Nikomachische Ethik
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Nikomachische Ethik

Dorothea Frede, Dorothea Frede

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Nikomachische Ethik

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Kein Text aus der Antike hat in den letzten Jahrzehnten weltweit so viel Aufmerksamkeit erfahren wie die Nikomachische Ethik. Dieser Entwicklung sucht die neue Übersetzung durch TextnĂ€he und VerstĂ€ndlichkeit Rechnung zu tragen, die dieses Werk nicht allein Fachleuten zugĂ€nglich macht.

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Information

Publisher
De Gruyter
Year
2020
ISBN
9783110565690

KOMMENTAR

Die Vorzeichnung des GlĂŒcks
als Ziel des menschlichen Lebens

Buch I

Allgemeine Vorbemerkungen

Wie bereits in der Einleitung erwĂ€hnt, steht in der Nikomachischen Ethik immer wieder die Frage an, ob es sich hier um ein Werk ‚aus einem Guss‘ handelt, d.h. ob ihm eine einheitliche Konzeption zugrunde liegt oder ob es BrĂŒche aufweist, die Anzeichen dafĂŒr sind, dass Aristoteles verschiedene AnsĂ€tze verfolgt, mit der Redaktion nicht fertig geworden ist oder spĂ€tere ErgĂ€nzungen hinzugefĂŒgt hat. Das erste Buch folgt zwar insgesamt einer klaren Linie bei der Bestimmung des GlĂŒcks als des höchsten menschlichen Guts, es ist aber auch nicht frei von Wiederholungen, und es wird nicht immer unmittelbar deutlich, ob Aristoteles, etwa bei der Bestimmung der Kriterien des guten Lebens, einen einheitlichen Ansatz verfolgt oder unterschiedliche Aspekte ins Spiel bringt.
Wie Aristoteles’ wiederholte Verweise auf den ‚umrisshaften‘ Charakter des Gesagten nahelegen, dient dieses Buch vor allem der Vorzeichnung der Kernfrage des ganzen Werks in ihren GrundzĂŒgen: Was ist das GlĂŒck als das höchste durch Handeln zu erreichende Gut, worin besteht es, welche Eigenschaften bzw. FĂ€higkeiten setzt es voraus? Und inwiefern hĂ€ngt es von Ă€ußeren UmstĂ€nden ab? Zu dem umrisshaften Charakter dieser Vorzeichnung passt nicht nur der fĂŒr Aristoteles auch sonst charakteristische karge Stil, sondern auch die Tatsache, dass er die ErlĂ€uterungen seiner eigenen Vorgaben und die Rechtfertigung seiner Konzeption des GlĂŒcks auf das Nötigste beschrĂ€nkt. So verzichtet er auf eine eingehende kritische Durchmusterung der Meinung seiner VorgĂ€nger, mit Ausnahme von Platons Idee des Guten (Kap. 4), sondern begnĂŒgt sich mit Verweisen auf die UnzulĂ€nglichkeit der gĂ€ngigen Meinungen ĂŒber das GlĂŒck (Kap. 3; 5) und mit der Berufung darauf, dass der Entwurf (Kap. 7: perigraphĂȘ) seiner eigenen Konzeption des GlĂŒcks nicht nur den von alters her akzeptierten philosophischen Ansichten entspricht (Kap. 8), sondern sich, nach einigen Modifikationen, auch mit bestimmten weiteren Anforderungen vereinbaren lĂ€sst, die man an das GlĂŒck stellt (Kap. 9).
