH – Fachverband für soziale Arbeit, Strafrecht und Kriminalpolitik – und mit Neustart Österreich – einer Gesellschaft, die Gerichtshilfe-, Bewährungshilfe und Täter-Opfer-Ausgleich anbietet – vernetzt. Der Ansatz des Bremer Stalking-KIT wurde 2007 vom deutschen Bundesministerium der Justiz als best-practice zu Konferenz des Europäischen Präventionspreises gemeldet (Weiteres über das Bremer Stalking-KIT
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Kap. 16, http://www.stalking-kit.de/).
Stop-Stalking Berlin wurde 2008 als Beratungsstelle für Stalkingtäter, ihre Angehörigen und Fachkräfte, die mit Stalking im beruflichen Alltag zu tun haben, gegründet. 2014 erweiterte die Beratungsstelle ihr Angebot und berät seitdem auch Stalkingbetroffene. Ein multiprofessionelles und multikulturelles Team, zur Zeit aus vier festangestellten Berater*innen und zwei freien Mitarbeiter*innen mit Qualifikationen in psychologischer Psychotherapie, Psychologie, Pädagogik und Sozialpädagogik, bietet Beratungen außer Deutsch auf fünf weiteren Sprachen an. Zur Arbeit der Beratungsstelle
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Kap. 10, http://www.stop-stalking-berlin.de/.
Das Interventionszentrum gegen häusliche Gewalt des Pfälzischen Vereins für soziale Rechtspflege Südpfalz e. V. Landau arbeitet sowohl mit den Betroffenen, als auch mit den Täter*innen und mit den von Gewalt betroffenen Fam...

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