Unruhestand
Kaffeehaus, frĂŒher Nachmittag, innen:
âServus Karin, schön, dass dâ Zeit hast.â
âHallo Elli. Freilich habâ ich Zeit. Aber sag, was gibtâs?
Warum hast angrufen?â
âNa jaâ, die Elli seufzt, âwegen dem Herbert halt. Wir haben eindeutig ein Problem.â
âAuweh. Geht er fremd, gell?â
âAber was, schön wĂ€râs.â
Der Kellner kommt. Es werden zwei Melangen bestellt sowie eine EsterhĂĄzy-Schnitte und ein StĂŒck Malakofftorte. Dabei wirft die Karin der attraktiven Servierkraft einen interessierten Blick zu. Um sodann den Faden der Unterhaltung wieder aufzunehmen:
âAha, kein Fremdgehen. Gut. Was dann?â
âWeit schlimmerâ, die Antwort der verzweifelten Freundin, âin Pension is er. Rente, verstehst?â
âAuauauauau, das is hart. A echts Problem. Seit wann?â
âDrei Wochen schonâ, die Elli schnĂ€uzt sich gerĂ€uschvoll zwischen zwei Bissen EsterhĂĄzy, âund jetzt habâ ich ihn halt da sitzen. Den gan-zen Tag, verstehst?â
âGeht er denn nie wohin? Ausâm Haus, fort, gar nix?â, wird nachgefragt.
âEben nicht, das is es ja. Ich sagâ eh immer: Geh halt amal spazieren, a bisserl in dâStadt oder so. Mag er ja ned, der Stoffel.â
Die Karin legt der Elli die Hand auf die Schulter, tröstet sie in ihrem schweren Schicksal. DafĂŒr sind gute Freundinnen da.
Zur gleichen Zeit: Wirtshaus, Gastgarten, auĂen.
âServus Karl, schön, das dâ Zeit hast, sitz di her.â
âEh klar, habâ i Zeit, fĂŒrn Gastgarten oiwei.â Setzt sich.
âWas gibtâs, Herbert, du wolltst was besprechen mit mir, hast gsagt?â
âNo jo, um die Elli gehtâs. Die benimmt se de letzten Wochen so komisch.â
âAha. Meinst, geht sâ fremd, ha?â
âGeh, de Elli do ned. Kann i mir ned vorstellen.â
Die fesche Kellnerin kommt und der Karl bestellt ein Bier nebst Essigwurst. Zwinkert ihr dabei ein bisserl zu. Schaut ihr noch etwas nach, bevor er sich wieder an den Herbert wendet:
âSauberne Figur, des Madl. Aber wieder zur Elli. Was heiĂt komisch benehmen? Was tut sâ, was sagt sâ? Und seit wann?â
âNa ja, seit drei Wochen circa. Seit i halt in Pension bin. Is mir vorher nie so aufgfallen, wie die auf mi fixiert is. LĂ€sst mich nicht aus den Augen, verstehst? Gehâ i mal kurz vor dâTĂŒr, fragt sâ glei: âWo warst du? Warst spazieren? Was hast gmacht?â I kommâ kaum mehr weg. Dass wir jetzt da so sitzen, geht a nur, weil sâ grad a Freundin trifft. Hat anscheinend Probleme, die andere, und will reden, hat sâ gsagt, wos was i.â â âJaja, die Weiberleutââ, sagt der Karl, âdes kennâ i.â Die beiden stoĂen an.
WĂ€hrenddessen im Kaffeehaus:
âI warâs halt gwöhnt, dass er untertags ned da isâ, sagt die Elli grad zur Karin, nachdem sie eine weitere Melange bestellt hat, âund i mein Haushalt fĂŒhrâ wie die letzten Jahrzehnte halt a. Aber jetzt is er da. Und gscheidelt ĂŒberall umadum, furchtbar!â
âWenn du meinen Rat willst âŠâ, sagt die Karin und winkt dem Kellner.
âJa gern, sowieso. Drum habâ ich ja angrufen.â
â⊠dann bestellâ ich uns jetzt erstamal zwei Glaserl Prosecco. Mit dem Kaffeegschledarat kommst ja auf koan gscheiten Gedanken.â
Im Wirtshaus-Gastgarten sind der Herbert und der Karl gerade beim jeweils dritten Bier, welchem aus Ă€hnlich taktischen Ăberlegungen ein Schnapserl zur Seite gestellt wurde.
âDie Meineâ, sagt der Karl, nachdem er sein Stamperl gekippt hat, âdie hat si a verĂ€ndert, nachdem i in Ruhestand gangen bin.â
Der Karl war Beamter, da geht man nicht in Pension. Da wird man in den Ruhestand versetzt.
âDasselbe Theater. Is ma nicht von der Seite gewichen. Direkt nachgschlichen isâ ma durchs Haus. Furchtbar.â
âUnd was hast gmacht?â, will der Herbert wissen.