Angesichts der knappen Darstellungsweise dieses Entwurfs ist es nicht immer leicht auszumachen, wie Aristoteles’ AusfĂŒhrungen zu verstehen sind, d.h. welche Beweiskraft er fĂŒr seine Behauptungen und Rechtfertigungen in Anspruch nimmt und welchen Zusammenhang er zwischen ihnen sieht. Denn auf eine ‚dialektische‘ Rechtfertigung seiner Feststellungen durch AbwĂ€gungen von FĂŒr und Wider verzichtet er weitgehend. Dies gilt insbesondere fĂŒr die Behandlung des Hauptanliegens des ersten Buchs, die Bestimmung und Rechtfertigung der Definition der eudaimonia als „TĂ€tigkeit der Seele gemĂ€ĂŸ der Tugend“, die mit Kap. 9 ihren Abschluss findet. Die weiteren Kapitel beschĂ€ftigen sich zunĂ€chst mit Fragen des Erwerbs, der Sicherstellung und der Bewertung des GlĂŒcks (Kap. 10–12). Dass diese Erörterungen im Vergleich mit den so knapp gehaltenen grundlegenden Kapiteln ausfĂŒhrlich ausfallen, erklĂ€rt sich vermutlich auch daraus, dass Aristoteles diese Nebenfragen nur an dieser Stelle behandelt. Erst das Schlusskapitel (Kap. 13) fĂŒhrt die fĂŒr alles Weitere bedeutsame Differenzierung der beiden Arten von Tugenden ein.
Die Definition des GlĂŒcks als ‚TĂ€tigkeit der Seele‘ ist nun alles andere als selbstverstĂ€ndlich, wie auch Aristoteles’ Verweise auf die Vielfalt an sonstigen Vorstellungen von der Natur des GlĂŒcks zeigen. Zudem ist prima facie nicht klar, ob er unter ‚dem höchsten Gut‘ ein einheitliches ‚dominantes‘ Ziel oder ein ‚inklusives‘ Ziel versteht, das eine Vielfalt von GĂŒtern umfasst. Eine eindeutige Antwort gibt der Text auf diese Frage in diesem Buch nicht. Einerseits wird das GlĂŒck als das letzte Ziel aller TĂ€tigkeiten gekennzeichnet, dem alle anderen GĂŒter untergeordnet sind, andererseits wird das GlĂŒck wie eine geordnete Vielfalt von GĂŒtern behandelt, wie es die Vertreter einer ‚inklusiven‘ GlĂŒckskonzeption unterstellen. Der Grund fĂŒr diese Ambivalenz liegt vor allem in Aristoteles’ epagogischer Vorgehensweise. Er geht nĂ€mlich zunĂ€chst von einer Reihe allgemeiner Feststellungen aus, von denen er annimmt, dass ihnen jeder bei hinreichender Überlegung zustimmen wird. Zu diesen Feststellungen gehört etwa, dass GĂŒter und Ziele gleichzusetzen sind und dass sie sich in ein gewisses Ordnungssystem bringen lassen. Auf dieser Basis kommt er zu der allgemeinen Bestimmung des guten Lebens, der eudaimonia, als des umfassenden, durch Handeln gemĂ€ĂŸ der Tugend erreichbaren Ziels. Diese Vorgehensweise erklĂ€rt zugleich, warum Aristoteles nicht umgekehrt von einer ‚reichen‘ Definition des guten Lebens bzw. der eudaimonia ausgeht, um dann ‚analytisch‘ die dafĂŒr erforderlichen Bedingungen und Komponenten zu ermitteln. Die epagogische Zugangsweise im Ausgang von der Zielorientiertheit aller menschlichen TĂ€tigkeiten hat auch deshalb ihre Schwierigkeiten, weil Aristoteles die fĂŒr seine Zwecke relevanten Voraussetzungen zwar oft erwĂ€hnt, die damit verbundene Absicht aber nicht immer deutlich macht.
Es gibt aber zwei GrĂŒnde dafĂŒr, dass Aristoteles nicht geradewegs diejenigen erstrebenswerten GĂŒter/Ziele auswĂ€hlt, die fĂŒr das gute Leben erforderlich sind – etwa mit der Rechtfertigung, der Mensch sei ein aktives Lebewesen und somit könne man sich bei der Bestimmung des Guten auf die dafĂŒr relevanten AktivitĂ€ten beschrĂ€nken. Zum einen ist zunĂ€chst eine allgemeine Ordnung und Rangordnung unter sĂ€mtlichen Zielen herzustellen. Zum anderen ist im ‚guten Leben‘ auch Raum fĂŒr GĂŒter, die keine Handlungsziele sind. Erst wenn die Konzeption des guten Lebens in ihren GrundzĂŒgen feststeht, lĂ€sst sich unter den verschiedenen GĂŒtern daher eine Ordnung etablieren. Diese Vorgangsweise – vom Allgemeinen, Unbestimmten zum Spezifischeren, Bestimmten – erklĂ€rt, warum Aristoteles zunĂ€chst vieles offen lĂ€sst, was noch der Konkretisierung bedarf. Man sollte ihm daher keine Beweise unterstellen, wo es ihm nur um schrittweise HinfĂŒhrungen und Eingrenzungen zu tun ist. DiesbezĂŒgliche MissverstĂ€ndnisse erklĂ€ren, warum insbesondere Buch I Gegenstand höchst kontroverser Interpretationen und Bewertungen ist. Das gilt insbesondere fĂŒr die Vorzeichnung des/r höchsten Ziels/GĂŒter in Kap. 1–3 und fĂŒr die Definition der eudaimonia und ihre ErlĂ€uterung in Kap. 5–9. Einhelligkeit ĂŒber das, was Aristoteles dort sagt, und ĂŒber seine Vorgehensweise besteht unter den Interpreten bis heute nicht, zumal Aristoteles’ Abgrenzung der eigenen Konzeption gegenĂŒber anderen Auffassungen ĂŒber die Natur des GlĂŒcks bzw. des höchsten Guts sehr knapp gehalten ist (Kap. 2–4). Sie beschrĂ€nkt sich zunĂ€chst auf eine kurze Vorzeichnung des VerhĂ€ltnisses von Zielen und GĂŒtern, gefolgt von einer kritischen Musterung gĂ€ngiger Vorstellungen dazu und ergĂ€nzt durch eine Kritik an Platons Idee des Guten.
Trotz der Knappheit dieser AusfĂŒhrungen und der Kargheit der Ausdrucksweise enthĂ€lt das Buch jedoch manche Wiederholungen und Exkurse, auf die Aristoteles z.T. selbst hinweist. So nimmt er mehrfach Fragen der angemessenen Methodik und ihrer Standards auf (Kap. 1, 2 und 7) und geht auch auf Nebenfragen, wie etwa auf die Maxime des Solon, niemand sei vor seinem Ende glĂŒcklich zu schĂ€tzen, in einer fĂŒr eine EinfĂŒhrung unerwartet ausfĂŒhrlichen Weise ein. Dass Aristoteles gleichwohl davon ausgeht, mit seiner Vorzeichnung des menschlichen GlĂŒcks, der eudaimonia, das Fundament fĂŒr alles Weitere gelegt zu haben, bezeugt der Übergang zur Bestimmung der fĂŒr die menschliche Natur charakteristischen zweifachen Art von Tugend im 13. Kapitel des Buchs, der Tugend des Charakters und der Tugend des Intellekts. FĂŒr diese Grundlegung verweist Aristoteles zudem auf die AutoritĂ€t der politischen Wissenschaft als der ‚Meisterwissenschaft‘ des Lebens fĂŒr den Einzelnen wie fĂŒr die Gemeinschaft. Danach ist es der Staatsmann (politikos) bzw. der Gesetzgeber (nomothetĂȘs), der die Standards des menschlichen Lebens festlegt. Wenn es Aristoteles mit dieser AutoritĂ€t ernst ist, so fragt sich, woher wiederum die Standards dieser Wissenschaft kommen sollen. Eine Grundfrage an die aristotelische Ethik lautet daher: Was weiß der politikos und woher weiß er es? Diese Frage wird aber erst ganz am Ende der EN mit der Erörterung der Erziehung der Gesetzgeber und der Grundlagen der Gesetzgebung wieder aufgenommen (X 10), also mit der Aufnahme der Thematik, die zur Politik ĂŒberleitet.