âEin Hobby muss her, habâ i beschlossen. Und zwar so eins, wo ma öfter moi weg muaĂ, verstehst? Seither bin i Kassier beim FuĂball-AnhĂ€ngerverein. Da hat sâ zwar am Anfang a bisserl gmault, aber i habâ mi durchgsetzt. Sowas brauchst du auch, mein Freund!â
âKeine Chanceâ, ist der Herbert ĂŒberzeugt, âdes passt ihr sicher ned, meiner Elli.â
Im Kaffeehaus hat man mittlerweile auf Vorschlag des charmanten Kellners eine ganze Flasche Prosecco bestellt. NullsiebenfĂŒnf, das sind grad mal drei Glaserl pro Dame und von wegen Preisvorteil und so.
âSuch ihm ein Hobbyâ, verkĂŒndet die Karin in der nun schon etwas gelockerten AtmosphĂ€re, âdann hat er was zu tun und is ned allerweil lĂ€stig. Aber eins, wora öfter auĂer Haus muaĂ. Dann hast wenigstens ab und zu dei Ruhâ!â
âI woaĂ nedâ, zweifelt die leidgeplagte Freundin, âder Herbert und a Hobby? So faul wie der is?â
âSetz dich durchâ, insistiert die Karin, âsonst hast ihn viarazwanzg Stundn am Gnack! Der Meine is jetzt Kassier beim FuaĂbolla-Fanclup, der wollt zâerscht a ned.â
âSport geht beim Herbert gar ned. Faul, wie gsagt.â Die Elli schenkt sich aus der Flasche nach, der Prosecco schmeckt ihr. âAber gscheit daherredn, des kann der Herr Inscheniör.
Neulich hat er mir erklĂ€rn wolln, wia ma Wiaschtln siadt, glaubstas? Seit vierzg Jahr tua i die Wiaschtln ins koide Wossa und drah auf den Ofen. Ham eahm immer gschmeckt. Jetzt tat er mir erklĂ€rn, dass des a fĂŒsikalischa Bledsinn warad. A Hobby muaĂ her, oba safurt!â
Im Wirtshaus-Gastgarten hat die Jacqueline, die Kellnerin, beim zweiten Schnapserl einen mitgetrunken. Kundenbetreuung sozusagen.
âWie des ohne mi solang alles funktioniert hat dahoam, frag i mi eh.â Der Herbert, dessen vorhin bestelltes Paar Frankfurter mittlerweile serviert worden war, unterstreicht seine Aussage, indem er sich mit dem WĂŒrschtl an die Stirn tippt. Dabei bleibt ein bisserl Senf ĂŒber der rechten Augenbraue picken. âWasser aufstellen, aufdrehn, habâ ich ihr gsagt. Wanns kocht, Wiaschtln eini, Ofen aus! Alles andere is fiskalischa Schmarrn, oder?â Er ist jetzt schon etwas aufgekratzt und wirkt nun selbstbewusster als zu Anfang.
âUnd de Meineâ, stimmt ihm der Karl zu, âschwoabt ein jedes Teller zâerscht pippifein ab, bevor sâ es in GschirrschpĂŒla ramt. FĂŒr was is des guat, ha?â
Die beiden Herren sind sich augenscheinlich einig, dass gewisse haushaltliche TĂ€tigkeiten die Frau an sich ĂŒberfordern. Aber zurĂŒck zum eigentlichen Thema. Dem neuen Hobby vom Herbert.
âDunkelkammer!â, verkĂŒndet der Karl nach einem dezenten RĂŒlpser, âeine Dunkelkammer machst du dir im Keller, des is des Richtige.â
Der frisch pensionierte Freund versteht nicht gleich. âWas fĂŒr a Kammer? FĂŒr was?â
âWeil du jetzt zum Fotografieren anfangst, als Hobby, verstehst? Da bist oft weg und dahoam, wann âs rote Liachtl ĂŒber der TĂŒr brennt, dann is Eintritt verboten fĂŒr die Elli. Wegen der Belichtung, verstehst?â
Jetzt dÀmmert es dem Herbert, dass sein Freund gerade eine geniale Idee gehabt hat, eine Eingebung sozusagen. Das verlangt nach einer weiteren Runde.
Die Flasche Prosecco war schneller leer als gedacht. Ungefragt hat der fesche Kellner eine zweite gebracht. Happy Hour wÀre mittlerweile, halber Preis, was is, meine Damen? Auch ein drittes Glas hat er dabei.
âSagamal, Pascalâ, der Kellner hatte sich beim AnstoĂen mit Vornamen vorgestellt. âSagamal, Pascalâ, fragt ihn also jetzt die Elli, âhast jetzt du ein Hobby oder lebst du alleine?â â âWeder nochâ, lautet die Antwort, welche jedoch von der Karin...