Kapitel 1: Das menschliche Gute als das Ziel
der Untersuchung

Aristoteles gibt eine allgemein gehaltene EinfĂŒhrung in die Grundfrage nach dem fĂŒr den Menschen Guten, in der er Gutes/das Gute als das Ziel jeder menschlichen BetĂ€tigung bestimmt und dabei auch fĂŒr eine gewisse Hierarchie von Zielen plĂ€diert, auf der letztlich auch das fĂŒr die LebensfĂŒhrung entscheidende Gesamtziel beruhen soll. Als die dafĂŒr zustĂ€ndige Disziplin wird die politische Wissenschaft ausgemacht, da sie sĂ€mtliche fĂŒr das Leben wichtige Faktoren umfasst und dem Wohl der Gemeinschaft dient. Dabei scheint Aristoteles einerseits eine PluralitĂ€t von GĂŒtern anzuerkennen, andererseits aber auch fĂŒr ein höchstes Gut zu argumentieren.
Auf die Vorzeichnung der Thematik folgt ein caveat in Hinblick auf die zu erwartende Genauigkeit der politischen Wissenschaft sowie eine Kennzeichnung der Zuhörerschaft, fĂŒr die seine Vorlesung gedacht ist. In der Ausgabe nach Argyropulos (‚A‘) ist diesen Überlegungen ein eigenes Kapitel gewidmet. Die Ausgabe nach Zwinger/Bekker (‚B‘) geht dagegen von einer Einheit aus, weil Aristoteles am Ende des ganzen TextstĂŒcks zu verstehen gibt, dass er es als Einleitung betrachtet (1095a12 f.: pephroimiasthĂŽ).
(1) 1094a1–1094b11: Gegenstand der Untersuchung ist die Bestimmung des höchsten Gutes, insofern es das Ziel menschlicher TĂ€tigkeiten darstellt. Die dafĂŒr zustĂ€ndige Disziplin ist die politische Wissenschaft. (2) 1094b11–1095a2: Die Genauigkeit entspricht der Materie. (3) 1095a2–13: Die Zuhörer mĂŒssen hinreichende Lebenserfahrungen und eine angemessene charakterliche Erziehung mitbringen.
(1) 1094a1–b11 „Jede Kunst und jede Untersuchung, wie auch jede Handlung und jedes Vorhaben, scheint nach etwas Gutem zu streben“: Wie in vielen seiner grundlegenden Traktate (vgl. z.B. Met. A 1; Pol. I 1; Phys. I 1; Anal. post. I 1) beginnt Aristoteles auch die EN mit einer Art von ‚Kernsatz‘, der zugleich den Gegenstand der Untersuchung in allgemeiner Weise vorzeichnet. Dabei handelt es sich jeweils um generelle Aussagen, von denen Aristoteles annimmt, dass ihnen intelligente Leser − bei hinreichender Reflexion und Erfahrung – zustimmen werden. Es sind also Feststellungen und keine Setzungen. Auf solche Feststellungen lĂ€sst Aristoteles anschließend nĂ€here ErlĂ€uterungen, BegrĂŒndungen oder auch Indizien folgen, die zumeist ebenfalls an die unmittelbare Einsichtigkeit appellieren. Einem festen Schema folgen diese EinfĂŒhrungen jedoch nicht, wie ein Vergleich der oben genannten Texte zeigen wĂŒrde.
(1.1) 1094a1 „Kunst“ (technĂȘ) und „Untersuchung“ (methodos): Das griechische technĂȘ (wie auch das lateinische ars) kann alle Arten von Disziplinen umfassen, sowohl Disziplinen theoretischer Natur, wie Mathematik oder Physik, als auch praktische und produktive Disziplinen, d.h. Kunst und Handwerk im heutigen Sinn. Die Entscheidung, in der Übersetzung an ‚Kunst‘ festzuhalten, ist der Tatsache geschuldet, dass im Deutschen kein Ausdruck zur VerfĂŒgung steht, der alle Arten von Disziplinen – einschließlich der Wissenschaften – umfasst. Eine Einengung von ‚Kunst‘ auf produktive TĂ€tigkeiten ist daher an dieser Stelle nicht berechtigt, wie manche Übersetzer vorschlagen (vgl. G/J II 1, 4 f.; Dirlmeier 1956, 5; Wolf 22007, 25). DafĂŒr spricht auch die Tatsache, dass auch ‚Untersuchungen‘ – methodos – mit einbezogen sind, d.h. Disziplinen, die keine Wissenschaften im strengen Sinn sind, wie etwa die Topik (vgl. dazu Bonitz, Ind. Ar. s.v. 449b 60 f: ipsa disputatio ac disquisitio). Die paarweise Anordnung in der AufzĂ€hlung (Kunst – Untersuchung; Handlung – Vorhaben) dĂŒrfte den weitest möglichen Bereich anzeigen wollen: Zum einen geht es um Wissensarten und Untersuchungen, zum anderen um praktische TĂ€tigkeiten (praxis) und Vorhaben (prohairesis). Daher ist nicht vorauszusetzen, dass Aristoteles ‚Handlung‘ und ‚Vorhaben‘ bereits in dem engeren Sinn verwendet, den er fĂŒr praxis und prohairesis spĂ€ter in der EN spezifizieren wird (III 4–5; VI 2); vielmehr schließt er dem allgemeinen Sprachgebrauch entsprechend jede Art von ĂŒberlegter TĂ€tigkeit und jedes sinnvolle Projekt ein.
(1.1.1) 1094a2 „(es) scheint (dokei)“: Vielfach wird die Verwendung des Ausdrucks dokei als Anzeichen verstanden, es gehe um allgemein anerkannten Meinungen (endoxa) und das sog. endoxische Verfahren (vgl. dazu Einleitung § 9). Zwar gibt dokei, seiner Beziehung zu doxa (= Meinung) entsprechend, oft Meinungen wieder, so dass Übersetzungen durch ‚man meint‘, ‚bekanntlich‘, ‚es gilt‘ oder Ähnlichem angezeigt sind, im Unterschied zum Unspezifischen ‚es scheint‘ = eoike oder phainetai. Von einer konsequenten systematischen Unterscheidung kann bei Aristoteles aber nicht die Rede sein (vgl. dazu die Anmerkungen bei Grant 1874, 419 f.). So fĂŒhrt er mit dokei auch eigene Positionen ein, die es noch nĂ€her zu begrĂŒnden gilt. Es ist also von Fall zu Fall zu unterscheiden, welche Art von Eindruck/Meinung und welche Art von Verbindlichkeit vorliegen.
Wie ist nun die allgemeine Feststellung gemeint, jede Disziplin und jede TĂ€tigkeit sei auf ein Gut aus? Aristoteles scheint sich damit auf planvolles Tun im weitesten Sinn zu beziehen. Angesichts der Tatsache, dass von sĂ€mtlichen Disziplinen und Untersuchungen die Rede ist, dĂŒrfte aber keine psychologische ErklĂ€rung im Sinn der Motivation menschlicher BemĂŒhungen gemeint sein (III 6) (Vertreter der psychologischen ErklĂ€rung sind McDowell 1980; Irwin 1980; Höffe 21996; Bostock 2000, 8 f.; Lawrence 2006; dazu kritisch BrĂŒllmann 2011, 48–53; 108–116). Die unpersönliche Konstruktion legt vielmehr nahe, dass es um die teleologische Ausrichtung jeder Art von Disziplin und TĂ€tigkeit geht. Zugleich ist damit angezeigt, dass GĂŒter und Ziele gleichzusetzen sind (so auch Pakaluk 2005, 49). Wie ...

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